Lauer Anti-Krisen Protest in Wien

Hypo Alpe Adria

Hypo Alpe Adria

Die Krise ist in Österreich in der Form der Hypo Alpe Adria angekommen. Diese hat ein paar Milliarden € Schulden gemacht, die der Staat nun dankenswerter Weise übernimmt. Es ist das alte Muster des Klassenkampfes von oben: Gewinne werden privatisiert, Verluste kollektiviert. Damit wird sichergestellt, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden, dass die Mächtigen mächtig und die Ausgeschlossenen ausgeschlossen bleiben. Klar, dass deswegen viele Menschen verärgert sind

 

Diskrepanz

 

Dennoch kommt es zu fast keinen Demos oder Aktionen. Vor fast genau 5 Jahren, am 28.März 2009 demonstrierten ca. 15 000 Leute in Wien unter dem Motto „Wir zahlen nicht für eure Krise!“. Jetzt, wo wir alle blechen müssen (und die, die ohne nix oder wenig haben, werden dank fehlender/schwacher Lobby beim nexten Sparpaket überproportional zahlen müssen), ist davon praktisch nix mehr zu spüren. Die meisten Menschen sind ratlos und lassen ihre Wut am virtuellen oder realen Stammtisch Luft. Die gleiche Diskrepanz, nur anders gibt es auch in der antikapitalistischen, linksradikalen Szene. Dort werden die Krisenproteste in Griechenland, Spanien oder aktuell Bosnien abgefeiert, während die Situation vor Ort praktisch kein Thema ist. Bei manchen entsteht der Eindruck, dass Antikapitalismus nur ein theoretischer Diskurs ist, der keine praktischen Auswirkungen hat.

 

Parteilos parteiisch

 

In diesem Jahr gab es am 25. Februar einen größeren Versuch, dies zu ändern. Eine un- bzw. überparteiliche Aktion sollte vor dem Parlament stattfinden. Diese Aktion hatte aber einige Schönheitsfehler. Initiiert wurde sie von 2 Parteifunktionären, es sollte im Gespräch mit den eigenen Mandataren ein U-Ausschuss gefordert werden. Das „parteilos“ wurde damit zur Makulatur und Nicht-/Weißwähler_innen wie ich haben keine Mandatare. Auch die Forderung nach einem U-Ausschuss als Lösung für die Krise ist reichlich naiv. Dennoch war dies der einzige Rahmen für Krisenproteste. Die einzig anderen Aktionen waren PR-Gags von NGOs und Oppositionsparteien.

 

Repression & Ratlosigkeit

 

Diese Aktion wurde von der Polizei verboten, da sie innerhalb der Bannmeile des Parlaments stattfand. Trotzdem kamen 300-400 Menschen. Die Polizei ließ daraufhin den Protest unter der Auflage zu, dass es keine Transparente und keine Reden geben durfte. Die Organisatoren ließen sich auf diese Regeln ein, allerdings haben vor Ort nur wenige Leute davon was mitbekommen. Das Bild vor dem Parlament war damit stark zweigeteilt. Oppositionspolitiker_innen zeigten Präsenz, gaben Interviews und hielten ihre kleinere und größere Emblems in die Kameras. Bei den anderen Leuten gab es Ratlosigkeit, vereinzelt gab es selbstgemachte Schilder, vereinzelt gab es Gespräche. Doch viele vertschüschten sich schon nach kurzer Zeit wieder. Zum Abschied gab es kollektives Händchenhalten und damit sowas ähnliches wie eine Menschenkette.

