Ein kalter Morgen zu Beginn des Frühlings. Die günstige Alternative zur teuren Bahn. Der Fernbus. An einem der ersten Haltepunkte auf der Strecke Saarbrücken- Berlin, in Frankfurt am Main, wird der Busfahrer von einem Beamten, auf einem Motorrad, aufgefordert ihm zu folgen. Nach einer kurzen Fahrt vorbei an den wartenden Fahrgästen an der Haltestelle erreichen wir das, von der hessischen Polizei, vorgesehene (vorläufige) Ziel. Eine zugige alte Straßenbahn-Halle mit cirka 15 Einsatzfahrzeuge und 50 Beamt*innen der hessichen Polizei.
Was zunächst nach einem kurzen „Check“ des Busses ganz nach „guter deutscher“ Manier aussieht, entpuppt sich zu einem zweistündigen Untersuchungswahn. Nachdem alle mitfahrenden Personen auf Bierbänken, die wohl noch von der letzten feucht-fröhlichen Dienststellenfeier übrig blieben, Platz „gefunden“ haben wurden die Ausweisdokumente eingesammelt. Abgetrennt von Gitter und bewacht von drei Beamt*innen lautete die Anweisung „warten“. Warum alle Passagiere bei einer innerdeutschen Reise erkennungsdienstlich behandelt werden wurde indes nicht gesagt. Auch warum die Ausweisdokumente von „nicht-deutschen“ aber europäischen Mitreisenden separat behandelt wurden war unverständlich. Gerade vor der Skyline europäisch aggierender Banken scheint die hessische Polizei das Prinzip der Freizügigkeit nicht wirklich verstanden zu haben.
Auf die Nachfragen hinter dem Grund der Maßnahmen folgte betretenes Schweigen oder behelfsmäßige Erklärungsversuchen. Wer eine Indentitätsfeststellung betreibt, muss die gesetzlichen Voraussetzung für diese erfüllen. Ein allgemeines „Es müsse eben gemacht werden“ reicht da nicht aus. Während die Ausweisdokumente mit den Beamt*innen verschwanden blieben wir „hinter Gitter“ zurück und konnten aus der Ferne beobachten wie unser Gepäckt durchsucht wurde. Es grenzt an eine gewisse Ironie, dass unweit der Kontrolle das Landgericht Frankfurt in einem Beschluss vom 26. Februar 2008 ausgeführt hat, dass es keine Ermächtigungsgrundlage für eine vorbeugende Gewahrsamnahme zwecks Durchführung einer Durchsuchungsmaßnahme gibt. Auch dann nicht wenn eine Störung der Maßnhame befürchtet wird. Damit stärkte das Landgericht das Grundrecht auf Freiheit der Person und setzte den Methoden der Polizei klare Schranken. Schade nur, dass diese Schranken scheinbar in der Realität keine Beachtung finden. Die Doppelmoral ist offensichtlich. So wird ich auf Ermächtigungsgrundlagen berufen ohne deren Beschränkungen anzuerkennen.
Alleine sind wir als Fahrgäste mit dieser Erkenntnis nicht. Hinter uns, ein Bus aus Bukarest. Aus Europa. Nach Angaben eines Fahrgastes warten sie seit zwei Stunden bereits in der Straßenbahnhalle, hinter Gittern. Ihr Ziel Dortmund. Ankunftszeit: unbestimmbar. Wiedereinmal erinnere ich mich an Urteile wie das des OLG Rheinland-Pfalz zum Racial Profiling oder zahllose Freizügigkeits-Urteile des EuGH. Verpufft mal wieder an deutscher Realität.
Nachdem ein Mitreisender aus unserer Mitte heraus in ein Einsatzfahrzeug der Polizei gebracht wird, natürlich hatte er keinen deutschen Pass, er war EU-Bürger, verzögerte sich die Durchsuchung weiter.
Als einzelne Passagiere nun die Toilette aufsuchen wollten war dies nur in Begleitung eins Beamten und auch lediglich einzeln möglich. Auf die Nachfrage hin ob man sich nun in Gewahrsam befinde- Schulterzucken. Der Einsatzleiter war zu diesem Zeitpunkt, wer hätte es gedacht, nicht aufzufinden. Zusammenfassend gilt festzuhalten, dass sich für das Verhalten der Beamt*innen keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage im hessischen Polizeirecht finden lässt. Zwas ist eine Identitätsfeststellung an Orten, an denen gewöhnlich Straftaten verübt werden zulässig. Gerade beim Betrachten der Bankentürme Frankfurts scheint dies also nicht weit hergeholt, aber am Ende doch den falschen Personenkreis treffend.
Das Problem ist jedoch ein politisches, endlich müssen die Innenminster*innen und Innensenator*innen verstehen, dass sie ihren Polizeibehörden klare Befugnisse aber insbesondee auch klare Schranken zuzuteilen müssen, Verstöße nachhaltig geahndet und nicht verschleppt werden dürfen, das Polizeirecht nicht mit Generalklauseln zum „Eingriffssrecht“ sui generis werden darf und durch Kennzeichnungspflichten eine Rechtssicherheit für Betroffene geschaffen werden muss.
Dennoch hoffe ich, dass die (hessischen) Polizeibeamt*innen bei ihrem nächsten Urlaub in Barcelona, Paris oder Sofia eine ähnliche Prozedur miterleben dürfen. Nur auf der anderen Seite des Gitters. Vielleicht schafft dies die notwendige persönliche Sensibilität.
By the way, das WiFi funktionierte nicht. Die Repression dafür umso besser. Alles hat eben doch seinen Preis.
Korrekt bleiben
"Warum alle Passagiere bei einer innerdeutschen Reise erkennungsdienstlich behandelt werden"
Keine Frage das dieser Einsatz zum Himmel stinkt ohne Ende, aber ein Einsammeln der Pässe ist immer noch keine erkennungsdienstliche Behandlung.
Fazit fehlerhaft
vielleicht bekommen die beamten im urlaub in barcelona auch solche bilder zu gesicht: http://www.youtube.com/watch?v=LWTnN0EEUhI
oder am besten gleich ganz andere sachen bei ihrem eigenen einsatz ins gesicht.
was die polizeibehörden nicht brauchen sind klare befugnisse. sie brauchen entschlossenen widerstand.
fazit unvollständig
du hast natürlich recht, widerstand ist das was wir brauchen (was bullen brauchen will ich mir nicht ausmalen). jedoch sollte man die reste linksliberaler öffentlichkeit nicht völlig diskretieren. das hinweisen auf ihre befugnisse ist löblich, aber unnütz, da es kein zurück zum "weichen" staat mehr gibt, weil es kein zurück im kapitalismus gibt. eine linksliberale öffentlichkeit kann weiterhin darauf hinweisen das die befugnisse eingehalten werden sollten, sie muss sich aber im klaren darüber sein, dass das video der einzig richtige umgang mit der polizei ist. insofern ist das fazit nicht fehlerhaft, sondern unvollständig.
danke für das video
..
Das war nicht in Barcelona, sondern in Madrid!