Bis Ende der Woche (6. Juli) werden noch Gruppen gesucht, die sich solidarisch mit den als "Foreign Agents" verfolgten Organisationen in Russland solidarisch erklären wollen. Bitte schreibt uns in diesem Fall an "soli-kampagne [ätt] riseup.net". Es haben schon etliche Gruppen ihre Solidarität mitgeteilt, aber es sollen möglichst viele werden. Prinzipiell kann sich jede Gruppe darunter setzen, denn die "Foreign Agent"-Gesetzgebung beschränkt sich nicht auf ein spezielles Themenfeld, sondern dient der Ausschaltung jeglicher politischer, kritischer Aktivitäten. Der Aufruf mit der Unterstützer*innen-Liste soll noch vor dem nächsten Prozesstag gegen die Humanistische Jugend-Bewegung (GDM) in Murmansk am 8. Juli 2014 veröffentlicht werden.
Mehr Informationen gibt es auf der Internetseite der Soli-Kampagne: http://russlandantirep.blogsport.de
Solidarität gegen die Verfolgung von NGOs als "Foreign Agents" in Russland
Derzeit erleben russische Umwelt-, Menschenrechts- und andere Nichtregierungsorganisationen eine Welle von Repression, die sich gegen kritisches außerparlamentarisches Engagement richtet. Unter dem Deckmantel von Transparenz wird gesellschaftliches Engagement, wenn es auch Unterstützung aus dem Ausland erhält, als "Aktivität in fremdem Interesse" gebrandmarkt. So sollen kritische Stimmen zum Schweigen gebracht werden. Registrierte NGOs, deren Aktivitäten vom Staat als "politisch" betrachtet werden, und die beispielsweise ausländische Spenden oder Zuschüsse von Stiftungen erhalten, werden gezwungen sich als "Ausländische Agenten" (Foreign Agents) zu registrieren - ein Begriff, der auf den Diskurs um Spionageaktivitäten während des Kalten Krieges anspielt. Derart stigmatisierte Organisationen können praktisch nicht mehr arbeiten und müssen sich in Folge selbst auflösen.
Jüngste Beispiele sind die Murmansker Menschenrechtsorganisation "Humanistische Jugend-Bewegung", die auf Drängen des russischen Geheimdienstes FSB (früher KGB) mit einem Gerichtsverfahren zur Einstufung als "Foreign Agent" konfrontiert ist, und die Umweltorganisation "Ecodefense", deren erfolgreiche Kampagne gegen den Bau eines Atomkraftwerks in Kaliningrad durch das Justizministerium mit selbiger Einstufung abgestraft wurde. Ecodefense ist außerdem eine von elf russischen Organisationen, die Beschwerde gegen das "Foreign Agent"-Gesetz vor dem Europäischen Menschengerichtshof eingereicht hatten. Zwei Repräsentant*innen der Humanistischen Jugend-Bewegung haben Mandate im regionalen Gefängnis-Kontrollkomitee inne, das per Gesetz umfassenden Zugang zu Einrichtungen des Strafvollzugs hat, und Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention aufdeckt sowie Druck zur Verbesserung der Bedingungen von Gefangenen aufbaut. Beide NGOs wehren sich juristisch gegen die drohende Schließung - aber bislang hat noch fast jeder "Foreign Agent"-Prozess in Russland zur Verurteilung geführt.
Das "Foreign Agent"-Gesetz wurde 2012 nach Massenprotesten gegen Manipulationen und "Unregelmäßigkeiten" während der letzten Präsidentschaftswahl eingeführt. NGOs wurden als eine Triebfeder der Protestbewegung ausgemacht, hatten sie doch Wahlbeobachtungen organisiert, Manipulationsfälle gesammelt und öffentlich gemacht. Das "Foreign Agent"-Gesetz ist so vage gehalten, dass praktisch jede Organisation ausgeschaltet werden kann, die irgendeine Unterstützung aus dem Ausland erhält. Russische Menschenrechtsorganisationen stufen das Gesetz als illegitim und als in Widerspruch mit von der russischen Verfassung garantierten Grundrechten ein.
Wir fordern:
- Die sofortige Einstellung aller "Foreign Agent"-Verfahren!
- Die Rücknahme bereits erfolgter Einordnungen von NGOs als Ausländische Agenten!
- Das Ende der Kriminalisierung außerparlamentarischen gesellschaftlichen Engagements!
Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg e.V. (Lüchow), UBiKuKuJuSo e.V. (Göttingen), AK Internationales (Braunschweig), Morsleben-Netzwerk (Magdeburg), web-designing – Verein zur Förderung emanzipatorischer Kommunikation e.V. (Darmstadt), Projekthaus (Döbeln), Greenkids e.V. (Magdeburg), Aktive der Wietze/n-Kampagne (Braunschweig), ZWISCHENLAGER für Politik und Geschichte (Mannsdorf), Löwenzahn e.V. (Magdeburg), Nuclear Heritage Network (Döbeln), AK Offene Räume (Göttingen), ATOMIC BALTIC network/project (Döbeln), Antisexismus-AK (Braunschweig), Anti-Atom-Plenum (Göttingen), Hedonistische Antinationale, Aktive des Kampagnenbüros (Braunschweig)
Soli-Aufruf von mehr als 70 Gruppen unterstützt
Der Aufruf wurde heute an die Presse gegeben - mit mehr als 70 unterstützenden Organisationen.
Weitere Unterstützer*innen sind willkommen und werden auf der online-Version der Soli-Erklärung laufend aktualisiert. Um den Aufruf noch zu unterzeichnen schickt ihr eine E-Mail mit eurem Gruppennamen und -ort an "soli-kampagne [ätt] riseup [dot] net".
GDM: Nächster Prozesstag festgelegt
Heute wurde der Termin zur Fortsetzung der Hauptverhandlung im "Foreign Agent"-Verfahren gegen die Humanistische Jugendbewegung (GDM) mitgeteilt. Sie wird am 10. September 2014 am Amtsgericht in Murmansk stattfinden. Bis dahin soll ein neues "psychologisch-linguistisches Gutachten" von Texten aus der von GDM herausgegebenen "Jugend für Menschenrechte Zeitung" erstellt und ins Verfahren eingeführt werden. Das erste, vom "Zentrum gegen Extremismus" beauftragte Gutachten der Anklage war so offensichtlich tendenziös gewesen, dass Richterin Zemtsova eine Verurteilung damit wohl nicht begründen will und es selbst als zweifelhaft bezeichnete. Dass weder die ablehnende Stellungnahme des für das "Foreign Agent"-Register zuständigen Justizministeriums, noch das von der Verteidigung beauftragte wissenschaftliche Gegengutachten von ihr als Grundlage für einen Freispruch genutzt wurden, deutet ein weiteres Verfolgungsinteresse zumindest an.
Verfahrenspause verlängert
Die Pausierung des Gerichtsprozesses wurde jetzt bis 25. September verlängert, weil das neue vom Gericht beauftragte psychologisch-linguistische Sprachgutachten nicht in der angesetzten Zeit fertiggestellt werden konnte.