Am Abend des 31. Dezember 2014 demonstrierten rund 20 Linke in Freiburg unangemeldet und unangekündigt für die Freiheit aller Gefangenen und gegen die repressive Gesellschaft. Vom Treffpunkt am Tennenbacher Platz zog die Demo zur JVA Freiburg. Die Demo war – trotz ausgefallener Anlage – lautstark und wurde mit angemessener Pyrotechnik und Farbeiern begleitet. Wenigstens am Haupteingang konnten die Gefangenen die Demo hören und zurückgrüßen. Die Polizei zeigte keine Reaktion auf die Demo, die sich nach einer halben Stunde wieder auflöste.
Im Folgenden dokumentieren wir die heute leider nicht gehaltenen Redebeiträge:
Grußwort von Thomas Meyer-Falk
Silvester 2014
Eure Geste der Solidarität, mit all jenen die hinter diesen dicken kalten Mauern zu leben gezwungen werden, leuchtet wie eine Fackel in der Finsternis. Auch 2014 wurde hier gelitten und gestorben. Es gab Selbsttötungen, zahlreiche Selbsttötungs-versuche, einen Hungerstreik.
Und dennoch pulsiert im Gefängnis das Leben. Nicht zuletzt befeuert von der solidarischen Unterstützung seitens Angehörigen, Freundinnen und Freunden oder Genossinnen und Genossen.
Der Anti-Knast-Kampf schließt immer auch die Idee einer Umwälzung bestehender Verhältnisse mit ein. Denn eine kapitalistische Gesellschaftsform wird niemals ohne Gefängnisse auskommen. Wer also für eine Abschaffung der Verwahranstalten streitet, möchte auch eine andere, nämlich eine freie Gesellschaft.
Eure Demos vor diesem Knast, werden von denen, die hier leben, begeistert wahrgenommen. Denn ihr zeigt uns daß wir hier nicht alleine sind. Dass es Menschen gibt die Knäste ablehnen.
Solidarische und herzschlagende Grüße!
Euch ein gesundes, buntes, lebendiges und freies Jahr 2015!
Für eine Gesellschaft ohne Gefängnisse!
Da stehen wir, wie alle Jahre wieder, vor den Scheißmauern dieses Knastes.
Inmitten des idyllischen Freiburgs steht die Justizvollzugsanstalt, JVA, in sogenanntem "Pennsylvanischen Stil". Ein herausstechender Ort der staatlichen Unterdrückung seit nunmehr 136 Jahren. Tausende litten hier; viele kamen ums Leben, streikten und versuchten sich zu wehren. Obwohl auch heute und auch in diesem Staat Menschen in Knästen Leiden und Sterben, erlebt der Strafvollzug eine genüssliche Akzeptanz. Hier steht dieser Block des Grauens, surreal abgeschottet von der Außenwelt, von der Nachbarschaft, von der Öffentlichkeit, von uns.
Für ihr, die ihr euch in Gefangenschaft befindet, ist die restiche Gesellschaft als kritische Instanz außen vor. Das stetige Schweigen muss gebrochen werden und für jeden und jede sollte es eine Stimme geben. Dass einzelne Gefangene und Gruppen sich dafür Einsetzen Publikationen aus den Knästen zu Verbreiten ist praktische Solidarität. Sich beispielsweise über eine gewerkschaftliche Vernetzung, wie in der entstehenden Knasti-B.O., zu organisieren sind Ansätze, dem Knastalltag und der stetigen Unterdrückung entgegenzutreten!
Und besonders wir hier Draußen sollten nicht zögern den Knast als eines der gewaltigsten Mittel des herrschenden Problems zu begreifen und ihn von Grundauf abzulehnen.
