You cannot evict a movement and you cannot evict that building! Ein subjektiver Bericht zum heutigen Tag um das Refugee-Haus.
Es ist Montag Abend. Nachdem vormittags noch nicht viel los war rund um die Absperrgitter, wird es gegen Nachmittag wieder lebhaft an diesem sechsten Tag Belagerungszustand. Für 18:30 ist angekündigt, an der Polizeiabsperrung Federball zu spielen, da die Bullen offenbar nicht so gut mit derart verwirrenden Protestformen zurecht kommen. Auch das Zwangsräumungsbündnis lädt dazu. Kurz vorher, um 18 Uhr beginnt ein öffentliches Treffen von Anwohner_innen und Gewerbetreibenden. Während vom Infopunkt vor dem Tempest Musik und lässiger Informationsfluss an die gemütlich Umhersitzenden gestrahlt wird, kommen um die hundert Ortsansässige im Kreis mitten auf der Ohlauer Straße südlich der Reichenberger zusammen und berichten von Erlebnissen und Plänen für die nächsten Tage. Einige sind aufgebracht wegen der Stilllegung ihrer Betriebe, andere sehen darin sicherlich eine von vielen Möglichkeiten, den Bullen auf die Senkel zu gehen und Solidarität mit den Anliegen der Dachbesetzer zu praktizieren. Vorschläge werden gemacht, wie kreativ, juristisch oder aktionistisch mit der Besatzung umgegangen werden kann. Die Stimmung ist ernst und dabei sehr positiv. Das kann sie auch sein: so schlimm das gesamte Geschehen ist, so schön ist es, eine Versammlung abzuhalten und zumindest für diesen Moment ein Kollektiv zu bilden. Erlaubnis braucht es dazu dieser Tage nicht - die Straße außerhalb der Absperrung gehört den Menschen. Von der Absperrung hundert Meter weiter ertönt nun wiederholt Jubeln und ab und zu die Slogans dieses Kampfes: Solidarität mit Flüchtlingen, no border no nation. Grund ist, dass die Federballer angefangen haben, ihr Spiel mit den ernst dreinblickenden Monstern in dunkelblau zu spielen. Schnell haben sie Mitspieler auf der inneren Seite der Absperrung, die dort wohl ihre Meldeadresse haben und so geduldet werden. Peinlich berührt meiden die Bullen jeglichen Blick, unsicher, was zu tun ist angesichts der Konfrontation mit ungehorsamen Bürgern, die man vom Anschein her wohl erstmal dem grünen Spektrum zugerechnet hätte. Wenig später, als die meisten wieder entspannt umhersitzen und den gelegentlichen Live-Schaltungen mit den gut gelaunten Dachbesetzern lauschen, gibt es plötzlich einen Durchbruch des Anlieger-Plenums, der nicht nur die Bullen überascht. Sie haben es geschafft, mit ca. hundert Leuten einfach in die abgesperrte Ohlauer zu laufen und dort eine Sponti zum Eingang des Refugee-Hauses zu machen. Vorne weg Väter mit ihren Kindern, hinter her Greise. Alle halten Schilder mit den Parolen dieser Tage: her mit dem §23, Feuer und Flamme den Abschiebebehörden. Die am Tretgitter stehenden haben Respekt vor den Waffen und der Aggressivität der Bullen und begnügen sich dieses mal mit Jubel und guter Laune. Als die Sponti im gefährlichen Gebiet umdreht und dann Richtung Lausitzer läuft, beginnt vor den Boxen des Infopunktes ein DJ kurdische Musik aufzulegen mit der Ansage: wir tanzen jetzt, jeder darf mittanzen. Schnell fassen sich an die 40 Leute an den kleinen Fingern und Bilden einen Kreis und zelebrieren die Kultur des kurdischen Widerstands – heute als Teil des Refugee-Kampfes. Auf der Bushaltestelle dahinter halten Kinder ein Schild mit provokativer Aufforderung an die dummen Schläger: Helm ab, Hirn rein. Die Sonne lässt sich blicken und alle bei uns sind guter Laune. Das Gerücht verdichtet sich, dass die Polizei dem Bezirksamt mitgeteilt hat, dass sie nurnoch bis morgen dastehen, wenn es nicht einen klaren Plan aus der Politik gibt. Das Maneuver ist durchschaubar: an diesem Punkt, wo die Lächerlichkeit der Einen der Sieg der Anderen ist, will sich die Führung der Berliner Polizei rausziehen und versucht dabei einen Moment zu schaffen, in dem es so scheint, als ob der Bezirk alleine Schuld ist. Für uns bleibt es dabei: es gibt einen Apparat, der uns in Menschen und Untermenschen aufteilen will. Einen Apparat, der in Kreuzberg gegen uns steht so wie an den Ausengrenzen Europas. Einen Apparat, der eine Schlacht verloren hat, aber sich letztendlich nicht damit zufrieden geben wird.
Wir sind gefragt, darüber nachzudenken, was jetzt kommt. Wollen wir zufrieden sein, wenn der Verkehr wieder durch die Ohlauer und die Reichenberger Straße rollen kann, oder wollen wir die ganze Schule wieder zurückerobern?
know your enemy
Baustadtrat Hans Panhoff, der in vorderster Front die Politik des Bezirksamt gegen die Flüchtlinge in der besetzten ehemaligen Schule vertritt, kommt übrigens aus der Besetzerbewegung Westberlins der 80iger.
Er wohnte im Kerngehäuse in der Kreuzberger Cuvrystrasse. Das Haus war federführend an der Spaltung der Besetzerbewegung in der Frage Verhandlungen ohne Freilassung der inhaftierten Demonstranten beteiligt, initierte das sogenannte Käseglockenmodell. Nach einigem Hinundher gab es dann Prügel, Räumung und Knast für die Nichtverhandler, die anderen bauten sich ihr alternatives Eigenheim mit Staatskohle.
Soviel Erfahrung in integrativer kapitalistischer Stadtumstrukturierung war dann auch nach einem Studium der Stadt- und Regionalplanung und einigen Zwischenstationen einen führender Job beim QM Moabit Ost wert (s.a. die Untersuchung zur "Umkämpften Stadt").
Das er jetzt die "Säuberung" von 36 weiter vorantreiben will, ist ja nur konsequent...
Einiges ist gewachsen, das wir jedenfalls nicht hergeben sollten
Alles, worüber berichtet wird, habe ich auch erlebt und deckungsgleich wahrgenommen. Danke für die Worte, und... was da gewesen ist, in diesen knapp sieben Tagen, sollten wir alle, die es mitgetragen, miterlebt und mitgestaltet haben nicht hergeben. Vormachen dürfen wir uns nichts, was wir von der anderen Seite der Absperrungen, von Henkel, Kandt, Herrmann und Co. erlebt haben und das, was wir vom Oranienplatz follow-up kennen, das nahende Sommerloch etc. verheißen 360 Grad weiteren trouble, da können wir sicher sein. Wo gerade jetzt zurücklehnen so schön und echt absolut wolhlverdient wär'... es war zauberhaft, was eigentlich gar nicht so viele mir nicht dir nichts dahin gestemmt haben und wie es sich ausgewachsen hat. Die ganze Schule zurückerobern? Ja, natürlich, wenn wir da alle so klar und so einer Meinung wie in der letzten Woche, nur zu! Wäre schade, diesen Schatz einfach so einschlafen zu lassen... das heißt aber, alle bleiben weiter dran, alle geben weiter her, was sie können, alle passen aufeinander auf, alle setzen sich ein, alle lassen nicht locker und so... ich bin dafür!