Im Einsatz mit dem Mobilen Einsatzkommando (MEK) der Polizei Brandenburg

Erstveröffentlicht: 
01.01.2014

Legenden aus dem Keller

Im Einsatz mit dem Mobilen Einsatzkommando (MEK) der Polizei Brandenburg. Bei der Brandenburger Polizei gibt es einen Bereich, der so unsichtbar, so verdeckt arbeitet, dass er selbst Polizisten kaum bekannt ist. Was also ist Aufgabe dieser Einheit? Ich bin zu Gast beim MEK.

 

Es ist früh am Abend und wieder befinde ich mich im Haus der Spezialeinheiten auf dem Campus im Potsdamer Norden. Als ich eintreffe, sind alle anderen bereits im Dienst. Auch Franz , Gruppenführer beim MEK und „alter Hase“ im Geschäft. Ihn werde ich begleiten, sofern es zum Einsatz kommt. Vorerst herrscht entspannte Ruhe. „Die Zielpersonen bewegen sich nicht“, sagt Franz und meint es ist Zeit für den ersten Kaffee am Abend. Erst einmal werde ich deshalb auf den aktuellen Stand gebracht. Worum geht es heute eigentlich?

 


 

Das MEK hat es nicht mit Gelegenheitstätern zu tun


Auf dem Plan steht ein umfangreiches Ermittlungsverfahren, das auch eine Führungsgruppe erfordert. In der Koordinierungsstelle ist auf einer Leinwand ein Kartenausschnitt zu sehen. Darauf erkenne ich einen kleinen Kreis, er ist mit „Womo“ bezeichnet. „Womo“ ist das Wohnmobil von ZP 1. Aha. ZP 1 wiederum, die Zielperson, ist der Mann, um den es heute gehen soll. Er, der vorbestrafte Schwerkriminelle, hat sich auf Blitzeinbrüche, vor allem aber das Knacken von Geldautomaten spezialisiert. Seit einigen Tagen schon scheint er reges Interesse an einer Bank im Osten Brandenburgs zu hegen. Das jedenfalls haben Kriminalisten aus Niedersachsen ermittelt und deshalb die Brandenburger Spezialeinheiten um Unterstützung gebeten. Am „Womo“ befindet sich ein GPS-Sender, davon weiß ZP1 nichts. Hoffentlich. Auch nicht, das jede seiner Bewegungen für das MEK auf Computern sichtbar ist. Mehr noch. Weil nur das Auto ein Signal sendet, nicht aber die Person selbst, befindet sich ein Team des MEK vor Ort. Sandra und Thomas sind in der Nähe des Mannes und versuchen ihn ständig im Blick zu haben. Dabei gilt es, auf gar keinen Fall aufzufallen. Eine solche Observation ist klassische Aufgabe des MEK. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Immer aber kommt es darauf an Informationen zu sammeln, dabei von der Zielperson aber nicht bemerkt zu werden, zumindest nicht als Polizist. Aber die Männer und Frauen des MEK haben es nicht mit Gelegenheitstätern zu tun. Observiert werden Banden, Clans und Schwerkriminelle, die oft viel Erfahrung mit der Polizei haben und äußerst vorsichtig vorgehen. Jede noch so kleine Unregelmäßigkeit fällt diesen Tätern auf.

 

„Kein Krempel, das sind Legenden“


Es geht also darum, gerade nicht aufzufallen aber möglichst nah am Tatverdächtigen zu sein. Auch deshalb gibt es den Legendenkeller.  Franz zeigt mir einen Raum, der bis zur Decke mit Möbeln, Arbeitsoveralls, Baustellenbeschilderung und unendlich viel mehr Krempel gefüllt ist. „Kein Krempel, das sind Legenden“, klärt Franz mich auf. Wenn die Zielpersonen über Stunden ein Fahrzeug vor ihrem Haus sichten, werden sie sofort nervös. Einfacher ist es dann schon, wenn eine Baufirma Reparaturarbeiten an der Straße durchführt oder Vermesser vor dem Tor arbeiten. Im Falle einer Observation könnte es sich dabei um Beamte des MEK handeln, gewissermaßen im Kostüm.


