Am Montag den 5. Mai kam es nun zu der Verhandlung gegen 6 Antifaschist_innen und den bekannten Nazi Lukas Bals, unter anderem Kandidat für Die Rechte in Dortmund, in Verbindung mit einem angeblichen Angriff auf den Nazi Rene Heuke im Mai 2011. Der Prozess war gezeichnet von einer, zu erwartenden, Extremismus theoretischen Haltung seitens der Justiz, sowie einer höflichen Fürsorge durch den Staatsanwalt dem Nazi Bals gegenüber, was auch durch das Urteil des Richters bekräftigt wurde.
Vor der Gerichtsverhandlung hatten sich circa 40 Antifaschist_innen als Unterstützung vor dem Amtsgericht Wuppertal eingefunden. Bals erschien kurze Zeit später auch, scheinbar allein. Kurz vor der Verhandlung erschien außerdem der aus NRW bekannte Nazi Matthias Drewer. Er selbst war an dem Übergriff auf einen alternativen Flohmarkt in Wuppertal in der Nacht vom 25.9.2011 beteiligt. Dort prügelte eine Gruppe von circa 12 Nazis auf Besucher_innen ein, weil sie diese für sich als „Linke“ definiert hatten.
Drewer fiel vor allem dadurch auf, dass er bereits beim Einlass der Verhandlungen Genoss_innen schubste und provozierte, mit sexistischen, rassistischen und homophoben Beleidigungen.
Bereits zu Beginn der eigentlichen Verhandlungen beanstandeten mehrere der Anwälte die Anklageschrift im Hinblick auf Ungenauigkeiten und Fehlformulierungen. Der Richter wehrte diese Einwände konsequent ab. Im folgenden äußerte sich keine der angeklagten Antifaschist_innen zur Tat, lediglich Bals, der ohne Verteidiger_in erschienen war, ließ es sich nicht nehmen eine Stellungnahme zu der Tat abzugeben.
Im Gegensatz zu vergangenen Prozesse verzichtete er hierbei jedoch darauf Antifaschist_innen direkt zu belasten oder über, die ihm damals bekannten, Strukturen zu plaudern. Er räumte ein an der Tat beteiligt gewesen zu sein und mehrere male zugeschlagen zu haben. Dies verband er allerdings mit typischen Naziargumentation gegenüber antifaschistischen Strukturen. Das beinhaltete, dass er sich bei Rene Heuke entschuldigt habe „weil man das so macht“. Weiterhin sprach er über die angebliche aggressive Mentalität von Antifaschist_innen, die „Feigheit“ in der „linken Szene“, die „Ehrenlosigkeit“ im Umgang mit Aktion und Kritik und begründete damit auch, dass er nun „ins andere Lager gewechselt sei“.
Wir wollen an diesem Punkt, und später noch einmal, entschieden ausdrücken, dass es für uns diese Form von „politischen Lagern“, aus denen einfach „gewechselt“ wird, nicht existiert! Es kann Reflexion und Selbstkritik hin zu Emanzipierungsprozessen geben, aber solche Entscheidungen funktionieren anders, als die „Fähnchen im Wind“ Idee, die Bals implizierte.
Während seiner Aussage wurde klar, welche politische Schulung Bals wohl in den Strukturen von Die Rechte erhalten hat. Er vermied radikale Positionierungen, bezeichnete sich selbst als „Nationalist“ und „Mitglied einer demokratischen Partei“ und dementierte Kontakt zu „NaSo Wuppertal“ (Nationale Sozialisten Wuppertal) Außerdem stellte Bals klar, dass er Rene Heuke nicht mehr als „Kameraden“ betrachtet.
Nach der Befragung der angeklagten Personen, wurden die Zeugen aufgerufen, als erster Rene Heuke. Heuke wiederholte grob seine Aussage bei der Polizei, gab jedoch zu das er sich an Details nicht mehr erinnern könne und, dass er bereits Verletzungen von einer Schlägerei am Vorabend hatte und nicht sagen könne welche Verletzungen von welchem Zwischenfall stammten.
In der anschließenden Befragung zu seiner politischen Mentalität bezeichnete Heuke sich als Aussteiger. Die Anwälte stellten Fragen zu seiner Verbindung zu Bals. Heuke erklärte, Bals bei seinem „Wechsel“ mit persönlichen Gesprächen geholfen zu haben. Bals habe sich in einem diesem Gespräche auch entschuldigt. Es folgten Fragen, wo sich die beiden getroffen hätten und wie das Gespräch zustande gekommen war. Heuke wich den Fragen aus, sagte erst aus eine „Freundin“ hätte es organisiert, aber er wolle ihren Namen nicht nennen. Nachdem der Richter ihn auf seine Aussagepflicht hinwies, gab er an sich nicht erinnern zu können. Ein Verfahren wegen Falschaussage wurde beantragt.
