Gedanken zum deutschen Nationalismus

neindanke

Anmerkung: Der folgende Text ist ein Beitrag unsere Gruppe im Zusammenhang mit der Konferenz "aber hier leben? nein danke - Konferenz gegen Staat, Nation und Kapital", die am 4. und 5. Oktober in Stuttgart stattfindet. Alle interessierten Leser*innen sind herzlich eingeladen, sich an dieser zu beteiligen und zu diskutieren, wie sich dem vorherrschenden deutschen Nationalismus entgegengesetzt werden kann.

Der Text spiegelt dabei unseren aktuellen Diskussionsstand zum Thema deutscher Nationalismus und dessen Kritik wieder. Wir betrachten diese Debatte als längst noch nicht abgeschlossen, wollten aber der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit geben, an der Diskussion teilzuhaben.
Wir würden uns zudem wünschen mit anderen antiautoritären Zusammenhängen ins Gespräch zu kommen und freuen uns auf Rückmeldungen, Anmerkungen und Kritik.

 

„Die Arbeiter haben kein Vaterland“ schrieben Karl Marx und Friedrich Engels 1848 im Manifest der Kommunistischen Partei. Auch heute formuliert die politische Linke mit diesem Satz ihre Hoffnung, das objektive Klasseninteresse der Arbeiter*innen kenne keine nationalstaatlichen Grenzen. Ein Blick sowohl auf die Gegenwart als auch die Vergangenheit der Arbeiterbewegung zeigt Gegenteiliges: Der Nationalismus scheint in seiner Attraktivität immer und immer wieder unterschätzt worden zu sein und nicht selten konnten die Organisationen der Arbeiterbewegung der Vaterlandsliebe des vermeintlich revolutionären Subjekts wenig entgegenhalten. Mehr noch: Selbst die sich fortschrittlich dünkenden Organisationen der kommunistischen Arbeiter*innenbewegungen waren niemals immun gegen nationalistische Ideen und beförderten diese mitunter sogar aktiv.
Dieser Text möchte sich im Folgenden mit einer grundlegenden Kritik an Staat und Nation auseinandersetzen, gleichzeitig jedoch auch kritisch das Scheitern der politischen Linken (insbesondere auch in Deutschland) in diesem Kontext beleuchten. Dies soll zunächst in einem kurzen historischen Abriss geschehen. Anschließend soll der Versuch einer Analyse gewagt werden, warum Staat und Nation solch eine unglaubliche Anziehungskraft auf viele Menschen besitzen.


I. Deutscher Nationalismus und Deutsche Linke – Ein Abriss

“Der Hauptfeind steht im eigenen Land” lautete die Parole Karl Liebknechts 1915. Sie verhallte zunächst ungehört. Die Proletarier*innen aller Länder zogen 1914 begeistert für ihre Nation in den 1. Weltkrieg und schlachteten reihenweise ihre “Klassenbrüder” ab, anstatt – wie Liebknecht forderte – sich zum internationalen Klassenkampf zu erheben.
Nichts aus den gemachten Erfahrungen lernte auch die 1919 gegründete KPD. Mit dem so genannten „Schlageter-Kurs“ versuchte man 1923 mit nationalistischer Propaganda die Anhängerschaft des völkischen Lagers, hier vor allem nationalistische Kleinbürger, für sich zu gewinnen und gleichzeitig den faschistischen Gruppen das Wasser abzugraben. Auch die 1930 veröffentlichte „Programmerklärung zur nationalen und sozialen Befreiung des deutschen Volkes“ der KPD stellte die nationale vor die soziale Frage. Der NSDAP wurde von Seiten der Kommunisten gar eine „nationalverräterische“ Haltung vorgeworfen. Man bemühte sich den immer stärker werdenden völkischen Nationalismus zu bekämpfen, in dem man sich als konsequentere Nationalisten darstellte.(1)
Die Anarchisten hingegen verweigerten sich jedem Flirt mit der Nation. Für sie stellte das Gerede von der Gemeinschaft des nationalen Interesses nur eine Verschleierung der realen gesellschaftlichen Gegensätze dar und diene lediglich dem Machtwille kleiner Minderheiten, sowie den ökonomischen und politischen Sonderinteressen privilegierter Kasten und Klassen im Staat. Diese ‘antinationale’ Strömung der Arbeiter*innenbewegung blieb in Deutschland jedoch marginal.(2)
Mit dem Aufstieg und den zunehmenden Wahlerfolgen der Nationalsozialisten zeigte sich erneut, welche Anziehungskraft das Konzept der Nation gerade auch auf die – von Kommunisten wie von Anarchisten als revolutionäres Subjekt ausgemachte – Arbeiterklasse ausübte. Schätzungen zu Folge stimmte ca. 1/3 aller wahlberechtigter Arbeiter*innen für die NSDAP.(3)
Spätestens mit der scheinbaren Aufhebung des Klassenantagonismus in der sich real konstituierenden und alle Klassen umfassenden deutschen Volksgemeinschaft brach sich das Konzept der Nation in seiner radikalen völkischen Variante auf verheerende Weise bahn. Die Volksgemeinschaft der Deutschen konnte nur in Abgrenzung zu den als Nicht-Deutsch ausgemachten existieren. Jüd*innen, Sinti und Roma, Homosexuelle, Menschen nicht weißer Hautfarbe, religiöse Minderheiten, Linke, Antifaschist*innen und alle Anderen die sich nicht in die nationale Volksgemeinschaft einreihen wollten oder konnten, wurden gnadenlos verfolgt, eingesperrt, gefoltert und ermordet. Die deutsche Linke konnte dem nichts entgegensetzen.

 

Das postnazistische Deutschland…

Die militärische Niederschlagung des Nationalsozialismus durch die Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition stellte mitnichten eine „Stunde Null“ oder einen „Neuanfang“ dar. Zwar war der offen positive Bezug auf völkischen Nationalismus und eliminatorischen Antisemitismus nun nicht mehr opportun, doch anstatt sich mit den von ihnen ausgeübten oder durch sie gebilligte Gräueltaten auseinanderzusetzen, sahen sich die Deutschen in der Rolle der Opfer von Krieg und „Besatzung“.
Aufgrund der sich rasant verändernden weltpolitischen Lage und dem Beginn der Blockkonfrontation zwischen dem kapitalistischen und dem real-“sozialistischen“ Lager beschlossen die westlichen Alliierten auf ihre Reparationszahlungen zu verzichten und die BRD mit dem Marshallplan zu unterstützen. Die während des Nationalsozialismus für den Zweck des „totalen Kriegs“ auf den neusten technologischen Stand gebrachten und durch die Erträge aus dem Raub- und Vernichtungsfeldzug finanzierten Produktionsmittel überstanden die alliierten Luftangriffe zu großen Teilen unbeschadet in, von unzähligen Zwangsarbeiter*innen unter unmenschlichen Bedingungen gegrabenen, unterirdischen Stollen. Ausgestattet mit modernster Produktionstechnik, mit einer Finanzspritze namens Marshallplan, mit einer in der Volksgemeinschaft geschulten Arbeiterschaft, welche Führerprinzip und Frieden zwischen Kapital und Arbeit verinnerlicht hatte, sowie einer allgemeinen weltwirtschaftlichen Konjunkturphase im Rücken gelang das sogenannte „Wirtschaftswunder“ der fünfziger Jahre. Innerhalb kürzester Zeit war aus den Besiegten wieder eine Wirtschaftsmacht mit eigener Armee geworden. Dies schrieb man seiner harten Arbeit und den erlittenen Entbehrungen zu, sah aber nicht, dass die Erfolgsgeschichte als Volksgemeinschaft; als Wiederherstellung der nationalen Souveränität begann, also mit dem Ziel der Entfesselung eines zweiten Weltkriegs; mit der Zerschlagung und Ermordung von Oppositionellen; der Internierung, Tötung und/oder Zwangssterilisierung von Sinti, Roma, Homosexuellen und sogenannten geistig Behinderten; als Entrechtung und Beraubung, als Demütigung und Vernichtung zuerst der deutschen und dann der europäischen Jüdinnen und Juden.
Hochkonjunktur hatte in der postnazistischen Demokratie nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Leugnung und/oder Verdrängung des Vergangenen. Die Ex-Volksgenossen – jetzt demokratisch gesinnte Bürger – waren sich unisono einig von allem nichts gewusst zu haben, sicherlich keine Nazis gewesen zu sein oder sich in der dunklen Zeit wagemutig in die innere Emigration verabschiedet zu haben.

