Soli-Kundgebung für die Flüchtlinge in Kreuzberg, Hamburg und überall! Gegen Gewalt der Cops und gegen Polizeiwillkür! Gegen Gefahrengebiete und Sperrzonen! You can't evict a movement!
Seit einer Woche harren mehrere Dutzend Geflüchtete und UnterstützerInnen im Berliner Stadtteil Kreuzberg auf dem Dach der alten Gerhard-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße aus. Um die Schule herum belagern an die 1.000 Polizisten die Straßen des Viertels.
Auslösender Moment dieser unerträglichen Situation war eine versuchte Räumung des seit anderthalb Jahren von Geflüchteten besetzten Schulgebäudes durch den Grün-regierten Bezirk Kreuzberg/Friedrichshain. Das Haus war 2012 im Anschluss an den Protestmarsch der Flüchtlinge von Würzburg nach Berlin besetzt worden, um endlich selbstbestimmte Unterkünfte für Menschen zu schaffen, die entweder gar kein Dach über dem Kopf haben oder unter menschenunwürdigen Bedingungen in Lagern untergebracht sind. In den anderthalb Jahren der Besetzung hat der Bezirk nichts für eine Verbesserung der Lebensbedingungen in der Schule getan. Die Folge des Nichtsstuns waren auch in der Schule teilweise unschöne Zustände. Diese wurden nun als Vorwand genutzt, die selbstbestimmte Unterkunft zu räumen.
Der Zeitpunkt der zynisch «Umzug» genannten Räumung war
offensichtlich bewusst gewählt: Während der Abwesenheit vieler
unterstützender und/oder in der Schule wohnender Menschen (die sich zum
Teil gerade beim europäischen Protestmarsch der Flüchtlinge in Brüssel
befanden), und während der Fußballweltmeisterschaft rechnete die Grüne
Bezirksregierung scheinbar nicht mit großer Gegenwehr. Umso
katastrophaler war der Umgang mit der Situation, die durch den
entschlossenen und verzweifelten Widerstand der von einer Abschiebung
bedrohten Menschen in der Schule geschaffen wurde. Die im Viertel rund
um die Schule eingesetzten Polizeitruppen führten schnell ein eigenes
Regiment ein: So setzten sie über Tage die Pressefreiheit außer Kraft
und nahmen die AnwohnerInnen des Kiezes als «Geiseln», indem sie die
Zugänge und Straßen zu ihren Häusern und Geschäften sperrten.
Die
Ereignisse in Berlin überschlagen sich weiter. Gestern (Montag, 30.06.)
h
at die Polizeiführung dem Bezirk ein Ultimatum gestellt, entweder
jetzt endgültig zu räumen oder am nächsten Tag abzuziehen. Bei diesem
Ultimatum handelt es sich um einen beispiellosen Versuch, politische
Entscheidungen im Sinne der Polizei herbeizuführen. Heute geschah dann
das Unglaubliche: Die Grüne Bezirksverwaltung gab dem Ultimatum der Cops
nach und erteilte entgegen anderslautender Mitteilungen des Vortages
einen Räumungsauftrag. Am Morgen hatten die aus ganz Deutschland
zusammengezogenen Besatzungstruppen ihrer Forderung nach einer
vollständigen Räumung der Schule durch einen brutalen Angriff auf Kinder
und Jugendliche einer mit den Geflüchteten solidarischen
SchülerInnen-Demo noch einmal gewaltsam Nachdruck verliehen. Dabei
wurden Kinder und Minderjährige verletzt.
Während dieser Aufruf
geschrieben wird, ist noch unklar, in welcher Form und wann die von den
Cops gewünschte Räumung der Schule durchgeführt werden wird. In diesen
Minuten werden jedoch bereits unterstützende Menschen auf den Straßen
des Viertels massiv geschlagen, getreten und mit Pfefferspray
mißhandelt. Es ist zu erwarten, dass die uniformierten und bewaffneten
Gewalttäter die Situation noch weiter eskalieren werden.
