Nachdem Carmen F. im November 2013 aus der nachträglichen Sicherungsverwahrung entlassen wurde ist sie nunmehr „untergetaucht“.
Wer ist Carmen F.?
Die heute 47-jährige Carmen saß rund 14 Jahre in Haft, davon die letzten fast 10 Jahre in strenger Isolationshaft (Was ist Iso-Haft? Vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/100078). Und die letzten vier Jahre in nachträglich verhängter Sicherungsverwahrung. Verurteilt wurde sie ursprünglich wegen Brandstiftung an Firmengebäuden.
Die plötzliche Freilassung
Die baden-württembergische Justiz bereitete Carmen in keinster Weise auf ihre Freilassung vor, etwas, das ihr Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. Adam Ahmed (http://www.kanzlei-ahmed.de) auch gegenüber der Presse rügte. Von heute auf morgen wurde Carmen nicht nur aus der Iso-Haft entlassen, sondern faktisch auf die Straße gesetzt. Denn obwohl das Landgericht ihre Freilassung verfügte, mithin eine Entlassung in greifbare Nähe rückte, unternahm die JVA Schwäbisch-Gmünd nichts, Carmen darauf vorzubereiten.
So wurde sie an einem kalten Novembertag mit ihrer in den Jahren angesammelten persönlichen Habe auf die Straße gesetzt.
Freiheit – was nun?
Eigentlich hatte ihr Bruder angeboten, dass sie in seinem Haus die Dachwohnung beziehen könne; als es dann darum ging, die Zusage einzulösen, wollte er letztlich doch nicht, so dass Carmen vorübergehend in einer Pension einquartiert wurde. Das Landgericht hatte ein enges Korsett an Auflage verfügt: sie darf kein Feuerzeug und keine Zündhölzer bei sich führen, muss von 22 bis 6 Uhr im Haus bleiben und vieles mehr. Und sie muss eine elektronische Fußfessel tragen, die stets ihren Aufenthaltsort an eine Zentrale in Hessen, von wo aus alle elektronischen Fußfesseln, die bundesweit im Einsatz sind, überwacht werden, meldet.
Ein Sicherungsverwahrter im niedersächsischen Rosdorf und ich selbst gehörten zu ihren wenigen Sozialkontakten; mit Peter W., jenem Verwahrten in Rosdorf, telefonierte sie täglich und mir schrieb sie mehrfach.
Sie erzählte ganz offen, wie sehr die Freiheit sie fordere, wie überfordernd auch die Produktvielfalt im Supermarkt sei und wie sehr sie der „Hausarrest“ in den Nächten belaste, wo sie doch eigentlich lieber draußen in der Natur sei, anstatt im Zimmer zu hocken.
Die Konfrontation mit der Polizei
Carmen lebte in der Nähe des Bodensees, in der Provinz eines kleinen Städtchens. Mehrfach klingelte nachts die Polizei an der Pension, denn die Zentrale Überwachungsstelle für die elektronische Aufenthaltsüberwachung schlug Alarm. Angeblich habe sich Carmen unerlaubt zwischen 22 und 6 Uhr außerhalb des Hotels aufgehalten. Dabei soll es dann, so Carmen, zu unerfreulichen Szenen mit der Polizei gekommen sein, die in einer Anzeige, u.a. wegen Beleidigung mündeten.
Sie beteuerte stets, es müsse sich um einen technischen Defekt an der Fußfessel handeln. Justiz und Gericht bestehen aber darauf, alles sei technisch in Ordnung, und Carmen trage die Schuld für die Alarme, man gehe davon aus, dass sie gegen ihre strengen Auflagen verstoße. Der zuständige Richter, so Carmen in einem Brief, habe sie strengstens verwarnt und eine zeitnahe strafrechtliche Verfolgung angekündigt, wenn sie nicht endlich kooperiere.
Exkurs: Folgen bei Verstoß gegen Führungsaufsicht
Frau F. unterliegt dem Regime der Führungsaufsicht; damit können ehemalige Gefangene und Verwahrte, auch wenn alle Strafen abgesessen und die Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt worden ist, weiterhin staatlicher Überwachung unterstellt werden.
