Göttingen: "Kein Gott - kein Staat - kein Kalifat"

Protestcamp

Fast 500 Menschen zogen heute durch die Göttinger Innenstadt, um gegen die Belagerung von Kobanê durch den Islamischen Staat (IS) zu demonstrieren. Aufgerufen hatte das Protestcamp am Gänseliesl welches bereits seit der Spontandemonstration gestern Nacht, die mit mehr als 300 Teilnehmer_innen stattfand, ins Leben gerufen worden war. Erst vor 5 Tagen war die SPD-Zentrale kurzfristg besetzt worden, um auf die Situation in Kobanê  hinzuweisen.

 

Um 17:00 fanden sich immer mehr Menschen am Gänseliesl ein. Dazu gab es zwar keinen eigentlichen Aufruf, aber die Mund zu Mund Propaganda hatte anscheinend genügt. Angemeldet wurde die Demonstration ebenfalls nicht, doch die Polizei beschränkte sich auf die Verkehrslenkung und schritt nicht ein. Die Teilnehmer_innen reichten von Familien mit Kindern, kurdistansolidarischen Gruppen und verschiedenen Mitgliedern aus verschiedenen autonomen Gruppen. So gab es auch zahlreiche Sprechchöre, die sich vor allem um die Bedrohung Kobanê drehten und gegen das vom IS ausgerufene Kalifat. Die Demonstration zog durch verschiedene Straßenzüge, zeitweise war die Stimmung sehr aufgeheizt - angesichts der realen Bedrohung durch den IS. 

 

"Wir wollen den IS nicht", rief der Redner, der zeitweise fast schon verzweifelt klang und wacker die Passant_innen immer wieder aufklärte, warum hier gerade hunderte von Menschen durch die Innenstadt zogen. "Kein Gott - kein Staat - kein Kalifat" hallte es, oder "Freiheit für Kobanê!" und "Internationale Solidarität" wurde gefordert. "Wenn Kobanê fällt wird es wieder ein Massaker geben und damit erneut einen Genozid", rief einer der Redner. Ein anderer stellte klar, dass die kurdischen Volkverteidigungseinheiten (YPG) Widerstand leisten würden, sie aber dringend Hilfe bräuchten. "Es gibt keinen, der nicht helfen kann". Angeblich würden die USA Angriffe fliegen, aber die zeigten keine Wirkung, sagte der Redner weiterhin. Die Welt sehe nur zu, wie Kobanê falle. Andere Teilnehmer_innen stellten lautstark klar, dass das PKK Verbot sofort aufgehoben werden müsse. "Wir brauchen stärkere Waffen", rief jemand.

 

Die Demonstration endete gegen 19:00 mit Beiträgen, welche die aktuelle Machtdemonstration des IS in Frage stellten: Woher komme eigentlich diese Macht der Terrororganisation. Es seien türkische Waffen, die über die Grenze geschmuggelt würden, genauso wie die Türkei reihenweise die IS-Kämpfer durch die syrisch-türkische Grenze durchgelassen habe. Zum Abschluss rief ein weiterer Demonstrationsteilnehmer dazu auf weiterhin Aktionen durchzuführen. Das Camp würde in Göttingens Innenstadt bleiben, bis die Belagerung Kobanês aufgehoben sei. Die Menge applaudierte und zerstreute sich zum Teil, ein paar jedoch blieben, heizten im Regen die Feuertonne an und holten das Essen der Volxküche, welches auf den Rathausplatz verlagert wurde.

 

Aktuell befinden sich auf dem Platz ca. 30 Menschen in Zelten. Es ist bereits das zweite Camp in Göttingen. Seit über einer Woche bietet die Göttinger Wohnrauminitiative in der Humboldtalle 9 ebenfalls ein Camp an, in dem wohnungsuchende Menschen übernachten können. Das Haus kämpft schon seit längerem für eine Selbstverwaltung und steht daher in Konflikt mit dem Studierendenwerk. Der Göttinger Wohnungsmarkt ist zusätzlich überfüllt, so dass viele diese Gelegenheit auch nutzen. Es sieht nach einem heißen Herbst aus!

 

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Die Parole ist zwar schön anarchistisch, nur steht zu befürchten, ohne Staat gehts auch nicht. Entweder hast einen Staat, oder das Kalifat. Das die Staaten in dieser Region künstlich errichtet wurden ist zwar bekannt, man verfolge den mit dem Lineal gezogenen Grenzverlauf, aber bemerkenswerterweise wird der von den Anarchisten beschworene Kampf gegen den Staat, derzeit von der IS geführt. Die hält sich nicht an Grenzen und will die dortigen Staaten gegen ein Kalifat ersetzen. Denke nicht, das Anarchisten sich die Erfüllung ihrer Wünsche in dieser Art vorgestellt haben. Die Losung weg mit dem Staat, kann zum falschen Zeitpunkt gestellt, durchaus einen reaktionären Charakter haben.

Naja, also das Kalifat ist ja auch ein Staat. Also von daher ist die Losung mit diesem Bezug keine Falsche.