Lobbyverbände der Prostitutionsindustrie beraten die Bundesregierung zu Prostitution und Menschenhandel

#gegenprostitution
IAI 11.9999

Zur Anhörung des BMFSFJ zur Regelung des Prostitutionsgewerbes am 12.6.2014, veröffentlicht am 26.6.2014[1]

Am 12. Juni 2014 veranstaltete das BMFSFJ eine Anhörung zur Neugestaltung des Prostitutions-Gesetzes, um ein „umfassendes Bild“ zum Thema zu gewinnen. Die Anhörung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Undurchsichtig war schon im Vorfeld, wen das Bundesministerium als ExpertInnen um eine Stellungnahme gebeten und eingeladen hatte.[2] 

 

Wie aus dem Bericht des BMFSFJ nun hervorgeht, wurden weder  prostitutionskritische Stimmen, Petitionen und Gesetzesvorschläge, noch die Stimmen von Aussteigerinnen oder Überlebenden der Prostitution gehört. 

Stattdessen erhielten einschlägige Interessenverbände der Prostitutionsindustrie (sprich: Bordell-betreiberInnen und ZuhälterInnen), die bereits 2001 mit ihrer Lobbyarbeit für weite Teile des jetzigen, in seinen Zielen klar gescheiterten Gesetzes verantwortlich zeichnen, ausführlich Gelegenheit, ihre Wünsche für eine möglichst geringe Regelung und für möglichst wenige staatliche Eingriffe in diesen sexistischen und gewaltbesetzten Bereich darzulegen.

 

 

Die Lobbyisten bestimmen die „Marschrichtung“:

 

Als  „Interessenvertretungen“ nicht nur von „Unternehmerinnen und Unternehmern der Prostitutions- und Erotikbranche“, sondern gleichzeitig „von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern“ (Panel 2) kamen ausschließlich zu Wort:

 

-          Der Unternehmerverband Erotik Gewerbe Deutschland e.V , „vertritt die Interessen von Unternehmen, die erotische Dienstleistungen anbieten“.[3] Mit Schreiben vom 6.11.2013 schlug er der Bundesregierung und den Vertretern der Koalitionsverhandlungen vor, einen interdiszipli-nären runden Tisch einzurichten, „um ein Gesetzespaket zu entwickeln, das die Regulierung von Prostitution und Prostitutionsstätten unter Beteiligung der in der Branche Tätigen beinhaltet, frei von Mutmaßungen und manipulativer Einflussnahme durch die Medien.“[4]

-          Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen e.V.  Er „diente dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales als fachlicher Ansprechpartner in Fragen der Prostitution“[5] und gründete sich 2002 unmittelbar nach der Verabschiedung des Rot-Grünen Prostitutionsgesetzes und der damit einhergehenden Streichung und Änderung der Strafrechtsparagrafen zur Betreibung von Bordellen und Zuhälterei. [6] 

-          Der  Berufsverband erotische und Sexuelle Dienstleistungen e.V, gegründet im Oktober  2013 u.a. von Johanna Weber und Undine de Riviere. Er vertritt nicht die geschätzten 400 000 Prostituierten in Deutschland, die aus Zwang, unlauterer Anwerbung, Mangel an Alternativen und ökonomischer Not Prostitution als Überlebensstrategie ausüben, sondern eine privilegierte Gruppe von Escorts und Dominas, die z.T. auch als Betreiberinnen oder Zuhälterinnen tätig sind. Er fordert u.a. „flatrate und gangbang  - zum Erhalt einer Vielfalt von Arbeitsplätzen.“[7]

-          Sowie mit einer Expertise die lobbyfreundliche Juristin Margarethe von Galen.[8]

 

 

Ein „umfassendes Bild“?

 

Keines der Panels berücksichtigte bekannte KritikerInnen der Sexindustrie – weder bei den Fach-beratungsstellen, bei denen solche mit ernstzunehmender Ausstiegsarbeit fehlten, noch bei der Polizei, noch bei den Panels zu Menschenhandel und zu den „gesellschaflich relevanten Bündnissen“. 

Zu Wort kamen im besten Falle gemäßigte kritische Stimmen – z.B. bei einigen  VertreterInnen der Bundesländer und Kommunen  und den Gleichstellungsbeauftragten. In den meisten Fällen wurde auf die ohnehin bekannten UnterstützerInnen so ziemlich aller Forderungen des BesD und BSD, wie z.B. die leitenden Vertreterinnen des Dt. Frauenrats, zurückgegriffen.

 

 

KritikerInnen der Legalisierung von Prostitution ausgeschaltet

 

Konkret fehlten:

 

- SOLWODI, die mit ihrer Petition: „Mach den Schluss-STRICH! – Keine Frauensklaverei in Deutschland“ vor der Bundestagswahl  die Bundesregierung aufforderte, den Kauf sexueller Dienstleistungen zu verbieten; Auch ihr Vorschlag zur Revision des Gesetzes von 2001 wurde nicht berücksichtigt.[9]

- EMMA, die seit Jahren über die Folgen des Rot-Grünen Prostitutionsgesetzes aufklärt. Und damit auch die Stimmen der über 12 000 Organisationen und BürgerInnen, die seit Ende 2013 den „Appell gegen Prostitution“ unterzeichnet haben.[10]

- Die InitiatorInnen und UnterstützerInnen des „Karlsruher Appells für eine Gesellschaft ohne Prostitution“ [11]

- Cathrin Schauer von KARO-EV, die seit Jahren über die kriminellen Machenschaften von Frauenhändlern aufklärt, Sabine Constabel von La Strada Stuttgart, die sich unermüdlich für Prostituierte und Aufklärung der Öffentlichkeit über die Realität von Prostitution einsetzt,

Organisationen wie INGA e.V., Zora e.V. und KOFRA, Polizei-Experten wie Manfred Paulus, Helmut Sporer  u.a.

