Einige Anmerkungen zur Annahme der Masseneinwanderungsinitiative. Für einige scheint es unerklärlich, wie eine Mehrheit der stimmabgebenden Stimmberechtigten ein Ja zur Masseneinwanderungsinitiative in die Urne legen konnte, andere deuten dies als Ausdruck des Rassismus in der Schweizer Bevölkerung. Klar ist, dass die Mehrheit zum Schluss kam, es habe „zu viele“ AusländerInnen in der Schweiz. Zu viele AusländerInnen für ihn oder sie und zu viele AusländerInnen für die Schweiz. Dabei ist klar, der Schweizer Wirtschaft sind die AusländerInnen nicht zu viel, denn die hat sich mitsamt ihrem Dachverband „economiesuisse“ gegen die Initiative ausgesprochen. Ebenso wie die grosse Mehrheit der politischen Parteien und der Gewerkschaften, die nicht müde wurden, den Nutzen der AusländerInnen für “uns” zu betonen.
Dennoch, die AusländerInnen waren zu viel für das Schweizer Volk. Hier zeigt sich der Nationalismus der Abstimmenden und ihre falsche Kritik an dieser Wirtschaft: Für die NationalistInnen steht fest, dass die Schweizer Wirtschaft dem Schweizer Volk zu dienen habe. Dass genau diese kapitalistische Wirtschaftsweise jedoch fundamentale Gegensätze zwischen ArbeitgeberInnen (KapitalistInnen) und ArbeiterInnen beinhaltet, die beide Teil des Schweizer Volkes sind, interessiert sie dabei nicht. Sie halten munter an diesem Wirtschaftssystem fest und sind überrascht, dass sich ihre materielle Situation kaum verbessert, die Mieten oder die Arbeitslosenzahlen steigen und ihr Lohn sich nicht wie gewünscht entwickelt. Da geht doch etwas schief, denken sie, weil so haben sie sich das nicht vorgestellt!
Als Schuldige dieser „Fehlentwicklung“ werden dann nicht etwa die kapitalistischen Gegensätze und die KapitalistInnen dingfest gemacht, sondern die AusländerInnen (die bleiben halt übrig nebst dem Schweizer Volk, für welches sie bedingungslos einstehen). Das Bedürfnis der NationalistInnen ist dann auch ziemlich zwiespältig: Sie möchten gerne – anstatt einer ausländischen Arbeitskraft – angestellt werden. Obschon alle wissen, dass dies in erster Linie viel Leistung, Stress, wenig Freizeit und auch kein überschüssiges Geld bedeutet. Aber wer davon ausgeht, dass „das halt einfach so ist“, kommt auch nicht auf die Idee diese Gegensätze und Zwänge zu überwinden, sondern möchte sie nach Möglichkeit für sich nutzen. Die NationalistInnen halten an dem falschen Dogma fest, der Schweizer Staat und die nationale Wirtschaft sei da, um den SchweizerInnen zu dienen und stellen sich vor, was Inländern alles für Vorrechte (z.B. auf Arbeit) gegenüber den Ausländern zu gewähren seien. Für dieses Vorrecht stellt die Personenfreizügigkeit ein Problem dar. Dies ist nicht zu verwechseln mit einer grundsätzlichen, rassistischen Ablehnung gegenüber AusländerInnen. Den NationalistInnen stossen nicht die Unterschiede in Kultur, Sprache oder Äusserem sauer auf, sondern die Gemeinsamkeiten: Die AusländerInnen müssen eben auch arbeiten um ihr Leben zu meistern, können eben auch von Sozialhilfe abhängig werden, sind auch auf Mobilität angewiesen, usw. NationalistInnen sehen in Ausländern also Konkurrenten und wollen sie deshalb nicht.
Ein weiteres nationalistisches Argument ist die Frage der nationalen Souveränität. Es solle bitteschön die eigene (also schweizerische) Herrschaft darüber entscheiden dürfen wer, wann und zu welchen Bedingungen in die Schweiz kommen darf, und nicht eine fremde. Welchen Nutzen die SchweizerInnen davon haben, dass dies die eigene Herrschaft entscheidet, und welchen Nutzen sie generell davon haben, beherrscht zu werden, bleibt dabei im Dunkeln.
Dem Nationalismus liegt der Irrglaube zu Grunde, dass der Staat und seine Wirtschaftsweise für den/die kleine/n Mann/Frau eingerichtet sei. Die Realität schaut anders aus: Im Kapitalismus – den der Staat durchsetzt und garantiert – geht es darum Gewinne zu maximieren und dies steht im Widerspruch zum hohen Lebensstandart (tiefe Löhne, hohe Mieten usw.), nachhaltiger Entwicklung (Umweltverschmutzung) oder planvollem Umgang mit Ressourcen (Konkurrenz). Es ist gerade der Staat und dieses Wirtschaftssystem die verantwortlich dafür sind, dass die Bedürfnisse der ArbeiterInnen immer wieder auf der Strecke bleiben und sich damit einige UnternehmerInnen die Taschen voll stopfen!
Nationalismus schadet und zwar nicht nur an Abstimmungstagen, sondern im Alltag. Er steht einer herrschaftsfreien, bedürfnisorientierten Welt im Wege und muss kritisiert und überwunden werden.
PS: Wer tatsächlich glaubt es liege an den Ausländern, dass die Züge vorzüglich jeweils Werktags um 8 Uhr morgens von der Agglomeration (billiger Wohnraum) in die Städte (wirtschaftliche Zentren) und um 17 Uhr wieder zurück überfüllt sind, und nicht auf die Idee kommt, mehr Waggons anzuhängen oder einen dichteren Fahrplan zu planen, dem sind die folgende Texte empfohlen:
Belastete Sozialwerke und Arbeitslosigkeit: Ergebnis der kapitalistischen Konkurrenz!
http://überzeit.ch/kritik/#sozialwerke
“Ausländer verstopfen die Züge” – warum eigentlich?