 

Die Mär vom guten Wirtschaften

 

Vielfach wurde dabei von der Gier der Banken und der Verantwortungslosigkeit der Politik gesprochen. Als Gegenkonzept wird dabei das gute Wirtschaften angeführt. Mit diesem Konzept waren bei der letzten Wahl vor allem die 2 neuen Parteien, die NEOS und das „Team Stronach“ erfolgreich. Dabei wird gerne übersehen, dass die handelnden Personen nur das gemacht haben, was von ihnen erwartet wurde. Kulterer als Chef der Hypo suchte neue Märkte, erhöhte den Gewinn und holte sich eine Rückversicherung von der Politik - er machte das, was von einem Manager einer Bank im Kapitalismus verlangt wird. Haider pflegte sein Image und das Wähler_innenwohlwollen mit kleineren und größeren Geschenken - er machte das, was von einem Politiker in einer repräsentativen Demokratie erwartet wird. Und Pröll, Fekter und Spindelegger schützten als Finanzminister_innen die Bank – und erfüllten damit eine wesentliche Funktion des Staates: das Kapital zu schützen. Es lässt sich auch anders sagen: Die Hypo und die Krise sind keine Ausrutscher im System, sie sind ein notwendiges Produkt dieses Systems, sie sind systemimmanent. Das heißt aber auch, dass Lösungen nur jenseits der Konstrukte von Staat und Kapital gefunden werden können – und dass U-Ausschuss, Neuwahlen oder Insolvenzen bestenfalls Tropfen auf dem heißen Stein sein können.

 

Der nächste Versuch

 

Aktuell wird via Facebook wieder zu einer Kundgebung (FB-Link!) aufgerufen. Diesmal ist der Aufruftext denkbar kurz; „Es reicht“. Die Initiative kommt erneut von einem der beiden Männer, die auch zur der Aktion am 25.2. aufgerufen haben. Somit ist zu befürchten, dass sich der Rahmen nicht wesentlich ändern wird, sprich, dass es wieder eine Oppositions-Wahlwerbeveranstaltung werden wird. Dennoch ist es wichtig, dass antikapitalistische Präsenz zu zeigen und Lösungsvorschläge jenseits von Parteien, Staat und Kapital aufzuzeigen.

 

Dienstag. 18.März, 18:00, am Ring vor dem Rathaus

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ich finde den gedanken nobel, aber nicht bei jedem parteispektakel muss mensch herumhüpfen; vor allem wenn es dermaßen kurzfristig ist - vielleicht sollten wir antikapitalistInnen mal was eigenes auf die Beine stellen. Das 2008 war ja auch eher so eine "Attac&Co.-machen-was-wir-müssen-auch-Hau-ruck-Aktion" wenn erzählungen stimmen... berichtigungen, bestätigungen, kritik, vorschläge bitte an oben erwähntes postfach ;-)

woran es eigentlich liegt, dass der Hypo-Kriminalfall so wenige Menschen auf die Strasse treibt. Es ist doch ein ziemlich plakativer Fall! Zwar spielt auch ein bisschen Populismus dabei mit, weil man die Leute mit dem Argument abholen kann, dass "unsere Steuergelder" verpulvert werden. An sich müssten sich doch auch viele Menschen ansprechen lassen, die sonst wenig mit linker Politik am Hut haben! Robert Sommer hat im "Augustin" geschrieben, dass der Hypo-Skandal als der grösste Kriminalfall der Zweiten Republik eine wesentliche Zutat für die Revolte sein müsste.

Davon abgesehen sehe ich genug Gründe und Motivationen, warum antikapitalistische Praxis auch in Österreich auf fruchtbaren Boden fallen kann. Die Zwangsverwaltung und Gängelung der Erwerbslosen, zunehmende Armutserfahrungen, ein arbeitnehmerfeindliches Klima, in dem Streiks noch immer weitgehend tabu sind und die Forderung nach mehr Lohn quasi als "Nestbeschmutzung" aufgefasst wird, Ressentiments gegen soziale Randgruppen usw. Aber mir kommt es so vor, dass die einzige Kritik, die hörbar ist, auf die Verteidigung des Sozialstaates hinausläuft (ATTAC, Gewerkschaften). Da hat die Linke doch mehr zu bieten!