Die grausame Pointe dabei ist, alle Verletzungen der Auflagen können mit Geldstrafe oder Haft bis zu drei Jahren geahndet werden (vgl. § 145 a StGB). Ansonsten also völlig legales Verhalten, wie der Konsum von Alkohol, ist dann strafbewehrt, wenn einem bspw. ein Alkoholverbot im Rahmen der Führungsaufsicht auferlegt wurde. Carmen musste eine elektronische Fußfessel tragen und deren Funktionsfähigkeit gewährleisten, z.B. deren Akku stets aufgeladen halten. Ein Verstoß hiergegen kann weitere Haft nach sich ziehen. Und es kann sogar die Sicherungsverwahrung verhängt werden (vgl. § 66 Absatz 1 Nr.1 Buchstabe c StGB).
Es ist also nicht etwa notwendig, dass jemand wie Carmen erneut etwas anzündet, es reicht aus, gegen die Auflagen zu verstoßen, um nicht nur zu einer Freiheitsstrafe, sondern sogar zur Sicherungsverwahrung (was ist SV? vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/98982) verurteilt zu werden.
Carmen taucht unter
Immer mal wieder tauchen Aktivisten ab (so zum Beispiel ein Red-Skin aus Stuttgart, der RASH-Aktivist Smily, vgl. https://linksunten.indymedia.org/de/node/95977). Aber auch unpolitische Menschen, wie aktuell Carmen.
Wie sie berichtet, habe sie „jetzt (ihre) 7 Sachen gepackt und werde mich unerlaubt entfernen“. Sie fährt fort: „Hab das Gefühl auf der Stelle zu treten, jeden Tag das gleiche zu tun und nicht mehr dazu zu gehören. (…) Hoffe, dass ich irgendwann für mich erkenne und weiß wie es weitergehen soll.“
Sie wolle endlich (Schreibweise wie im Original): „l-e-b-e-n, jeden Tag, als wäre es mein letzter!“
Allerdings rechnet sie damit, früher oder später verhaftet zu werden, denn sie kündigt an, sich in diesem Falle wieder aus einer Haftanstalt bei mir zu melden.
Ausblick
Auch wenn in diesem Moment die Herzen vieler Verwahrter für Carmen schlagen und auch darüber hinaus sie gute Wünsche von Menschen begleiten, die von ihrem Schicksal erfahren haben, so muss doch damit gerechnet werden, dass sie über kurz oder lang festgenommen werden wird. Denn ohne ein solidarisches Umfeld, ohne große finanzielle Reserven ist es, zumal nach 14 Jahren Haft und damit des abgeschnitten Seins von der Entwicklung „draußen“, eine große Herausforderung zu überleben, ohne der Polizei in die Fänge zu geraten.
Aber Carmens Entscheidung ist umso mutiger und konsequent! Sie entzieht sich der Drangsalierung, so erlebte sie die Bevormundung durch Polizei und Co., und lebt, wie es ihr gefällt.
Frei und ungebunden!
Lauf‘ Carmen! Lauf‘!
Denn die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie sich nehmen!
Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtl.)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de
nicht aufgeben
Viele Anti-Repressionsstrukturen versuchen auch sogenannten "unpolitischen" bzw .sozialen Gefangenen zu helfen.Da kommt es häufig zu irritationen, aber einen Versuch ist es wert.
Auch wenn es schwer fällt soll sie doch mal in linken Szene Läden nach Hilfe fragen.
solidarische Grüße und ich hoffe Carmen kann ihr leben in Freiheit führen
So ging es leider weiter!
Sicherheitsverwahrung
Schwerkriminelle zerstört Fußfessel und legt Feuer
Eine Ex-Sicherheitsverwahrte hat ihre elektronische Fußfessel deaktiviert und in Baden-Württemberg einen Supermarkt angezündet. Die 47-Jährige kam erst vor Kurzem frei und galt als tickende Zeitbombe.
