Die diesjährige Nazi-Mobilisierung für das „Heldengedenken“ in Friedrichroda läuft auf Hochtouren. Nachdem letztes Jahr die Gothaer NPD aus der Vorbereitung ausstieg und die Kameradschaftsszene, mit Mühe und Not, 2 Dutzend Neonazis in Friedrichroda auf die Straße brachte, sieht es dieses Jahr nach einer Wiederbelebung dieses NS-Rituals aus.
Die Planung und Durchführung des Events „Heldengedenken“ scheint nun endgültig von der NPD an die „freien Kräfte“ übergegangen zu sein. Zwar mobilisiert der Kreisverband Gotha der NPD über facebook nach Friedrichroda. Dass dürfte jedoch eher auf die personellen Überschneidungen einzelner NPD-Mitglieder_innen zur Kameradschaftsszene, vor allem der von Anne-Kathrin Schmidt, zurückzuführen sein, denn auf ein echtes Interesse der Partei an dieser Veranstaltung. Die gescheiterte NPD-Strategie der „seriösen Radikalität“ sah immer eine gewisse Distanz zum dritten Reich, großdeutschen Träumereien und der militanten Neonazi-Szene vor (zumindest was die Öffentlichkeit betrifft). Von derartigen Zurückhaltungen ist bei der diesjährigen „Heldengedenken“-Mobi jedoch keine Spur mehr.
Im Gegensatz zu den letzten Jahren, betreiben die verantwortlichen Neonazis dieses Jahr eine recht offensive Mobilisierung. Ganz auf der Höhe der Zeit läuft die Mobi über eine eigens eingerichtete Internetseite, facebook und youtube. Nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist hingegen die inhaltliche Ausrichtung. Das verwendete Bildmaterial besteht aus Fotos die wohl schon in den 30er/40er-Jahren des letzten Jahrhunderts für Propagandazwecke genutzt wurden. Nazisoldaten am Meer, Nazisoldaten mit Panzern, Nazisoldaten vor brennenden Häusern – so sieht die Mobi aus, wenn sich die Nazis nicht um Wählerstimmen oder Parteiverbot scheren müssen.
Um an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Die Veranstaltung war, auch schon unter der Schirmherrschaft der Gothaer NPD, genau das, was sie auch dieses Jahr wieder sein wird. Wer sich einen Eindruck verschaffen will, dem/der sei das Video der Infothek Dessau aus dem Jahr 2009 ans Herz gelegt (http://www.youtube.com/watch?v=q0hVUXcz2Y8). So gesehen ist die diesjährige Mobilisierung wohl eher als so eine Art Transparenz-Initiative zu sehen: Eine NS-verherrlichende Veranstaltung wird konsequent als eine solche beworben.
Der zweite größere Punkt der Mobilisierung im “großdeutschen Internetz” sind die Mitmach-Kampagnen. Dieses Angebot richtet sich an die Thüringer Naziszene. Mit eher mäßiger Beteiligung werden die Kameraden beispielsweise aufgefordert doch mal per Bild und Ton darzulegen was in ihren Köpfen so vorgeht. So erklärt ein Mitglied der Freien Kräfte Altenburger Land mit reichlich Theatralik den zweiten Weltkrieg in etwa so: wenn die Deutschen den zweiten Weltkrieg nicht angefangen hätten, „wäre das deutsche Volk längst von der Weltbühne verschwunden.“ Auch wenn der Zusammenhang zwischen zerbombten Städten, millionen Toten, bedingungsloser Kapitulation und „Volkserhalt“ in keinster Weise verständlich ist, sehen die geistig-infantilen Nazis eben genau jenen.
Die Crew um Marco Zint (Bündnis Zukunft Landkreis Gotha) spielt nicht den Erklär-Braunbär wie die Kameraden aus dem Altenburger Land. Die Gothaer Nazis nutzen die Chance um ihren Wahn zur Schau zu stellen. Im Kommandoton werden die Protagonisten angemault „Warum gedenkst du!“ und labern dann allerlei Schwachsinn von Zukunft, Freiheit, Vaterland. Künstlerisch besonders toll wie Marco nach seiner Ansprache von „Brauch und Sitte“ aus dem Bild humpelt. Abgeschlossen wird das Ganze mit den Worten „Ihr seid nicht umsonst gefallen. Euer Auftrag ist unsere Verpflichtung.“ Im Gegensatz zu den Laber-Köpfen aus Altenburg gibt’s in Gotha klare Worte mit recht wenig Interpretationsspielraum.
“Bedauerlicherweise” war es das dann auch schon. Für die anderen organisierten Nazizusammenhänge aus Thüringen scheint der Aufwand dann doch zu hoch zu sein.
Weitaus besser läuft die Fotokampagne mit den Kriegsdenkmälern. Hier fotografieren die Nazis die Denkmäler, welche die „normalen Deutschen“ den „Helden“ der Nazis errichtet haben. Klingt etwas komisch? Vielmehr ist es so, dass der Volkstrauertag auf eindrückliche Weise zeigt wo die Gemeinsamkeiten und Schnittstellen zwischen bürgerlich-staatlicher Gedenkkultur, und dem „Heldengedenken“ der Nazis liegen. Mehr dazu auf volkstrauertag-abschaffen.tk
Abgerundet wird die facebook-Mobi dann von so markigen Sprüchen wie „Mein Opa war ein Held! Ruhm und Ehre den tapferen Helden“, „Das ganze Deutschland ist unsere Deutsche Heimat“, zusammen mit einer Landkarte von Deutschland welches jenes in seiner ehemaligen “Pracht” (also als “Großdeutsches Reich”), und den dazugehörigen Grenzen, zeigt. Letztlich bleibt festzuhalten dass dieses Jahr wohl etwas mehr Nazis in Friedrichroda auf die Straße gehen werden als 2013. Aber alle ca. 1.000 “facebook-Gefällt-mir-Klicker” werden es dann wahrscheinlich doch nicht schaffen.
Die NPD, die letztes Jahr zusammen mit dem „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ (BZH) ins südthüringische Eisfeld mobilisierte, macht bisher einen großen Bogen um das Thema. Dort werden wohl noch Scherben aus den Folgen des Wahldebakels aufgesammelt. Das BZH mobilisiert bereits für den 15.11. zu einem Trauermarsch nach Schleusingen. Im Gegensatz zum letzten Jahr gibt es dieses Mal also keine Konkurrenz, sondern die Nazis können das ganze Wochenende über traurig sein.
In diesem Sinne: Volkstrauertag abschaffen!
Gegen NS-Verharmlosung, Naziaufmarsch und deutsche Opfermythen!
Dieses Jahr:
...in Gotha unf Friedrichroda: http://www.volkstrauertag-abschaffen.tk/