Nachdem der kolumbianische Fußballstar Valderrama als Vermittlung und Friedensgeste ein Fußballspiel zwischen der FARC-EP und einem Team seiner Wahl vorschlug, war die Begeisterung, nicht nur bei der Friedensdelegation der FARC-EP groß, die sich in Kuba für die Friedensgespräche aufhält. Fußball begeistert Millionen von Menschen in Kolumbien und Abermillionen auf der ganzen Welt. Dass Fußball nicht nur einfach ein Sport ist, sondern er auch immer im Kontext des politisch-historischen Kontexts steht, hat die Geschichte mehrfach gezeigt. Fußball verbindet Völker und entzweit sie, mal wird Fußball von einer herrschenden Macht missbraucht, mal ist das Stadion der Hort des Widerstandes und der Solidarität. Fußball ist zwar auch Freizeitgestaltung und Spaß, aber eben auch ein Spiegelbild der Gesellschaft und deren Verhältnisse.
In Kolumbien ist Fußball, zusammen mit dem Radsport, der Sport, der die Massen begeistert. Hier wurden Erfolge gefeiert und Tragödien erlebt. Wer erinnert sich zum Beispiel nicht an die Weltmeisterschaft 1994, als Kolumbien unter dem erwähnten Kapitän Valderrama großen Fußball zeigte und an der Weltmeisterschaft teilnahm, zugleich aber sang- und klanglos ausschied und ausgerechnet ein Gegentor gegen den Gastgeber dafür sorgte. Kurze Zeit später wurde der Schütze des Eigentores auf mysteriöse Umstände getötet. Das Angebot von Valderrama kann auch zu einem Ereignis werden, was in die Geschichte eingehen könnte. Die FARC-EP signalisierte jedenfalls sofort ihre Bereitschaft mitzuwirken.
Die FARC-EP schlägt unter anderm vor, dass auch Spieler aus den Ländern teilnehmen sollen, die den Friedensprozess begleiten. So zirkulieren die Nahmen Odelín Molina aus Kuba, Ole Gunnar Solksjaer aus Norwegen, Carlos Caszely aus Chile und Rafael Dudamel aus Venezuela. Die internationale Guerillera Alexandra Nariño, aus den Niederlanden kommend, will den holl ändischen Fußballspieler Ruud Gullit einladen. Außerdem wünscht sich die Friedensdelagation die als Rebellen bekannten Spieler Eric Cantoná und Cristiano Lucarelli. Einige Zusagen aus Kolumbien gibt s schon, bleibt abzuwarten, wer die Tore für den Frieden schiessen wird.
Auch wenn es in der Vorzeit auch schon Ballspiele gab, wie bei den Chinesen und den Azteken, so gilt Großbritannien als Ursprungsort des Fußballs. Hier wurde der Sport über einen längeren Zeitraum praktiziert und immer wieder verändert, bis er im 19. Jahrhundert zu dem Fußballsport wurde, mit einem kleinen Ball und mehreren Spielern in zwei Teams, wie wir ihn heute kennen. In den Anfängen von der Landbevölkerung als Spiel zwischen den Dörfern durchgeführt, vereinnahmten ihn nun die Aristokraten und deren Kinder in den Schulen als Vergnügung. Über die britischen Seeleute wurde der Fußball schließlich in die ganze Welt exportiert und fand besonders im restlichen Europa und im südlichen Lateinamerika seine Begeisterung.
Berühmte außereuropäischen Fußballklubs entstanden zum Beispiel in Argentinien (River Plate, Newels Old Boys, Racing Club) die zwar von Briten und ihren Kindern gegründet wurden und englische Namen haben mussten, aber schon den ersten Ligabetrieb vollzogen, während man in Brasilien die Beteiligung von Afroamerikanern am Fußball verbot. Nach den Arbeitskämpfen in Europa für den Acht-Stunden-Tag praktizierten immer mehr Arbeiter den Fußballsport in ihrer neu erkämpften Freizeit. In Lateinamerika spielten europäische Immigranten mit Afro´s, Indigenen, Mestizen in den Teams. Der Fußballsport avancierte vom Sport der Bourgeoise zum Sport der Massen, zum einen, weil er einfach zu spielen war und zum anderen, weil er kaum Kosten für die Spieler verursachte.
