Über die Klassenkämpfe in Portugal 1974/75 und heute
Aufgeklärte Militärs stürzen die Diktatur, das Volk bedankt sich mit Blumen: Sofern überhaupt noch im Gedächtnis, gilt die portugiesische Nelkenrevolution heute als geglückter Coup für die Demokratie – was vom Ergebnis her betrachtet nicht einmal falsch ist. Die Zeit nach dem April 1974 war allerdings zunächst eine von offensiven Klassenkämpfen, die dem Programm des Staatspersonals, Diktatur und Kolonialbesitz ab-zuwickeln, um den portugiesischen Kapitalismus zu modernisieren, gewaltige Steine in den Weg rollten. Wilde Streiks und Basiskomitees, Besetzungen von Häusern, Betrieben und Ländereien, eine in Auflösung begriffene Armee, deren untere Ränge zur Revolution überliefen, machten die Hoffnung auf einen geschmeidigen Übergang zunichte und führten Portugal mehrfach an den Rand eines Bürgerkriegs. »Noch nie, nicht einmal in Ungarn, ist das moderne Proletariat so weit gegangen«, bemerkte Guy Debord damals.
Im Rückblick wirken die Bilder der revolutionären Wirren wie solche aus einer anderen, endgültig abgeschlossenen Epoche. Vierzig Jahre später hat die Demokratie in Portugal krisenbedingt jeden Glanz verloren. Die rigide Sparpolitik ruft immer wieder Protest hervor. In welchem Verhältnis stehen die Proteste von heute zur Arbeiterautonomie von damals?
Über die Beziehungen zwischen heute und damals sprechen Ricardo Noronha (Lissabon), Geschichtsforscher und an den jüngeren Kämpfen Beteiligter, und Charles Reeve (Paris), u.a. Verfasser des Essays Die portugiesische Erfahrung (1975). Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Wer möchte, kann sich mit einigen Texten auf unserer Website auf die Veranstaltung einstimmen.
www.kosmoprolet.org
Ort
Die Veranstaltung findet am 22.6. im k-fetisch in Neukölln statt.