Putsch und Rechtsruck bei Erfurter Montagsdemo

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Am gestrigen Montag (19. Mai) fand die letzte Erfurter Montagsdemo des alten Orgakreises statt. Ab kommendem Montag (26. Mai) übernimmt ein neuer Orgakreis die Leitung der Mahnwache, oder besser: Wahnmache. Laut Selbstbezeichnung besteht dieser neue Orgakreis aus „unabhängigen und parteilich neutralen Mitgliedern der bisherigen Organisationsgruppe und einem weiteren Mitglied [...], welches die Berliner Montagsdemos seit Anbeginn maßgeblich mit begleitete“. Kurz auf den Punkt gebracht durch die alten Organisatoren bedeutet das: „Wir wurden von Berlin aus abgesetzt.“

 

Nun war es sowieso nur eine Frage der Zeit bis sich die konkurrierenden Wahnvorstellungen der Teilnehmer durch den Kitt ideologischer Gemeinsamkeiten (konformistische Revolte gegen „die da oben“) durchfressen und zu Tage treten. Die Gründe für die Absetzung sind freilich aberwitzig. So sollen die alten Organisatoren vom Verfassungsschutz unterwandert sein (selbst der Verfassungsschutz hat vermutlich besseres zu tun, als noch mehr Menschen mit Wahnvorstellungen anzuwerben), Mitglieder diverser Parteien und deswegen nicht unabhängig sein und sie sollen bzw. haben die Organisation der Wahnmachen schleifen lassen. Das ist der Grund, warum der Putsch überhaupt stattfinden konnte: Da die Kundgebungen nicht lange genug im Voraus angemeldet worden, sprangen einfach die neuen Anmelder ein und besetzten den traditionellen Platz.

 

Insgesamt zeichnet sich dabei ein Rechtsruck ab: Die alten Organisationen (wohlgemerkt die Organisatoren, von den Teilnehmern ist hier nicht die Rede) waren bzw. sind Irre mit einer immerhin liberaleren Grundeinstellung, die sich vorsichtig und plump tastend, geschult durch youtube-Videos, dem näherten, was man für die Wahrheit hält: nämlich, dass sich ein einflussreicher Klüngel gegen die Menschheit verschworen hat. Sie betonten ihre Politik des offenen Mikros, wodurch sich jeder Spinner zum Sprechen animiert sah, was aber immerhin eine gewisse Offenheit anzeigte, und distanzierten sich in vorauseilendem Gehorsam von dem, worauf ihre eigene Ideologie notwendig hinausläuft: von Naziideologie.

 

Die neuen Organisatoren kündigten eine straffere Organisation an. Ihr Tonfall ist eindeutig autoritärer und zielstrebiger und damit die Beobachter gleich wissen, wo der Hammer hängt, haben sie zur ersten Wahnmache am 26. Mai gleich mal den homophoben Ex-Linken Jürgen Elsässer eingeladen. Elsässer ist einer der führenden Ideologen dieses verschwörungsaffinen, rechtsesoterischen und präfaschistischen Milieus, dass sich um den Kopp-Verlag und die Zeitschrift „Compact“ sammelt, dessen Chefredakteur Elsässer ist. Aus diesem Milieu rekrutieren sich bundesweit die meisten Wahnmachen. Die neuen Organisatoren wollen durch den Einsatz solcher Prominenz der „Erfurter Bewegung“ zu Wachstum verhelfen, damit künftig die Wahnmachen auf dem Domplatz stattfinden können, weil der Anger zu klein geworden ist.

 

Die alten Organisatoren drückten bei der gestrigen bzw. ihrer letzten Wahnmache kräftig auf die Tränendrüse und schickten ein letztes Gebet zu Lars Mährholz, dem Wahnmachen-Guru aus Berlin, der die Erfurter Crew abgesetzt und sie aus der Linkliste gestrichen haben soll. Künftigen wollen die alten Organisatoren sich jetzt Dienstags am Lutherdenkmal treffen. Das bedeutet, dass es in Erfurt jetzt zwei Montagswahnmachen gibt, eine davon am Dienstag, und die Wutbürger, Gutmeinenden, Esoteriker, Reichsbürger, Truther, etc. nun die Wahl haben.

