Wieder „Compact“-Veranstaltungen in Leipzig

Protest gegen eine "Compact"-Veranstaltung am 14.03.2014. Foto: Indymedia linksunten.

Auf der diesjährigen Buchmesse in Leipzig war das rechtspopulistische “Compact”-Magazin zum zweiten Mal in Folge mit einem eigenen Stand und vier Veranstaltungen vertreten. Neben der Leipziger Messe wurde wiederholt das “A&O Hotel und Hostel” am Hauptbahnhof als Ort zweier Veranstaltungen angekündigt. Der Manager der Unterkunft wurde bereits bei einer “Compact”-Veranstaltung im vergangenen Oktober auf die Hintergründe des Blattes aufmerksam gemacht. Dennoch scheint Hans-Martin Schwarz, Hausleiter der “A&O”-Niederlassungen in Dresden und Leipzig, keinerlei Probleme mit den nationalistischen und antisemitischen Aussagen von “Compact” zu haben.

 

Einige Kunden von “A&O” haben bereits reagiert, so wird eine Tagung der Linksjugend ein Wochenende zuvor dort letztmalig stattgefunden haben.

Protest am 14. März

 

Am 14. März 2014 sollte der Frage nach “deutscher Souveränität” unter Beihilfe von Karl Albrecht Schachtschneider nachgegangen werden. Der jetzige AfD-Unterstützer Schachtschneider trat bereits als Redner für “Pro Köln” und die FPÖ sowie als Sachverständiger für die sächsiche NPD-Fraktion auf. Dies nahmen 30 Antifaschist*innen zum Anlass, vor Beginn der Veranstaltung mit einem Transparent vor dem “A&O Hotel und Hostel” zu erscheinen und folgenden Redebeitrag zu verlesen:

  • Zum wiederholten Male lädt das national-konservativen Magazin “Compact” zu einer Veranstaltung in das “A&O-Hotel” ein. Bereits im Oktober vergangenen Jahres wurde mit Protest darauf reagiert und auf die Hintergründe hingewiesen – anscheinend ohne Erfolg.

    Denn neben der heutigen Veranstaltung mit dem ehemaligen Sachverständigen der NPD und AfD-Sympathisant Karl Albert Schachtschneider wird bereits morgen die nächste “Compact”-Veranstaltung mit Bernd Lassahn hier [im "A&O Hotel und Hostel" Leipzig] stattfinden. Wo heute in deutschtümelnder Manier nach Möglichkeiten fremdenfeindlicher “Souveränität” gefragt wird, soll morgen vor sogenannter “sexueller Umerziehung” mittels Gleichberechtigung von Menschen abseits heterosexueller Orientierung gewarnt werden. Gender Mainstreaming, gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare und schulische Auseinandersetzung mit Homosexualität werden hierbei als Werteverfall und Verlust traditioneller Familienbilder verstanden.


    Somit wird thematisch an eine “Compact”-Konferenz im letzten Jahr in Schkeuditz angeknüpft. Dort wurden neben Thilo Sarrazin auch maßgebliche Unterstützerinnen des sogenannten “Homo-Paragrafen” in Russland eingeladen und frenetisch gefeiert. Dieser Paragraf sieht es vor, bereits die Thematisierung von Homosexualität unter Strafe zu stellen und sorgt seit der Einführung für einen ungeheuren Anstieg an homophoben Attacken bis hin zum Mord.


    Auch die Zusammenarbeit mit bekennenden Nazis findet derweil statt, sodass vor wenigen Wochen zu einem Film mit Karl-Heinz Hoffmann nach Berlin eingeladen wurde. Seiner Gesinnung in der 1980 verbotenen paramilitärischen Nazi-Gruppierung “Wehrsportgruppe Hoffmann” ist er bis heute treu geblieben, und so war sein letzter Besuch in Leipzig folglich im NPD-Zentrum geplant.


    Über alldem speist sich das “Compact”-Magazin seit seiner Gründung aus einem rigorosen Antiamerikanismus. Fern jeder vernünftigen Kapitalismuskritik werden die USA als raffgierig und kulturell minderbemittelt dargestellt. Im Gegenzug feiert “Compact” barbarische Regimes wie den Iran oder das heutige Ungarn als positive Alternativen. Chefredakteur Elsässer traf vor einigen Jahren gar den damaligen iranischen Präsidenten und Holocautleugner Ahmadinedschad und beurteilte die dortige Opposition als “Strichjungen des Finanzkapitals”. Ähnlich wahnhaft wird grundsätzlich jeder Kritik begegnet und immerzu als “bezahlter Protest” oder “antidemokratisch” diffamiert.


    “Compact” steht seit Anbeginn für Verschwörungswahn, homophobe Auslassungen und falsche Kapitalismuskritik – kurz: reaktionären Müll! Wir fordern ein weiteres Mal das “A&O Hotel” auf, solchen anti-emanzipativen Zusammenkünften keine Bühne zu geben!