Die
Selbstermächtigung der Polizei und das menschenverachtende Geschacher
und Kompetenzgerangel auf dem Rücken geflüchteter Menschen zwischen
Grünen-PolitikerInnen und dem CDU-Innensenator Henkel – der zu keiner
Zeit eine Bereitschaft zu einer friedlichen Lösung zeigte – darf nicht
einfach hingenommen werden! In diesem Zusammenhang erinnern wir
nachdrücklich daran, dass die Geschehnisse in Berlin nur Teil einer
ganzen Kette menschenfeindlicher politischer, juristischer und
polizeilicher Entscheidungen und Handlungen gegen Geflüchtete ist – in
den Lagern, bei den Behörden, in Abschiebeknästen, bei Polizeikontrollen
oder Verfahren. Sichtbar wird das beim Umgang mit den bundesweiten
Protesten der geflüchteten Menschen: In Berlin geht es um gebrochene
Versprechen und Ignoranz gegenüber den Menschen vom Oranienplatz und aus
der Gerhard-Hauptmann-Schule, in Hannover geht es um die BewohnerInnen
des Camps auf dem Weißekreuzplatz und in Hamburg wartet die «Lampedusa
in Hamburg»-Gruppe trotz großer Unterstützung aus der Bevölkerung seit
über einem Jahr bis heute auf Vorschläge zur Lösung ihrer furchtbaren
Situation.
Es ist an der Zeit die Geflüchteten zu verteidigen!
Wir rufen angesichts der eskalierenden Situation zu schnellen
solidarischen Aktionen und Kundgebungen in allen deutschen Städten auf!
Treffpunkt für Wuppertal:
Donnerstag, 03.07., 18:00 Uhr Solidaritätskundgebung auf dem von der Heydt-Platz (am C&A) in Elberfeld!
Keine Räumung der Gerhard-Hauptmann-Schule! Sofortiger Abzug der Besatzungstruppen aus Kreuzberg!
Entlassung der für das Polizei-Ultimatum Verantwortlichen, einschließlich des Innensenators Henkel!
Rückritt der Grünen-Bezirksverwaltung! Bleiberecht und Arbeitserlaubnis für alle Flüchtlinge!
No Border! No Nation! Fight Fortress Europe!
You can't evict a movement!
Solidarisiert euch mit diesem Aufruf und verbreitet ihn auch über eure Kanäle!
Bundesweite Demo in Berlin!
am Samstag 14 Uhr, Hermannplatz:
Refugees Welcome!
Scheiß Bullen, Scheiß Grüne, Scheiß Senat!
https://linksunten.indymedia.org/de/node/117853
Wir halten an der Kundgebung heute in Wuppertal fest:
Am Abend des 2.Juli und in der Nacht zu Donnerstag ist es zwischen dem von den Grünen regierten Berliner Bezirksamt Kreuzberg/Friedrichshain und den in der ehemaligen, von Flüchtlingen besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule verbliebenen Menschen zu einer Einigung gekommen. Der Auftrag zur gewaltsamen Räumung der Schule, der am Dienstag vom Grünen-Baustadtrat Panhoff an die Polizei erteilt wurde, wurde zurückgezogen. Die Sperren der Polizei, die den «Reichekiez» in Kreuzberg tagelang zu einem besetzten Gebiet machten, wurden schon in der Nacht aufgehoben – eine in Berlin eingesetzte Einheit aus Thüringen konnte bereits wieder an der Räumung eines zwischenzeitlich in Jena besetzten Hauses teilnehmen.
Doch während es für einige Dutzend Menschen in Berlin eine vorläufige Lösung zu geben scheint, geht der Krieg Europas gegen Geflüchtete anderenorts mit unverminderter Brutalität weiter. Zur gleichen Zeit, in der in Berlin verhandelt wurde, räumte die französische Polizei das seit vier Wochen von verzweifelten Flüchtlingen in Calais besetzte Areal von «Salam» mit Tränengas und Schlagstöcken. Über 700 Menschen, größtenteils Familien aus den Kriegsgebieten in Syrien und Zentralafrika, wurden aus ihrer letzten Zuflucht geknüppelt und auf Abschiebelager und -knäste verteilt. Unter ihnen befinden sich auch 123 Kinder.