 

…und seine Linke

Auch in den Überresten der deutschen Linken fand keine Auseinandersetzung mit dem Geschehen statt. Die wiedergegründete KPD schrieb 1949 in ihrem Bundestagswahlprogramm zu den Wiedervereinigungsbestrebungen, dass es gelte den “nationalen Protest”, die “nationale Selbsthilfe” und schließlich den “nationalen Befreiungskampf” zu führen. Die wenigen Anarchist*innen schafften es nicht über winzige Zirkel hinaus. Der alte Anarchismus schien nach den gemachten Erfahrungen historisch geschlagen zu sein.
Erst eine neue Generation junger undogmatischer Linker, welche den Nationalsozialismus nicht mehr direkt miterlebt hatte, fing Ende der sechziger Jahre an ihren Eltern kritische Fragen zu stellen. Die antiautoritäre Phase der Studierendenbewegung, welche sich auch durch die Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit, sowie dem Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung auszeichnete und sich theoretisch auf den westlichen Marxismus stützte, hielt jedoch nicht lange vor. Anfang der Siebziger wurde der „Marxismus-Leninismus(-Maoismus)“ zur dominanten Strömung der neuen Linken. Mit ihm wurde wieder wahlweise das Industrieproletariat (ML) oder das „Volk“ (Mao) als revolutionäres Subjekt entdeckt. Damit einher ging ein platter Antiimperialismus und mit diesem Antiamerikanismus, Antizionismus und in Teilen ein Antisemitismus von „Links“. Auch nationalistische und revanchistische Forderungen wurden von den K-Gruppen vertreten.(4)
Erst mit dem Zusammenbruch des real-“sozialistischen“ Lagers, der deutschen Wiedervereinigung, dem schnell anwachsendem deutschen Nationalismus, dem ersten Kriegseinsatz der deutschen Streitkräfte seit 1945, sowie der Auflösung großer Teile der Linken werden wieder verstärkt antinationale Positionen diskutiert und vertreten.

 

Nationalismus und „Patriotismus“

Als in Folge der deutschen Wiedervereinigung ein wahres nationalistisches Fieber ausbrach war die Linke vollständig überrumpelt. Die Pogrome in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und in Mannheim-Schönau zeigten eindrücklich, dass nicht nur organisierte Neonazis, sondern vielmehr große Teile der deutschen Bevölkerung das Problem waren. Die nationalistische Stimmung entlud sich in unzähligen Übergriffen und Anschläge auf Nicht-Deutsche, Juden und Jüdinnen, sowie Linke. Der völkische Nationalismus grassierte nicht nur im Osten. Das Gesellschaftliche Klima kippte immer weiter nach rechts. Die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl war ein Resultat davon.
Bei der folgenden Auseinandersetzung mit dem Geschehenen zeigte sich bald, dass Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus nicht allein bei einem sogenannten rechten Rand, also bei Neonazis und anderen völkischen Nationalisten zu suchen sind, sondern auch in der „Mitte der Gesellschaft“.(5)

Mit dem Aufstand der Anständigen im Sommer 2000 und besonders mit der WM 2006 änderte sich jedoch der nationalistische Diskurs. Dem offenen völkischen Nationalismus der Neonazis wurde der gesunde Party-Patriotismus entgegengehalten.
Aber auch diese momentan wohl weiter verbreitete republikanische, bürgerliche Variante des Nationalismus erzeugt am laufenden Band Leid, Elend und in letzter Konsequenz Tote. Diejenigen, welche sich für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht ins Zeug legen können oder wollen, werden weiterhin gnadenlos schikaniert. Falls man sie nicht einsperren und/oder abschieben kann da sie einen deutschen Pass besitzen, werden sie zur modernen Form von Zwangsarbeit, den sogenannten 1€-Jobs oder andere Zwangsmaßnahmen gezwungen.

Migrant*innen, welche sich dem elenden Leben, sowie den Konflikten in ihren Herkunftsregionen entziehen wollen und in der Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben Richtung Deutschland ziehen, treffen auf eine mit Stacheldraht und Mauern bewehrte Festung Europa. Falls sie die Einreise erfolgreich überstehen bzw. überleben, werden sie von den lokalen RassistInnen und NationalistInnen an Stamm- oder Schreibtischen angefeindet, verfolgt, eingesperrt, abgeschoben oder ermordet. Durch die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl 1993 und der damit einhergehenden „Drittstaatenregelung“ ist es Geflüchteten fast unmöglich einen Asylantrag zu stellen.

Der Unterschied zwischen dem völkischen Nationalismus der Nazis und dem bürgerlichen Nationalismus (aka “Patriotismus”) der Restbevölkerung mag praktisch zwar bedeutsam sein, theoretisch jedoch ist es nur ein Gradueller. NationalistInnen aller Couleur müssen sich immer die Frage stellen, wer zur eigenen Nation gehört und wer nicht. Die Nazis – eben dieser Gesellschaft entwachsen – radikalisieren das, der bürgerlichen Gesellschaft immanente, Konzept der Nation nur. Nationalismus ist kein Alleinstellungsmerkmal von ein paar sogenannten RechtsextremistInnen, sondern weitgehender Konsens in der bürgerlichen Gesellschaft.

 

Ein anschauliches Beispiel bieten die Gewerkschaften, welche offiziell für sich proklamieren, die Interessen der Lohnabhängigen zu vertreten. Sie kochen – insbesondere der deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) – ihr eigenes nationales Süppchen, anstatt über nationale Grenzen hinweg solidarisch zu kooperieren. Als am 14. November 2012 der Europäische Gewerkschaftsbund zu einem – maßgeblich von Gewerkschaften in Spanien und Portugal initiierten – europaweiten Generalstreik aufrief, beteiligte sich der DGB zwar, jedoch nur rein symbolisch und mit geringer Mobilisierungsarbeit. Mit der Organisation von Streiks tun sich die Gewerkschaften des DGB sowieso schwer: In Deutschland gab es – im Durchschnitt der Jahre 2001 bis 2010 – nur fünf durch Streiks und Aussperrung ausgefallenen Arbeitstage je 1000 Beschäftigte. Zum Vergleich: In Frankreich waren es 101, in Dänemark 123 und in Spanien 147.(6)
Ein großen Anteil daran dürfte zwar auch das faktische Verbot des politischen Streiks haben – welches sich auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1955 stützt und an dem der Nazi-Jurist Hans Carl Nipperdey, während des Nationalsozialismus an der „Akademie für Deutsches Recht“ u.A. mit einem Kommentar zum „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit“ tätig, maßgeblich beteiligt war – jedoch versuchen die deutschen Gewerkschaften in ihrer Theorie und Praxis nicht einmal den Kapitalismus zu kritisieren, sondern landen, trotz aller internationalistischen Phrasen mit ihrem Konzept der “Sozialpartnerschaft”, welches auf einen Klassenkompromiss zwischen Kapital und Arbeit abzielt, zwingend in der nationalistischen Falle und vertreten anstatt den Interessen der weltweiten Lohnabhängigen, lieber die des Standorts Deutschland. Dies in bester volksgemeinschaftlicher Tradition.(7) Das Ganze aber nicht, wie man denken könnte, gegen den Willen der meisten deutschen Lohnabhängigen, sondern gerade mit ihrer vollen Zustimmung:
Denn so sehr das Konzept der Nation objektiv den Interessen der Lohnabhängigen zu widersprechen scheint, ist es doch so sicher wie das Amen in der Kirche, dass diese, besonders in Krisenzeiten, fest geschlossen hinter ihrer Nation stehen. Für eine antiautoritäre Linke, die den nationalen Burgfrieden kippen will, ist daher die Beantwortung der Frage, warum der Nationalismus (8) auf die Menschen so anziehend ist, essentiell.

