Am 25. November 2013 findet vor dem Amtsgericht Wolfsburg die Hauptverhandlung gegen Olaf statt, der lüneburger Antifaschist ist wegen angeblicher „Aufforderung zu Straftaten“ angeklagt. Er soll am 1. Juni 2013 eine rund 200köpfige Gruppe von Antifaschist_innen „angeführt“ und mehrmals per Megafon dazu auf gerufen haben, einen Naziaufmarsch zu verhindern bzw. zu blockieren.
Am 1. Juni 2013 fand im niedersächsischen Wolfsburg der sog. „Tag der
deutschen Zukunft“ statt, ein rassistischer Aufmarsch norddeutscher
Neonazigruppen. Während 6000 Menschen gegen den Naziaufmarsch
protestierten, ermöglichte ein riesiges Polizeiaufgebot den rund 550
Nazis einen ungestörten Marsch durch ein Gewerbegebiet.
Die
Polizei leitete mehrere Ermittlungsverfahren gegen Antifaschist_innen
ein. Zwei wegen „Aufforderung zu Straftaten“ gegen Olaf . Ihm wurde
zusätzlich noch vorgeworfen, verantwortlich für den Aufruf des
antifaschistischen Bündnis „NO TddZ – Keine Zukunft für Nazis!“ gewesen
zu sein und diesen auf der Internetseite des Bündnis eingestellt zu
haben. Dieses Verfahren wurde mittlerweile durch die zuständige
Staatsanwaltschaft eingestellt.
In der Ermittlungsakte findet
sich an keiner Stelle ein Fakt, mit dem eine angebliche „Aufforderung zu
Straftaten belegt werden kann. Vielmehr finden sich dort die Phantasien
der Polizei, nach denen Olaf eine „Führungsrolle“ innerhalb von
Antifa-Strukturen zugeschrieben werden. So soll er nicht nur am 1. Juni
2013 in Wolfsburg „Führungsverantwortlich“ gewesen sein, er soll nach
Erkenntnissen der Polizei sogar „Koordinator der norddeutschen
Antifa-Gruppen“ sein.
Mit diesen Konstrukten wird nicht nur eine
Beobachtung und Verfolgung von Antifaschist_innen durch die Polizei und
den Geheimdienst begründet, sondern dienen sie auch der massiven
Kriminalisierung von antifaschistischen Gruppen und Aktionen.
Gemeint sind wir alle!
Repressionen
gegen aktive Antifaschist_innen sind wahrlich nichts Neues. Olaf kann
davon seit langem ein Lied singen. Zum einen ist er seit Jahren im
Visier von Neonazis und es kam zu diversen Übergriffen. So wurde er
zuletzt im August 2012 von Neonazis hinterrücks angegriffen und mit
einem Messer verletzt. Zum anderen kommt es andauernd zu Repressionen
seitens der Polizei und Justiz. Immer wieder wurde er mit
Ermittlungsverfahren, Hausdurchsuchungen, Überwachungsmaßnahmen und
Prozessen überzogen. Nach eigenen Angaben führt die Polizei seit 1989
Ermittlungsverfahren gegen ihn. Mit der anhaltenden Kriminalisierungs-
und Diffamierungskampagne soll ein politisch aktiver Mensch mundtot
gemacht werden.
Olaf ist in der Antifaschistischen Aktion
Lüneburg / Uelzen organisiert. Die seit 1998 bestehende Gruppe steht
seit ihrer Gründung für kontinuierliche, verbindliche und
öffentlichkeitswirksame antifaschistische Politik. Sie war und ist Teil
verschiedener Bündnisse in der Region. Die Antifaschistische Aktion
Lüneburg / Uelzen organisiert mit anderen Antifaschist_innen
verschiedenste Aktionen gegen Aufmärsche und Veranstaltungen von
Neonazis und extrem rechter Organisationen. Diese Arbeit beschränkt sich
nicht auf die Orte Uelzen und Lüneburg, sondern die Gruppe ist auch
überregional aktiv. Olaf ist für seine politischen Aktivitäten wie kaum
ein anderer in Lüneburg und Umgebung in der Öffentlichkeit bekannt.