Insgesamt schien Heuke zu versuchen Bals zu entlasten und generell wenig Informationen zu Nazistrukturen in Wuppertal heraus geben zu wollen. Er wurde auch zu seiner politischen Gesinnung befragt, woraufhin er der Frage auswich und schließlich angab, er habe eine „gesunde rechte Einstellung“. Wir werten diese Aussage im übrigen so, dass wir irgendwelche Ausstiegsaussage von Rene Heuke ignorieren und in weiterhin im Kontext von Wuppertaler Nazistrukturen einordnen.
Jennifer Vogelsang wurde als nächste geladen. Sie sagte aus, sich an nichts erinnern zu können, weil sie „auf Antidepressiva war“ und sich um den Hund gekümmert hätte. Außerdem nimmt sie momentan mit ihrem neuen Ehemann am Exit-Programm teil und hat angeblich keinen Kontakt mehr zu den rechten Strukturen in Wuppertal. Erstaunlicherweise bejahte sie die Frage, ob Rene Heuke jemals Mitglied der „NaSo Wuppertal“ war. Allerdings identifizierte sie keine Personen auf Fotomaterial von Rene Heuke und anderen Nazis.
Im Anschluss wurden mehrere Aktivbürger geladen, unter anderem ein Anwalt, der Bahnfahrer und ein ältere Deutscher. Sie alle konnten wenige Angaben zum Tathergang machen und keinen der Angeklagten identifizieren. Trotzdem ließen es sich alle, auf ihre eigene Art, nicht nehmen noch einmal klar zu machen, welche furchtbare Hetzjagd sie da erlebt haben. Der ältere Deutsche sagte: „Die wollten den lynchen. Die haben gerufen:,Das ist ein Nazi!' Aber das ist doch nicht schlimm!“
Als letztes wurden noch die an dem Einsatz beteiligten Bullen geladen, von denen alle entscheidende Details vergessen hatten und nur die Protokolle wiedergeben konnten, die dem Gericht bereits vorlagen. Selbst dabei konnten die Bullen sich manchmal nicht mal daran erinnern, wer den Bericht unterschrieb hat.
Gleichzeitig warfen mehrere Anwälte die Frage auf, wie die Jacke, die bei den festgenommen Personen gefunden wurden, auf der Polizeiwache gekennzeichnet waren. Es wurde deutlich, dass keiner der Polizist_innen, die als Zeugen auftraten, irgendwelche Informationen dazu hatten. Scheinbar gab es überhaupt keine richtige Kennzeichnung. Teilweise wurden vier Jacken einem der Angeklagten zugeordnet!
Die Jackendiskussion begann schon zuvor, mit der Aussage des Staatsschutzbeamten Bötjer. Im Kern kam dabei heraus, dass die einzige identifizierbare Person Lukas Bals war, aufgrund von Größe, Statur und Gesicht. Die restlichen angeklagten Personen konnten nicht eindeutig erkannt werden, bei Bötjers Bericht aus dem Jahr 2011 handelte es sich zum großen Teil um Mutmaßungen.
Nachdem alle Zeugen gehört wurden, stellte der Staatsanwalt den Antrag das Videomaterial ein weiteres mal zu sehen. Dabei werden noch einmal die Einwürfe der Anwälte deutlich, die sich alle darauf beziehen, dass alle Personen vermummt sind und die Jacke, die sie in dem Video angeblich tragen, nicht eindeutig zugeordnet werden können. Damit wird die Beweisaufnahme geschlossen.
Kurz vor Schluss nahm das Verfahren eine überraschende Wendung. Sowohl einer der angeklagten Antifaschisten, als auch Bals, haben jeweils beide bereits, wegen anderen Strafsachen, eine Haftstrafe abgesessen. Der Staatsanwalt warf daher ein für beide den § 55 StGB anzuwenden, der im Kern besagt, dass Straftaten, die nach der eigentlich verhandelten Strafsache, begangen und verbüßt wurden, mit der Gesamtstrafe zusammen zuführen sind. Im Klartext: Das Verfahren eines Antifaschisten wurde eingestellt, gleichzeitig aber auch das von Lukas Bals.
Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass die Suche nach einem Rädelsführer, wenn überhaupt, nur zu Lukas Bals führen könnte, da er der einzige war der auf dem Videomaterial sichtbar Heuke schlägt und eine Führungsposition einnahm.