 

II. Warenfetischismus und Nation

Die bürgerliche Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Individuen in ihr immer auch bürgerliche Subjekte sind. Dieser Subjektstatus ist jedoch durch eine Doppelstruktur gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass die bürgerlichen Subjekte auf der einen Seite Wirtschaftssubjekte, also Bourgeois, sind, welche entweder Kapital verwerten oder ihre Arbeitskraft – als ihr einziges zu veräußerndes Gut – verkaufen müssen, und auf der anderen Seite Staatsbürger , also Citoyens, sind.
Als Wirtschaftssubjekte stehen sie in fortlaufender Konkurrenz zu den anderen Wirtschaftssubjekten – ergo ihren Mitmenschen. Die Lohnabhängigen, also jene welche nicht über Produktionsmittel verfügen, in Konkurrenz um Arbeitsplätze und Beförderungen und jene, die über Produktionsmittel verfügen, in Konkurrenz um Aufträge und Profite, um Gewinnanteile und Wachstumsraten.
Warum aber führt dieses Prinzip der allseitigen Konkurrenz nicht zu unmittelbarer und persönlicher Herrschaft durch Gewalt? Warum raubt man den unliebsamen Konkurrenten nicht einfach aus?
Hier tritt der staatliche Souverän auf, welcher die wechselseitige Anerkennung der Tauschpartner im Recht garantiert und im Zweifelsfall mit seinem Gewaltmonopol (Polizei und Armee) durchsetzt. Der Staat organisiert sich dabei mitnichten als „privater Apparat der herrschenden Klasse“ wie die traditionelle Linke meint, sondern nimmt „die Form eines unpersönlichen, von der Gesellschaft losgelösten Apparats der öffentlichen Macht an.“9
Da die Waren „nicht selbst zu Markte gehen und sich selbst austauschen“, müssen die Menschen die Austauschbeziehung selbst schaffen.(10) Im Kapitalismus, also einer auf Warentausch und Privateigentum beruhenden Gesellschaft, ist dieser Prozess jedoch mehr, als der Tausch eines beliebigen „Ding A“ gegen ein beliebiges „Ding B“. Die in ihrem Nutzen und Zweck eigentlich komplett verschiedenen Gebrauchswerte der Dinge lassen sich überhaupt nur als Tauschwerte gleichsetzen, da sie eine gemeinsame Qualität besitzen, auf ein gemeinsames „Drittes“ reduzierbar sind. Dieses gemeinsame „Dritte“ liegt jedoch nicht in den natürlichen, sondern in den gesellschaftlichen Eigenschaften der Waren, nämlich Produkte gleicher verausgabter menschlicher Arbeit und damit „Werte“ zu sein.(11) Die bürgerlichen Subjekte vollziehen also eine gedankliche Abstraktion: Sie abstrahieren von den konkreten Dingen, die ihnen sodann in der Form von Waren und damit auch von Werten erscheinen. Diese im Warentausch angelegte Abstraktion bliebe jedoch folgenlos, wenn nicht die staatliche (oder eine andere) Gewalt sie erzwingen würde. „Diese wie auch immer geartete Gewalt garantiert die Warenförmigkeit der Dinge und sanktioniert jeglichen Verstoß gegen das Prinzip des gleichen Tausches. Das Willens- wie Zwangsverhältnis der Warenbesitzer, der Wunsch und die Notwendigkeit, ihre unterschiedlichen Waren aufeinander zu beziehen, wird zu einem Rechtsverhältnis, dessen Ausdruck das Geld, das allgemeine Äquivalent, ist – jenes Medium, das vom Staat gestiftet und über das die Kommunikation der Warenmonaden abgewickelt wird.“ (12)
Die tauschenden Warenbesitzer*innen vollziehen dabei einen ihren Waren nicht unähnlichen Prozess: In der Gleichsetzung der Waren als Tauschwerte setzen sie sich selbst einander gleich und vollziehen damit eine weitere Abstraktion: Sie müssen sich wechselseitig als Privateigentümer*innen mit gleichen Rechten anerkennen. Aus menschlichen Individuen mit konkreten Eigenschaften und Bedürfnissen werden Vertragspartner*innen, also juristische Subjekte als „Abstraktion des Menschen überhaupt“.(13)
Ähnlich dem Wert der im Austausch als etwas „gemeinsames“, als quasi natürliche Eigenschaft der Waren erscheint, erscheint nun das Recht als das „Dritte“, „gemeinsame“, als quasi natürliche Eigenschaft der Menschen juristische Subjekte zu sein. Die gesellschaftlich-arbeitsteiligen Produktionsverhältnisse stellen sich somit gleichermaßen dar als „ungeheure Warensammlung“, sowie „unendliche Kette von Rechtsverhältnissen“.(14)
Die allgemeine Gleichheit der Menschen vor dem „Rechtsstaat“ ist kein Schein oder Betrug, sondern „vielmehr ein realer Prozeß der Verrechtlichung der menschlichen Beziehungen, der die Entwicklung der Waren- und Geldwirtschaft ... begleitet“.(15) Doch ist es – frei nach Anatole France – unter der majestätischen Gleichheit des Gesetzes, sowohl Reichen wie Armen verboten, unter Brücken zu schlafen, auf den Straßen zu betteln und Brot zu stehlen. Diese formale Gleichheit der bürgerlichen Subjekte zementiert die materielle Ungleichheit der kapitalistischen Klassengesellschaft.
Als formal gleiche Rechtssubjekte sind die bürgerlichen Subjekte immer auf den je konkreten Staat verwiesen, welcher das Recht auf seinem Territorium garantiert. Sie sind also Staatsbürger eines bestimmten Staates. Damit sind sie auch immer schon, ob sie es wollen oder nicht, qua Geburt Mitglied einer Nation. Setzt man sich nicht in ein kritisches Verhältnis zur kapitalistischen Produktionsweise, wie zum Beispiel zum Zwang der Kapitalakkumulation, also der zwanghaften Verwertung des Wertes und dem der warenproduzierenden Gesellschaft erwachsenden fetischisierten Bewusstseins, welches gesellschaftliche Verhältnisse, wie das des Wertes einer Ware als “natürliche” Eigenschaften der Dinge erscheinen lässt (16), ist es also nur folgerichtig, dass man als Wirtschaftssubjekt (Bourgeois) innerhalb jenes fetischisierten Bewusstseins die Existenz des Staates – als Garant des Rechts auf Privateigentums und damit auch des reibungslosen Ablaufes der Kapitalverwertung und des Warentausches (und damit auch der Möglichkeit seine Ware Arbeitskraft gegen “Lohn” zu tauschen) – und – in der Rolle des Rechtssubjektes, also des Staatsbürgers (Citoyen) – ebenso die Nation, als zwingend notwendig für die je individuelle Reproduktion innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft ansieht.(17) Wer folglich keine radikale Kritik an Kapital und Staat formuliert, findet sich (wie große Teile der traditionellen Linken) alsbald auf der Seite der Nation wieder.

 

Psychologie des nationalisierten Subjekts

Der Nationalismus als demnach zwingend notwendige Ideologie für die Liebhaber von Kapital und Staat erfüllt auch individualpsychologisch eine wichtige Funktion für die Individuen. Das in der bürgerlichen Gesellschaft immer drohende Überflüssigwerden, also der Verlust der Möglichkeit der eigenen Reproduktion in Form des Verkaufes der eigenen Arbeitskraft durch Arbeitslosigkeit (sei es durch Krankheit, Alter oder der nächsten Wirtschaftskrise) und der dadurch immer latent vorhandenen existentiellen Angst weckt in den bürgerlichen Subjekten das Verlangen in der scheinbar sicheren und natürlichen (Bluts-)Gemeinschaft der Nation und/oder des Volkes Schutz und Solidarität zu suchen. Diese Gemeinschaft der Nation bzw. des Volkes erlaubt den Subjekten ihr Bedürfnis nach Handlungsfähigkeit gegenüber gesellschaftlichen Verhältnissen, denen man sich ausgeliefert fühlt, zu befriedigen. Gesellschaftliche Widersprüche werden in eine Form einfacher Innen-Außen-Widersprüche (z.B. “Deutscher” – “Ausländer”) transformiert. So werden Phänomene, Widersprüche und Probleme welche die bürgerliche Gesellschaft aus sich selbst heraus (re)produziert (z.B.: Urbanisierung, Individuation, Ausbeutung, Monopolbildung, Verelendung, Massenarbeitslosigkeit) den (Art)Fremden zugeschrieben. (So wird Beispielsweise die Arbeitslosigkeit den zugezogenen Migrant*innen und nicht der Funktionsweise des Kapitalismus angelastet.) Als Lösung des Problems erscheint den Nationalisten nun die Vertreibung der Fremden und die Herstellung einer homogenen (Volks)Gemeinschaft. Völkischer und “demokratischer” Nationalismus unterscheiden sich dabei nur in der Wahl der Mittel, nicht aber in ihren grundsätzlichen Intentionen. Die einen töten mit Brandsätzen und Schusswaffen; die Anderen mit Asylgesetzen und Abschiebungen.

