Solidarität mit den Menschen in Kobanê und Rojava (Demo Regensburg)

Solidarität mit den Menschen in Kobanê und Rojava 1

Am 7.10. wurde in Regensburg eine Demonstration in Solidarität mit den Menschen in der kurdischen Metropole Kobanê organisiert. Vor ihren Toren stand die Miliz der selbsternannten „Gotteskrieger“ des Islamischen Staates (IS) – es droht(e) ein Massaker, falls es ihnen gelingen sollte, die Stadt einzunehmen. Der folgende Bericht fasst Redebeiträge und den Verlauf der Demonstration zusammen, an der sich ca. 150 Menschen beteiligten, und beschäftigt sich gleichzeitig mit dem Entstehen des IS sowie unserem eigenen Versagen als Linke in Bezug zu diesem.

 

Nach drei Monaten der Belagerung gelang es dem IS am Montagabend, die Stadtgrenze zu Kobanê zu überschreiten. Betrachtet man das bisherige Vorgehen der IS-Kämpfer_innen, war dies ein absehbares Ergebnis, dem viele Ursachen zugrunde liegen. Zu diesen Ursachen zählt beispielsweise die Unterstützung des IS durch die türkische Regierung, um eine autonome kurdische Region im Nordirak und in Nordsyrien zu verhindern. Dazu zählen auch die Kriege, die von westlichen Ländern im Nahen und Mittleren Osten geführt wurden und dem IS erst zu seiner momentanen Stärke verhalfen sowie das passive Verhalten der NATO-Mitgliedsstaaten gegenüber ihrer Bündnispartnerin Türkei und die Kriminalisierung der kurdischen Arbeiterpartei PKK.

 

Trotz all dieser Gründe sollten wir uns zuallererst fragen: Wo waren wir in diesen drei Monaten? Wieso gab es von unserer Seite nicht bereits während dieser Zeit einen Anstoß, um auf die Verhältnisse aufmerksam zu machen und Druck auf Politiker_innen in Deutschland und anderen westlichen Ländern aufzubauen? Wo war unsere Solidarität in diesen Momenten?

 

All das sind Fragen, mit denen wir uns jetzt, wo es eigentlich schon zu spät ist, auseinandersetzen müssen. Denn was die selbsternannten Gotteskrieger_innen des IS sind und welche Ziele sie verfolgen, das wussten wir bereits vorher. Es handelt sich um eine Gruppe extrem religiöser Fundamentalist_innen, welche im Nahen Osten einen Gottesstaat (Kalifat) ausgerufen haben und zu dessen Durchsetzung vor nichts zurückschrecken. Ausgestattet mit modernsten Waffen werden täglich neue Massaker und Angriffe gegenüber Andersdenkenden und Andersgläubigen verübt, welche das faschistische Weltbild der IS-Kämpfer_innen auf eine besonders grausame Art und Weise belegen.

 

Dabei ist es mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass die Rahmenbedingungen für diese Organisationsform und das daraus resultierende Handeln nur durch die internationale Politik und die vorherigen Kriege in dieser Region geschaffen werden konnten. So wurde zum Beispiel die Opposition gegen Assad von zahlreichen westlichen Staaten unterstützt, was sich letztendlich als Unterstützung für den IS herausstellte. Länder wie Syrien oder Irak wurden durch die andauernden Kriege und Unruhen erheblich destabilisiert, auch das spielt(e) dem IS in die Karten. Hinzu kommt noch die finanzielle Unterstützung durch verschiedene Nachbarländer wie die Türkei, Saudi-Arabien und Katar, welche sich aus geopolitischen und konfessionellen Gründen mit dem IS solidarisieren. Paradoxerweise war all dies – wenn überhaupt – nur ein Randthema innerhalb der westlichen Medienlandschaft. Beispielsweise wurde während des mittlerweile drei Jahre andauernden Bürgerkriegs in Syrien sehr einseitig über Assad als vermeintlichen Diktator berichtet; dass sich während dieser Zeit innerhalb der Opposition der IS mehr und mehr formierte, wurde meist komplett verschwiegen. Und dies ist nur eines von vielen Beispielen, welches aufzeigt, wie während der letzten Jahre mit dem IS umgegangen wurde und wie es zum jetzigen Status quo kommen konnte.