In
den letzten Jahren war er in verschiedenen Orten Anmelder von
Demonstrationen und Kundgebungen und trat auf vielen Veranstaltungen
auf. In der Ermittlungsakte zum Prozess in Wolfsburg heißt es dazu, dass
er „rund 100 Aktionen, Demonstrationen, Kundgebungen und sonstige
Veranstaltungen angemeldet“ hätte. Dies nimmt die Polizei und der
„Verfassungsschutz“ zum Anlass, ihm eine „Führungsverantwortlichkeit“
zuzuschreiben. Dies kann dann auch strafverschärfend in den Prozessen
genutzt werden. Es ist dann auch nicht verwunderlich, wenn in der
Ermittlungsakte zum Prozess mehr zu den vermeintlichen
„Führungsaktivitäten“ zu finden ist, als konkrete Vorwürfe zur
eigentlichen Straftat.
In den Akten der Polizei finden sich Sätze
wie diese: „Auch in Wolfsburg zum Demonstrationsgeschehen am 1. Juni
2013 nahm an nahezu allen Vorbereitungstreffen teil, war Wortführer und
rief bereits zu dieser Zeit zu Blockaden auf“ oder „Im Vorfeld wurde
offen zu Sitz- und Gleisblockaden, Bahnhofsbesetzung, Angriffen auf
Rechte und staatliche Institutionen wie die Polizei aufgerufen. […]
Dabei trat die Antifa Lüneburg, namentlich der einschlägig bekannte Olaf
Meyer in besonderem Maße in Erscheinung“.
Ein ähnliches Bild
zeichnen auch die Nazis. So veröffentlichten diese einen Tag vor dem
Aufmarsch in Wolfsburg einen Artikel auf ihrer Internetseite, in dem
sich dann auch folgender Satz findet: „Das Bündnis „Schulterschluss der
Demokraten“ hat einen „Anführer“ der vielen politisch Aktiven in
Norddeutschland bekannt sein dürfte: Olaf Meyer!“. Außerdem wird
behauptet, das er für die „Koordinationsarbeit“ in Wolfsburg
verantwortlich sei und es „6 Augengespräche“ zwischen dem Wolfsburger
Oberbürgermeister, dem 1. Bevollmächtigten der örtlichen IG-Metall sowie
Olaf gegeben hätte. Und auch die Nazis sprechen von Gewalttätigkeiten
gegen Teilnehmer des Naziaufmarsches und eingesetzten Polizeibeamten.
Im
Vergleich der Wortwahl, Analyse und Gegnerbestimmung von
Naziveröffentlichungen und staatlicher Anklage tritt eine gefährliche
Nähe zu Tage, deren Ursache Fragen aufwirft.
Naziaufmärsche blockieren ist legitim und notwendig!
Es
ist zu begrüßen, wenn Menschen in ihrem Engagement über die so häufig
inszenierten Lippenbekenntnisse staatlicher Akteure hinausgehen und
selbst aktiv werden und selbstbestimmt und kollektiv für ihre Meinung
auf die Straße gehen.
Das öffentliche Auftreten der Nazis wird vom
Staat geduldet, ihre Aufmärsche, Wahlveranstaltungen oder Infostände von
der Polizei geschützt und immer wieder mit erheblicher Gewalt
durchgesetzt, oftmals mit dem Verweis auf angeblich demokratische
Grundrechte.
Im November 2013 jährt sich das Auffliegen der
Neonazigruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zum zweiten
Mal. Die aus rechten Strukturen stammenden Mörder sind jahrelang durch
die BRD gezogen und haben zum Teil unter den Augen staatlicher
Geheimdienste neun Menschen türkischer, kurdischer, griechischer
Herkunft sowie eine Polizistin getötet und mit mindestens zwei
Bombenanschlägen viele weitere verletzt. Der Skandal rund um den „NSU“
machte der Öffentlichkeit wieder einmal deutlich, was antifaschistische
Gruppen und Initiativen sowie Betroffene rassistischer Gewalt schon seit
Jahrzehnten feststellen: Nazis morden und greifen Andersdenkende und
Menschen an, die nicht in ihr menschenverachtendes, rassistisches
Weltbild passen. Trotz diverser Informationen haben Politik, Polizei und
„Verfassungsschutz“ mehr als zehn Jahre lang die rechten Serienkiller
unbehelligt morden lassen. Gleichzeitig unterstützt der Staat
Naziorganisationen durch Geldzahlungen an V-Leute, von denen auch der
„NSU“ profitierte.
Mindestens neun Migranten ermordete der „NSU“.