Wir freuen uns natürlich über die Absage der Räumung der Schule, die auch aufgrund der Solidarität vieler Menschen auf den Straßen des Quartiers in Kreuzberg erreicht wurde. Dennoch ist es – nicht nur mit Blick auf die Ereignisse in Calais – ein bitterer Teilerfolg. Es wurde auch in Berlin zunächst nichts anderes erreicht, als die akute Gefahr für das Leben der in der Schule Verbliebenen abzuwenden, die durch die Räumungsandrohung ausgelöst worden war. Aus der Schule wird daher auch appeliert, die Unterstützung für die Geflüchteten weiter aufrecht zu erhalten. In ihrer Erklärung verweisen die geflüchteten Menschen nicht nur darauf, dass ihnen noch immer kein Bleiberecht nach §23 zugesichert wurde (was CDU-Innensenator Henkel jederzeit tun könnte), sie beziehen sich auch auf einen in letzter Minute für heute auf die Tagesordnung des Bundestages gesetzten Punkt: Noch vor der Sommerpause will die große Koalition die Verschärfung des Asylrechts beschließen, mit der Geflüchtete aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien noch schneller abgeschoben werden können.
Diese «Ernennung» von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als «sichere Drittstaaten», die es den Ausländerbehörden möglich macht, Menschen nach der «Dublin III»-Verordnung schneller als bisher in diese Länder zu verschleppen, ist nach allen Berichten humanitärer Organisationen, die sich dort umgesehen haben, ein Hohn. Und sie trifft in erster Linie erneut Roma. Also jene Bevölkerungsgruppe, die ohnehin von Behörden und Teilen der Bevölkerung offen stigmatisiert und schikaniert wird. Auch bei der zum «Umzug» umgedeuteten Teil-Räumung der Schule in der Ohlauer Straße wurde für die dort lebenden Roma-Familien eine «eigene» Lösung durch das Bezirksamt angekündigt, ohne diese zu präzisieren. Im Anschluss gab es Berichte von zuvor in der Schule lebenden Familien, die keine neuen Unterkünfte erhielten und deshalb wohnungslos in der Nachbarschaft campieren mussten. Dass der Bundestag das Gesetz in einer Nacht- und Nebelaktion gerade im zeitlichen Umfeld der Auseinandersetzungen an der Ohlauer Straße durchwinken will, ist kein Zufall.
Es bleibt außerdem bei dem beispiellosen Vorgang, dass über mehrere Tage über 1.000 PolizistInnen ein Polizei-Regime in Kreuzberg errichten konnten, mit dem auf dem Rücken der geflüchteten Menschen ein unwürdiger Machtkampf zwischen Grünen-LokalpolitikerInnen und einem SPD/CDU-Senat in Berlin ausgetragen wurde. Dieses Polizei-Regime hat durch ein unmenschliches Hin und Her nicht nur die BesetzerInnen der Schule eine Woche lang terrorisiert, es bestimmte über Tage auch die Grenzen der Pressefreiheit. Es nahm zudem auch alle BewohnerInnen des Reichekiezes in eine Art Geiselhaft, und gab den dort eingesetzten PolizistInnen mehrmals die Gelegenheit, ihre Gewaltphantasien an unbewaffneten Protestierenden auszuleben. Dabei traf es am Dienstag eine Demonstration von SchülerInnen, an der sich auch viele Minderjährige beteiligten. Einige Presseberichte sprechen davon, dass einer der Schüler durch den exzessiven Einsatz von Pfefferspray ein Auge verlieren wird – ein unerträglicher Vorgang angesichts der Tatsache, dass in diesen Tagen in Stuttgart der Prozess gegen die Besatzung jenes Wasserwerfers begonnen hat, die einem Demonstrierenden am 30.09.2010 ein Auge aus dem Kopf schoss.
