Antwort auf das Diskussionspapier „der revolutionären Linken“ Stuttgarts zu Wahlen und Parlamentarismus unter dem Titel „(Nicht) Wählen ändert nicht genug…“
- Libertäre Initiative Stuttgart – GegenStandpunkt Stuttgart -
Anlässlich der Bundestagswahl am 27. September 2009 haben die Libertäre Initiative Stuttgart
und das Libertäre Bündnis Ludwigsburg in Stuttgart eine Kampagne unter dem
Titel „Haben wir eine Wahl?“ ins Leben gerufen, bei der u. a. mit Flyern, Infotischen, eigenen Broschüren,
Diskussionsveranstaltungen und kulturellen Events für eine radikale Kritik am
bürgerlich-demokratischen Staat und seinen regelmäßig stattfindenden Wahlen
sensibilisiert werden sollte.
WIR HATTEN NIE EINE WAHL!
Antwort auf das Diskussionspapier „der revolutionären Linken“ Stuttgarts zu Wahlen und Parlamentarismus unter dem Titel „(Nicht) Wählen ändert nicht genug…“
Libertäre Initiative
Stuttgart – GegenStandpunkt Stuttgart
Alle Zitate, soweit
nicht anders angegeben, aus: „(Nicht) Wählen ändert nicht genug…“
http://web.resist.ca/~infoladenlb/infoladen4/sections/news/news_show.php?id=3217
I. Einleitung
Anlässlich der Bundestagswahl am 27. September 2009 haben die Libertäre Initiative Stuttgart
und das Libertäre Bündnis Ludwigsburg in Stuttgart eine Kampagne unter dem
Titel „Haben wir eine Wahl?“ ins Leben gerufen, bei der u. a. mit Flyern, Infotischen, eigenen Broschüren,
Diskussionsveranstaltungen und kulturellen Events für eine radikale Kritik am
bürgerlich-demokratischen Staat und seinen regelmäßig stattfindenden Wahlen
sensibilisiert werden sollte. Die Kampagne wurde von der Redaktion des GegenStandpunkt-Stuttgart
unterstützt (u. a. durch einen
Referenten und personelle Kapazitäten). AktivistInnen aus dem Umfeld und
Dunstkreis der „Revolutionären Aktion Stuttgart“ haben sich im Vorfeld zwar teilweise
interessiert über diese Kampagne gezeigt, während der Kampagne wurde ein „solidarisches
Verhalten“ von deren Seite allerdings nicht gerade an den Tag gelegt – u. a. wurden Plakate der Kampagne aus dem „subversiv –
soziales Zentrum Stuttgart“ wieder abgehängt und einzelne AktivistInnen rieten
GenossInnen, die Veranstaltungen der Kampagne nicht zu besuchen.
Bei der letzten Diskussionsveranstaltung am 24. September unter dem Titel „DIE
LINKE wählen – eine geeignete Alternative?“ wurden von Personen aus dem Umfeld
des „subversiv“ bzw. der „Revolutionären Aktion Stuttgart“ (RAS) Flugblätter
verteilt, die die Kampagne politisch angriffen. Darauf wollen wir mit diesem
Papier gemeinsam antworten.
II. Die Machart des Diskussionspapiers – fehlende / verkehrte Argumente
Die VerfasserInnen des genannten Diskussionspapiers bezeichnen sich selbst als „antikapitalistische Linke aus verschiedenen Organisierungen in Stuttgart“ und beanspruchen, mit ihrem Papier „zu einer Debatte zu Wahlen und Parlamentarismus“ beitragen zu wollen. Bei einer Debatte zählen – so sollte man meinen – Argumente, und zwar richtige. Nicht so offenbar bei diesen „revolutionären Linken“: Bevor sie auch nur ein einziges Argumente aufgeschrieben haben, attestieren sie sich ein hohes „Niveau“; und bevor sie auch nur ein einziges Argument ihrer Debattengegner widerlegt hat, bescheinigen sie denen ein niedriges Niveau, befindet sich ihr Flugblatt doch nach eigenen Worten „(notwendigerweise) deutlich über dem Niveau der Beiträge […], die dazu bisher von den Gruppen der Wahlboykott-Kampagne veröffentlicht wurden.“ Mit Wahlboykott-Kampagne scheint die „Haben wir eine Wahl?“-Kampagne gemeint zu sein, was mit „Niveau“ gemeint sein soll, können wir nicht beurteilen, zeichnet sich besagtes Flugblatt doch gerade dadurch aus, dass kein einziges Zitat der Kampagne verwendet wird und kaum ein inhaltliches Argument fällt. Eine interessante Herangehensweise: Die UrheberInnen von politisch gegensätzlichen Positionen geistig herabzustufen, um sich nicht mehr mit deren Argumenten befassen zu müssen. Wenn das die herrschende Diskussionskultur von „revolutionäre[n] und kommunistische[n] Linke[n]“ auszeichnet, möchten wir zu diesen Linken nicht gezählt werden. Passend betonen sie ihr Problem mit „dogmatische[n] und radikalistische[n] Phrasen“, ohne auch nur im Ansatz zu erläutern, was sie darunter verstehen, und erst recht nicht, was ihr inhaltliches Problem mit den so in Diskredit gebrachten Positionen ist – wofür also Argumente, wenn man eh „klüger“ als der Diskussionspartner ist?!