Zu jeder Legende gehört ein kleines Praktikum


Aber auch eine Legende fällt auf, wenn der Vermesser seine Messinstrumente falsch herum hält oder der Bauarbeiter den Zementmischer nicht bedienen kann. Deshalb gehört zu jeder Legende auch ein kleines Praktikum. Die Observanten lernen dann die wichtigsten Handgriffe um im Einsatzfall möglichst echt zu wirken. Thomas und Sandra brauchen sich an diesem Abend nicht verkleiden. Sie meden derweil per Funk, dass sie das Auto der Zielperson sehr gut sehen können. Mögliche Abgangsrichtungen haben sie ebenfalls geprüft. Denn sollte der Mann seinen Wagen verlassen, sich womöglich ein anderes Auto stehlen und damit zum Tatort fahren, wäre alle Arbeit des MEK und auch der Sachbearbeiter des Verfahrens umsonst gewesen. Noch ist also auch draußen alles ruhig. Das trifft ganz offenbar auch auf die beiden Mittäter unserer Zielperson zu. Der Haupttäter macht mit zwei weiteren Männern gemeinsame Sache, erzählt mir Franz. Alle drei gehen arbeitsteilig vor und deshalb ist klar, wenn sich die Mittäter in Richtung Brandenburg bewegen in dieser Nacht, dann wird es sehr wahrscheinlich zum Einbruch in die vom Haupttäter ausgewählte Bank kommen. Aber es ist still. Besser starr. Die Fahrzeuge der Komplizen bewegen sich nicht, auch das kann ich auf einer weiteren Karte sehen. Da sich beide Mittäter gerade aber noch ungefähr 250 Kilometer vom möglichen Tatort entfernt aufhalten, hat das Brandenburger MEK eine annehmbare Reaktionszeit.

 

Alles zum Fall steht im „Märchenbuch“

 

Franz stellt mich der MEK-Gruppe vor, die für heute Abend eingeteilt ist. Im Gruppenraum hängt Kaffeeduft als Franz den Kollegen zum aktuellen Stand berichtet. Es ist inzwischen kurz nach 20 Uhr und Franz mutmaßt, dass sich „heute nix mehr tut“. Alle in der Gruppe nicken wissend. Die grobe Planung sieht vor, dass alle bis kurz vor Mitternacht im Dienst bleiben und warten. Für den Fall, dass es tatsächlich ruhig bleibt, können die Männer und Frauen nun im Keller den Fitnessraum unsicher machen, manche lesen auch. Dass sich die Gruppenbesprechung erstaunlich kurz hielt, liegt an der Vorbereitung. Jedes MEK-Mitglied ist über die laufenden Verfahren informiert. Im sogenannten „Märchenbuch“, wie Franz es scherzhaft nennt, sind die jeweiligen Tatverdächtigen mit Bildern, Komplizen, die Beziehungen untereinander, Kontaktadressen und vieles andere mehr zu jedem Fall vermerkt. Das Märchenbuch im Fall unseres „Womo“-Fahrers ist nur gute 15 Seiten stark. Es kostet mich dennoch wenig Mühe, mir vorzustellen, wie viel Zeit die Niederschrift aller Ermittlungsergebnisse gekostet hat. Das war Franz’ Aufgabe, er ist der Verfahrensführer.