- Angehört wurden auch keine Expertinnen aus dem Ausland oder der European Women´s Lobby, deren Antrag auf Übernahme des Nordischen Modells als Resolution für die Mitgliedsstaaten Ende Februar mit klarer Mehrheit im Europäischen Parlament angenommen wurde.

- Ignoriert wurde ebenfalls  die letztes Jahr veröffentlichte, großangelegte Studie, die den Zusammenhang von Legalisierung und Menschenhandel belegt.[12] 

 

 

Das BMFSFJ macht sich zur Audienz für einschlägigen Lobbyismus !

 

Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, für die Beseitigung von Nachteilen für Frauen zu sorgen (Art.III, Abs. 2 GG)

Ebenso ist es Verpflichtung des Staates, seine BewohnerInnen vor Gewalt zu schützen, egal aus welchem Land sie kommen. Die Fortführung und Erleichterung des Geschäftsmodells Prostitution fördert jedoch genau das Gegenteil!

 

Es ist zu befürchten, dass das SPD geführte Familienministerium gesetzgeberisch noch hinter die im Koalitionsvertrag angekündigten zaghaften Beschränkungen der Sexindustrie und Schutzmöglichkeiten für Prostituierte zurücktreten wird und auch die Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Menschenhandel weiter verschleppt.

 

Wir erwarten, dass das Familienministerium effektive Maßnahmen gegen Menschenhandel und zum Schutz vor allem von jungen Frauen aus prekären Verhältnissen vorschlägt, statt die Interessenverbände der Sexindustrie zu fördern.

Wir erwarten, dass der Bundesregierung die Rechte von Frauen gegen Ausbeutung wichtiger sind, als die Legitimierung eines „Herrenrechts“ und die Einnahmen der Kommunen durch Besteuerung der Frauen, aber auch Männern und Trans Personen, in der Prostitution.

 

 

Unsere Forderung:

 

Abolition 2014 plädiert für eine gesetzliche Regelung nach dem Vorbild des auch von der EU als Richtlinie für die Mitgliedsstaaten beschlossenen „Schwedischen Modells“.

Dem Schwedischen Modell geht es darum, die Nachfrage nach Prostitution herunterzufahren und einen Perspektivwechsel herbeizuführen: Nicht die Prostituierten, sondern die Sexkäufer, die Zuhälter und die Bordellbetreiber/innen müssen im Visier der Gesetzgebung stehen.  

 

Das schwedische Modell umfasst:
- Sinnvolle und nachhaltige Unterstützung von Frauen (anderen), die aus der Prostitution aussteigen wollen
- Gesundheitsversorgung und andere Unterstützung (Schuldenberatung, Therapie...) unabhängig vom Ausstiegswunsch
- Schulung der Polizei zur Umsetzung des Gesetzes
- Aufklärung und Kampagnen in der Gesellschaft und an Schulen zu gleichbereichtigtem Zusammenleben und gleichberechtigten Umgang mit Sexualität
- Verbot von Bordellbetrieb und Zuhälterei
- Strafbarkeit des Kaufs des sexuellen Zugangs zum Körper anderer.

 

Abolition 2014 http://abolition2014.blogspot.de/ 

in Zusammenarbeit mit abolitionistischen Initiativen in Deutschland, Europa, Kanada und den USA.

 



[1] http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/gleichstellung,did=208046.html

[2] Siehe dazu auch http://www.welt.de/politik/deutschland/article129038414/Neues-Mindestalter-fuer-Prostituierte-spaltet-Koalition.html 

[3] http://www.uegd.de/index.php?option=com_content&view=article&id=280&Itemid=100024

[5] Sex als Arbeit: Prostitution als Tätigkeit im Sinne des Arbeitsrechts Bernhard Pichler; disserta Verlag; 2013; Seite 164

[6] http://www.bsd-ev.info/

[7] http://berufsverband-sexarbeit.de/politik/forderungen/

[8] http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/prostitutionsgesetz-reform-gewerbe-erlaubnispflicht/2/ 

[9] http://www.solwodi.de/931.0.html   http://www.solwodi.de/

[10] http://www.emma.de/sites/default/files/upload/pdf/appell_emma_6_2013.pdf 

[11]http://karlsruherappell.com/der-appell/

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

...die Vorteile vom schwedischen Modell haben sind die Reedereien an der Ostseeküste, die Wochenende für Wochenende Sextouristen nach Lithauen und Lettland fahren. Für die betroffenen Frauen hat sich das Leben in der Illegalität maximal verschlimmert.

Prostituierte Frauen werden in Schweden nicht in eine "Illegalität" gedrängt. Ihr Leben hat sich auch nicht verschlimmert. Es gibt keinerlei Beweise für die Behauptung der Prostitutionslobby, dass prostituierte Frauen in Schweden WEGEN des Sexkaufverbotes MEHR Gewalt ausgesetzt seien. Außerdem - wer verübt denn Gewalttaten gegen Frauen in der Prostitution? Richtig - MÄNNER. Höchste Zeit, den Tätern Einhalt zu gebieten und sie konsequent zur Verantwortung zu ziehen!

Mit Hilfe von Rot-Grün wurde halt der Bock zum Gärtner gemacht ..