III. Erwiderung auf falsche Vorwürfe
Ein Großteil des besagten Diskussionspapiers behandelt die Kandidatur von Ariane Raad aus dem außerparlamentarischen Spektrum über die offene Liste der Linkspartei zu den Kommunalwahlen ’09. Weil wir zu diesem Thema nicht gemeinsam gearbeitet haben und eine ausführliche Behandlung davon den Rahmen sprengen würde, werden wir darauf nicht eingehen. Allerdings nimmt einen eigenen Abschnitt eine „Kritik“ unserer Kampagne in diesem Flugblatt ein, auf deren Hauptpunkte wir hier eingehen wollen:
1.) „Schlimmer als blind sein, ist nicht sehen wollen.“ (Wladimir I. Lenin)
Es wird unterstellt, dass das Ziel der Kampagne gewesen sei, „möglichst viele Menschen von den Wahlurnen fernzuhalten“. Liebe „revolutionäre Linke“! Der Kampagne wird da ein Zweck unterstellt, den sie nie hatte. Die gemeinsame Kampagne sollte für Kritik an Staat und Kapital sensibilisieren, sollte eine Gegenposition öffentlich machen, bei der der Zweck demokratischer Wahlen zur Debatte gestellt wird. Die Bundestagswahl als solche wurde nur als Aufhänger benutzt, der Wahlkampf als Phase, in der sowieso viel Politisches diskutiert wird, um in ihn aus antikapitalistischer Sicht einzugreifen. Das wurde im Vorfeld, in Veröffentlichungen und bei den Veranstaltungen auch stets so vermittelt. Der einzige Schluss, den wir daraus ziehen können, ist, dass diese Leute uns bewusst falsche Absichten unterstellten. Wir zitieren aus den Veröffentlichungen der „Haben wir eine Wahl?“-Kampagne, um deren Anspruch gegenüber diesen „kommunistische[n] Linke[n]“ nochmals zu betonen.
Aus
einem Interview, das vor der Kampagne veröffentlicht wurde:
„Wir wollen mit dieser Kampagne für eine Kritik an den Wahlen
sensibilisieren, wollen die entscheidende Frage stellen, die niemand stellt:
Haben wir eine Wahl – und wenn ja, welche?!“
Aus
der Broschüre zur Kampagne:
„Die wichtigste Frage ist, […] ob wir den menschlichen Bedürfnissen im Leben
Platz geben, […] oder ob wir anderen die Macht dazu übertragen wollen. […] Die
eigenständige Bewegung ist von Bedeutung – im Parlamentarismus verebbt sie stets“
2.) „Egal welche Scheiße du wählst – du musst sie fressen!“ (Aufkleber der Kampagne)
Einen der wenigen inhaltlichen Vorwürfe (mit falschen Behauptungen gespickt), den wir in besagtem Flugblatt ausfindig machen konnten, ist ein Vorwurf der Verharmlosung der NPD, kombiniert mit einem unsäglichen Angriff auf die [LISt], das (LB)² und den GegenStandpunkt:
„Dass die inhaltlich fragwürdige Politsekte Gegenstandpunkt die Kampagne dominiert, dürfte der Grund dafür sein, dass auf Aufklebern die Linkspartei mit anderen Parteien, u. a. der NPD gleichgesetzt und alle jeweils als Scheißhaufen dargestellt werden. Abgesehen von der so stattfindenden Verharmlosung der NPD muss die Frage gestellt werden, inwieweit die Gruppen LIST und LB2 bei diesem Umgang zukünftig mit anderen linken Gruppen, die nicht auf ihrer Linie sind, überhaupt noch Bündnisse eingehen wollen oder können.“
Vorneweg: [LISt] und (LB)² vorzuwerfen, sich vom GegenStandpunkt „dominieren“ zu lassen, ist nicht nur falsch, sondern dient vor allem dem Zweck, diese Gruppen herabzustufen, sie nicht als politische Gruppierungen ernstzunehmen, sondern lediglich als fremdbestimmte Objekte, die nicht selber denken könnten und mit denen man sich dann eben auch nicht mehr auseinandersetzen müsse, abzuqualifizieren. Die weitergehende Verunglimpfung des GegenStandpunkts als „Politsekte“ reiht sich ganz in die Machart und Herangehensweise dieser „revolutionären Kräfte“ ein. Zur Klärung: Niemand wurde „dominiert“ (wie soll man im Denken auch dominiert werden können?), alle Veröffentlichungen der Kampagne einschließlich besagter Aufkleber wurden ausschließlich von den Gruppen [LISt] und (LB)² verfasst bzw. entworfen und gelayoutet. Die Redaktion des GegenStandpunkts hat die Kampagne – wie bereits gesagt – mit einem Referenten, personellen Kräften und Räumlichkeiten unterstützt.
Aber selbst wenn die Gruppen [LISt] und (LB)² mit den GenossInnen des Gegenstandpunktes in gemeinsamer Diskussion feststellen, dass sie in bestimmten Punkten auf die gleichen richtigen Schlüsse kommen, dann ist das gut und nicht schlecht – unabhängig davon, wer von wem das eine oder andere Argument hat.
Nun zum Vorwurf selber: Da scheint wieder jemand nichts von Parteien, Demokratie und Kapitalismus begriffen zu haben. Statt sich erst mal mit unserer These bzw. Kritik zur Funktion der Parteien im Kapitalismus zu befassen, wird gleich wieder „Verharmlosung“ geschrien – passend wäre im selben Atemzug der Ruf nach einer antifaschistischen Einheitsfront, als ob die Faschisten kurz vor der Machtübernahme stünden.
