Montag 09.11.2009, 18.30 Uhr, Raum: P3 (Philosophicum)
Décroissance – Skizze einer Gesellschaft jenseits des Wachstumsgedanken
In seinem Vortrag stellt Dr. Serge Latouche das in Frankreich weit
verbreitet Konzept der „Décroissance“ vor. Décroissance wird häufig –
etwas unglücklich – mit „Wachstumsrücknahme“ übersetzt. Mit dem Konzept
der décroissance übt Serge Latouche nicht nur Kritik am
Wachstumsgedanken sondern `überwindet´ ihn und geht somit deutlich
weiter als die in Deutschland weitläufig diskutierten Ansätze der sog.
„Solidarischen Ökonomie“ und all ihrer Spielarten. Während sich die
`Solidarische Ökonomie´ nicht von der `Ökonomie´ emanzipiert und am
Konzept des `Wachstums´ in seinen unterschiedlichsten Abwandlungen
(`dauerhaftes´, `sanftes´, `endogenes´, `nachhaltiges´ Wachstum)
festhält, versucht die décroissance diesen für unsere Gesellschaften
heiligen Begriffe des Wachstums zu überwinden. Die décroissance
kritisiert nicht nur das Wachstum oder
weist nicht nur auf die Grenzen des Wachstums hin, sondern versucht die
Möglichkeiten einer Gesellschaft des „Post-Wachstums“ bzw. des
„Nicht-Wachstums“ zu skizzieren. Hierfür unternimmt die décroissance –
mit den Worten von Serge Latouche – eine „Dekolonisierung unserer
Gedankenwelt“. Serge Latouche zeigt auf eindrückliche Art und Weise,
wie sehr unser alltägliches Leben und Denken vom Wachstumsgedanken
gesteuert wird. Die décroissance sucht kein `besseres´ oder `anderes´
Wachstum, sie sucht auch keine „Rücknahme des Wachstums“, sondern ein
Abschaffen des Wachstums (und der Ökonomie) als zentrales Erklärungs-
und Steuerungselement unseres sozialen, politischen, kulturellen,
wirtschaftlichen und menschlichen Lebens. Eine Gesellschaft der
„décroissance“ definiert sich nicht mehr über das Wachstum, sondern
rückt den Menschen in den Mittelpunkt ihrer selbst. Mit den Worten von
Serge Latouche: „le lien remplace le bien“ („die zwischenmenschliche
Beziehung ersetzt die Ware/ das Gut“). Erst ein a-ökonomisches Denken,
so Serge Latouche, erlaube es, die Probleme, die im alten Denken
entstanden sind, zu überwinden. Denn Probleme können nicht in dem
Denken gelöst werden, in dem sie entstanden sind.
Referent: Dr. Serge Latouche ist emeritierter
Professor der Wirtschaftswissenschaften der Universität Paris-Sud XI
und Autor zahlreicher Bücher über die „décroissance“.
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