Am vergangenen Samstag hielten 10 Unterstützer*innen von Mumia Abu-Jamal eine Mahnwache vor der Abschlußveranstaltung der 64. Berlinale auf dem Potsdamer Platz ab. In mehrsprachigen Flugblättern wiesen sie auf die Masseninhafterung in den USA hin und forderten die Freilassung von Mumia Abu-Jamal sowie die Abschaffung der Todesstrafe.
In verschiedenen Gesprächen teilten Passant*innen die Einschätzung, dass der menschenrechtlich formulierte Anspruch der Berlinale in diesem Jahr besonders aufgesetzt wirkt. Während sich diese Veranstaltung unter dem Vorwand humanitärer Besorgnis der gewaltsamen Neuordnung von Osteuropa über den nahen und mittleren Osten bis nach Afrika andient, schweigt diese bürgerliche Institution weitesgehend zu den massiven Menschenrechtsverletzungen in den USA und der EU.
Mit dem Finger auf andere zeigen und selbst die Kunst und das "kritische Hinterfragen" zelebrieren - und dazu der ganze Party Schnick Schnack. Lediglich ein einziger Film-Beitrag setzte sich mit der Kriegspolitik der Bush-Regierung auseinander. Dabei gäbe es in kaum einer anderen Stadt so viele Möglichkeiten wie in Berlin, global Betroffene von Krieg, Vertreibung und Repression direkt zu Wort kommen zu lassen und die filmischen Dokumentationen darüber darzustellen. Die Filmindustrie bleibt jedoch lieber unter sich - und wir dann auch lieber draußen.
They Are Seriously Trying to Build a Prison...
Mumia Abu-Jamal wird im April 2014 seinen 60. Geburtstag begehen. Das wird sein 33. in Haft werden, sollte er bis dahin nicht endlich befreit worden sein. Wie er sitzen in den USA inzwischen über 80.000 Gefangenen mit dem Urteil "Lebenslänglich ohne Bewährung" ein, die nach dem Willen der US-Justiz nie wieder frei kommen sollen. In Mumias Bundesstaat Pennsylvania allein sind davon derzeit 2500 Jugendliche betroffen. Im weltweiten Vergleich sind die USA mit über 2,3 Millionen Gefangenen und weit über 4 Millionen zusätzlichen Freigäner*innen der unangefochte Kerkermeister der Erde. Eine Multi-Milliarden-Dollar-Industrie profitiert von der Einkerkerung und Ausbeutung dieser Gefangenen. Vergleichbare Konzerne (1) betreiben auch in der EU seit etlicher Zeit massive Lobby Politik. Durch Law & Order wird seit Jahren auch innerhalb der EU gezielt die Armut kriminalisiert. In der BRD stecken wir mitten in den Vorbereitungen zu einer Masseninhaftierung, die in den USA begann, sich in Australien fortsetzte und in Grossbritanien bereits spürbar ist. Derzeit bereits sichtbar ist diese Politik in der rigiden und mörderischen Abschottung der EU, in den diversen Lagern und Abschiebegefängnissen, die größtenteils unter Teilprivatisierung die Verwaltung staatlicher Willkür organisieren. Ziel der beteiligten Konzerne und "Wohlfahrtsverbände" sind garantierte Einnahmen aus Steuertöpfen - und das alles natürlich "demokratisch".
Wir denken nicht, dass unsere kleine Mahnwache die bürgerliche Fassade einer nach außen und innen immer repressiver werdenden EU oder den USA abschliessend demontiert hat. Aber statt uns nur über die ständigen unverschämten Lügen zu ärgern, haben wir ihnen ein kleines Stückchen Wahrheit entgegengesetzt.
FREE MUMIA - Free Them All!
www.freiheit-fuer-mumia.de
(1) z.B. Bilfinger SE, Serco oder Kötter Security - weitere Informationen zum Gefängnisindustriellen Komplex
http://mumia-hoerbuch.de/text/Gefaengnisindustrie+USA+BRD_Nov_2012.pdf
sehenswerter Film am kommenden Dienstag in Berlin
Wer ihn noch nicht gesehen hat, kann das am kommenden Dienstag nochmal im Berliner SPUTNIK Kino:
Film: "MUMIA - Long Distance Revolutionary"
"Long Distance Revolutionary" schildert das Leben des afroamerikanischen Journalisten Mumia Abu-Jamal und zeigt den Kontext, in dem eine Generation von Aktivist*innen in den 1960ern aufbrach, um die rassistische Gesellschaftsordnung in den USA grundlegend zu verändern. Von der Frage der Masseninhaftierung bis zu der extrem begrenzten Teilhabe der Communities of Color werden anhand von Stationen in Mumias Leben Auseinandersetzungen sichtbar, die bis in das heutige Geschehen wirken.
Eintritt 6 Euro
SPUTNIK Kino - Hasenheide 54 - 10967 Berlin-Kreuzberg - U7-Südstern 3. Hof - V. Stockwerk - begleiteter Aufzug auf Anfrage vorhanden
Weitere Informationen: www.freiheit-fuer-mumia.de
Can Europe End the Death Penalty in America?
Hier ein sehr interessanter Artikel über die Todesstrafe in den USA und die aus dem EU Exportstopp von Sodium Thiopental stammenden anhaltenden Probleme der Henker, Gefangene zu ermorden.
Can Europe End the Death Penalty in America (Feb 18, 2014)
http://www.theatlantic.com/international/archive/2014/02/can-europe-end-...
In dem Artikel werden mehrere erstaunliche Resumees gezogen:
Die Todesstrafe in den USA ist seit dem europäischen Export Stopp nicht nur in technischen Schwierigkeiten, Hinrichtungen durchzuführen.
Vielmehr sei sie inzwischen in der gesellschaftlichen Debatte unter Druck. Selbst die US Regierung vermeidet es derzeit, sich zu
positionieren, was eine sehr ungewöhnliche Haltung zu allen Vorgängeradministrationen seit Ronald Reagan ist.
Die grundsätzliche ethische Haltung in der EU sei durch Aktivismus in den Jahren vor 2000 bestimmt worden. Seit dem mische sich die EU massiv
in die Auseinandersetzung innerhalb der USA ein, was sich u.a. in ca. 4 Millionen US-$ Spenden an Anti-Todesstrafen-Organisationen zum Ausdruck gekommen sei.
Der Wendepunkt der Todesstrafe sei um 2000 gekommen, sagt Richard Dieter, Vorsitzender der NGO "Death Penalty Information Center" in
Washington, D.C.
Die Älteren unter uns werden sich bestimmt noch an die Jahre 1995 - 2000 erinnern, als die FREE MUMIA Bewegung in dem meisten westeuropäischen Ländern genau wie in den USA sehr aktiv war und eine breite Debatte um die Abschaffung der Todesstrafe angestossen hat.