 

Aufgrund dieser Entwicklungen sind wir mittlerweile an einem Punkt angekommen, der einen positiven Ausgang der Kampfhandlungen für alle vom IS verfolgten Menschen in dieser Region als aussichtslos erscheinen lässt. Doch noch ist der Widerstand nicht gebrochen und solange dieser Widerstand aufrechterhalten wird, liegt es an uns allen, uns solidarisch zu zeigen und alle vom IS-Terror Betroffenen bestmöglich zu unterstützen, durch welche Mittel auch immer.

 

Der Straßenkampf zwischen den faschistischen IS-Kämpfer_innen und den Bewohner_innen von Kobanê ist in vollem Gange und jede Sekunde, die wir weiter zuschauen, ist eine Sekunde, in der wir es den passiven politischen Akteur_innen der meisten außenstehenden Staaten gleichtun und die Menschen in Kobanê ihrem Schicksal überlassen. Das dürfen und wollen wir nicht verantworten, deshalb gingen wir am vergangenen Dienstag zusammen mit 150 weiteren solidarischen Menschen auf die Straße, um ein Zeichen zu setzen und zum Handeln aufzufordern. Der gemeinsame Nenner der verschiedenen Gruppen und unabhängigen Personen war dabei ganz klar, dass wir uns mit den kurdischen Aktivist_innen, die sowohl durch die türkische als auch die syrische Regierung massiv unterdrückt werden, solidarisch erklären wollen.

 

Zahlreiche Gründe für unsere Solidarität mit den Aktivist_innen in Kurdistan wurden im ersten Redebeitrag herausgearbeitet. Handelt es sich bei der kurdischen Bevölkerung doch um eine Minderheit, die seit mehreren hundert Jahren kaum Beachtung fand und in ihrem Kampf immer wieder alleingelassen wurde, obwohl sie als eine der wenigen treibenden Kräfte im Nahen Osten für „Basisdemokratie, Selbstorganisation, Konföderalismus und die Überwindung ethnischer und konfessioneller Spaltungen“ einsteht. Und das alles gegen übermächtige Feind_innen, bestehend aus nahezu allen Nachbarstaaten Kurdistans sowie zahlreichen westlichen Staaten wie den USA oder Deutschland, welche diese Bemühungen unter dem Vorwand geopolitischer Interessen oder durch die Kriminalisierung der PKK seit jeher torpedieren und im Ansatz ersticken wollen.

 

Die Grundstimmung der Regensburger Demo wurde im zweiten Redebeitrag des Abends gut auf den Punkt gebracht. Es ist nur noch „Hass und Wut“, die wir den Herrschenden in Deutschland und der „sogenannten westlichen Wertegemeinschaft“ entgegenbringen können. Denn sie sind es, die der YPG und YPJ Waffenlieferungen und humanitäre Hilfe verweigern und die Bevölkerung Kobanês somit in den sicheren Tod oder zumindest in die Flucht schicken. Anstatt endlich die dringend nötige Hilfe zu leisten, lassen sich die Regierenden zahlreicher westlicher Länder für ihre fadenscheinigen Angebote feiern und sehen dem Morden weiter zu.

 

Im dritten Redebeitrag wurde der Spendenaufruf der Gruppe „Perspektive für Kurdistan“ verlesen, welcher noch einmal die prekäre Situation in den umkämpften kurdischen Gebieten hervorhob und gleichzeitig zu konkreter finanzieller Hilfe aufrief, um die kurdischen Kräfte von YPG und YPJ mit Waffen und Munition zu versorgen. Aufgrund des bisherigen Verlaufs dieses Krieges und der momentanen Situation erscheint dies leider als der letzte Ausweg, um den Genoss_innen vor Ort zu helfen. So konnte im weiteren Verlauf der Demonstration auch eine beachtliche Summe an Spendengeldern gesammelt werden, die innerhalb der nächsten Tage weitergegeben wird.

 

Anschließend appellierten BDAJ, DIDF-Jugend, Young Struggle und YXK mit einem weiteren Beitrag an die NATO-Partner_innen der Türkei, dass diese die türkische Regierung dazu auffordern sollen, ihre menschenverachtende Flüchtlingspolitik an der Grenze zu Syrien und ihre anti-kurdische Politik zu beenden. Denn nur auf diesem Weg wird es gelingen, die Existenz der zahlreichen Araber_innen, christlichen Aramäer_innen, Êzid_innen, Alawit_innen und muslimischen Kurd_innen zu bewahren.