 

Antwort von Links?

Was bedeuten die oben ausgeführten Überlegungen aber nun für eine antiautoritäre politische Praxis?
Wenn wir mit dem Projekt einer herrschaftsfreien Gesellschaft ernst machen wollen, müssen wir uns über die Schwierigkeiten der Emanzipation von Kapital,Staat und Nation klar werden. Wir müssen erkennen, dass der Nationalismus kein Instrument irgendeiner herrschenden Klasse ist, um die Lohnabhängigen zu spalten. Die Lohnabhängigen sind nicht nur Opfer des Nationalismus, sondern oft dessen vehementeste Verteidiger. Die Identifikation mit der Nation und dem Volk ist gleichzeitig freiwillig und erzwungen. Dies bedeutet im Konkreten, dass wir die Fehler großer Teile der kommunistischen Linken nicht wiederholen dürfen. Weder kann es einen Sozialismus in einem Land, noch einen linken (Befreiungs)Nationalismus geben. Nationalistische Einstellungen (auch in der Linken) gehören bekämpft und nicht toleriert. Es gilt für uns hierbei an die dissidenten Strömungen der kommunistischen Linken anzuknüpfen und die dort entwickelten theoretischen Überlegungen, sowie deren Kritik an der traditionellen (kommunistischen) Linken zu reflektieren.
Wir müssen uns als Anarchist*innen jedoch auch eingestehen, dass der historische Anarchismus nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus und der Shoa überholt ist. Weder der unreflektiert positive Bezug auf die unterdrückten Massen, noch auf die Arbeiter*innenklasse scheint mehr möglich. Es existiert kein revolutionäres Subjekt mehr in welches wir unsere Hoffnungen setzen können. Es gibt kein Naturgesetzt mit welchem der Lauf der Geschichte zu bestimmen ist. Die Behauptung der Mensch sei von Natur aus Gut, ist nicht (und war vielleicht noch nie) haltbar.

 

Auch ein von Anarchist*innen häufig vertretener abstrakter Antinationalismus scheint nicht mehr zeitgemäß. Zwar ist es durchaus richtig, dass jede Form des Nationalismus einen Angriff auf das schöne Leben darstellt, jedoch hat jede Nation ihre spezifische Geschichte und gehört auf der Basis des oben gesagten eigenständig kritisiert. Es gibt einen Unterschied zwischen dem deutschen, völkischen Nationalismus, der in der Shoa seinen traurigen Höhepunkt fand und dem israelischen Nationalismus – dem Zionismus – der sich als Reaktion auf den modernen Antisemitismus entwickelte. Nach dem industriellen Massenmord an den europäischen Juden und Jüdinnen ist wohl Joachim Bruhn zumindest in der Aussage zuzustimmen, dass „wenn es in der Geschichte des Kapitals jemals ein Kairos (18) der Revolution gegeben hat, dann war es genau der Tag der Wannsee-Konferenz.“ (19) Symbol dieses Nicht-Eintretens der sozialen Revolution ist der Staat Israel. Eben weil es die (kommunistische, anarchistische und sozialdemokratische) Linke nicht schaffte die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft zu erstreiten, bedarf es heute des Staates Israel als Ort der Zuflucht für alle von Antisemitismus Bedrohten. Der Staat Israel ist „zwar nicht die richtige Antwort auf den Antisemitismus (das wäre nach wie vor die Errichtung der klassen- und staatenlosen Weltgesellschaft, die freie Assoziation freier Individuen, die befreite Gesellschaft, die es den Menschen ermöglicht, ohne Angst und Zwang verschieden zu sein), aber er ist, ganz unabhängig von seiner je konkreten Ausgestaltung in der je unterschiedlich begründeten und zu bewertenden israelischen Regierungspolitik, die vorläufig einzig mögliche.“ (20) Dieses Spezifikum des zionistischen Staates sollte von einer antinationalen Linken nie ausblendet werden.

 

Für unsere politische Praxis im hier und jetzt sollte also immer noch die alte Weisheit Karl Liebknechts in etwas abgewandelter Form gelten: “Der Hauptfeind ist das eigene Land!” Wollen wir also unsere Genoss*innen in Spanien, Portugal, Griechenland, Italien und Andernorts in ihren und unseren Kämpfen um Befreiung unterstützen, dann müssen wir den nationalen Burgfrieden brechen und den Standort Deutschland sabotieren, wo wir nur können. Es gilt darauf hinzuweisen, dass „die [deutsche, AGFR] ökonomische Vormachtstellung noch immer auf vergangene Vernichtung, Kriegsbeute, und zu deutschem Kapital geronnener Zwangsarbeit aufbaut. […] Es ist die Kontinuität erfolgreicher deutscher Abwehr von Schadensersatzforderungen, die hier die ökonomische Grundlage liefert, überhaupt die Position zu besitzen etwas durchzusetzen.“ (21) Auch die fast kampflose Durchsetzung der Sparpolitik im Inneren (Agenda 2010, Hartz4, usw.), welche auf der innerhalb der deutschen Gesellschaft weiterhin stark verankerten Staatsgläubigkeit, sowie auf autoritär-korporatistischen Momenten und der – von den großen deutschen Gewerkschaften vertretenen – Ideologie der Sozialpartnerschaft beruht, gilt es in den Fokus der Kritik zu rücken.  Es gilt auch weiterhin wachsam zu bleiben, allen reaktionären Tendenzen offensiv entgegenzutreten und die von Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus Betroffenen zu unterstützen.

Offen bleibt für uns die Frage, was für eine Praxis aus diesen recht allgemeinen Überlegungen zum deutschen Nationalismus zu folgen hat. Vorschläge wie beispielsweise die des M31 Netzwerkes zur Unterstützung eines nächsten europäischen Generalstreikes könnten ein Ansatzpunkt sein. Wir würden uns besonders hier über Rückmeldung anderer antiautoritärer Gruppen freuen.

 

-Anarchistische Gruppe Freiburg (www.ag-freiburg.org)  , Oktober 2013

 

1 vgl. Gruppe Magma: Die KPD und der Nationalismus (http://www.rote-ruhr-uni.com/texte/gruppe_magma_kdp_und_nationalismus.sh...)
2 Vgl. Mittwochsgruppe Frankfurt a.M.: Rockers Beitrag zur Kritik des Nationalismus (http://www.syndikalismusforschung.info/mittwoch.htm)
3 Ausführlicher bei Peter Borowsky: Wer wählte Hitler und warum? (http://hup.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2008/9/chapter/HamburgUP_Schlagl...)
4 Vgl. Jens Benicke: Von Adorno zu Mao. Die schlechte Aufhebung der antiautoritären Bewegung
5 Vgl. die Ergebnisse der Studien „Deutsche Zustände“ unter Leitung von Wilhelm Heitmeyer und „Die Mitte im Umbruch“ der Friedrich-Ebert Stiftung
6 http://www.iwkoeln.de/de/infodienste/gewerkschaftsspiegel/beitrag/arbeit...
7 Ausführlich bei Ulrich Enderwitz: Der postfaschistische Sozialpakt. In Stephan Grigat (Hg.): Postnazismus revisited. Das Nachleben des Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert
8 Unter Nationalismus verstehen wir hierbei jede explizite oder implizite positive Bezugnahme auf eine materiell existente oder ideell vorgestellte, noch zu errichtende Nation.
9 Eugen Paschukanis: Allgemeine Rechtslehre und Marxismus. Haufe (1991), S. 145
10 MEW 23, S. 99
11 Vgl. MEW 23, S. 52
12 Stephan Grigat: Fetisch und Freiheit S.243
13 Vgl. Paschukanis (1991), S. 112
14 Ebd., S. 75
15 Paschukanis (1991), S. 19
16 vgl. Marx: MEW 23, S.85ff.
17 Ausführlich bei Stephan Grigat: Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus
18 Kairos ist ein religiös-philosophischer Begriff für den günstigen Zeitpunkt einer Entscheidung, dessen ungenütztes Verstreichen nachteilig sein kann.

