Es gibt einiges zu widerlegen an dem oberflächlichen, von Ideologie eingefärbten Bericht von [Kobane] Der Plan, der die komplexe Situation in der Region simplifiziert und dabei fast verschwörungstheoretisch daher kommt.
Fangen wir mit der Situation in und um Kobane an. Der auch von Euch zitierte Journalist Kurt Pelda, der sich in der Gegend befindet, berichtet in aktuellen tweets von zahlreichen Überflügen in der Nacht durch Drohnen und Kampfflugzeuge, bei denen es sich wohl um Maschinen der US Streitkräfte handeln dürfte. Ebenso kam es am heutigen Tage zu Luftangriffen auf ISIL Stellungen, bzw. gepanzerten Fahrzeugen in der umkämpften Region. Dies sind auch nicht die ersten Angriffe auf ISIL Stellungen um Kobane, schon vor mehreren Tagen kam es zu Luftschlägen gegen ISIL Einheiten, allerdings waren sie nach Angaben des örtlichen YPG Kommandeurs nicht besonders effektiv. Er bot in diesem Zusammenhang den US Streitkräften an, diese mit Informationen über weitere Stellungen der ISIL zu versorgen. Außerdem berichtet Kurt Pelda davon, dass die Einheiten der YPG mittlerweile über die dringend benötigten Panzerabwehrwaffen vom Typ Milan verfügen, hierbei handele es sich um die neuesten Modellen und diese dürften nicht gerade mal eben auf dem Schwarzmarkt zu erwerben sein.
Das die Interessen der US Regierung und der PKK/PYD nicht deckungsgleich sind, ist eine Binsenwahrheit. Ebenso verfolgt die AKP Regierung eine eigene Agenda, und zwar an vielen Punkten auch im Widerspruch zu den USA. Da hindert aber alle Akteure nicht daran, taktische Absprachen zu treffen, bzw. in Hintergrundgesprächen Möglichkeiten für Kompromisse auszuloten. Der inhaftierte PKK Führer Abdullah Öcalan hat ja auch bis vor kurzen noch am "Friedensprozess" mit der türkischen Regierung festgehalten und dies, obwohl an der Basis massive Kritik geübt wird. Angesichts der Zuspitzung durch die Angriffe der ISIL auf die von den Kurden kontrollierten Gebiete im Norden Syriens dürfte ihm garnichts anders übrig geblieben sein, als den "Friedensprozess" zumindestens temporär auszusetzen, um seine Glaubwürdigkeit in der PKK zu bewahren. Einer der beiden Vorsitzenden der der PKK "sehr nahe" stehenden HDP befindet sich übrigens gerade in den USA. Offiziell beteiligt er sich an einem Kurdistan Kongress, der dort gerade stattfindet. In Wirklichkeit dürfte die Führungsspitze der Partei gerade andere Prioritäten haben als ein eher unbedeutender Kongress, sodass davon auszugehen, das es Hintergrundgespräche mit Offiziellen der US Regierung über die aktuelle Entwicklung geben wird.
Mehrere führende Vertreter der PYD sind übrigens im Verlauf der letzten 1,5 Jahre mehrmals nach Ankara gereist, um Gespräche mit Vertretern der türkischen Regierung und des MIT zu führen. Nach einem Besuch im Juli letzten Jahres erklärte der Vorsitzende der PYD, Saleh Muslim in einem Interview, dass die türkische Regierung unter bestimmten Voraussetzungen dazu "bereit sei , eine kurdische Autonomieverwaltung in Syrien anzuerkennen".
Das die gesamte Region seit dem "arabischen Frühling" massiv im Umbruch ist, ist allen Beteiligten völlig klar. Das es in diesem Prozess erstmalig die realistische Möglichkeit eines kurdischen Staates gibt, ebenso. Im Kern geht es nur darum, wieviel Autonomie, bzw. Unabhängigkeit letztendlich herausspringt und wer welche Machtpositionen dabei besetzt. Die PKK, bzw PYD ist dabei übrigens nie zimperlich umgegangen mit Kritikern, bzw. Gruppen und Personen, die ihren Alleinvertretungsanspruch infrage stellen. Dabei wurden etliche Aktivisten, die abweichende Meinungen äußerten, inhaftiert, teilweise wurde auch auf unbewaffnete Demonstranten geschossen, wobei es wiederholt auch Tote gab.
Die heutige Stärke sowohl der PYD als auch der ISIL kann sowieso nur im Kontext einer Analyse der Entwicklung in Syrien seit den ersten Protesten gegen das Assad Regime gesehen werden. Dazu an dieser Stelle nur zwei Stichpunkte.
Die PYD hat in der Anfangszeit des Aufstandes gegen das Assad Regime mit diesem eng kooperiert. Kampflos zogen sich syrische Regierungstruppen aus weiten Teilen der Regionen in Nordsyrien zurück, in denen die Kurden einen hohen Anteil an der Bevölkerung stellen. Etliche kurdische Syrier haben das Verhalten der PYD gegenüber dem Regime massiv kritisiert, viele haben sich deshalb bewusst in den Strukturen des säkularen syrischen Widerstandes (bewaffnet und unbewaffnet) engagiert.