Eine Deklarierung aller Parteien als „Scheiße“, als Instanz, die unseren Lebensbedingungen schadet, von der wir nichts zu erwarten haben, hat nichts mit einer bedingungslosen „Gleichsetzung“ derselben zu tun. Verglichen werden die Parteien da schon, und Gemeinsamkeiten festgestellt: Alle scheren sich um dasselbe, alle wollen sie, dass es mit Deutschland wieder bergauf geht, sich das nationale Konstrukt in der imperialistischen Konkurrenz durchsetzt und die kapitalistische Krise überwunden wird. Auch DIE LINKE führt, wo sie an der Macht ist, Angriffe gegen unsere Lebensbedingungen durch: In Berlin beispielsweise, wo der rot/rote Senat Überwachungsgesetze verschärft und den Staatshaushalt auf Kosten der Einkommen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und zu Lasten der Sozialkassen „saniert“. Auch DIE LINKE beugt sich den systemimmanenten Zwängen und sorgt dafür, dass der Reichtum produziert wird, der unsere Armut schafft. Als Anwärter auf die Verwaltung des Kapitalismus, in der die lohnabhängige Klasse zu ihrem eigenen Schaden Reichtum in fremder Hand schafft, schadet DIE LINKE als potentielle Führungskraft des bürgerlichen Staats zwangsläufig den Interessen dieser Klasse.
Auch wir wissen, dass DIE LINKE nicht das Gleiche wie die NPD ist, aber die soeben erwähnten Gemeinsamkeiten gibt es schon. Statt jedoch diese mit uns zu diskutieren und vielleicht auf einen gemeinsamen Schluss zu kommen, wird von den AutorInnen wieder über alle Unterschiede hinweg die antifaschistische Einheit mit allen Kräften, die gegen Nazis stehen, beschworen, an der man sich nicht – wie die Kampagne dies getan habe – vergehen dürfte. Oft findet man sich dann eben im selben Boot mit bürgerlichen AntifaschistInnen wieder – als ob wir im konkreten Kampf gegen Faschisten die Demokratie zu verteidigen hätten, und als ob wir für eine Kritik der Nazis einen positiven Bezug auf die demokratische Herrschaft bräuchten.
Aus
der Broschüre zur Kampagne:
„Der NPD kommt im Gegensatz zu den anderen Parteien eine gesonderte Stellung
zu: Sie ist eine faschistische Partei. [Sie will die] Demokratie […] abschaffen
[…], um ein faschistisches Herrschaftssystem aufzubauen. […] Faschisten und Demokraten
[dürfen] […] nicht gleichgesetzt werden. Antifaschismus als Kampf gegen Nazis und eine
Gegnerschaft zur NPD sind […] notwendiger Bestandteil einer fundierten Kritik
des Systems. […] [Wir] erleben […] in Gebieten, in denen die Faschisten eine
Machtposition innehaben, eine unglaubliche Eskalation der Verhältnisse. […]
Wir sind keine Freunde der bürgerlichen Demokratie, das dürfte […] klar
geworden sein, aber Freunde von Nazis sind wir noch viel weniger!“
3.) „Erst Klarheit, dann Einheit!“ (Karl Liebknecht)
Eine Generallinie der „revolutionäre[n] Linke[n]“ Stuttgarts scheint das andauernde Hochhalten der Einheit der Linken und eine inhaltslose Verurteilung von „radikalistischem Sektierertum“ zu sein: Gelobt werden besonders Aktivitäten wie der „Aktionstag am 17. September, bei dem es darum ging, den breiten Widerstand gegen die herrschende Politik in Schule, Uni, Betrieben und auf der Straße zu propagieren“ bei einer gleichzeitigen Abgrenzung „vom substanzlosen Phrasengedresche diverser besonders radikaler Gruppen“. Auch bei der Podiumsdiskussion unter dem Titel „DIE LINKE wählen – eine geeignete Alternative?“ im Rahmen der „Haben wir eine Wahl?“-Kampagne wurden v. a. aus besagten Kreisen beständig ähnlich klingende Forderungen bzw. Anschuldigungen laut. Es scheint unter diesen Leuten sogar ein gültiges (Totschlag‑)Argument zu sein, anderen vorzuwerfen, sie würden nichts machen und ständig nur kritisieren. Dabei ersparen es sich „revolutionäre Linke“ völlig, unsere Kritik, die ihnen nicht passt, inhaltlich zu widerlegen, sie behaupten stattdessen, dass, wer bei ihren Projekten nicht mitmacht, überhaupt nichts macht. Als ob das Erarbeiten und Vorbringen notwendiger Kritik und die Einigung mit den so Kritisierten nicht die unerlässliche Voraussetzung fürs gemeinsame Machen wäre. Gerne hätten sie diese Leute zwar wohl dabei – in Bündnissen wie z. B. zum 17. September –, geht es ihnen doch um die Breite des jeweiligen Bündnisses, aber eben nicht als Kritiker, sondern als treue Bündnispartner.
Wir wollen uns in dieses beständige Rufen nach Einheit nicht einreihen, sondern halten es für sinnvoll, bevor man ein einheitliches Handeln entwickelt, doch erst mal zu klären, gegen wen und für was man kämpfen sollte. Wenn man sich in diesen Punkten einig geworden ist, dann kann mensch beginnen, gemeinsam zu kämpfen.
Wenn sich „revolutionäre Kräfte“ wie die „Revolutionäre Aktion Stuttgart“ allerdings intensiv in Aktivitäten wie den „Krisenaktionstag“ am 17. September einmischen und diesen schon als ersten Schritt hin zu einer anderen Gesellschaft begreifen, scheinen sie nicht begriffen zu haben, dass die Forderung nach einer Bewältigung der Krisenlasten durch die Profiteure dieses Wirtschaftssystems mit Revolution herzlich wenig zu tun hat.