19 http://www.ca-ira.net/isf/beitraege/bruhn-metaphysik.klasse.html#_ftn11
20 Grigat S.337
21 ...nevergoinghome: „Es gilt, Dinge zu verstehen, die hier passieren!“ (http://phase-zwei.org/hefte/artikel/es-gilt-dinge-zu-verstehen-die-hier-...)

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Die Quellenangabe Nummer 6, die mich sehr interessieren würde, ist nicht zu erreichen... Sehr guter Artikel!

Der Abschnitt über Israel ist das seit langem blödeste was ich von "Anarchisten" zu dem Thema gelesen habe. Eure Argumentation basierend auf einer Spezifik der Nation ist ja nun klassischerweise antideutsch und findet im Antinationalismus ihren Antagonisten. (siehe bspw. Streitschriften zwischen ums Ganze und Imagine Bündnis)

 

Die Nation ist stets Ursache und nicht Folge des Ressentiments. Wer in Theorie und Praxis des israelischen Staates eine vom gesagten abweichende, emanzipatorische Haltung phantasiert ist vorallem ein Antisemit. Offensichtlich gehört der "zionistische Pflichtparagraph" mittlerweile auch bei "Anarchisten" zum guten Ton. Worin genau eigentlich der Unterschied zwischen Israel und anderen Staaten in der Realität begründet liegt bleibt wie immer offen aber hauptsächlich ist natürlich das moralisch-emotionale Bekenntnis zum "Schutzraum". Dieser Schutzraum weicht in seinen Interessen also von den Interessen anderer Nationen ab, dort gilt die Kritik der politischen Ökonomie nicht?!

 

http://www.hagalil.com/01/de/index.php?itemid=2691 "Die Juden als nützliche Idioten"

Sehr guter Text. Weiter so!

 

An den Kommentar über mir:

Die Kritik der politischen Ökonomie wird nicht suspendiert, wenn ein Unterschied erkannt wird zwischen bspw. dem Nationalismus in Deutschland und dem Zionismus. Von daher schießt dein Kommentar ins Leere.

Das bezog sich auf die positive Konnotierung des Zionismus und nicht auf die konkrete Unterscheidung zwischen Nationalismen. 

Es gilt darauf hinzuweisen, dass „die [deutsche, AGFR] ökonomische Vormachtstellung noch immer auf vergangene Vernichtung, Kriegsbeute, und zu deutschem Kapital geronnener Zwangsarbeit aufbaut. […] Es ist die Kontinuität erfolgreicher deutscher Abwehr von Schadensersatzforderungen, die hier die ökonomische Grundlage liefert, überhaupt die Position zu besitzen etwas durchzusetzen.“

Über siebzig Jahre nach Kriegsende ist das eher nicht der Fall, zumal das, was 1949 als BRD und DDR an den Start ging, keine "Kriegsbeute" (mehr!?) hatte, und vor allem die DDR anfangs mit starken Reparationsleistungen (Demontage und Verbringung von ganzen Fabriken und Bahntrassen in die UdSSR) zu kämpfen hatte. Auch fehlt die Erkenntnis, daß erhebliche Anteile des heutigen Wohlstands über Einwandung erreicht wurde, also durch Menschen, die ab den Sechzigern vor allem aus Südeuropa freiwillig in die BRD kamen, um hier zu arbeiten, und das auch heute noch und wieder tun. Spannend wäre daher daher eine Betrachtung des Themas Nationalismus unter dem Blickwinkel, daß die BRD faktisch schon lange ein Einwanderungsland ist und der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund nicht mehr vernachlässigt werden darf.

Die ganz grundsätzlichen Probleme, wie sie der Absatz über Waren und Tauschhandel anschneidet, sind offensichtlich die Erfindung des Geldes als Tauschmittel und die Erfindung der Spezialisierung bzw. Arbeitsteilung, die im Zeitalter des Hochtechnologie ganz besondere Anforderungen an die Arbeitnehmer*innen stellen. Dieses Rad der Zeit läßt sich aber nicht zurückdrehen, die frühantike Stammesgesellschaft ist keine Lösung, dazu gibt es unter anderem mittlerweile ein bißchen zu viele Menschen auf engem Raum.

An Dinge wie einen Generalstreik ist anno 2013 in D nicht wirklich zu glauben - den meisten geht es dazu viel zu gut, die möchten lieber was anderes machen: Zeit für die Familie, Freizeit, Urlaub oder - Arbeiten gehen.

Fast alle Links waren kaputt, ich habe die repariert.

ihr seid sicher nicht die erste Gruppe, die versucht den Niedergang der sog.  antideutschen Gruppen mit einem schlichten Umlabeln aufzuhalten. Das Rezept ist zu einfach und durchschaubar. Ein antideutsches Statement wird durch ein paar anarchistische Zitat und per Eklektizismus, wie schon richtig in einem anderen Kommentar erwähnt, in ein vorgeblich "anarchistisches" transformiert.

 

Antideutsche Floskeln - "schönes  Leben für alle", gerne auch mal "Luxus (Unnützes) für alle" genannt (ein Hohn für alle die immer mehr nochnichteinmal das Nötigste haben oder je hatten, z.B. im Trikont), geboren aus eurozentristischem Mittelstandsdenken, Zitate eines Neokonservativen (Grigat) und Bündnispartner iranischer MonarchistInnen und Referent für reaktionärer us - amerikanischer Regierungs Thinktanks (ebendieser) und aus dem Hausverlag antideutscher HardlinerInnen und WerteeuropäerInnen (Ca - ira), mischt ihr mit ein wenig anarchistischem Basiswissen, ohne die eklatanten Widersprüche zu erkennen. Der Pasus über Israel (Regierung) kann so nur zustande kommen, ohne die Texte israelischer anarchistischer Gruppen, wie z.B. "Anarchists against the wall" und anderer jemals gelesen und reflektiert zu haben.

 

Reflektierenden AnarchistInnen stehen die Haare zu Berge. Leider ist es nichts anderes als banaler Etikettenschwindel. Hat man früher Adorno umgedeutet, ist es heute Rocker.

 

Es ist und bleibt der antideutsche Ansatz.

 

Anstelle Selbstkritik und Reflektion wird umgelabelt. Diese Tendenz antideutscher Restgruppen ist leider auch in anderen Städten zu beobachten. Anstelle das sinkende Schiff zu verlassen, färbt ihr nur das zerschlissene Segel um und vertraut darauf, das es AnarchistInnen anlockt euer Totenschiff zu bevölkern. Das geht schief. Da braucht es mehr als eine Buddel Rum und eine Prise nassen Kaffee zu schnupfenm, um euch auf diesen Leim zu gehen.

 

Mit Anarchismus hat das so ziemlich nichts zu tun.

ich finds ganz schön albern der ag freiburg einfach nur vorzuwerfen antideutsch zu sein. herzlichen glückwunsch, die hast die codes entziffert und festgestellt: das sind gar keine anarchisten! das sind miese fiese antideutsche die sich als welche ausgeben!

 

wie wärs wenn du sie mal an dem inhalt den die bringen kritisierst, statt dich darüber zu empören, dass die was schreiben was für dich nicht zu dem label was sie raufklatschen passt.

 

wenn du das für quatsch hältst was die schreiben dann sag das doch und kritisier es dann, ein gutes gegenargument würde da dann auch nicht schaden. aber davon, dass du sie einfach nur als antideutsche "enttarnst" wird niemand schlauer.

 

jemine nervt mich dieses gezerfe um labels. is mir doch scheißegal als was sich jemand bezeichnet, dadrüber rumzuzicken führt weg von jeglicher inahltlicher debatte

Es gibt schon genug Papiere, Stellungnahmen und ganze Bücher, die sich der unreflektierten, Israel - Regierungs - und Staats - unkritischen Fraktion der Antideutschen widmen. Warum sollte ich dem einen weiteren Text hinzufügen? Um mich fortzubewegen, muss ich auch das Rad nicht immer neu erfinden. In diesem Falle genügt "Linksunten" - Archiv oder "Google".