Fröhlich grinsend spazierte Lukas Bals hinüber zu Drewer, der mittlerweile für eine Zeit den Gerichtssaal verlassen hatte, da einige Unterstützer_innen seine Provokationen nicht so einfach hinnahmen. Die beiden Nazis bedrohten im Anschluss den soeben entlassenen antifaschistischen Genossen noch im Zuschauerraum. Als sich Widerstand dagegen regte, verließen sie das Gericht.
Während des Plädoyers des Staatsanwaltes wurden wütende Stimmen aus dem Zuschauerraum laut. Insgesamt forderte er zwar für 3 der Genoss_innen einen Freispruch, aufgrund von Beweismangel, beantragte weitergehend aber für 2 andere Genossen einmal 80 Sozialstunden (Jugendstrafrecht) und einmal eine Geldstrafe in Höhe von 15 € zu 90 Tagessätzen. Danach führte er aus, dass es sich bei dem gesamten Vorfall lediglich um ein „Räuber und Gendarm Spiel“ gehandelt habe. An Lukas Bals könnte man die erkennen, wie austauschbar „linke“ und „rechte“ Positionierung seien. Im Kern des ganzen, würde es laut ihm nur um Gewaltbereitschaft und Hooliganismus gehen. Wie bereits oben beschrieben, verweigern wir uns entschieden dieser Argumentation. Jeder „Wechsel“ von „linker Szene“ in die radikale Rechte ist unserer Meinung nach inhaltlich ein viel komplexerer Prozess, als die verkürzte Aussage des Staatsanwalts. Es gibt kein „Ich bin Heute Räuber und Morgen Gendarm“.
Froher stimmten uns diese Plädoyers der Anwälte. Jeder von ihnen positionierte sich klar auf Seiten des Antifaschismus und kritisierten das Gericht, sowohl dafür, dass Lukas Bals laufen gelassen wurde, als auch für die relativierenden Aussagen des Staatsanwalts im Bezug auf Antifaschismus.
Alle Anwälte plädierten auf Freispruch.
Wir wollen uns hier noch einmal für die gezeigte Solidarität und Positionierung seitens der Anwälte bedanken!
Das Urteil des Richters schloss sich schließlich komplett den Forderung des Staatsanwaltes an. Die horrende Geldstrafe, ohne handfeste Beweise, gegen einen Genossen wurde durchgesetzt, ein anderer Genosse wurde zu 80 Sozialstunden verurteilt. In seiner Schlussansprache versuchte der Richter das Plädoyer des Staatsanwaltes aufzuwerten und behauptete antifaschistische Arbeit zu unterstützen, gleichzeitig konnten wir uns das übliche Wischiwaschi-Gerede über Gewaltablehnung von der Extremismustheorie der Justiz anhören. Einige Stimmen aus dem Zuschauerraum protestierten und attackierten diese Heuchelei.
Unser Fazit: Wir freuen uns darüber, dass drei unserer Genoss_innen freigesprochen wurden, und ein Verfahren eingestellt wurde. Gleichzeitig stimmt uns die Verurteilung der anderen beiden Genossen wütend, gerade im Zusammenhang, dass Lukas Bals ein weiteres mal aus einem Gerichtsgebäude spaziert. Aber es war uns, als Unterstützer_innenkreis von Anfang an bewusst, dass wir in diese Justiz kein Vertrauen setzen sollten oder können! Wir fühlen also keine Enttäuschung, sondern uns nur einmal mehr in der Gewissheit bekräftigt, dass der Staat immer wieder Nazis schützen wird.
In diesem Sinne zitieren wir einen Genossen aus dem Verhandlungssaal:
„Bevor ich kotzen muss, da geh ich lieber.“
einige Unterstützer_innen
Extremismus theoretische Haltung?
Was ist eine "Extremismus theoretische Haltung"?
Das ...
Ganz grob zu meinen, dass die Gesellschaft wie ein Hufeisen aufgebaut ist. In der Mitte die "anständigen" und je weiter man nach links bzw.rechts gehen würde um so undemokratischer und gewaltbereiter würde es werden. Hier durch werden "links" und "rechts" austauschbare Begriffe, und gerade Nazis massiv verharmlost, dagegen berechtigtes z.B. antikapitalistisches Engagement vorverurteilt und kriminalisiert. Es ist politikwissenschaftlicher und historischer Unsinn.
Die Kritik und die Darstellung des Artikels teile ich, trotzdem würde ich mir eine etwas nüchterne und klarere Formulierung manchmal wünschen.
Aktivbürger