 

Als der Demonstrationszug wieder am Ausgangspunkt Neupfarrplatz angekommen war, meldeten wir uns mit einem letzten Appell an die Regensburger Öffentlichkeit und alle anwesenden Genoss_innen. Dabei wurde nochmal besonders betont: „Der Westen möchte nichts von der vorbildlichen autonomen Selbstverwaltungszone Rojava wissen. Das alles ist widerwärtige Kalkülpolitik, die nichts – aber auch gar nichts – gemein hat mit den Interessen der dort lebenden Menschen. Aus diesem Grund ist die Frage, ob Rojava fällt oder nicht, nicht nur eine Frage der Kurdinnen und Kurden. Es ist vielmehr eine Pflicht für alle demokratischen und fortschrittlichen Kräfte dort und hier, sich für Rojava einzusetzen!“ Außerdem geht es auch um die Notwendigkeit, den Widerstand der Aktivist_innen in dieser Region in den Fokus zu rücken. Denn es ist dieser Widerstand, der die autonomen Bestrebungen und Strukturen in dieser Region überhaupt erst ermöglichte. Betrachten wir diesen Widerstand, wird klar, dass jede_r linke Aktivist_in eine aktive Rolle in diesem Kampf gegen die Politik, welche diese Katastrophe zu verantworten hat, einnehmen sollte – egal wo und wie sie_er davon betroffen ist!

 

Es lebe der Widerstand des Volkes von Rojava!

Es lebe der Widerstand der YPG/YPJ in Kobanê!

Halt stand, Kobanê!

Weg mit dem PKK-Verbot!

 

Hoch die internationale Solidarität!

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Der Faschismus zeichnet sich aus durch Bestandteile wie Volk (Blut), Nation (Boden) und Führerkult. Nichts davon ist beim IS vorhanden. Der IS kennt weder Rasse, Nationalstaaten, noch Führerkult - einzig die Unterordnung unter die Sharia wird zum Maßstab für Freund und Feind.

Nachdem dem deutschen Waffengang von 1999, der ja bekanntlich mit der angeblichen Verhinderung eines zweiten Auschwitz begründet wurde, sollte es sich eigentlich für die radikale Linke verbieten, den Faschismusbegriff seines Gehalts zu berauben und ihn unreflektiert auf wesensfremde Konfliktfelder zu übertragen.

 

Ich verstehe die Argumentation nur teilweise, es bleibt die Frage offen, ob sie die Befürworter_innen eines islamischen Staates nicht als ein Volk begreifen (zumindest mir kommt es so vor). Außerdem wollen sie einen islamischen STAAT erschaffen, mit eigenen Gesetzen, Polizei, Richtern, Staatsgebiet, Grenzen usw., damit wäre zumindest für mich der Punkt der Nation gegeben. Einen direkten Führerkult sehe ich auch nicht, dennoch gibt es streng hierarchische Strukturen und zumindest religiöse Führer zu denen aufgeschaut wird.

 

Auf die Frage wie die radikale Linke mit dem Faschismusbegriff umgehen sollte habe ich leider keine Patentantwort, zumal ich keine Definition dieses Begriffes kenne die ich als richtig betrachten würde. Nach deiner Argumentation verbietet sich für mich der Faschismusbegriff in Bezug auf den IS jedoch nicht und evtl. sehen das die Verfasser_innen ja ähnlich. Ich bin der Meinung, dass man den Begriff des Faschismus nicht nur in Bezug auf seine schlimmsten Auswüchse - und das war Auschwitz - benutzen darf und sollte, denn so werden eigentlich faschistische Ansätze verharmlost und Probleme verkannt.