 

Dass "AnarchistInnen" Ausflüge nach rechts machen, gab es immer mal. Gerade auch z.Z. des eklektizististisch missbrauchten R. Rocker. Dies hatte glücklicherweise immer nur eine kurze Haltbarkeit.

 

Du verlangst eine inhaltliche Positionierung zu Leuten, die jemand wie S. Grigat und die Neokons wie "Ca Ira" (auch hierzu wurde genug geschrieben) als Marge oder Quelle benutzen, die eine völlig verkürzte Position zum Nationalstaat Israel und seiner rechten Regierung haben? Das ist ja wohl nicht dein ernst. Anarchismus ist mehr, als ein paar Zitate oder ein A - Sticker am Revers.

 

Als Parabel ausgedrückt, wenn ich an ein Pfund Hack halb & halb ein Schild  "Veggie - Hack" mache, bleibt es doch Fleisch und man nennt es im allgemeinen, vorsichtig ausgedrückt, einen Schwindel. Und das muss ich dann nicht inhaltlich begründen oder eine Debatte darum führen.

 

Hätte die Gruppe mal ganze Texte z.B. Mühsam gelesen, anstelle, und so kommt es leider rüber, Zitate zu googeln, würde ihnen ihre Widersprüchlichkeit gewahr.  So bleibt es dann aber beim Segeln unter falscher Flagge.

 

Als weiteres Argument mögen dir neuere Texte aus den argentinischen, griechischen und spanischen anarchistischen Communities zu Nationalstaat und im Falle Griechenlands zu "Antideutschen/Antigriechen" dienen. "Anarchistische" Verirrungen wurden schon in den Achtzigern diskutiert und findest du in jedem gut sortierten Archiv. Z.B. im Rahmen der Diskussion um ein Länderspiel Deutschland vs Türkei in Berlin 1983.

 

Diese  kritisierten und zu kritisierenden Positionen verschwanden glücklicherweise schneller als Zeit war und ist, sich ihnen in einem Text entgegenzustellen.

 

Lese doch einfach mal Grigat/ "Ca Ira" gegen anarchistische Theorie. Wenn dir dann die Widersprüche nicht in Augen und Hirn pieken, hast du was nicht verstanden.

 

Aber diese Widersprüche lassen sich in den Antideutschen ja auch schon immer gerne negieren. Es ist z.B. für Grigat ja auch kein Widerspruch für "jungle world", mit vorgeblich linkem Ansatz, und gleichzeitig für "Bahamas" oder die CDU/CSU - nahe Springerpresse zu schreiben.

 

Neben dem FDP - nahen liberalen Flügel, dem eurozentristischen Wertedeutschen Flügel um Grigat, dem sozialdemokratischen um BAK Shalom gibt es jetzt halt einen "anarchistischen" Flügel um die marginalisierten "Antideutschen KurdInnen" in München und diese Gruppe in Freiburg. So what?

 

Schall und Rauch!

.... auch du Genosse hast nicht die Definitionsmacht über Anarchismus!

Anarchismus bezeichnet erstmal die Sehnsucht nach einer Herrschaftsfreien Welt und Verwirklichung dieser. Dabei geht es nicht nur (und das ist zumindenst meiner Meinung nach der Unterschied zu vielen kommunistischen Strömungen) um die Herrschaft des Kapitals, sondern auch um andere Herrschaftsmechanismen.

Ich muss sagen für mich wiedersprechen viele inhalte "Neo-marxistischer" Ideen häufig weniger anarchistischen Gedanken als z.B. "Marxistisch-Lenisistische Ideen"... was die Bewegung von anarchistischen Gedanken hällt und wie sie mit Anarch@s umgegangen sind, zeigt sich in der Geschichte....

 

Einfach auf ein "Anti-Deutschen" bashing wie es noch immer in der Linken anscheined zum guten Ton gehört aufzuspringen, mit Labels um sich zu schmeißen und die persönlichen Einstellungen und Handlungen von Autor_innen nicht von ihren Theorien unterscheiden zu können ist sicher alles andere reflektiert (Marx war Homophob...  und Bakunin Antisemit... die Analyse des Kapitals und die Ideen aus Gott und der Staat sind trotzdem zitierwürdig - womit ich nicht homophobie und antisemitismus relativieren will, aber dies färbt einfach nicht auf diese Schriften von ihnen ab)

Hallo Freiburg,

es folgt eine kurze polemische und humorvolle Kritik an eurem Text. Auch wenn es vielleicht nicht so erscheint, soll dies dennoch zum Nachdenken anregen.

Here we go: Was ist das denn? Habe ich gedacht nachdem ich den Text das erste mal gelesen habe und beim zweiten Mal waren die Fragen noch größer.

Ihr reißt hier Zitate aus dem Zusammenhang (Marx und Liebknecht) und betreibt einen Eklektizismus zwischen Antideutschen Thesen mit Grigat Zitaten (Kapitel Antwort von Links?) und klassischen anarchistischen Gedanken (Gewerkschaftskritik in Nationalismus und „Patriotismus“) und noch etwas Wertkritik (Warenfetischismus und Nation). Dabei noch wild gemixter Kritik an linken Nationalismus und Antisemitismus, Kritik an den 68er, Alltagsrassismus in der BRD nach 1990 und einen kurzen geschichtlichen Anriss. Das macht die Sache aber dennoch nicht schwerer durchschaubar: Ihr wolltet vor dem Kongress ein Text abliefern und dabei irgendwie allen gefallen. Selbst die nicht beteiligten Gruppen aus BaWü werden sich beim Lesen des Textes ein Schmunzeln nicht verkneifen können. Euer Ziel habt ihr voll erreicht und die ersten Kommentare lassen bereits darauf schließen. Alle haben euch lieb! Glückwunsch

Auf was will ich hinaus wegen dem Schmunzeln? "Die während des Nationalsozialismus für den Zweck des „totalen Kriegs“ auf den neusten technologischen Stand gebrachten und durch die Erträge aus dem Raub- und Vernichtungsfeldzug finanzierten Produktionsmittel überstanden die alliierten Luftangriffe zu großen Teilen unbeschadet "

In einem Flyer zu Pforzheim 2013 stand eine Passage drin, die ähnlich lautete und da war das Geschrei groß. Aber wenn es in diesem eklektizistischen Mix verpackt ist, dann geht das schon in Ordnung. Wenn andere so etwas schreiben und einordnen, dann hallt es von überall: "böse böse Halt Relativierung". Hier zum Vergleich die Passage aus dem Flyer https://linksunten.indymedia.org/de/node/77519

„Die Bombardierung Pforzheims war, ebenso wie die Bombardierung zahlreicher anderer deutscher Städte durch die "Royal Airforce", Teil einer englischen Militärstrategie, die sich auf nächtliche Flächenbombardements auf Stadtzentren konzentrierte, anstatt gezielte Angriffe auf industrielle und militärische Infrastruktur zu forcieren.“

Die wenigen positiven Ansätze z.B. "Auch ein von Anarchist*innen häufig vertretener abstrakter Antinationalismus scheint nicht mehr zeitgemäß. Zwar ist es durchaus richtig, dass jede Form des Nationalismus einen Angriff auf das schöne Leben darstellt, jedoch hat jede Nation ihre spezifische Geschichte und gehört auf der Basis des oben gesagten eigenständig kritisiert."

werden leichter nicht weiter ausgeführt und münden in die völlige Verwirrung.

"dem Zionismus – der sich als Reaktion auf den modernen Antisemitismus entwickelte"

Den Zionismus gibt es schon viel viel länger als den modernen Antisemitismus. Ob damit eine politische oder religiöse Denkweise gemeint ist muss sich die Leserschaft auch selbst ausdenken ....

Warum also der Vorwurf des Eklektizismus? Erst führt ihr aus, dass der Nationalismus ein Problem des Kapitalismus sei und die deutsche Linke kein Konzept dazu gefunden habe sich zu verhalten. Das Kapitel Warenfetisch mit einer konstruierten Verbindung von Wertkritik und Antinationalismus versucht die Verbindung von Nation und Kapitalismus zu erklären bleibt aber Ausführungen für die laut historischem Anriss darin begründeten Anfälligkeiten der Arbeiterinnenklasse schuldig. Dazu kommt dafür ganz unverhofft folgende These um die Ecke:

Wer folglich keine radikale Kritik an Kapital und Staat formuliert, findet sich (wie große Teile der traditionellen Linken) alsbald auf der Seite der Nation wieder.

