Am 31.12.2013 fanden in Deutschland diverse kämpferische Demonstrationen vor Knästen statt, so unter anderem auch in Freiburg.
Silvester auf Station 2
Seit meiner Einlieferung in die JVA Freiburg wohne ich auf „Station 2“, die als die Therapie-Verweigerer-Station gilt. So war es auch nur konsequent von der Anstaltsleitung, uns von Station 2 schon um 22.10 Uhr wegzuschließen, während die weiteren drei SV-Abteilungen bis 0.30 Uhr das neue Jahr feiern durften. Viel los war auf Station 2 nicht; einige der 14 Verwahrten ließen sich schon freiwillig früher einschließen, andere auf Grund von Sicherungsmaßnahmen wurden – wie jeden Tag – gleich um 17.30 Uhr in ihre Zellen gesperrt.
Demonstration ab 18 Uhr
Zu viert konnten wir ab 18 Uhr auf Radio Dreyeckland (dem örtlichen nicht-kommerziellen Radiosender) live die Anti-Knast-Demo, zu der sechs Freiburger Gruppen aufgerufen hatten, verfolgen. Deshalb auch von dieser Stelle aus herzlichste Grüße und ein Danke an die OrganisatorInnen, AktivistInnen, die Menschen von Radio Dreyeckland und an all jene, die sich der Forderung nach einer Gesellschaft ohne Knäste anschließen, oder zumindest offen dafür sind, sich die Argumente anzuhören.
In kämpferischen Redebeiträgen und Rufen wurde hier am 31.12. ein Zeichen gesetzt. Auch in den Folgetagen wurde dann unter den Verwahrten und Strafgefangenen über die Demonstration gesprochen und diskutiert. Selbst unter den WärterInnen war die Demo Thema, denn solche Aufmerksamkeit zugunsten von Verwahrten und Gefangenen gibt es sonst kaum.
Durch die Bauweise der SV-Anstalt war es leider nicht möglich, sich bemerkbar zu machen, oder quasi „live“ der Demo zuzuhören, denn der Schall verhallt in dem Hinterhof, bzw. dringt erst gar nicht wirklich bin in die Zellen. Umso schöner war es, via Radio Dreyeckland zuhören zu können.
Anders verhielt es sich im Strafhaftteil, denn dort konnten Gefangene aus den oberen Stockwerken die DemonstrantInnen selbst sehen.
Einschluss am 31.12.2013
Der uns Verwahrte um kurz nach 22 Uhr einschließende Uniformierte, Obersekretär P., wünschte jedem „Einen guten Rutsch“ und bekam, ganz zu recht, vielfach entweder keine Reaktion oder eine abfällige Bemerkung, denn sich von jemandem, der einen gerade wegschließt, wünschen lassen zu müssen, man möge gut ins neue Jahr starten, ist entweder gedankenlos oder schlicht zynisch.
Neujahrsmorgen
Obersekretär L. öffnete nach 8 Uhr die Zellen und nun musste man sich „ein gutes Neues Jahr“ wünschen lassen. An einem Ort, an welchem im 21. Jahrhundert ein uraltes Gesetz, von den Nationalsozialisten am 24.11.1933 ins Strafgesetzbuch geschrieben, ich rede hier von der Sicherungsverwahrung, vollstreckt wird, kann es ein neues Jahr geben – aber niemals ein „gutes Jahr“. Später konnte man Herrn L. zuhören, wie er sich telefonisch bei einem Arbeitskollegen beschwerte, er habe gar keine Zeit mehr für sein Familienleben, da er laufend außerplanmäßig zu Dienstschichten eingeteilt bzw. umverteilt werde – und er so geduldig sei, das mit sich machen zu lassen. Eine Stunde später wurde L. von der Station 2 abgezogen, um einen Sicherungsverwahrten ins Krankenhaus zu eskortieren.
Sicherungsverwahrung oder Pflegeheim?
Folgt man den öffentlichen Aussagen von Richtern und Politikern, sitzen in der SV die „Gefährlichsten der Gefährlichen“; schaut man aber in die Zellen, trifft man vielleicht auf alte und kranke Männer.
Der von Obersekretär L. eskortierte Verwahrte ist schwer an Diabetes erkrankt, bekam in der Vergangenheit schon Zehen amputiert; nun, nachdem weitere Zehen schwarz wurden, musste er am 01. Januar unverzüglich in ein Krankenhaus verbracht werden. Wir haben einen Verwahrten im Rollstuhl („Contergan-geschädigt“), einen mit den überdeutlich bemerkbaren Folgen eines Schlaganfalls. Von den diversen Verwahrten mit extremem Übergewicht (140/150/180 kg) gar nicht zu reden, inkl. künstlichem Blasenausgang und ähnlichen „Nettigkeiten“ mehr.
Stellenweise ähnelt, auch im Jahr 2014, die hiesige SV-Anstalt mehr einem Pflegeheim als einem Ort, an welchem sich die Sicherheit Deutschlands angeblich entscheidet, weil hier die gefährlichsten „Kriminellen“ Deutschlands gefangen gehalten werden.
So wird es im neuen Jahr wahrscheinlicher sein, hier drinnen zu sterben und deshalb „entlassen“ zu werden (rechtlich gesehen gilt auch der Tod als „Entlassung“), als lebendig auf zwei Beinen in Freiheit zu gelangen.
Thomas Meyer-Falk, z.Zt. JVA (SV-Abtl.)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de
Demobericht aus der Außenperspektive
https://linksunten.indymedia.org/de/node/102745
beitrag bei RDL
https://rdl.de/beitrag/silvester-antiknastdemo-2013