Um Knäste zu begründen wird Angst geschürt, die dieser Staat weltweit fördert. Das unheimliche Bild der Knasties beruht auf der verrückten Vorstellung, und viel bürgerlicher Propaganda. So dass die Vorstellung herrscht, hinter diesen Mauern seien hunderte blutrünstige Mörder und Kinderschänder eingesperrt, da sie nicht mit der Gesellschaft kompatieren. Doch nur ein winziger Bruchteil der Inhaftierten ist irgendwie in die Nähe solch grausamer Vorstellungen zu denken. Und selbst diese lassen sich mitnichten durch Isolation und Deprivation "kurieren". Ein Großteil der Menschen sitzt wegen Eigentumsdelikten in Haft. Tausende hocken grundlos in Knästen. Zehntausende Flüchtende werden mit dem Mittel des Knaste und der Lagergefangenschaft am legitimen Versuch gehindert, ein besseres Leben zu suchen...
Der Knast ist ein Symbol. Einerseits.
Der Knast, der Stacheldraht, die Mauern und Schützentürme sind aber vor allem hier und an hundertausenden weitern Orten ein furchtbares und menschenverachtendes Mittel der tatsächlichen, praktischen Unterdrückung von Menschen. Sie dienen der Durchsetzung vielfältiger Willkür und der Arroganz der Mächtigen. Die grausamen Herrschaftsmittel Gefängnis und Gefangenschaft müssen wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gelangen. Die systematische Freiheitsberaubung der Millionen Gefangenen weltweit muss hinterfragt und bekämpft werden, soll es eine Gerechtigkeit geben.
Wir grüßen besonders die Linken Gefangenen hier und anderswo. Standen sie doch, auf ihre vielfältige und oftmals konsequente Weise entgegen der organisierten Gewalt des staates und der kapitalistischen Barbarei. In den letzten Monaten wurden erneut Freundinnen und Freunde einer freien, antifaschistischen Gesellschaft verhaftet. In Italien, in Spanien. Aber auch hier.
Tomas Elgorriaga Kunze alias "Jose Gabriel Jimenez" wurde Anfang des Herbstes in Mannheim verhaftet, nachdem er als vermeindlich untergetauchter Aktivist der baskischen ETA über 15 Jahre lang an der Freiburger Uni arbeitete und studierte. Ihm droht Abschiebung und Folter. In einem Ruck wurde sein Leben erneut zu einem der vorläufigen Gefangenschaft.
Leider ist "Jose"s, also Tomas Elgorriagas, Schicksal, nur ein vielleicht etwas greifbareres Beispiel politischer Repression und des Knastes für uns. Die Furcht regiert, wenn nach der Sommerpause der angestammte Platz des Komilitonen leer bleibt und eine Auseinandersetzungen mit seinen Haftbedinungen und drohender Abschiebungen sich unweigerlich giftig bohrend aufdrängt.
Land für Land sind die Geschichten der Knäste nur umso grausamer und wir wollen nicht auf Noten der Trauer und der Angst enden. Auch nicht beim einzelnen Beispiel. Tomas muss raus und Tomas muss raus und Thomas muss raus und alle anderen auch!
Nach einem weiteren Jahr furchtbarer Ereignisse wollen wir unsere solidarischen Grüße an euch Knasties der Freiburger JVA senden. Wir wollen die Genossinnen und Genossen grüßen die zur Stunde in Stuttgart-Stammheim, Köln-Ossendorf und an vielen anderen Orten für eine Gesellschaft ohne Knäste und Repression demonstrieren. Wir senden solidarische Grüße an alle die sich den westlichen Festungen und dem Knastsystem entgegenstellen, in Athen, LA, Rastatt, Melilla, Rio de Janeiro oder sonstwo.
Reißen wir also die Knäste ein. Stein für Stein!
Erinnern wir uns an die Kämpfe unserer Freundinnen und Freunde!
Unterstützen wir die Organisierung der Gefangenen. Auf ein solidarisches und kämpferisches neues Jahr!
Welche Rolle spielen Knäste innerhalb der momentanen Verhältnisse?
Gefängnisse stellen das höchste Mittel des Staates zur Bestrafung von denjenigen dar, die gegen die Regeln und Gesetze, welche von den jeweiligen Herrschenden aufgestellt wurden, verstoßen haben. Eine Person, welche durch Gesetzesbrüche die Norm verletzt, soll bestraft werden und wird gleichzeitig als abschreckendes Beispiel benutzt.