Andererseits relativiert ihr eure Kritik auf einmal als nicht zeitgemäß und bringt auf einmal Antideutsche Sachen ins Spiel.

Erst bezieht ihr euch positiv auf Marx und zitiert ihn fleißig um ihn dann plötzlich und unverhofft raus zu werfen, in dem ihr den historischen Materialismus ablehnt: "Es existiert kein revolutionäres Subjekt mehr in welches wir unsere Hoffnungen setzen können. Es gibt kein Naturgesetz mit welchem der Lauf der Geschichte zu bestimmen ist. Die Behauptung der Mensch sei von Natur aus Gut, ist nicht (und war vielleicht noch nie) haltbar."

Das ist eine anti-positivistische und anti-materialistische Auffassung wie sie auch bei Sorel zu finden war. Bei Mussolini hat die Erkenntnis, dass weder der Mythos Generakstreik (der wohl eure letzte Hoffnung ist?) noch die Arbeiterklasse ein revolutionäres Subjekt sind dazu geführt, dass er die Nation als Subjekt entdeckt hat und das führte letztendlich zur Entstehung der faschistischen Ideologie. Gerade solches Geschwätz von linker Seite, wie ihr es wieder aufwärmt, hat ihn darin bestätigt die Nation gegen den Klassenkampf einzutauschen. Also aufpassen!

Der Ausblick ist viel zu kurz formuliert im Vergleich zum langen Text. Das scheint sehr praxisfern.

Ihr habt euch viel Zeit genommen und Mühe gemacht, aber ganz ehrlich was ist dabei raus gekommen?

Mehr als dass ihr beim Kongress mit allen Kaffee trinken könnt und selbst die roten Gruppen sich heimlich einen schmunzeln ist das leider nicht.

Kurz geschrieben ihr findet Staat Nation und Kapital Scheiße und habt alle und für alle etwas dabei. Die Praxis überlegt ihr irgendwo zwischen Freiburg und Stuggi nochmal. Impulse von reaktionären und mit staatstragenden Institutionen zusammenarbeitenden Diskussionsteilnehmern erwartet ihr nicht ernsthaft?

Selbsterkenntnis besteht schon: Offen bleibt für uns die Frage, was für eine Praxis aus diesen recht allgemeinen Überlegungen zum deutschen Nationalismus zu folgen hat?

Alle interessierten Leser*innen sind herzlich eingeladen, sich an dieser zu beteiligen und zu diskutieren, wie sich dem vorherrschenden deutschen Nationalismus entgegengesetzt werden kann. Steht als Ankündigung.

Für die Diskussion viel Erfolg und viel Spaß und bringt nicht alles durcheinander. Haltet euch an den historischen Materialismus und lest Gramsci

http://www.neue-impulse-verlag.de/marxistischeblaetter/artikel/108/287-gramsci-die-deutsche-linke-und-das-problem-der-nation-hegemonie-staat-und-kultur.html

 

Solidarische Grüße

 

Ein Internethool (Entlehnt aus dem Statement von FSF)

der zionismus entwickelete sich als reaktion auf die dreyfuss-affäre, welche bewies, dass auch im "modernen nationalstaat" ohne das alte antijüdische die-haben-jesus-getötet, der antisemitismus eine tödliche gefahr für jüdische menschen ist, auch wenn sie sich in diesem nationalstaat quasi vorbilidlich assimiliert haben. der moderne antisemitismus, sprich "rassen-antisemitismus" (judentum nicht mehr als religion sondern als imaginäre "rasse") und der zionismus war bis in die 30ger jahre eindeutig politisch und eben nicht religiös begründet, schliesslich sehen orthodoxe juden auch heute noch als "sünde" da nicht vom messiahs  begründet, sondern von menschen (linken übrigens zum grossteil)

und wie man nach der erfahrung der shoah noch ernsthaft behaupten kann, dass der zionismus aka jüdische nationalismus, ursache und nicht folge von unterdrückung und massenmord war, sollte sich doch mal mit dem 19teh jahrhundert befassen und der entwicklung des modernen nationalstaates.
und eben WEIL die radikale linke bis heute keine ersnthafte erwiderung auf den nationalsimus und antisemitismus gefunden hat, bleibt, zumindest bis zum überwinden des kapitalismus, israel, als einziger jüdischer staat und zufluchtsort für vom antisemitismus betroffene, eine notwendigkeit, zu welchem sich solidarisch verhalten gehört

nie und nimmer werde ich mit einem staat solidarisch sein. wenn, dann mit seinen bewohner_innen. ihr antideutschen findet es doch nur geil, vermeintlich moralisch überlegen und gleichzeitig nationalistisch sein zu können.

würde reichen antisemitismus unter dem deckmantel der israel-"kritik" zu kritisieren, für seine sicherheit sorgt israel schon selbst

wenn "grüner Prinz" einen Kommentar dazu schreibt, nimmt es einen Ausflug in nationalistische Denken und folgt SOFORT und IMMER ein Kommentar  Richtung israelische Sicherheit durch sein Miltär (fiel auch den mods beim letzten Svenson Berger Artikel auf). Eine Unterscheidung zwischen der Regierung und der Menschen, die in ihrer Gesamtheit in Israel wohnen, ist ihn nicht geläufig.Menschen, die nicht jüdischen Glaubens sind, finden für ihn stets so wenig Platz, wie die Rechtsauslegerparteien an der Macht.

 

Liebe Freiburger "AnarchistInnen", dass sind die Leute, die mit euch segeln. Grigat, Grüne Prinzen und Co. Bellizisten, Nationalisten und reflektionslose Verteidiger rechter Parteien.

 

Anarchismus ist das nicht!

Hallo Freiburg,

 

also ich habe nur geschrieben, dass aus dem Text nicht klar hervor geht welcher Zionismus, denn nun gemeint ist dazu noch ein paar Anmerkungen

 

Einordnung des Zionismus

 

Es gibt einen Unterschied zwischen dem deutschen, völkischen Nationalismus, der in der Schoah seinen traurigen Höhepunkt fand und dem israelischen Nationalismus – dem Zionismus – der sich als Reaktion auf den modernen Antisemitismus entwickelte.

 

Die Behauptung vom grünen Prinzen, dass der Zionismus aus der Dreyfusaffäre entstanden sei und eure Einschätzung des Zionismus als Reaktion auf den modernen Antisemitismus bezieht sich nur auf Theodor Herzl und seine Schrift der Judenstaat. Die erste Ali-ja war schon davor. Die Einordnung des Zionismus als jüdischen Nationalismus mit ausschließlichen Bezug auf Antisemitismus ist unvollständig und wird der Komplexität der Entwicklungen nicht gerecht.

 

Zionismus ein irritierender Überbegriff

 

Es gab und gibt unterschiedliche zionistische Strömungen. Theodor Herzl war offen ob in Afrika, Südamerika oder Palästina. Beim sechsten Basler Kongress brachte er den Vorschlag des Uganda Programms ein, der abgelehnt wurde. Durch Kontakte mit dem anglikanischen geistlichen William Hechler kam Herzl mit dem christlichen Zionismus (einer religiösen Ideologie) in Kontakt. Die christlichen Zionisten sahen Palästina als das geeignete Gebiet an, denn so stand es ja schließlich in der Bibel. Der christliche Zionismus nahm entscheidenden Einfluss auf den politischen Zionismus. So wurde daraus eine sich selbst erfüllende Prophezeiung (Murphys-Gesetz) der christlichen Zionistinnen. Interessant dazu, dass sich viele Evangelikal trotz teilweise positiven Bezug auf den christlichen Zionismus, sagen wir es einmal milde, sehr zurückhaltend verhielten gegenüber den Nazis. Diese Einflussnahme von dieser Seite besteht auch heute. Auch bei uns in gibt es die. Hier sei nur erwähnt, dass auch einige Referenten für Zusammenarbeit mit reaktionären christlichen Zionisten offen sind . (Emanzipation und Frieden in Personalunion mit der DIG) Es geht um die religiöse Komponente des Zionismus nicht um die religiöse Komponente des Antisemitismus. Das wäre ein anderes Thema. Jedenfalls die Einstufung des Zionismus ausschließlich als israelische Ausprägung des Nationalismus ist viel zu kurz.