Die Übernahme der vollständigen Kontrolle in der Gegend um die besetzte Schule durch Polizeitruppen gipfelte schließlich in einem an die Bezirksverwaltung gerichteten Ultimatum durch die Polizeiführung. In ihm wurde der Bezirk unmissverständlich ausgefordert, die Schule räumen zu lassen, anderenfall werde die Polizei ihre Arbeit einstellen. Auch wenn es (bisher) doch nicht zur Räumung des Gebäudes gekommen ist: Dieser Vorgang negiert die prinzipielle Trennung von Legislative und Exekutive in einer Art, die den Ausdruck «Polizeistaat» rechtfertigt. Er reiht sich damit in eine seit langer Zeit zu beobachtende Entwicklung ein, die den Eindruck hervorruft, dass sich Polizeiführungen und -interessengruppen wie die Deutsche Polizei Gewerkschaft (DPolG) verselbstständigen und immer häufiger eigenmächtig über Repressionsmaßnahmen und Vorgehensweisen entscheiden.
Von den vollständig unterdrückten «Blockupy»-Aktionstagen in Frankfurt 2011, über die verhinderte «Blockupy»-Demo des letzten Jahres und die Zerschlagung der Demonstration in Hamburg am 21.12.2013 bis zur ebenfalls eigenmächtigen Ausrufung eines mehrtägigen «Gefahrengebietes» in Hamburg und dem jetzt erfolgten Feldzug gegen Geflüchtete im Sperrgebiet rund um die Ohlauer Straße zieht sich eine immer breitere, auch blutige Spur unkontrollierten und unwidersprochenen polizeilichen Handelns. Sie führt auch zum skandalösen Umgang der Polizei mit dem Nazi-Überfall nach der Kommunalwahl im Mai aufs Dortmunder Rathaus und zum kürzlichen Bekanntwerden einer Vielzahl «geheimer Gefährdungszonen» auch in Köln – von den vielen, von den Medien meist ignorierten brutalen Angriffen auf Protestierende und dem andauernden «Racial Profiling» im Alltag von MigrantInnen ganz zu schweigen.
Der – gar nicht so – klammheimlichen Errichtung eines Polizeistaates, dem jenes ungebrochen Selbstverständnis als eigenständiger politischer Faktor zugrundeliegt, das die deutsche Polizei auch zum aktiven Mittäter der Nationalsozialisten machte, muss jetzt entschiedener Widerstand entgegengesetzt werden. Die vor wenigen Tagen von der DPolG veröffentlichte Presseerklärung zum Überfall der Nazis in Dortmund lässt keinen Zweifel zu: Auch im Falle eines Wahlsieges der Nazis sieht die DPolG die Aufgabe der Polizei darin, einen in ihren Augen nicht legitimen zivilen Widerstand mit aller Macht zu verhindern – wenn es ein muss, auch gegen PolitikerInnen des «bürgerlichen Lagers». Das in Berlin ausgesprochene Ultimatum zur Räumung des «rechtsfreien Raums» Gerhart-Hauptmann-Schule basiert auf dem gleichen Un-Geist. Und dass es in Berlin trotz vieler Aufforderungen, sich den Einsatzbefehlen zu widersetzen, nicht zu nennenswerten «Remonstrationen» von Beamten und Beamtinnen kam – wie es unlängst in Hamburg im Anschluss an eine «Lampedusa in Hamburg»-Protestaktion einmal geschah – zeigt leider auch, dass die von vielen PolizistInnen oft beklagten «Pauschalisierungen» im Kern wohl berechtigt sind.
Für uns sind das ausreichende Gründe, auch nach dem Teil-Erfolg des Protestes um die Ohlauer Straße an der für heute geplanten Kundgebung in Wuppertal festzuhalten. Kommt zahlreich!
You can’t evict a movement! Soli-Kundgebung für die Flüchtlinge in Kreuzberg, Hamburg und überall!
Gegen Polizeigewalt! Staat und Nazis Hand in Hand – Widerstand im ganzen Land!
Donnerstag, 03.07., 18:00 Uhr, Wuppertal-Elberfeld, v.d.Heydt-Platz (am C&A)