Die dadurch geschaffene Trennung in „gut“ und „böse“ dient dazu, dass keine Identifizierung mit den „Kriminellen“ stattfindet. Nebenbei soll damit auch ein Gefühl von Sicherheit erzeugt werden, weil die Bedrohung der Gesellschaft weggesperrt wurde.
Nun, wir können die Einschliessung nicht angreifen ohne die Gesellschaft anzugreifen, die sie produziert. Das Gefängnis ist keine abgetrennte Welt, es betrifft nicht bloss Gefangene und ihre Angehörigen. Es gewährleistet eine Funktion der Kontrolle und der Verwaltung des unvermeidlichen Elends, um den sozialen Frieden zu bewahren. Das Gefängnis ist wie ein Damoklesschwert, dass über dem Kopf eines/r jeden Ausgebeuteten schwebt, damit diese/r weiterhin das Spiel der Lohnarbeit und des Lebens, das damit einhergeht spielt. Außerdem weiß jede_r nur allzu gut, dass der Inhaftierung die Rolle einer zusätzlichen Brandmarkung zukommt: Man ist nicht bloß ein Ausgebeuteter, sondern wird auch ein Ex-Häftling. Das Gefängnis prägt die Menschen weit über ihre Einschliessungsperiode hinaus (der Strafregisterauszug ist das beste Beispiel dafür) und hat zur Aufgabe, die Ausgebeuteten untereinander zu trennen: zwischen jenen, die den rechten Weg einschlagen, und jenen, die man als “Abweichende” etikettiert.
Alle Armen sind jedoch potentielle Gefangene, denn die Justiz, die sie verurteilt, ist eine Klassenjustiz. Das Recht ist nicht neutral, es ist nicht die natürliche Manifestation des allgemeinen Interesses, sondern der Ausdruck eines Kräfteverhältnisses. Das Recht macht nichts anderes, als das Eigentum und die Sicherheit der herrschenden Klasse zu sichern. Außerdem sind es oft nicht die Akte, die bestraft werden, sondern eher die Tatsache, der “gefährlichen Klasse” anzugehöhren (Sans-papiers, Mitglied einer “Bande”, Minderjährige in einem Quartier mit Ausgangssperre…)
Seit Jahren ist ein stetiger Anstieg der Gefangenenzahlen zu vermerken als Resultat von immer mehr Verurteilungen zu immer längeren Haftstrafen. Im Gegensatz dazu ist ein Rückgang der Straftaten zu verzeichnen. Ein Blick darauf, wer in den Knästen gefangen gehalten wird offenbart, dass diese Menschen zu einem überwiegenden Teil aus der Unterschicht kommen. Allgemein wird immer davon ausgegangen, dass nur MörderInnen und SexualstraftäterInnen eingesperrt seien, aber in der Realität sitzen viele Menschen in den Knästen, weil sie nicht in der Lage waren ausstehende Rechnungen zu bezahlen, schwarz gefahren sind, sich im Supermarkt etwas gönnen wollten, usw. Ist dies nicht ein Zeichen dafür, dass Knast überhaupt keine Lösung für irgendein Problem ist? Probleme, die eigentlich viel breiter sind: und zwar sind sie eine soziale Frage. Sprich: wie diese kapitalistische Gesellschaft forciert, dass Menschen durch verschiedenste legale und auch „illegale“ Möglichkeiten um ihr Überleben kämpfen müssen. Oder, dass sie nur weil sie über sogenannte „Grenzen“ springen müssen Verbrecher sind? Der Knast ist eine soziale Frage und dementsprechend die Menschen, welche einsitzen, soziale Gefangene.
Das Gefängnis ist nur eine von einer Vielzahl von Einrichtungen, welches dieses System am Laufen halten und dazu dienen Menschen zu erziehen und kontrollieren: Schulen, psychiatrische Einrichtungen, Abschiebelager, usw.
Daher ist es wichtig eine solidarische Bewegung zur Unterstützung mit der Forderung nach Freiheit für alle Gefangenen voranzutreiben.
Denn die Freiheit ist nicht ein individueller Zustand, sondern ein zu konstruierendes soziales Verhältnis.