Immer mehr Arbeiterklubs entstanden, erinnert sei hier an den Club Argentinos Juniors, dem Klub von Diego Maradona, die sich zuerst unter dem Namen Mártires de Chicago („Märtyrer von Chicago“), als Erinnerung an die getöteten Arbeiter bei den Kämpfen 1886 in Chicago, gründeten. Der Klub Chacarita Juniors aus Buenos Aires gründete sich am 1. Mai in einer anarchistischen Bibliothek desselben Namens und der Verein Ferrocarril Oeste, ein Eisenbahnerklub, war das Ziehkind der Gewerkschaft des Unternehmens. Auch international war der Fußball ein Arbeitersport, so der zweifache Olympiasieger (1924-28) und erste Weltmeister (1930) Uruguay, welches ein Team von Arbeitern aus allen Sparten vertrat. Es gibt unzählige weitere Beispiele, die eine Verbindung des Fußballs zum Proletariat und zu den sozialen und politischen Gegebenheiten zeigen.
Dass Fußball auch im größeren Umfang in einem politischen Kontext eine Rolle spielte, zeigen allein folgende Beispiele. Der faschistische General Franco schuf sich nicht nur sein eigenes Turnier, die „Copa del Generalísimo“ (heute Copa del Rey), sondern hatte mit Real Madrid auch sein eigenes Team. Auch der italienische faschistische Führer Mussolini spielte mit dem Fußball. Er richtete 1934 eine Weltmeisterschaft in Italien aus. Giuseppe Meazza, Kapitän der italienischen Mannschaft, grüßte mit dem ausgestreckten Arm in Hommage an den Führer Mussolini. Auch Silvio Berlusconi, neurechter und skandalträchtiger Politiker, schuf mit dem AC Milan sein Team. Der argentinische Diktator Videla richtete ebenfalls eine Weltmeisterschaft aus, um sein Volk zu hypnotisieren und von der Diktatur abzulenken. Im chilenischen Vereinsfußball verzweifelte Diktator Pinochet an den widerständigen Fans und Spielern des Klubs Colo Colo (populärstes Team in Chile), kaufte es einfach auf und wurde Präsident. Der ekuadorianische Präsident Abdalá Bucaram tat es ihm mit dem Klub Barcelona de Guayaquil nach.
Vorhin wurde Franco und Real Madrid erwähnt, dabei ist Spanien auch ein Beispiel, wie Vereine, bzw. dessen Fans oder Spieler Widerstand leisten können. Atletic Bilbao und der FC Barcelona aus den autonomen Regionen Baskenland und Katalonien richteten während des Bürgerkriegs internationale Solidaritätsspiele aus und wurden später unter Franco unterdrückt. 1974 weigerte sich die damalige UdSSR ein Fußballspiel in Chile durchzuführen, weil man in dem Nationalstadion zuvor Hunderte von Personen im Auftrag von Pinochet gefoltert und getötet hatte. Die afrikanischen Teams nutzten oftmals die Möglichkeit, ihre ehemaligen rassistischen Kolonialknechte (Frankreich) anzuklagen. Unvergessen ist der Sieg Senegals 2002 gegen Frankreich.
Hinter einem Fußballspiel steht oftmals mehr, als man glauben mag. Die Fans und Spieler von Neapel aus dem südlichen und „ärmeren“ Italien freuen sich jedes Mal, die nördlichen reichen Teams, die große Sponsoren und Herren hinter sich haben, zu schlagen. In Argentinien besteht eine Rivalität zwischen River Plate und den Boca Juniors, die aus dem ärmeren Viertel Boca kommen. In vielen Teilen der Welt gibt es in den Vereinen aktive Fans und Kurven, die sich gegen Repression und Kommerzialisierung des Fußballs engagieren und sich politischen und sozialen Themen widmen. In Kolumbien, zum Beispiel, solidarisierten sich viele Kurven mit den Bauern im Agrarstreik. Und dann gibt es da natürlich die Idee, ein Fußballspiel für den Frieden auszutragen. Fußball als ein Sport, der Spaß macht und anders ist und nicht nur das Opium für das Volk sein soll.
Ergänzung
Vielen Dank für den Bericht an fotbalista
Sinnvoll wäre zu erwähnen dass es sich bei den genannten Beispielen um eine unvollständige Aufzählung handelt
und dabei auch nicht genau auf die Hintergründe eingegangen wird. Das würde auch Bücher füllen.
Bei der Auswahl der Spieler ist mir nicht ganz klar wie diese zu Stande kommt.
Auch hier halte ich dies nur für eine unvollständige Aufzählung.
Igor Porri und Javier Zanetti fehlen hier zum Beispiel.
Im Text ist die Rede von Bilbao. Korrekt wäre den baskischen Namen Bilbo zu schreiben.