Anbei ein offener Brief, den ich an das PEN-Zentrum geschrieben habe, die ausgerechnet am Donnerstag den Herrmann-Kesten-Menschenrechtspreis dem umstrittenen spanischen
Ermittlungsrichter Baltasar Garzón verleihen wollen. Der war zudem kürzlich dafür verantwortlich, dass die Gewerkschaftszentrale von LAB gestürmt wurde, wogegen es massive Proteste gab. Einen längeren und hintergründigeren Offenen Brief auf Deutsch findet sich bei den Euskal Herriaren Lagunak (Freunde des Baskenlands). Inzwischen ist klar, dass es eine Protestversammlung vor dem Stadttheater in Darmstadt währende der Preisverleihung geben wird, die auch die LINKE unterstützt. Inzwischen hat sich auch der PEN zur Kritik geäußerrt (Siehe unten). Einen Hintergrundtext mit vielen Links auf Berichte von Menschenrechtsorganisationen findet sich hier
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großem Erstaunen habe ich gelesen, dass der diesjährige
Herrmann-Kesten-Menschenrechtspreis ausgerechnet an den umstrittenen spanischen
Ermittlungsrichter Baltasar Garzón gehen soll. Ich bin entsetzt, dass Sie den
Preis an einen Ermittlungsrichter vergeben wollen, der für die Verfolgung von
Kollegen verantwortlich ist, worüber auch ich immer wieder berichtet habe. Sie
verleihen einen Preis sogar an einen Richter am Nationalen Gerichtshof in
Spanien, der sogar dafür verantwortlich ist, dass Journalisten im Gefängnis
sitzen, die auf PEN-Liste verfolgter Journalisten stehen. Wie erklären Sie sich
diesen Widerspruch?
Wie inzwischen vom sogar vom Obersten Gerichtshof
Spanien festgestellt wurde, hat
Garzón die baskische Zeitung und Radio Egin 1998 rechtswidrig
"vorläufig" schließen lassen. Es dauerte fast 10 Jahre, bis der Fall
vor dem Nationalen Gerichthof verhandelt wurde. Derweil verfielen die Anlagen.
Druckerei und Archive sind zerstört, weil Garzón in dieser Zeit keine
Sicherungsmaßnahmen vornehmen ließ.
Viel schlimmer aber ist, dass sein Anklagen nicht selten auf Foltergeständnisse
beruhen, die in der Zeit unter der berüchtigten Kontaktsperre
entstanden sind, deren
Abschaffung die UN-Menschenrechtskommission als "grausame, inhumane und degradierende
Behandlung“ und auch amnesty international immer wieder fordern. Doch dies
geschieht nicht.
Der UNO-Sonderberichterstatter für Menschenrechte, Theo van Boven, hat Spanien
immer wieder aufgefordert, wenigstens die Zeit in der Kontaktsperre lückenlos per
Video zu dokumentieren, in der ein Festgenommener bis zu 13 Tage!!! gehalten
wird. In dieser Zeit hat er nicht einmal Kontakt zu seinem Anwalt. Warum ordnet
Herr Garzón nicht als zuständiger Richter diese Videoüberwachung an, um für die
Unversehrtheit derer zu sorgen, die unter seiner richterlichen Obhut stehen?
Damit könnte er beweisen, dass Foltervorwürfe unberechtigt sind, wie stets
stereotyp gegenüber den Anklagen von Menschenrechtsorganisationen behauptet
wird. Folter hatten auch fünf Journalisten
der 2003 geschlossenen
einzigen baskischsprachigen Tageszeitung "Euskaldunon Egunkaria"
angeprangert, deren "vorläufiges" Verbot ebenfalls der Nationale
Gerichtshof angeordnet hat. Das Hauptverfahren wird demnächst eröffnet, dabei
hat sogar die Staatsanwaltschaft die Einstellung mangels Beweisen gefordert.
Die Arbeitsgruppe für Willkürliche Inhaftierungen der
UN-Menschenrechtskommission hat sich zum Beispiel gerade auch mit dem Fall
Karmelo Landa befasst. Auch er wurde auf Anordnung von Garzón vor zwei Jahren
verhaftet und sitzt seither in Untersuchungshaft. Dazu schrieb die
UNO-Arbeitsgruppe: "Die einzige Anschuldigung basiert auf seiner Tätigkeit in
der illegalisierten Partei Batasuna, was an sich kein Delikt, sondern ein
Menschenrecht ist".