Das würde ich nicht so stehen lassen. Du lässt einige Punkte außer acht. Ich hab zwar kein Soziologiestudium und bin auch kein Islamwissenschaftler aber ein paar Widersprüche möchte ich dennoch aufzeigen und ich hoffe, dass es zur weiteren Beschäftigung anregt

 

Zu dem Punkt, dass der IS sich auf eine Volksgemeinschaft berufe, wie es beim Faschismus der Fall ist, bleibt zu sagen, dass sich die jihadistische Ideologie des IS keinesfalls auf ein starres bzw. biologistisch konstruiertes Volk bezieht, sondern seine Mitglieder über Volks- und Staatszugehörigkeiten hinweg intergriert. Nach der vom IS vertretenen Konfession können sich Menschen, jedweder Herkunft dem Jihad anschließen, solange sie den Geboten folgen. Deshalb kommen die Kämpfer_innen nicht ausschließlich aus muslimischen Communities in Nordafrika, Asien und Europa, es kämfen dort ebenso zahlreiche weiße Konvertit_innen. Unter der konfessionellen Knute werden sie zu gleichberechtigten Subjekten bzw. Objekten einer fundamentalistischen Auslegung des Islam. Es gab niemals einen historischen Faschismus in dem es möglich war in die jeweilige Volksgemeinschaft zu "konvertieren". "Fremdvölker" wurden allenfalls als Kanonenfutter an die Ostfront geschickt, jedoch nie als gleichwertiger Teil des "eigenen Volkes" betrachtet. Hier lohnt es sich mal mit der Blut&Boden-Ideologie auseinanderzusetzen. Das sei umso mehr angeraten, da Blut&Boden auch heute nochein ideologisches Kernstück des modernen Faschismus ausmacht.

 

Zum vermeintlichen Nationalismus des IS: Es besteht ein bedeutsamer Unterschied, zwischen Staaten und Nationen, und es ist verwunderlich, dass er hier auf linksunten nicht bekannt ist ("Volk, Staat und Nation.."). Der Staat umschreibt die politische Ordnung, also richtig: Gesetze, Repressionsorgane, Schulen etc. Die Nation hingegen ist keine institutionelle Ordnung, sondern eine Ideologie die neben kulturellen Aspekten auch Merkmale wie Abstammung stark macht, um Menschen in nationale Kollektive ein- und auszugrenzen. Wie bereits erwähnt, nimmt der IS keine Rücksicht auf derlei Konstrukte, Jihadisten kämpfen global und sehen ihre Konfession als universell zugänglich an - nationalistische Bestrebungen spalten diese konfessionelle Einheit und werden deshalb von jihadistischen Bewegungen wie dem IS oder Al-Quadia bekämpft - da hilft den Nationalist_innen auch nicht, dass sie zum Teil selbst fundamenatlistische Ziele vertreten (Bsp. Hamas). 

 

Und der Führerkult: Zwar gibt es eine Hierarchie in den Kampfgruppen und in religiöser Hinsicht, ein Personenkult, wie er im Faschismus betrieben wurde wäre dennoch Gotteslästerung. Um es auf den Punkt zu bringen: Es bilden sich an verschiedenen Stellen Hierarchien heraus, dennnoch sagt die Konfession, wo es lang geht.

Ich denke, du hast da einen Aspekt des Faschismus nicht genannt, den ich aber für ganz maßgeblich halte bei dem Begriff: den Aspekt der faschistischen "Säuberung" des "Volkes", etwa in Form von Massenmord an allen Menschen, die nicht in die eigene Vorstellung eines "guten Volkes" passen. (Hinsichtlich des Volksbegriffs möchte ich mich demnach "Jein" anschließen.) Und dieser Aspekt ist beim IS wohl unübersehbar..

Nun, das der IS aber kein Volk kennt, hieße deine Faschimus Definition sowiel wie: Faschist ist, wer seine Gegner Massakriert. Wendet man dieses Schama auf die Geschichte an, würde jede Trennschärfe verloren gehen.

Die Frage was ist Faschisms

Wenn die IS Soldaten ein ganzes Volk wie z.B. die Yeziden oder die Aramäer auslöschen wollen, dann ist das ein nazistischer bzw. faschistischer Akt.

Der Islamische Staat ist zudem genozidär antisemitisch. Die Juden werden vom IS als Menschen abgelehnt und mit den Tod bedroht. Der IS ist ein absoluter Staat, der sich der Barbarei und den Morden total hingibt.

 

Gegen IS und Nazis

 

Für ein selbstbestimmtes Leben