 

Eine gute Mischung der Truppe ist wichtig

 

Franz ist seit knapp 20 Jahren beim MEK und obwohl diese Arbeit ihm und seiner Familie viel abverlangt, liebt er seinen Job, das merke ich. „Planbar ist beim MEK leider so gut wie nichts, wir richten unseren Dienst nach den Zielpersonen“, sagt er. Trotzdem sei es möglich, auch „familienfreundlich“ zu planen. Die Gruppen fangen so etwas auf, meint Franz, aber hohe Flexibilität ist dennoch so etwas wie Einstellungsvoraussetzung beim MEK. Mit dem geltenden Dienstplan ist für jeden der Kollegen mindestens ein ganz langes Wochenende im Monat planbar, vier Tage am Stück frei. Die Altersgrenze liegt grundsätzlich bei 50 Jahren. Eine gute Mischung der Truppe ist wichtig, sowohl was das Alter der Observanten betrifft, als auch ihr Erscheinungsbild. Franz zum Beispiel geht gemeinsam mit einer Kollegin gut als Pärchen in den besten Jahren durch. Als solches fallen sie auch im Restaurant nicht auf, wenn es doch einmal die unmittelbare Observation sein muss. „Zwei Herren Mitte zwanzig am Nachbartisch? Nein, da riecht jede unserer Zielpersonen Lunte“, meint Franz.

 

Es besteht kein direkter Sichtkontakt mehr

 

Wir werden durch einen Anruf unterbrochen. Sandra und Thomas sind am Apparat. Die Zielperson hat sein Wohnmobil verlassen und ist nun schon seit einiger Zeit in einem Schnellrestaurant verschwunden. Es besteht kein direkter Sichtkontakt mehr. „Nein, nicht folgen!“, lautete die kurze Anweisung. Ich mutmaße, dass die Beiden mit ihren Funkgeräten selbst im gut gefüllten Fast-Food-Tempel auffallen würden. Aber ich täusche mich. Franz zeigt mir die Funkgarnitur, die zur Grundausstattung jedes MEK-Kollegen gehört. Es ist ein handelsübliches Handy. Ein kabelloser Taster, der verdeckt getragen wird, gehört ebenso dazu wie erbsengroße Ohrstöpsel. Ebenfalls kabellos versteht sich. Über eine Art permanente Konferenzschaltung sind alle miteinander verbunden. Kein verräterisches Funkgerät und Verständigung in Mobilfunkqualität, nicht schlecht.

 

Regelmäßiges Fahrsicherheitstraining

 

Außerdem gibt es einen beachtlichen Fuhrpark. Jede Gruppe verfügt über etwa zehn Fahrzeuge, denen man ihre Motorisierung eher nicht ansieht. „Raketenautos“, nennt sie Franz. Regelmäßiges Fahrsicherheitstraining gehört deshalb zur regelmäßigen Fortbildung des MEK. Trainiert werden muss aber auch der Umgang mit Gespannen, die als Legende dienen, etwa Baufahrzeuge.

 

Warten gehört eben auch zum Job

 

Es ist spät geworden. Unsere Zielpersonen haben sich nicht bewegt. Die Prophezeiung des „alten Hasen“ bewahrheitet sich in dieser Nacht. Alle drei Zielpersonen ziehen den Nachtschlaf einem Automatenbruch vor, zumindest aktuell. Bestätigung, als ich am nächsten Morgen nachfrage. Auch als ich das Gelände in Potsdam-Eiche schon lange verlassen hatte, blieb alles ruhig. Warten, gehört eben auch zum Job. Nur einen Tag später nehmen Kräfte des Brandenburger MEK, gemeinsam mit Kollegen des LKA, nach stundenlanger Observation einen 27-jährigen Mann an einer Autobahnraststätte bei Berlin fest. Gegen ihn lief ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Im Wagen des Mannes fanden die Beamten etwa 12.000 Ecstasy Tabletten. Die Durchsuchung seiner Wohnung fördert später fast fünf Kilogramm Amphetamine und Haschisch zu Tage. Noch am gleichen Tag erließ das Amtsgericht Haftbefehl gegen den Mann.

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wer oder welche den damen und herren da mal seine meinung ganz praktisch geigen möchte, der ist mit der kaiser-friedrich-straße 143 in potsdam an der richtigen adresse.