Doch
die AutorInnen gehen noch einen Schritt weiter:
„[Es] muss die Frage gestellt werden, inwieweit die Gruppen LIST und LB2
bei diesem Umgang [Deklarierung der Linkspartei als „Scheißhaufen“, Anm. d.
Verf.] zukünftig mit anderen linken Gruppen, die nicht auf ihrer Linie sind,
überhaupt noch Bündnisse eingehen wollen oder können.“
Wollen „antikapitalistische
Linke“ damit sagen: Wer sich nicht von vornherein, also vor der Klärung der
Punkte, um die es bei Bündnissen jeweils gehen könnte, zu einer Zusammenarbeit
mit DER LINKEN bekennt, ist für sie nicht mehr bündnisfähig? Wollen sie
wirklich – und das auch noch im Namen „anderer linker Gruppen, die nicht auf
‚unserer‘ Linie“ sind – einen positiven „Bezug zur Linkspartei“ zum Prüfstein
jeglicher Bündnisfähigkeit machen? Da mischt sich wieder der Ruf nach Einheit
losgelöst von deren Inhalt ein, frei nach dem Motto: Wer sich gegen eine linke
Gruppe vergeht, der hat bei uns nichts mehr verloren!
IV.
Offene Fragen zu – Sektierertum
& Dogmatismus
– Strategie & Taktik
– Wahlwerbung für die
LINKE & Kritik an der LINKEN
Merken die „revolutionären Kräfte Stuttgarts“ nicht, wie lächerlich es einerseits ist, wenn in der Welt der kleinen Minderheit der antikapitalistischen Linken in Deutschland eine Gruppe eine andere zur Sekte erklärt und sich zur historischen Tendenz aufbläst? In der gegenwärtigen Situation sind die antikapitalistischen Kräfte insgesamt eine verschwindende Minderheit und sie werden allesamt von denen, die jeden Antikapitalismus für eine gefährliche Spinnerei halten und damit die wirklich herrschenden Tendenzen repräsentieren, als Sektenhaufen beschimpft.
Ist den AutorInnen schon einmal aufgefallen, welche Botschaft die herrschenden Demokraten mit dem Vorwurf „Sekte“ unter die Massen bringen? Allein schon ihre kleine Zahl und ihre weitgehende Isolation von der Mehrheit der Bevölkerung – gerade von denen, für deren Interessen sie einzutreten beanspruchen – ist für Demokraten der untrügliche Beweis, dass es sich bei den Kapitalismus-GegnerInnen um irrende und verirrte, verbohrte bis gefährliche „Dogmatiker“, eben „Sektierer“ handelt. Die Richtigkeit von Kritik hängt – so die Beweisführung mit dem Hinweis auf die kleine Zahl von deren Vertretern – nicht von der Richtigkeit der vorgebrachten Argumente ab, sondern vom Ausmaß an Zustimmung, das sie findet. Also haben Kritiker, deren Kritik von den Herrschenden unter Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung zurückgewiesen wird, unrecht. Dagegen haben recht – und zusätzlich das Recht auf ihrer Seite – in der Demokratie immer diejenigen, die von der Mehrheit der Bevölkerung gewählt sind, und sich danach bei allem, was sie in ihren Ämtern den Leuten antun, auf diese Mehrheit berufen. Diejenigen, die die Macht ausüben, haben es ja auch gar nicht nötig, zu argumentieren. Solange sie die Macht haben, herrschen sie und, solange sie die Zustimmung der Beherrschten finden, sogar höchst bequem, weil mit Billigung der Beherrschten. Leute, die auf grundsätzlicher Kritik bestehen, weil sie die Interessen derer verletzt sehen, die den gesellschaftlichen Reichtum und damit die Machtmittel gegen sie selbst produzieren, sind Minderheiten, die sich dem herrschenden Konsens verweigern, also – Sektierer. Ihren Auffassungen wird die Abweichung vom herrschenden Meinungsspektrum zur Last gelegt. Und weil sie ihre Kritik trotzdem beharrlich vertreten, fangen sie sich zusätzlich noch den Vorwurf Dogmatiker ein, der dann im Zirkelschluss wiederum als Beweis für unbelehrbares Sektierertum dient.
Dass die AutorInnen der „Haben wir eine Wahl?“-Kampagne und den sie tragenden Gruppen LISt und (LB)² „radikalistisches Sektierertum“ vorwerfen und den GegenStandpunkt eine „Politsekte“ nennen, ist allerdings nur einerseits lächerlich, und man könnte das mit dem bekannten Spruch aus der „Titanic“ kommentieren: „Die schärfsten Kritiker der Elche – sind selber welche.“
Andererseits – verrät nicht dieser Vorwurf einiges über den Weg, den „die revolutionären Kräfte“ eingeschlagen haben?
Wenn sie „anderen linken Gruppen, die nicht auf ihrer Linie sind“, nicht falsche Argumente nachweisen, sondern ihnen mit „Sekte“ geringe Größe und mickrigen Einfluss vorwerfen, offenbaren sie damit, dass es ihnen bei der Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht so sehr auf richtig begründete antikapitalistische Einsichten und Strategien ankommt, sondern v. a. auf den Ausbruch aus dem „Ghetto“ der Einflusslosigkeit. Dabei werfen sie denen, die auf ihren Argumenten beharren, weil sie sie als richtig eingesehen haben, vor, was ihnen selber bis vor kurzem noch nachgesagt wurde – „radikalistisches Sektierertum“.