 

Gegen den Auftritt von Elsässer soll es antifaschistische Proteste geben. Dazu später mehr hier oder auf den üblichen Seiten.

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War nicht in allen bisherigen Kritiken an all den Montagsdemos davon die Rede, diese seien (neu)rechts? Wie kann eine rechte Veranstaltung nach rechts rucken? Was gibt es an einem "offenen Mikro" auszusetzen? Warum wird diese Möglichkeit nicht genutzt, darüber linke Themen zu transportieren?

 

Irgendwie kann ich nur eines erkennen: Die Linke, damit ist nicht die Partei gemeint, fühlt sich angepisst, dass sie nicht selbst auf die Idee gekommen ist, so langsam mal zu überlegen, ob das Gesamtsystem "Westen" auf Dauer haltbar ist oder eben nicht und eigene, gute Ideen einer etwas breiteren Schicht der Bevölkerung schmackhaft zu machen. Was nützen "elitäre Demos" im eigenen Dunstkreis organisiert und bekanntgegeben und das alles möglichst nur im "linken Kiez" durchgeführt? Klar, Onanie mag auch ganz nett sein, doch was bringt das?

 

Denkt mal, bei aller berechtigten Kritik, auch darüber nach!

 

Danke!

das kann man der linken aber nun wirklich nicht vorwerfen dass sie sich nicht über das "gesamtsystem westen" gestritten hat.

"... vorwerfen, dass sie sich nicht ... gestritten hat." Sie, linke Gruppierungen aller Art, streiten sich mit sich selbst und das ist sehr schade. Gerade was das Thema der montäglichen Aktionen gerade angeht, gibt es diametrale Ansichten, die sich jeweils gegenseitig vorwerfen, wie doof die Ansicht der jeweils anderen Seite ist und dabei wird völlig das eigentlich Anliegen aus dem Auge verloren. Beispielsweise ging es letzten Montag u.a. um das Thema Mindestlohn und um das Ausspielen von Hartz4-EmpfängerInnen gegen Menschen, die mit geringsten Löhnen, die überhaupt noch akzeptiert werden, abgespeist werden. Ich selbst hatte nicht die Zeit, bis zum Schluß der Veranstaltung zu bleiben, doch irgendwelche "rechten Themen" während meiner Anwesenheit konnte ich beim besten Willen nicht erkennen, es sei denn, das Hartz4-Thema wird zum Nazithema umgedeutet.

Weiterhin kenne ich diesen

 

https://www.youtube.com/watch?v=I0Ont7bMqfM

 

Menschen schon seit einigen Jahren persönlich - der ist alles andere als ein verkappter Nazi, der irgend etwas versucht, schönzureden.

 

Ein weiterer Punkt ist, dass, wenn sich vielleicht paar zweifelhafte Gestalten aus dem rechten Spektrum unter das Publikum mischen und zuhören, halte ich es für falsch, selber der Veranstaltung den Rücken zu kehren. Warum? Ganz einfach, ich gehe generell davon aus, dass verdeckte Ermittler, Verfassungsschützer und ähnliches Gesocks bei jeder Demonstration mit anwesend sind. Soll ich deswegen diese Demonstrationen meiden? Also, die Antwort dürfte klar sein und ähnlich sehe ich das, wenn sich eine kleine Minderheit zweifelhafter Gestalten unter die Leute mischt und ich hoffe mal, dass das jetzt nicht zu querfrontlerisch gedacht ist und sollte mir ein Redebeitrag absolut nicht schmecken, habe ich immer noch die Möglichkeit einer argumentativen Gegenrede am offenen Mikrofon.

 

So sehe ich das...

@21.5.  21:24

 

Volle Zustimmung !

 

allerdings bedarf es dafür des Auseinandersetzens, Sortierens und argumentativen Vorgehens, nicht eines bequemen Zurücklehnens und Ausruhens auf dem vermeintlichen Status Quo a la :   " Ich bin Antifa, dass muss reichen "

 

Wenn ich mir einige Seien so anschaue, sehe ich da schon deutliche Defizite .... (diplomatisch gesagt)