Das syrische Regime hat von Anfang an auf eine Spaltung der Oppostion gesetzt. Nachdem absehbar war, das die Proteste nicht so schnell zu Ende sein würde, wurden hunderte von inhaftierten Islamisten aus den Gefängnissen entlassen. Bis die ISIL die heutige Stärke erreichte und sich traute, der syrischen Armee massiv offensiv gegenüber zu treten, richteten sich die meisten der militärischen Aktionen gegen andere Gruppierungen. Auch wurden die Stellungen der ISIL bis vor ein paar Monaten von Angriffen der syrischen Luftwaffe weitgehend verschont.
Allerdings muss die gesamte Entwicklung in Syrien in all ihrer Widersprüchlichkeit gesehen werden. Bündnisse sind oft kurzlebig, so arbeitete ISIL lange mit der Al-Nusra-Front zusammen, heute sind sie erbitterte Gegner. Regional werden Bündnisse geschlossen und wieder gebrochen, in Aleppo bekämpften sich z.B. erst Einheiten der FSA und kurdischen Gruppierungen (in und um Aleppo leben um eine halbe Million Kurden), dann ging man gemeinsam gegen bestimmte islamistische Gruppierungen vor.
Die Komplexität der Verhältnisse in (Nord)Syrien in einem Artikel abzubilden, ist bestimmt zuviel verlangt. Der kritisierte Artikel gefällt sich allerdings in billiger Propaganda, hier sollen nur die Reihen geschlossen werden und ein historisch überholter Antiimperialismus hechelt einem nationalen Befreiungskampf hinterher. Das der ISIL mit allen Mitteln gestoppt werden muss - ist unbestritten. Das die Sympathie den Menschen in Kobane gilt, ist selbstverständlich. Wer darüber hinaus aber den Anspruch erhebt, DEN PLAN aufzudecken, sollte schon ein bisschen tiefer schürfen als das Lower Class Magazine.
Sicherlich.
Danke für den berechtigten Hinweis!
"Die Komplexität der Verhältnisse in (Nord)Syrien in einem Artikel abzubilden, ist bestimmt zuviel verlangt. Der kritisierte Artikel gefällt sich allerdings in billiger Propaganda, hier sollen nur die Reihen geschlossen werden und ein historisch überholter Antiimperialismus hechelt einem nationalen Befreiungskampf hinterher. Das der ISIL mit allen Mitteln gestoppt werden muss - ist unbestritten. Das die Sympathie den Menschen in Kobane gilt, ist selbstverständlich. Wer darüber hinaus aber den Anspruch erhebt, DEN PLAN aufzudecken, sollte schon ein bisschen tiefer schürfen als das Lower Class Magazine"
Ist beim "Lower Class Magazin" aber eigendlich immer so. Ich lese deren Artikel daher auch immer mit einer gewissen Distanz. Die Welt wird bei denen mal mehr mal weniger in das ideologische Konzept gepresst (Ob`s passt oder nicht.... egal) . Aber oft lesenswert, wenn man den manchmal recht dumpfen idiologische Überbau Filtert.
biji
"Die PKK, bzw PYD ist dabei übrigens nie zimperlich umgegangen mit Kritikern, bzw. Gruppen und Personen, die ihren Alleinvertretungsanspruch infrage stellen."
Alles andere als die Behauptung eines Führungsanspruch der PYD/YPG wäre in der Situation, in der sich die befreiten Gebiete befinden unverantwortlich. Im Krieg gelten andere Gesetze, grundsätzlich ist Rojava aber das demokratischste Projekt in der gesamten Region. Kritik ist natürlich prinizipiell gerechtfertigt und notwendig, aber zur Zeit absolut Fehl am Platze und deshalb auch unsolidarisch.
PYD-Leute haben mit den USA und Ankara geredet, so what? Die Rolle der Türkei ist eindeutig, welche Rolle die USA spielt, wird sich zeigen und insofern ist es natürlich Spekulation zu sagen: die USA helfen der Türkei dabei Nordysrien/Rojava zu besetzen. Aber konkrete Argumente, was an dem Szenario aus dem lowerclassmag-Artikel so unwahrscheinlich sein soll, habt ihr keine. Vielmehr geht es euch darum den bösen, bösen Antiimperialismus als "Ideologie" zu brandmarken. Für idelogische Verblendung anfällig sind doch eher diejenigen, die gleich hohen Blutdruck bekommen wenn sie auf linksunten "US-Imperialismus" lesen.
hey
Also das Problem in diesem wie auch in anderen Artikel vom lcm sehe ich in einer etwas einfachen Weltsicht. Die sieht hinter etwas einen "Plan", wo (wie überall) verschiedene sich teils entgegenstehende Interessen wirken und das Endergebnis bestimmen. D. h. es kann durchaus sein, dass der erzählte "Plan" tatsächlich bei manchen Akteuren vorliegt, aber gleichzeitig werden viele andere Sachen in Erwägung gezogen und andere Akteure arbeiten an anderen Ausgängen. Zu glauben, dass die "US-geführte Koalition gegen den Islamischen Staat" einem einheitlichen Ziel folgen könnte ist naiv.