Bei ihrer Zusammenarbeit mit der LINKEN verfahren sie nach folgendem Rezept: Man suche Anschluss an eine Partei mit Einfluss auf die Massen und wende beim Umgang mit der bisherigen eigenen Argumentation und Politik die uralte, verkehrte Dialektik von „Strategie und Taktik“ an. Unter dem Titel „Strategie“ hefte man die „klare revolutionäre Linie“ ab und verkläre das bisherige Ziel einer „herrschaftsfreien Gesellschaft“ zum „Fernziel“. Alles, was in der Zusammenarbeit mit der Nicht-Sekte Linkspartei der Abteilung „Strategie“ widerspricht, fällt dann unter den Titel „Taktik“:
„Die Entwicklung einer klaren revolutionären Linie darf nicht mit der praktischen und theoretischen Abschottung, mit Abgrenzungsritualen und dogmatischen Herangehensweisen verwechselt werden. Dementsprechend schloss eine Kritik am kapitalistischen System und dem dazugehörigen Staat, sowie Aktivitäten gegen den Wahlkampf der rechten und bürgerlichen Parteien einen Bezug zur Linkspartei nicht aus – ein politisches Programm, bzw. eine allgemeine Strategie darf nicht mit einer unmittelbaren Taktik verwechselt werden.“
Dann können „revolutionäre Linke“ „unmittelbar“ taktisch sogar getrost Wahlkampf „für die oder mit den Positionen der Linkspartei“ machen, deren Politik man nach ihren eigenen Worten „dort, wo sie sich an Landesregierungen beteiligt, oft noch nicht einmal mehr als reformistisch [bezeichnen kann], sondern […] als bürgerlich bezeichne[n muss]“. Das macht aber – strategisch gesehen – nichts, solange die „revolutionären Linken“ neben ihrer Wahlpropaganda für DIE LINKE auch noch strategische (oder taktische?) Traditionspflege betreibt: „Ausgeschlossen war und ist lediglich, sich auf den Wahlkampf für die oder mit den Positionen der Linkspartei zu beschränken.“
Wie ist ein Wahlkampf „mit den Positionen der Linkspartei“ vereinbar mit „eine[r] Kritik an der Linkspartei“, also doch wohl an deren Positionen, die die „revolutionäre Linke“ in ihrem Papier für „richtig und notwendig“ hält? Zuerst wirbt man für die „reformistischen“ oder bei Regierungsbeteiligung gar „bürgerlichen“ Positionen der LINKEN – und dann erklärt man danach oder daneben den mit Linkspartei-Parolen umworbenen Wählern die Kritik des kapitalistischen Systems und die „revolutionäre und kommunistische Perspektive“, die „der Mainstream innerhalb der Partei“ „allenfalls vage und verbal“ vertritt und der „zahlreiche ParteivertreterInnen“, die in Politik und Öffentlichkeit die Linkspartei repräsentieren, sogar „direkt entgegen stehen“. Was sollen denn die für die Linkspartei Umworbenen der „revolutionären Linken“ dann abnehmen? Die Positionen der Linkspartei oder die Kritik daran?
Wir bezweifeln keineswegs eure Vermutung:
„Innerhalb der Linkspartei existieren sowohl auf bundesweiter als auch auf lokaler
Ebene verschiedene antikapitalistische Strömungen, die nicht weniger aktiv und
konsequent für eine Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse eintreten als
zahlreiche außerparlamentarische Strukturen.“
Und wir tun das uns Mögliche, nicht nur diese Minderheit unter den Anhängern der Linkspartei, sondern auch diejenigen, die wegen deren klassisch-sozialdemokratischen und reformistischen Positionen ihr beigetreten sind oder sie wählen, davon zu überzeugen, dass erstens diese Positionen inhaltlich falsch und für ihre Interessen schädlich sind und dass sie, wenn sie das auch so sehen, zweitens bei der Linkspartei im falschen Verein sind.
Warum aber soll es für diese „richtige und notwendige Kritik an der Linkspartei“ zweckmäßig und hilfreich sein, als ersten, taktischen Schritt mit den Positionen der Linkspartei Wahlkampf zu machen? Das kommt uns eher wie Wählerverarschung vor oder wie der erste Schritt zur Anpassung „der revolutionären Kräfte“ an die Linkspartei, wie sie ist. Muss man doch dann bei der „richtigen und notwendigen Kritik“ immer schön zurückhaltend und auf der Hut sein, dass die unter den Anhängern der LINKEN nicht als „Überbetonung der Differenzen zur Linkspartei“ rüberkommt. Das wäre ja nur zur „eigene[n] inhaltliche[n] Profilierung“ und zu „radikalistischem Sektierertum“ gut…
Wir würden uns freuen, wenn diese unsere Antwort auf euer Papier „(Nicht) Wählen ändert nicht genug…“ der Auftakt zu einer Diskussion wäre, die zu einer – gemeinsamen – Klärung dieser Fragen führt.