Ich möchte Sie dringend bitten, die Entscheidung zu überdenken, denn Sie fügen
mit Ihrer renommierten Organisation mit dieser Preisverleihung erheblichen
Schaden zu.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Streck
An das:
P.E.N.-Zentrum Deutschland
Kasinostr. 3, 64293 Darmstadt
Tel. +49 (0) 6151-23120 | Fax +49 (0) 6151-293414
E-Mail: PEN-Germany@t-online.de
Da die Proteste gegen die Preisverleihung an Garzon inzwischen für Wirbel im hessischen Südwesten sorgt, sah sich der PEN-Präsident zur Stellungnahme gezwungen. Er verteidigt sie ziemlich niveaulos. Zunächst hatte die
Die Neue Rheinische Zeitung den sehr kritischen Offenen Brief der Lagunak an das PEN-Zentrum in voller Länge abgedruckt.
Gegenüber dem Darmstädter Echo verteidigte Johano Strasser die Preisverleihung, allerdings ziemlich niveaulos. Der PEN werde sich nicht „vor den Karren des baskischen Nationalismus spannen lassen.“ Was aber wirklich krass ist, das er die Folter in Spanien leugnet und damit unabhängige Berichte der UNO, von AI, des Europarats in den Dreck zieht, was man ja üblicherweise von staatlichen Stellen gewohnt ist. Der PEN habe die Vorwürfe überprüft und dabei unter anderem den Spanien-Korrespondenten der „Süddeutschen Zeitung“ zu Rate gezogen. "Dass der Preisträger die Folter legitimiert habe, sei eine Verleumdung". Das ist gut, weil die Leser der SZ niemals von eben diesen Vorwürfen der Menschenrechtsorganisationen etwas zu lesen bekommen.
Inzwischen hat sich aber auch der PEN im Baskenland in Englisch entsetzt an die Kollgegen in Deutschland gewandt. Der Brief wird als PDF angehängt. Der PEN weist darauf hin, dass die gefolterten Kollegen des geschlossenen Egunkaria "Ehrenmitglieder des PEN" sind. Hingewiesen wird darauf, dass der PEN-Deutschland die Zeitungsverbote völlig unbeachtet läßt.
Ansonsten hätten wir noch:
Strafverfahren gegen Schweizer Atomkraftwerksbetreiber
Ein Unfall, bei dem zwei Arbeiter verstrahlt wurden, war deutlich
gravierender, als die Betreiber eingeräumt hatten.
http://www.heise.de/tp/blogs/2/146529
"Si vis pacem para bellum"
Hugo Chávez warnt vor einer US-Invasion über die neuen US-Basen in
Kolumbien und fordert das Volk auf, sich auf einen Krieg vorzubereiten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/146528
Der PEN wird immer dümmer
Der Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland hat den Baskischen Freunden geantwortet. Und wie: “…. Nach sorgfältigem Abwägen von Beschuldigungen und Lobpreisungen hält das P.E.N.-Zentrum Deutschland daran fest, im Namen von Hermann Kesten den Preis an den untersuchenden, nicht aber Urteile fällenden Richter Baltasar Garzón zu vergeben, weil er im Sinne der Menschenrechte die Rechtfertigung von Folter durch Juristen der USA beharrlich und gegen heftige Widerstände zum Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen gemacht hat …”
http://www.info-baskenland.de/350-0-Reaktion+auf+offenen+Brief.html?goba...
Sauber, Wiesner ist aus dem gleichen Holz wie Strasser gestrickt.
1. Schauderhaft ist, dass man offenbar Menschenrechte abwägen kann. Ich dachte die wären universal.
2. Bekommt Garzón offenbar die Auszeichnung nur, weil er gegen die böse, böse USA ermittelt hat, wo ja "Juristen Folter beharrlich" rechtferigen.
Schön in den USA ist es böse, die Folter zu rechtfertigen und in Deutschland ehrt man einen Richter, der an ihr aktiv beteiligt zu sein scheint, sie aber wenigstens duldet.