Freiburgs Sedanviertel trotzt Wetter und auswärtigem Ansturm

Straßenfest am 1. Mai 2014 in Freiburg

Seit vielen Jahren findet in Freiburgs Sedanviertel und den angrenzenden Straßenzügen an den Tagen um den ersten Mai ein allseits beliebtes Straßenfest statt. Ein Großteil der Anwohner findet sich dort mit Bekannten und Interessierten ein, um den Gemeinschaftssinn und die Lebendigkeit des Viertels zu zelebrieren.

 

Spontane Wagenburgen sorgen für massive Verkehrsbehinderungen

 

Doch die Beliebtheit des vergnüglichen Beisammenseins hat auch seine Schattenseiten: Wie schon im vorigen Jahr zogen in großer Anzahl auswärtig Angereiste in das kleine Viertel, um die Feierlichkeiten in ihrer persönliche Weise zu begehen und umzugestalten - und wurden so zur Belastungsprobe der friedlichen Teilnehmer wie auch der Anwohner. Die Veranstalter aber nahmen es gelassen und ließen sich – und ihren Gästen – die gute Laune nicht verderben.

Dies schien nicht immer ganz einfach, fühlten sich doch viele Anwohner teils „quasi in wohnhaft“ genommen. Und tatsächlich: Mit zahlreichen Bussen errichteten die Angereisten spontane Wagenburgen und belagerten zeitweise das gesamte Viertel. Durch das geschickte Verschieben ihrer mobilen Unterbringungen sorgten sie immer wieder für massive Verkehrsbehinderungen. Die Regularien der Straßenverkehrsordnung – und selbst die Respektierung des Bürgersteiges als passierbarem Fußweg – schienen für diese Personen nicht zu gelten. Es wurde beobachtet, dass selbst Müttern mit Kinderwägen nur zögernd und widerwillig Platz gemacht wurde.

 

Friedliche Atmosphäre des Festes nur zeitweise von angereistem Mob beeinträchtigt

 

Den Bewohnern des Viertels gelang es aber trotz des zeitweisen leichten Niederschlags und der massiven Ansammlung an Angereisten ihr traditionell am ersten Mai stattfindendes, selbstorganisiertes Straßenfest in friedlicher – und vor allem familienfreundlicher – Weise zu begehen. Bei angenehmer musikalischer Untermalung gab es verschiedenste künstlerische Darbietungen und Freizeitaktivtäten für Groß und Klein. Der angereiste Mob stand meist nur teilnahmslos am Rand.

Selbst das leibliche Wohl kam nicht zu kurz: Entgegen ursprünglicher Befürchtungen nahmen die Angereisten das reichhaltige gastronomische Angebot nicht wahr, welches u.a. aus teils hausgemachte Backwaren und Snacks wie auch auf Spendenbasis finanzierten Kollektivbierkästen bestand. Zu keinem Zeitpunkt sahen die Veranstalter sich genötigt, nochmals für Getränkenachschub zu sorgen oder notfalls etwas nachzubacken.

 

Offizielle Wahlkampfveranstaltung muss abgebrochen werden

 

Trotz der ansonsten friedlichen Atmosphäre kam es vereinzelt zu Zwischenfällen. Eine offizielle Wahlkampfveranstaltung der Partei Die PARTEI beispielsweise musste kurzerhand abgebrochen werden, da Mitglieder der Gruppierung mit massivem Nachdruck ihre Mißbilligung äußerten. Auf die demonstrative Militanz der scheinbar demokratiefeindlichen Vereinigung antworteten die meisten Anwesenden glücklicherweise mit Besonnenheit und Toleranz.

Doch auch das generelle Sozialverhalten der Auswärtigen schien grenzwertig: Waren einige durchaus an sozialer Interaktion mit den restlichen Teilnehmern der Festivitäten interessiert, wirkten weite Teile der Gruppe eher distanziert und wortkarg. Sie schienen untereinander in regelrechten Einheiten organisiert; aller Uniformität zum Trotz gut zu erkennen an ihren leicht unterschiedlichen Aufmachungen. Beinah zynisch mutete eine kleine Subgruppierung an, die sich den Namen AKT (AntiKonflikt Team) gab.