RICE
Mit diesem Text bestätigt ihr alles was die RAS euch attestiert
Die RAS hat einen Versuch gestartet und in einem Papier ihrer Motivation, Erfahrungen und Einschätzungen zu diesem kundgetan
Anders als ihr die ihr schon ein Patentrezept zum Thema „Wahlen“ habt hat die RAS nie behauptet das sie etwas komplettes vorgelegt hat.Sondern wollten andere an diesen ihren Erfahrungen teilhaben lassen
Auf diese Erfahrungen und auch die Rechtfertigung(welche wie ihr richtig sagt der Hauptteil dieses Papiers ausmacht) der RAS warum ihre Genossin auf einer „reformistischen“ Liste kandidiert wollt ihr nicht eingehen
Da frag ich mich für was ihr so einen weinerlichen Text den dann überhaupt verfassen müsst
die Diskussionsgrundlagen sind doch so:
Ihr sagt Wahlen ändern nichts wählen gehen ist sogar schädlich dann akzeptiert man ja schon voll die Regeln und so
Die RAS sieht das anders sie haben bei der Wahl nicht gemeckert wie wenig sie ändern
oder aus einem radikalistischen Winkel heraus alles angegriffen was nicht in die eigenen radikalen Minimalkonsens passt sondern selbst kandidiert
Wenn ihr jetzt schon ein Papier verfasst müsst ihr erklären warum es ideologische und TAKTISCH falsch ist mit eigenen Leuten zu kandidieren.Da es weder ideologisch verwerflich und taktisch genau richtig ist den parlamentarischen Weg zu gehen solange man ihn uns gestattet gehe ich mal davon aus ihr darauf einfach nichts zusagen wisst und lieber auf arrogantem Gehabe und unpassender, unsolidarischer Form rumhackt...
Aber wo wir gerade bei „Niveau“ sind
Ihr wart mit eurer Kampagne noch meistens über dem diverser „Boykott Aufrufe“ und Texten auf indy und Co
Was aber nichts heißen will wenn die Messlatte der Art tief hängt
Ihr müsst begreifen das dass demokratische Mehrheitsprinzip das einzige Dogma unserer Zeit ist.
Kapitalismus, Krieg und Ausbeutung ja selbst der Nationalstaat rechtfertigt sich damit das man den Menschen einredet das diese die einzige DEMOKARTISCH möglich Form des Zusammenlebens ist. Alles andere was nicht der Liberalen Eigentumsverfassung entspricht wird als undemokratisch stigmatisiert und deshalb automatisch von der Bevölkerung abgelehnt. Man muss deshalb zeigen das der Liberalismus seine demokratische Maske schnell fallen lässt wenn eine radikale Opposition stark wird und stark heißt nun mal viele „Wählerstimmen“
Dieser taktische Aspekt wird von den ganzen „Boykottlern-“ völlig außer acht gelassen
selbst wen man es ideologisch ablehnt wählen zu gehen weil man „ja nichts delegieren will und voll alles selber machen muss“
kann man Wahlen benutzen um den bürgerlichen Staat als das zu Brandmarken
was er ist
Undemokratisch!
Bei all euren Texten ging es immer nur darum was Wahlen nicht machen
nie darum was ihr anstatt Wahlen machen wollt
Wie wollt ihr diese Gesellschaft den umgestalten ?
Eine offene Rebellion in den Straßen ?Ein wütender Mob der den Bundestag stürmt ?
Denkt ihr Heilligendam oder Straßburg weitet sich plötzlich zum Flächenbrand aus und wir reisen alles nieder und bauen dann neu auf ?
Große Teile der Bevölkerung bekommen ihren Arsch nicht mal hoch um wählen zu gehen
und ihr denkt das die irgend etwas revolutionäres machen bevor sie am verhungern sind ?
Wählen kostet nichts und wer wählt muss nichts riskieren.
Mit den richtigen Inhalten Aktionen und auch Kampf auf der und um die Straße kann man die Leute
an Rice
"Ihr müsst begreifen das dass demokratische Mehrheitsprinzip das einzige Dogma unserer Zeit ist.
Kapitalismus, Krieg und Ausbeutung ja selbst der Nationalstaat rechtfertigt sich damit das man den Menschen einredet das diese die einzige DEMOKARTISCH möglich Form des Zusammenlebens ist."
Und da fällt dir nichts besseres ein den Staat in eine Situation zu bringen, in dem er sich als etwas "ganz anderes", nämlich als "undemokratisch" entpuppt? Und da hoffst du noch, dass sich gerade da den ganzen Leuten die Augen öffnen werden und zu den Linken überlaufen werden? Der Widerspruch ist ja ein mehrfacher: Erst mal musst du Leute finden, die den Staat auch in seiner jetztigen Form ablehnungswert finden und sich in Gegnerschaft zu ihm stellen, dadurch dann "revolutionär" rumgeistern und ihn dazu nötigen seine brutale Seite zu zeigen. Das soll dann die Leute wach rütteln, die ihren Staat sich als etwas ganz anderes gedacht haben, denen man vorher aber gar nicht zeigen konnte, was das für ein böser Staat ist; der Bewegung, die ihn in diese "Situation" brachte scheinbar schon. Diese Bewegung, die sich gegen den Staat stellt, für die willst du ja gerade nicht agitieren, wenn du Wahlen für etwas wichtiges hältst. Du willst ja mehr den Leuten zeigen, dass der Staat gar nicht das ist, was er momentan ist, sondern ganz anders ist, wenn er es mit einer breiten radikalen Opposition zu tun bekommt. Wie willst du denn das den Leuten beweien? Mit einem Verweis auf die Geschichte? Was sagt denn das den Leuten? Lehnen sie denn den Staat aus Gründen ab, wie er ihnen jetzt schon das Leben unangenehm macht, oder weil er auch mal eine radikale Opposition, mit der deine Ansprechpartner doch erst mal nichts zu tun haben, wegwischen kann? Als gäbe es nicht auch Leute, die gut finden, dass sie in einer Demokratie leben und wenn diese angegriffen wird auch hinter jedem Blutbad ihres Staates stehen. Als würden da nicht Leute, die vorher schon für den Staat sind wie er jetzt ist, nicht blitzschnell auch es zu rechtfertigen wissen, wenn der Staat mal eine ihn gefährdende Bewegung niederschlagen muss. Wenn sie schon vorher für den Staat sind, wie er jetzt ist und ja auch scheiße, dann sind sie doch auch bereit diesen zu verteidigen. Man muss den Leuten nicht die Augen darüber öffnen, dass der Staat auch anders kann - Konstruktion einer fiktiven Gefahr -, sondern darüber welchen Irrsinn sie da eigtl. zu ihrem Schaden unterschreiben, wenn sie den Staat in seiner jetztigen Verfassung gut finden. Indem du den jetztigen Staat noch das Kompliment machst sein wahres Gesicht zu verheimlichen, wobei er doch in seinem tiefsten Inneren "undemokratisch" ist, das für das schlagende Argument hältst, agitierst du doch damit die ganzen Leute dadurch wieder für den Staat wie er jetzt ist, "als er noch sein wahres Gesicht versteckt hielt". Die Leute sagen ja dann nicht, "so ein scheiß Staat, was der die ganze Zeit und vorher schon mit mir gemacht hat", sondern "besser wäre, der Staat macht wieder wie vorher".