Sie war die einzige weibliche Sicherheitsverwahrte in Baden-Württemberg. Ende November wurde sie aus dem Gefängnis in Schwäbisch-Gmünd entlassen – mit einer elektronischen Fessel am Fußgelenk, damit sie auf Schritt und Tritt überwacht werden kann. Das war die Auflage, aber offenbar kein Hindernis, weitere Straftaten zu begehen. Nun sitzt die 47-Jährige wieder in Haft, weil sie einen Supermarkt in Brand gesteckt hat. Mindestens.
Der verurteilten Straftäterin war es bereits Mitte Dezember gelungen, sich der Aufsicht der Behörden zu entziehen, indem sie das kleine, mit einem Sender ausgestattete Überwachungsgerät an ihrem Bein außer Betrieb setzte. Sie habe ihre Fußfessel durchgeschnitten, sagte ein Polizeisprecher. Das sei relativ einfach zu schaffen: "Es ist nicht so, dass es eine Eisenkugel ist." Anschließend sei die 47-Jährige untergetaucht. Die Fahndung nach ihr blieb zunächst erfolglos.
In der Nacht zum Montag legte sie dann in einem Einkaufsmarkt in Baienfurt bei Ravensburg ein Feuer, bei dem ein Mitarbeiter leicht verletzt wurde und ein Schaden von 200.000 Euro entstand. Am nächsten Morgen fanden Polizeibeamte sie in der nahe gelegenen Gemeinde Baindt, konnten sie aber erst nach längeren Verhandlungen festnehmen. Die als gefährlich und aggressiv geltende Frau hatte sich verschanzt, die Polizisten mit einem Messer bedroht und mit einer Flasche nach ihnen geworfen.
Laut Polizei hat sie inzwischen zugegeben, nicht nur das Feuer im Supermarkt gelegt zu haben. Sie soll in der vergangenen Woche auch mindestens sieben Papiermülleimer angezündet haben. Die Ermittler prüfen noch, ob sie für weitere Straftaten verantwortlich ist.
Polizei kritisiert Freilassung
Die gewaltbereite Frau war vor 13 Jahren wegen schweren Raubes, Diebstahls und wiederholter Brandstiftung ins Gefängnis gekommen. Ein Sprecher der Polizei bezeichnete sie als "tickende Zeitbombe" und kritisierte ihre Freilassung: "Das, was alle befürchtet haben, ist jetzt eingetreten."
Ein Sprecher des hessischen Justizministeriums, dem die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL) untersteht, sprach von einem "Einzelfall". Die GÜL wurde vor rund zwei Jahren in Bad Vilbel eröffnet. Von dort aus werden alle Fußfesselträger in Deutschland fernüberwacht, rund um die Uhr.
Das Landgericht Ravensburg hatte die 47-Jährige im Jahr 2000 zu sieben Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, zunächst ohne Sicherungsverwahrung. Diese war im Frühjahr 2008 nachträglich angeordnet worden. Am 27. November wurde die Frau schließlich auf Beschluss des Landgerichts Ellwangen aus dem Gefängnis in Schwäbisch-Gmünd entlassen.
Sie galt als Schrecken der Frauenhaftanstalt
Zuvor hatte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Ravensburg gegen die Freilassung zurückgewiesen. Die Frau sei zwar psychisch gestört und werde sehr wahrscheinlich erneut straffällig, hieß es in der Urteilsbegründung. Um die Sicherungsverwahrung fortzusetzen, müsste bei ihr aber eine "hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten bestehen". Dies sei nicht der Fall, entschieden die OLG-Richter.
Nach einem Bericht der "Stuttgarter Zeitung" galt die 47-Jährige als der Schrecken der Frauenhaftanstalt, sie habe Mitgefangene und Vollzugsbedienstete bedroht und verletzt, sich außerdem geweigert, eine Therapie zu machen. Seit Juni 2013 sei sie in einem separaten Trakt des Frauengefängnisses untergebracht gewesen.
dpa/sim
http://www.welt.de/vermischtes/article123440986/Schwerkriminelle-zerstoe...