Nach kurzer Zeit wurde jedoch ersichtlich, dass die “Compact”-Veranstaltung – angeblich aufgrund des hohen Andrangs, in der Realität war davon kaum etwas zu spüren – verlegt wurde in einen nahen gelegenen Tagungsraum der “Akademie feng shui”, auch vermarktet unter “city tagung Leipzig”, am Brühl 54. Wenige Minuten später wiederholte sich somit das Protestszenario in der Leipziger Innenstadt, zusätzlich wurden Flyer an Passant*innen verteilt.

 

Wieder Nazi-Türsteher und rassistisches Publikum


Die Security fiel dieses Mal durch deutlich aggressiveres Verhalten als im Oktober 2013 auf, provozierte durchweg und fotografierte unter Mithilfe der “Compact”-Mitarbeiterin Sabine Maiwald gezielt die Protestierenden ab. In peinlicher Hooligan-Manier wurde abschließend zunächst zum Kampf aufgefordert, dann aber auf die gerufene Polizei gewartet. Diese fuhr mit Blaulicht auch kurz nach Auflösung der spontanen Kundgebung vor.

 

Es entwickelten sich kleinere Jagdszenen, an denen sich die Security eifrig beteiligte. Die Menschengruppe, die schließlich zur Personalienkontrolle festgehalten wurde, war jedoch eine unbeteiligte.

 

An der Tür stand unter anderem – wie bereits bei der “Compact”-Veranstaltung im “A&O Hotel und Hostel” im Oktober und auch bei der “Compact-Souveränitätskonferenz” im November 2013 – der Neonazi und Muay-Thai-Kämpfer Mike Grießhammer aus Altenburg.

 

Unter den Besucher*innen befand sich abermals Stephane Simon, seines Zeichens Unterstützer der rassistischen Bürgerinitiative “Gohlis sagt Nein” und Teilnehmer mindestens einer NPD-Kundgebung in jüngerer Vergangenheit. Bei einer Gegenkonferenz zur so genannten “Compact-Souveränitätskonferenz” im November vergangenen Jahres fiel er durch Pöbeleien auf und wurde letztlich des Hauses verwiesen.

 

Compact im Jahr 2014


Über die Tage verteilt wurden auch auf der Leipziger Buchmesse Flyer verteilt, die über die Hintergründe von “Compact” aufklärten. Chefredakteur Jürgen Elsässer echauffierte sich in seinem Blog über deren angebliche Unwahrheiten und übersah offensichtlich, dass teils vom Original identisch abgeschrieben wurde. “Mut zur Wahrheit” ist das allemal nicht. Ohnehin steht dieses Motto eher für eine ständig vorgetragene Opferrolle, welche mit allerhand Wahn ein Medium für die angeblich “schweigende Mehrheit” gegen ein herbeiphantasiertes Bollwerk bestimmter Medien, Staaten und Persönlichkeiten schaffen will.

 

Kritische Presse hat sich nach “Compact” grundsätzlich abgeschafft, weshalb es “keinen Goebbels” mehr benötigt und “an die letzten Tage der SED” erinnert. Im Nazi-Jargon wird Deutschland als ein “besetztes Land” und die USA und Israel als “die größten Gefährder des Weltfriedens” wahrgenommen. Geschäftsführer Kai Homilius ist sich bei aller Unklarheit in einem Punkt sicher: “seiner Treue zu seiner Heimat, zu Deutschland”. (Alle Zitate sind einer Broschüre von “Compact” zur Buchmesse 2014 entnommen.)

 

Fehlender Protest


Überregional fehlt bis dato eine größere Aufmerksamkeit, auch in der radikalen Linken, für die Hintergründe des Blattes. Fast monatlich können Veranstaltungen im “Viethaus / Halong Hotel” in Berlin und in der “Eisenacher Bücherstube” ohne nennenswerte Kritik durchgeführt werden. Es ist verwunderlich, wenn einzelnen Referent*innen wie Thilo Sarrazin und Karl-Heinz Hoffmann deutlich mehr Protest entgegengebracht wird als einer “Compact”-Veranstaltung allgemein.

 

Insofern sollte dies als Aufruf zu weiteren Aktionen gegen “Compact” verstanden werden. Diese Möglichkeit besteht beispielsweise am 20. März in Berlin: Dann wird ein neues “Compact-Spezial” unter dem Titel “Feindbild Familie – Politische Kriegsführung gegen Eltern und Kinder” im “Viethaus / Halong Hotel” vorgestellt, um gegen “Frühsexualisierung, Schulfach Schwul, Sexuelle Umerziehung, Raubtierfeminismus oder die schleichende Umsetzung der (queeren) Gender Mainstream-Programmatik” zu hetzen.