Oder so: Du unterscheidest dich doch im jetztigen Moment gar nicht von den ganzen liberalen Spinnern, wenn du an ihnen nur zu kritisieren weißt, dass sie anders drauf sind in rev. Zeiten. Und wenn die radikale Opposition kommt, dann zeigst du, dass du immer noch der wahre Demokrat bist. Ohne Faschismus und ohne Notstandsgesetze usw. fändest du den Laden hier also ganz in Ordnung?
PS: Das ist keine böse Unterstellung, sondern das wofür du hier argumentierst. Will man nicht für so einen Unsinn argumentieren, dann muss man sich mal Gedanken darüber machen, welchen inhaltlichen Mangel eigtl. die eigene Agitation hat und eben mit irgendwas radikalem oder revolutionärem sehr wenig zu tun hat.
rice
so ein Quatsch
Das Ausnutzen der Freiheit die einem der Staat gerade noch zugesteht ist kein Bekenntnis zu selbigem. Es gibt ja viele Abwehrkämpfe in allen Bereichen zu denen die ("radikale") Linke arbeitet
Nur weil eine autonome Demo versucht Vermumumg durch zusetzten schliest du ja auch nicht den zirkelschluß das es denen hier alle gefällt wenn sie sich vermummen dürfen
Nur weil ich wählen gehen will heist das nicht das ich keine grundsätzliche Kritik an unseren Verhältnisen habe wer diesen Maßstab anlegt kann nichts mehr machen was nicht unmittelbar Revolution bedeutet. Auch Antifaschismus ist nach dieser Logik (aha und ohne faschisten würds dir hier also gefallen) ein Bereich den man nicht bearbeiten sollte
"Und da fällt dir nichts besseres ein den Staat in eine Situation zu bringen, in dem er sich als etwas "ganz anderes", nämlich als "undemokratisch" entpuppt? Und da hoffst du noch, dass sich gerade da den ganzen Leuten die Augen öffnen werden und zu den Linken überlaufen werden?"
etwas anderes als Demokarie wird in "normalen" Zeiten nicht akzeptiert werden wenn du mit Demokratie den bürgerlichen Nationalstaat assozierst ist das deine Schuld ebenfalls deine Schuld ist es das du aus meinem Text heraus liest das Wahlen und das "demaskieren" mein Patentrezept ist
es ist ein Weg von vielen der gegangen werden muss
Die deutsche linke kämpft an sovielen wichtigen und unwichtigen Feldern aber dem parlarmetatrischen Weg gibts sie ohne zwang auf
"denen man vorher aber gar nicht zeigen konnte, was das für ein böser Staat ist;der Bewegung, die ihn in diese "Situation" brachte scheinbar schon. Diese Bewegung, die sich gegen den Staat stellt, für die willst du ja gerade nicht agitieren, wenn du Wahlen für etwas wichtiges hältst"
Das ist quatsch
Ersten sind die Parteien die sich momentan zur Wahl stellen nicht stark genug um den Staat zuerschüttern oder nicht "links" genug. Deshalb mus natrülich in allen Beriech agitiert werden eine Revolution gegen den Willen der Mehrheit ist nicht zumachen deswegen heist es wachsen wachsem wachsem egal auf welchem Gebiet!
Langsam: Ich habe nirgends
Langsam: Ich habe nirgends geschrieben, wer Freiheiten ausnutzt, affirmiert diese zugleich. Thema war bei mir erst mal, dass du eine seltsame Kritik am Staat hast, wenn du ihn nur so kritisieren kannst, wenn du ihn dir in einer anderen Situation vorstellst. Da verlierst du eben kein Wort darüber, welche Härten dieser Staat den Leuten jetzt schon zumutet - und zwar rechtsstaatlich.
Ansonsten ist aber eben ein Unterschied, wenn man Freiheiten ausnutzt oder ob man jene fordert. Ausnutzen kann man auch erst mal nur das, was bereits da ist. Und da wäre blöd, wenn man als Linker zu sich sagt, weil Demonstrationsfreiheit bürgerlicher Quatsch ist, demonstriere ich nicht. Dieses Recht kann man ausnutzen, muss sich aber im Klaren darüber sein, was Demonstrationsfreiheit überhaupt bedeutet. Ist es doch erst mal etwas, was vom Staat her erlaubt ist, er das nicht als Selbstverständlichkeit handhabt, sondern mit seiner Gewalt hinter so einem Recht stets steht. Er garantiert dies Recht und schreibt es in seinem Gesetzeskatalog fest. Er weiß wozu die dies Recht da ist und wozu nicht. Wer dies Recht missbraucht, erfährt die Schranke der Demonstrationsfreiheit, die eben zu dieser dazu gehört. Heißt nämlich nicht, dass man für den Regierungssturz demonstrieren soll, mit der Gewährung des Rechts zu Demonstrieren behält er viel mehr die Demonstrierenden unter seiner Kontrolle und lässt es zu, wie es dem Staat passt. Da ist klar, dass er nonkonforme Demonstrationen nur soweit duldet, wie sie ihn nicht gefährden.