Am Ende schränkt sich der Artikel da ja fast selber ein:
"Ob sie realisiert werden, hängt davon ab, wie sehr es der kurdischen Bewegung gelingt, ihre Interessen gegen die der Türkei und der NATO durchzusetzen. Wenn der kurdische Widerstand, unterstützt von der türkischen Linken in der Türkei stark genug wird, wenn die HeldInnen von Rojava ihre Position halten, wenn die internationale Öffentlichkeit Druck auf die westlichen Staaten ausübt, dann könnte Rojava diese Schlacht auf Leben und Tod überstehen."
... macht dabei aber den Fehler die "westlichen Staaten" als losgelöstes, einheitliches Dingsbums zu zeigen. Das wird komplexen Staatskonstrukten einfach überhaupt nicht gerecht.
Das momentan Solidarität mit Rojava steht überhaupt nicht zur Debatte.
Nein kein Bluthochdruck
eher ein (gelangweiltes) Registrieren von Stillstand und das seit Jahren in dieser Szene.
"Kritik ist natürlich prinizipiell gerechtfertigt und notwendig, aber zur Zeit absolut Fehl am Platze und deshalb auch unsolidarisch."
Kritik ist bei diesen Strömungen immer Fehl am Platz,... komisch.
Wie oft habe ich auf linksunten dieses "Unsolidarisch" schon gelesen (und das auch bei lapidaren Themen), für euch scheint Kritik immer Unsolidarisch zu sein.
Das scheint mir auch eins der Grundprobleme (Marxistische, Antiimps u.s.w Gruppen) zu sein, ihr ordnet Kritik als Angriff ein und das mach ihr ,nach meiner Beobachtung, eigentlich immer.
Warum ist Antiimperialismus historisch überholt?
Gibt es keinen Imperialismus mehr?
Ach ja die Nato ist ja nur der verlängerte Arm von Amnesty International, die Nato interssiert sich ausschließlich für die Menschenrechte und betreibt ganz garantiert keine Imperialen Interessen.
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Zum Einngang: Angeblich wurden die Luftangriffe heute von der SAA durchgeführt
Überholter Antiimperialismus?
In Zeiten wo Deutschland seine nationalen Interessen gepaart mit den Interessen des Kapitals in der ganzen Welt aggressiver den je seit dem Ende des WW2 vertritt, also Troika in Grecce, Steinmeier auf dem Maidan, Bundeswehr in Afganisthan... da redet noch jemand vom "historisch überholten Antiimperialimus"???
Vorschlag
Wenn man einen Text schreibt, der einen anderen beansprucht zu kritisieren, sollte man sich in irgendeiner Weise auf diesen anderen Text beziehen. Das geschieht hier nicht. Hier wird zwar behauptet, der LCM-Text würde der "Komplexität" nicht gerecht, aber worin dieses Nichtgerechtwerden besteht, bleibt unklar. Eine Reihe von Fakten und Einschätzungen wird relativ wirr aneinandergereiht, am Ende sagt man: Ja, das ist alles super kompliziert. Einen leitenden Gedanken gibt es nicht, vor allem aber wird gar nicht klar, wie das jetzt dem LCM-Text genau widerspricht. Alles in allem bleibt die Kritik weit hinter dem zurück, was LCM-Texte normalerweise leisten: Verständlich einen Gedanken auszuführen. Das hier ist nicht viel mehr als eine Assoziationskette mit ein paar kleinen Einfällen, die man aber nicht zu einer Aussagen zusammenfasst, sondern die einfach demonstrieren soll: alles total "komplex". Gute Texte arbeiten in der Komplexität der Situation stringente Gedanken heraus. Naja, beim nächsten mal vielleicht.
zu einigen Fakten
Dem LCM vorzuwerfen, dass sie Peldas Tweets, die NACH dem LCM-Text gekommen sind, nicht zitiert hätten, ist schon relativ dumm. Die einfache Zuordnung der Milans zu der deutschen Lieferung auch. Die Peschmerga haben die selber seit einem Tag. Wie soll die denn innerhalb von einem Tag aus Erbil nach Rojava gekommen sein? In nem Rucksack? Nachdem die Peschmerga sagen, sie kommen da selber nicht durch. Und der Rest des Textes will einfach sagen: Naja die YPG ist auch nicht so toll, dafür die Amis aber umso mehr. Das traut ihr euch in der Deutlichkeit zwar nicht, das ist aber das, was ihr denkt. Epic Fail.