Aber selbst das schönste Fest hat nun mal ein Ende. Zumindest dachten dies die Veranstalter nach den üblichen – ebenfalls unter erschwerten Bedingungen stattfindenden – Aufräumarbeiten. Denn selbst dies schien die Grupperung nicht zu interessieren: Auch gegen Mitternacht waren noch vereinzelte Zusammenrottungen auf den Straßen zu beobachten.

 

Fundamentalisten mit Hang zur Spielsucht?

 

Auch ansässige Gaststätten und Vergnügungseinrichtungen blieben nicht verschont: Nachdem mit nur minderen Behinderungen gut gelaunt in den Mai getanzt werden konnte, besetzte die Gruppierung Informationen zufolge am darauffolgenden Morgen kurzerhand das Spieletablissement „Casinothek“, Belfortstraße Ecke Moltkestraße. Immer wieder wurden regelrechte Einheiten der Gruppenangehörigen gesehen, wie sie dort ein- und ausgingen. Was genau im Innern passierte, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden: Gehören kollektivistische Glückspiele zu den Gepflogenheiten der Gruppe? Vereinzelte Stimmen vermeinen fundamentalistische und gleichgeschaltete Züge in Verhalten und Bewegung ausmachen zu können. Haben wir es also mit latent spielsüchtigen Fundamentalisten zu tun? Dies ist zu diesem Zeitpunkt selbstredend reine Spekulation.

Selbst in ganz unscheinbar anmutenden Minivans von silberner Farbe waren Mitglieder der Gruppierung zu finden. Soziologen vermuten, dass es sich bei der Farbgebung möglicherweise auch um eine Demonstration des Initiationsgrades innerhalb der Gruppe handelt – wie die grün- und blaufarbigen Streifen an vielen der Busse andeuten.

Viele Fragen bleiben nach wie vor offen, die Ereignisse wirken immer noch bizarr und verstörend. Doch auch bei aller Toleranz muss wir uns angesichts dieser sich in vielen deutschen Städten verstärkt auftretenden Gruppierung folgende Frage stellen:


Wie soll eine Zivilgesellschaft angemessen auf solch einen Anschlag auf die Gemeinschaftlichkeit reagieren?
Kann eine Zivilgesellschaft überhaupt angemessen auf solch einen Akt reagieren?

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sehr lustig geschrieben. tatsächlich ist die eskalative haltung der behörden so auf dauer nicht zu dulden. zum dritten mal in folge wurde besonnen bis kreativ mit dem durchmilitarisierten viertel umgegangen - von unserer seite. vieleicht sollten wir nächstes jahr kreativ und besonnen miteskalieren. die bullen bringen die gewalt auf die straße  -  wir sollten bei deren übersättigung helfen, bevor sie uns die ganzen spielautomaten leerzocken und unsere kinder und verwandten weiterhin traumatisieren.

cooles straßenfest - drecksbullenpack (in der verwaltung und auf der straße)

lustich, lustich dein Bericht.

Nach anfänglicher Irritation, musste ich gegen Ende doch sehr schmunzeln.

Sehr guter Text, behaltet euch den humorvollen Umgang damit bei.

 

Der Stadt Contra geben. Auch weiterhin für einen lebendigen 1. Mai im Grün.

 

Soliarische Grüße aus MV

Die auswärtig Angereisten scheinen nicht nur Glücksspielsüchtig zu sein. Auch althergebrachte, haptische Spiele der Kleinsten unter uns, werden zunächst neidisch begutachtet (linkes Bild) und dann später noch der Versuch gestartet, das Spielgerät zu klauen (rechtes Bild). Glücklicherweise beherrscht die Gruppe die Kenntnisse um die Hebelwirkung nicht, so dass der Sandkasten ihr zu schwer war und in der Folge selbstverwaltet das Straßenfest verlassen konnte.

 

[Freiburg] Sandkasten auf dem Straßenfest am frühen Nachmittag an der Kreuzung Belfort- und Moltkestraße   [Freiburg] Sandkasten auf dem Straßenfest am späten Nachmittag in der Wilhelmstraße

P.S: Eventuell wollten die Mitglieder der Gruppierung auf der rechten Seite auch nur den Weg für ihre unscheinbar anmutenden Minivans frei räumen?