Zum Rest vllt. später.
Das demokratische Dogma
@rice: <i> "Ihr müsst begreifen das dass demokratische Mehrheitsprinzip das einzige Dogma unserer Zeit ist."</i> Schön wär's. Frag dich mal warum das demokratische Mehrheitsprinzip ein Dogma ist. Hat da eine demokratische Unfehlbarkeitssynode beschlossen, dass Demokratie ein heiliges, unfehlbares Dogma ist. Oder ist Demokratie deshalb ein Dogma, weil der Zweck dieser Herrschaftsform von allen geteilt wird. "In der Tat, woraus entstünde, es sei denn, die Wahl war einstimmig, ohne eine vorausgehende Übereinkunft die Verpflichtung für die Minderheit, sich der Mehrheit zu unterwerfen, und woher haben hundert, die einen Herrn wollen, das Recht, für zehn zu stimmen, die keinen wollen? Das Gesetz der Stimmenmehrheit beruht selbst auf Übereinkunft und setzt zumindest einmal Einstimmigkeit voraus." (Rousseau) Diese Übereinkunft besteht hierzulande darin, dass alle den Erfolg der demokratischen Nation wollen und deshalb unterwirft sich die Minderheit der Mehrheit und deshalb ist die Verteidigung dieses demokratischen Prinzips gleichbedeutend der Verteidigung des Inhalts der demokratischen Übereinkunft.
Wer sich also dem demokratischen Prozedere, und sei es nur taktisch unterwirft, der erkennt eben auch (taktisch) an, dass das Prinzip der Stimmenmehrheit Einigkeit im Zweck demokratischen Herrschens zur Grundlage hat - dem Erfolg der Nation. Da stellt sich mir als Kommunist die Frage, warum ich mich auf diese Grundlage (zum Schein) einlassen soll, wenn ich doch eigentlich diese Grundlage kritisieren will. Du sagst, weil die Leute alles undemokratische Ablehnen. Na ja. Wenn sie den Erfolg von Deutschland wollen kann das schon sein. Nur. Eigentlich ist das bloß die Verdopplung des Ausgangspunktes. Klar lehnen Demokraten undemokratische Umtriebe ab. Deshalb tritt man als Kommunist ja an, sie davon zu überzeugen dass Demokratie bzw. der Erfolg der Nation ein ziemlich schädliche Angelegenheit für den Einzelnen sind. Da fängst es doch erst an mit der Agitation und das ist nicht das Ende. Da muss man sie aufklären darüber, dass der Erfolg der Nation eben nicht ihr Erfolg ist und dass der Nutzen sich sehr ungleich bilanziert bei den Demokraten, dass es da eine Gruppe gibt, deren Reichtum sich durch die Armut anderer steigern lässt, dass generell die Armut der Lohnabhängigen den Reichtum der Nation ausmacht und das es deshalb keine gute Idee ist, den Erfolg der Nation zu wollen.
Hat man Zweifel in die Nützlichkeit der Nation für den Einzelnen gestreut, ist die Grundlage des Demokratiedogmas und damit das Demokratiedogma selbst erschüttert. Das schlimme am bürgerlichen Staat ist eben nicht, dass er undemokratisch ist, sondern dass er demokratisch ist. Die Grundlage der Demokratie besteht darin, dass sich die Demokraten auf den Erfolg der Nation verpflichten (lassen). Dieser Erfolg, nicht nur der Misserfolg, bedeutet aber notwendig Opfer und Armut für die Masse der Lohnabhängigen.
WÄHLEN IST VERKEHRT !!!!!!!
Wer als "revolutionärer" Kommunist allen Ernstes mit der sozialdemokratischen Linkspartei zusammenarbeitet, und für die Wahl dieser Partei ins Felde zieht, sollte sich als erstes darüber mal im Klaren werden was er selber will. Lässt doch die Linkspartei den uralten sozialdemokratischen Gedanken wiederaufleben, dass der Kapitalismus ohne Revolution zum Sozialismus hin zu reformieren wäre. Als ob dieses Unterfangen nicht schon längst gescheitert wäre !!!!!!! Und spätestens dann, wenn man die Anpassungsfähigkeit dieser Sozialdemokraten (Linkspartei) überall dort unter die Lupe nimmt, wo diese Partei denn auch an der Landesregierung beteiligt ist, wird man sich dessen vergewissern können, dass dieser Erfolg der Linkspartei den sozial Bedürftigen nicht das Geringste eingebracht hat (s. z.B. Berlin).
Auch sollte ein "revolutionärer" Kommunist eigentlich wissen, dass die parlamentarische Demokratie, als eine politische Herrschaftsform der Bourgeoisie bzw. des Kapitals zu beurteilen ist (s. Marx). Und die Beteiligung an dieser Bourgeoisieherrschaft, trägt keinen Deut zu deren Abschaffung bei, im Gegenteil. Deshalb ist es mehr als kontraproduktiv, wenn sich als "revolutionär" verstehende Kommunisten, im Namen der sozialdemokratischen Linkspartei den Kampf gegen den marxistischen GEGENSTANDPUNKT eröffnen.