Zeichen stehen auf Streik Zehntausende beteiligen sich an Protesten im öffentlichen Dienst. ver.di bereitet sich auf mehrwöchigen Ausstand vor. »Arbeitgeber« stellen sich stur
Von Claudia Schröppel, München
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat am Mittwoch ihre bundesweiten
Warnstreiks im öffentlichen Dienst fortgesetzt. In mehreren
Bundesländern wurde der Nahverkehr lahmgelegt. »Wir haben eine annähernd
100prozentige Streikbeteiligung«, freute sich der Sprecher des
ver.di-Bezirks Nordrhein-Westfalen, Günter Isemeyer, am Mittwoch
gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Landesweit hätten sich rund 12000
Beschäftigte am Ausstand beteiligt. In Bayern blieben ebenfalls
zahlreiche Verwaltungen und Einrichtungen ganztägig geschlossen. In der
Landeshauptstadt München demonstrierten mehr als 6000 Gewerkschafter auf
dem Odeonsplatz. Bei strahlend blauem Himmel bekräftigten sie lautstark
die Forderung nach einer Tariferhöhung um 100 Euro und zusätzlich 3,5
Prozent für alle, nach unbefristeter Übernahme der Auszubildenden und
nach einer Erhöhung von deren Vergütung um 100 Euro monatlich. Außerdem
soll allen mindestens 30 Tage Urlaub zustehen. Auch in anderen Orten der
Region demonstrierten mehrere tausend Menschen. Die Beschäftigten waren
mit unzähligen Bussen aus allen Teilen Südbayerns nach München
gekommen, doch auch in anderen Orten der Region demonstrierten mehrere
tausend Menschen. Die Nordbayern kamen in Nürnberg zusammen, wo nach
Polizeiangaben mehr als 9000 Menschen auf die Straße gingen.
Die Gewerkschaft bereitet sich inzwischen offenbar auf einen wochenlangen »echten« Streik vor. Wie junge Welt
aus Kreisen der ver.di-Verhandlungsdelegation erfuhr, stellen sich die
Bundesregierung und die Kommunen bislang stur und wollen ihren
Beschäftigten maximal eine Einmalzahlung anbieten. Gesprächsbereit sei
man auf der Gegenseite ansonsten lediglich bei der Frage der Übernahme
aller Auszubildenden, beklagte ein Gewerkschafter. Besonders
Bundesinnenminister Thomas de Maizière habe sich als Einpeitscher
hervorgetan, der jeden Kompromiß abblockt. »Das ärgert die Kollegen
besonders, denn immerhin hält er selbst die Hand auf«, erklärte eine
Gewerkschafterin im Gespräch mit jW. Während sich die
Bundestagsabgeordneten kräftige Diätenerhöhungen erlaubten, die trotz
ihrer ohnehin hohen Bezüge weit über der Forderung von ver.di liegen,
verweise man bei den Tarifverhandlungen in Potsdam gebetsmühlenartig auf
»leere Kassen«. Dieses Argument wird von den Gewerkschaften
zurückgewiesen. »Es ist genug Geld da für die Reichen, es ist genug Geld
da für den Krieg – Holen wir es uns!« hieß es etwa auf einem
Transparent von ver.di und GEW bei der Kundgebung in München.
Die Landesbezirke der Dienstleistungsgewerkschaft sind von ihrer Führung
inzwischen darauf orientiert worden, sich auf einen mindestens vier
Wochen langen Streik vorzubereiten. »Eine solche Anweisung habe ich in
meiner aktiven Dienstzeit noch nie erhalten«, kommentierte dies eine
Gewerkschaftssekretärin, die sich bereits auf heiße Wochen freut.
Offenbar ist man in der ver.di-Zentrale inzwischen der Ansicht, daß die
»Arbeitgeber« die Beschäftigten praktisch zu Kampfmaßnahmen zwingen.
Am heutigen Donnerstag konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf
mehrstündige Warnstreiks an mehreren großen Flughäfen, unter anderem
Köln/Bonn, Frankfurt am Main, München und Hamburg. Betroffen von den
Arbeitsniederlegungen der Frühschicht sind Bodenverkehrsdienste und
Abfertigung, Gepäckförderanlagen, Instandhaltung und Wartung. Die
Lufthansa hat bereits rund 600 Verbindungen abgesagt.
Live-Ticker zum Verdi-Streik
FOCUS Online: http://www.focus.de/finanzen/news/live-ticker-zum-verdi-streik-lufthansa-streicht-rund-600-fluege_id_3719615.html