Ausweitung von Abschiebehaft und Kettenduldungen – auch nach dem Kabinettsbeschluss!

Asylrechtsverschärfung stoppen

Am 3. Dezember hat das Kabinett den Gesetzentwurf des Innenministeriums mit unwesentlichen Änderungen beschlossen. Entgegen anderslautender Behauptungen muss betont werden, dass dieser Beschluss noch immer eine umfassende Verschärfung des derzeitigen Asylrechts darstellt! Bereits im Januar wird dieser Entwurf aller Wahrscheinlichkeit nach durch den Bundestag gehen. Der Bundesrat wird nun offenbar an diesem Prozess nicht beteiligt.


Hier sind nur zwei wesentliche Punkte der Gesetzesverschärfung in ihrer aktuellen Fassung wiedergegeben.

 

Ausweitung der Abschiebehaft

 

Dies sind nach dem Kabinettsbeschluss nun die neuen Gründe, um Geflüchtete in Deutschland in den Abschiebeknast zu stecken:

  1. Wechsel des Aufenthaltsortes, ohne die zuständige Behörde zu informieren

  2. Zurückhaltung, Vertuschung oder falsche Angaben über die eigene Identität

  3. verweigerte oder unterlassene Mitwirkung bei der eigenen Abschiebung

  4. Zahlung größerer Geldbeträge an Schleuser für die Einreise

  5. ausdrückliche Erklärung, sich der Abschiebung entziehen zu wollen

  6. irgendeine andere Handlung, um sich der Abschiebung zu entziehen

  7. in „Dublin-Verfahren“1: wenn der oder die Betroffene den ersten EU-Staat verlassen hat, bevor das dortige Verfahren abgeschlossen war

So sieht das konkret im aktuellen Entwurf aus (Änderungen und Kürzungen in eckigen Klammern):

Eine Person ist in Abschiebehaft zu nehmen, wenn begründeter Verdacht besteht, dass sie sich der Abschiebung entziehen will.2 (14) Konkrete Anhaltspunkte [in diesem Sinne] können sein:

  1. der Ausländer hat sich bereits in der Vergangenheit einem behördlichen Zugriff entzogen, indem er seinen Aufenthaltsort trotz Hinweises auf die Anzeigepflicht nicht nur vorübergehend gewechselt hat, ohne der zuständigen Behörde eine Anschrift anzugeben, unter der er erreichbar ist,

  2. der Ausländer täuscht über seine Identität, insbesondere durch Unterdrückung oder Vernichtung von Identitäts- oder Reisedokumenten oder das Vorgeben einer falschen Identität,

  3. der Ausländer hat gesetzliche Mitwirkungshandlungen zur Feststellung der Identität verweigert oder unterlassen und aus den Umständen des Einzelfalls kann geschlossen werden, dass er einer Abschiebung aktiv entgegenwirken will,

  4. der Ausländer hat zu seiner unerlaubten Einreise erhebliche Geldbeträge für einen Schleuser aufgewandt,

  5. der Ausländer hat ausdrücklich erklärt, dass er sich der Abschiebung entziehen will oder

  6. der Ausländer hat, um sich der bevorstehenden Abschiebung zu entziehen, sonstige konkrete Vorbereitungshandlungen von vergleichbarem Gewicht vorgenommen, die nicht durch Anwendung unmittelbaren Zwangs überwunden werden können.

(15) Die in Absatz 14 genannten Anhaltspunkte gelten entsprechend für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne der Verordnung [betreffend Menschen im Dublin-Verfahren]. Ein entsprechender Anhaltspunkt kann auch gegeben sein, wenn der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat, und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will.3

 

Einreise- und Aufenthaltsverbote - Ausweitung der Kettenduldungen

 

Einreise- und Aufenthaltsverbot erhält,

  1. Wer nach dem eingegangenen Abschiebebescheid nicht freiwillig ausreist, obwohl es rechtlich „möglich“ wäre

  2. Wessen Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde und die betroffene Person rechtlich abgeschoben werden „dürfte“

  3. Wessen erneuter Antrag zu keinem Asylverfahren führt

Für die Betroffenen bedeutet das, dass ihnen für die Dauer dieser Verbote jede Möglichkeit genommen wird, einen Aufenthaltsstatus in Deutschland (beispielsweise durch Heirat usw.) zu erhalten.

 

Der Wortlaut aus dem Entwurf:

§11 Einreise- und Aufenthaltsverbot

 

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. [...]

(7) Gegen einen Ausländer,

1. dessen Asylantrag [...] als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot [...] nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder

2. dessen Antrag [...] wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,

kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen.4

 

Es muss außerdem betont werden, dass jede „Kann-Regelung“, die also das konkrete Vorgehen dem Ermessen der Behörden überlässt, unweigerlich zu einer faktischen Verschärfung der Situation für die Betroffenen führt. Denn wie die bisherige Praxis schon zu oft gezeigt hat, nutzen die Behörden jede rechtliche Möglichkeit zur Zermürbung von flüchtenden Personen.

 

 

Links:

Der vollständige Entwurf, wie er am 3.12.2014 vom Kabinett beschlossen wurde

Das bestehende Aufenthaltsgesetz, auf das sich die genannten Änderungen beziehen

 

1Nach der Dublin-III-Verordnung ist derjenige EU-Staat für die flüchtende Person zuständig, dessen Grenzen sie zuerst überquert hat. Demnach sollen Flüchtende an die EU-Staaten abgeschoben werden, in denen sie zuerst ihre Fingerabdrücke abgegeben haben.

2§ 62 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 des bestehenden Aufenthaltsgesetzes.

3Artikel 1, Absatz 2 des Änderungsantrags.

4Artikel 1, Absatz 5 des Änderungsantrags.