Die Polizei befeuerte mit ihren Presseberichten und rassistischen
Ermittlungsstrategien („Döner-Morde“ und Ermittlungsgruppe „Bosporus“)
sogar den rassistischen gesellschaftlichen Diskurs. Die ideologische
Verblendung und Ignoranz der Beamten die in der Mordserie ermittelten,
kann nur aus einem rassistischen Klima heraus erklärt werden. In einem
Klima in dem es üblich ist, Kriminalität als „kulturbedingt“ zu
betrachten, ist es nicht verwunderlich, dass einige Medien und
Polizeibeamte die Opfer denunzieren, statt die Täter zu ermitteln.
Die
Überwachung der Naziszene war und ist angeblich so gering, dass über
einen Zeitraum von über zehn Jahren kein Hinweis auf die Protagonisten
und deren Unterstützer zu gewinnen war. Dies wundert angesichts des
enormen Aufwandes, der für die Kriminalisierung, Überwachung und
Verfolgung der antifaschistischen Bewegung betrieben wird. Es ist
offensichtlich, dass die Nazibedrohung systematisch bagatellisiert und
Opferzahlen kleingerechnet wurden und werden.
Am 1. Juni 2013 konnte
mensch in Wolfsburg erleben, wie eine Rot-Grüne-Landesregierung die
Polizei einen Aufmarsch von Nazis, die keinen Hehl aus ihrer Sympathie
für den „NSU“ und deren Morde machen und ideologisch den gleichen
Rassismus vertreten, durchsetzen ließ.
Entschlossenes und
kontinuierliches antifaschistisches Engagement ist deshalb wichtiger
denn je! Wobei massenhafte Regelverstöße – wie z. B. Blockaden von
Naziaufmärschen – ein legitimes Mittel darstellen. Massenhafte
kollektive Regelübertretungen sind in den letzten Jahren zu einer neuen
Protestkultur geworden und ermöglichten Erfolge gegen Naziaufmärsche,
wie in den letzten Jahren in Dresden oder im Sommer diesen Jahres in Bad
Nenndorf.
No Pasaran!
Die Polizeimaßnahmen,
Ermittlungsverfahren und Prozesse gegen Antifaschist_innen stehen
exemplarisch für eine Politik gegen Menschen, deren Engagement gegen
alte und neue Nazis sich nicht nur in moralischen Appellen äußert,
sondern die sich aktiv in den Weg der faschistischen Mörderbanden
stellen. Wann auch immer Menschen die Initiative ergreifen und ohne
staatliche Genehmigung selbstständig gegen Nazis vorgehen, werden sie
mit der Staatsgewalt in Form von brutalen Polizeieinsätzen und folgenden
Gerichtsverfahren konfrontiert. Mit Prozessen – wie dem am 25. November
2013 in Wolfsburg – sollen Exempel statuiert werden. Sie sollen als
Abschreckung dienen, für alle jene, die gezielt und organisiert den
faschistischen Terror bekämpfen.
Unsere Antwort auf die
Kriminalisierung antifaschistischer Aktionen und den Prozess am 25.
November 2013 in Wolfsburg ist die Solidarität mit dem Angeklagten und
der Aufruf, am 7. Juni 2014 in Dresden den nächsten rassistischen „Tag
der deutschen Zukunft“ und alle andern Naziaufmärsche zu verhindern!
Antifaschistische Gruppe Braunschweig (A.G.B.)
Antifaschistische Gruppe Bremen
Antifaschistische Aktion Burg
[a²] Hamburg
www.antifainfo.de
Antifacafe Hamburg
Projekt Revolutionäre Perspektive (PRP) – Hamburg
Infoladen Hameln
Antifaschistische Jugend Goslar
Antifaschistische Linke International >A.L.I.< Göttingen
Autonome Antifa-Koordination Kiel
Antifa Herzogtum Lauenburg [AHL]
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
[S.C.A.] Salt City Antifas
antifa.elf Oldenburg
AZ Kim Hubert, Salzwedel
Rote Hilfe OG Salzwedel
Jugendantifa Uelzen
Red And Anarchist Skinheads [RASH] 100er Crew
Prozess:
Montag, 25. November
Treffpunkt um 8:30 Uhr vor dem Amtsgericht
Rothenfelder Straße 43
Wolfsburg
Solikonto:
Solidarität (Kontoinhaberin)
Volksbank Lüneburger Heide eG
BLZ: 240 603 00
Konto: 125 381 600
Verwendungszweck: „Wolfsburg“ (bitte unbedingt angeben)
Kontakt und Infos:
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
0172 – 4152311
aa.lg-ue@gmx.net
www.antifa-lg.de
Wolfsburg: Verfahren gegen Olaf eingestellt
s. aktuellen Beitrag aus Lüneburg