 

Die ausgeblendete Gebietsfrage

 

Eben weil es die (kommunistische, anarchistische und sozialdemokratische) Linke nicht schaffte die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft zu erstreiten, bedarf es heute des Staates Israel als Ort der Zuflucht für alle von Antisemitismus Bedrohten.

 

In dem Text ist also wie gesagt nicht enthalten auf welchen Zionismus sich positiv bezogen wird und weshalb der Staat Israel auf dem Gebiet Palästina sein muss. Schutzraum vor Antisemitismus ist eine Diskussion, die wie du erwähnst schon lange geführt wird. Die Antworten darauf sind vielfältig. Hier im Text wird völlig ausgeblendet welche imperialistischen Interessen bei der Auswahl des Staatsgebietes eine Rolle spielten. Die Schoah und die Entwicklungen nach 1945 können eine Antwort darauf sein weshalb das Palästina war. Aber Ausführungen dazu fehlen im Text. 

Machen die Erfahrungen aus der Schoah automatisch Palästina als Schutzraum notwendig. Was macht Palästina zu einem sichereren Gebiet als Europa dem Platz der Schoah?  Welche Interessen bei der Auswahl eine Rolle spielten wird ausgeblendet. Wie die angebliche Alternativlosigkeit bzgl. des Gebiets in Palästina ist wird in der Erklärung auch nicht erwähnt.

 

Gedanken zum Schutzraum Israel

 

Das Gebiet Palästina kann kein Schutzraum sein das ist ein Pulverfass. Schon in der Zeit nach der Balfour-Erklärung zeichnete sich ab, dass die Verhältnisse in Palästina auch nicht anders waren als in Europa. Weshalb sollte dann ein unabhängiger Staat ein besserer Schutzraum sein als ein vorher schon spannungsgeladenes Siedlungsgebiet?  Die Entstehung des Schutzraums in Palästina hat eine Geschichte schon lange vor der Schoah und der Wannsee-Konferenz. Die Erklärung des vorläufigen Versagens der befreiten Gesellschaft mit der Wannsee-Konferenz ist nur unzureichend erklärt. Ich habe den Text von Bruhn gelesen darin stand gar nichts weshalb gerade die Wannsee-Konferenz das vorläufige Versagen der Revolution besiegelt. Was war denn dann die Balfour-Deklaration? In eurer Logik war erst die Wannsee-Konferenz der Point of no return des vorläufigen Scheiterns einer befreiten Gesellschaft. Die Balfour-Erklärung war bekanntlich zu einem Zeitpunkt als eine erfolgreiche Revolution realistischer war als jemals zuvor in der Geschichte der Arbeiterinnenbewegung. Wie wird diese dann eingeordnet?

 

David Ben Gurion und Golda Meir wollten schon lange bevor die Schoah geschehen ist einen eigenen Nationalstaat ebenso wie Menachem Begin um nur einige prominente Beispiele zu nennen.Deren Ziel war sowohl einen Schutzraum zu errichten als auch die Verwirklichung kapitalistischer Interessen wie jede andere Nation auch. Die Betar Jugend stand anfänglich den italienischen Faschisten nahe. Innerhalb der Irgun gab es auch Flügel, die mit Nazi Deutschland zusammenarbeiten wollten. Was ist mit dem Massaker von Deir Yasin? „Das Massaker von Deir Jassin hatte nicht nur seine Berechtigung – ohne den ,Sieg‘ von Deir Jassin hätte es auch niemals einen Staat Israel gegeben.“ sagte Menachem Begin der damilige Kommandeuer und spätere Ministerpräsident. Dieser Aussage folgend ist der Staat auf den ihr euch positiv bezieht, der eine Zwischenstation zur befreiten Gesellschaft sein soll, aufgebaut auf ein angeblich notwendiges Massaker. Ist das in eurer These des Spezifikum des israelischen Nationalismus auch eingeschlossen?

 

Die Voraussetzungen, die für einen Schutzraum gelten müssen, sind auch nicht erst seit gestern diskutiert und innerhalb des Zionismus gab es verschiedenste Ansätze dafür. Gedanken dazu von eurer Seite leider Fehlanzeige.

Hallo Freiburg,

Die Freiburger Logik zu Ende denken ...

 

Bleiben wir bei der Logik des Textes. Der Staat Israel ist„zwar nicht die richtige Antwort auf den Antisemitismus (das wäre nach wie vor die Errichtung der klassen- und staatenlosen Weltgesellschaft, die freie Assoziation freier Individuen, die befreite Gesellschaft, die es den Menschen ermöglicht, ohne Angst und Zwang verschieden zu sein), aber er ist, ganz unabhängig von seiner je konkreten Ausgestaltung in der je unterschiedlich begründeten und zu bewertenden israelischen Regierungspolitik, die vorläufig einzig mögliche.“

 

Nach meinem Textverständnis wird Herzls Zionismus grundsätzlich abgelehnt aber als einzige Möglichkeit ein Staat Israel (ohne Ausführungen zum Gebiet) als notwendige Zwischenstation zur klassen- und Staatenlosen Weltgemeinschaft gesehen. Was bedeutet dieser Status der Zwischenstation in der Praxis? Wie lange soll dieser Zustand dauern? Sind aufgrund der Sonderstellung des Schutzraums alle Bemühungen gescheitert eine andere Welt zu erreichen? Weshalb ist der Staat Israel die einzige Lösungsmöglichkeit? Wie sieht es aus mit einem Staat Israel-Palästina oder einer Zwei-Staaten-Lösung? Wie steht ihr zur Großisrael?

 

Dieses Spezifikum des zionistischen Staates sollte von einer antinationalen Linken nie ausblendet werden.

 

Wenn nun die israelischen Genossinnen zum gleichen Schluss kämen wie die Freiburger: “Der Hauptfeind ist das eigene Land!”wäre das ja zutiefst antisemitisch und daher zu verurteilen. Oder? Hier wird also der Widerspruch völlig offensichtlich. Oder wie sollen die israelischen Genossinnen sich zu ihrer Regierungspolitik verhalten? Wie sollen die nach eurer Meinung das Spezifikum des zionistischen Staats berücksichtigen?

 

Impliziert die notwendige Zwischenstation auch eine Akzeptanz der Siedlungspolitik und verbietet jede Solidarität mit den Klassenkämpfen in Israel? Da fehlt völlig die Klarstellung im Text.

 

Sorry ich komme da einfach nicht mehr mit. Desto länger ich den Text und die Quellen lese desto verwirrter bin ich.

 

Bevor jetzt hier wieder die Antisemitismus Vorwürfe um die Ecke kommen will ich sagen ein Großteil sind offene Fragen. Ich betone da ist keine Suggestion enthalten. Allein sie zu stellen, sind wir so ehrlich, würde bei einem Teil von den Leuten auf dem Kongress, für den ihr dieses Papier geschrieben habt, eine heftige Reaktion auslösen. Eine Diskussion ohne von einem Teil der Referenten (weibliche gibt es ja nicht) mit Antizionismus Vorwürfen angegangen zu werden halte ich für unrealistisch.

 

Fragen zum Massaker von Deir Jassin oder der Entstehung des Zionismus und zum Schutzraum Israel sind ganz normale Fragen zu denen viele Jüdinnen und Juden ganz entspannt oder auch mal heftig diskutieren können. Hannah Arendt, Martin Buber und viele andere haben schon ähnliche Fragen und Gedanken gestellt. Sie wurden dafür gehasst von Leuten wie den genannten Politikern aber auch von Leuten, die ihr in eurer Zitate Liste habt. Das gleiche gilt natürlich für Judith Butler.http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/10/14/a0145

 

Das Problem dass viele Deutsche wie ein Teil der Referenten das nicht verstehen, dass dies eine ganz normale Diskussion ist und gleich mit Vorwürfen daher kommen anstatt sich einmal mit den Fragen oder Thesen auseinander zu setzen. Wer Beibehaltung eines unkritischen, irrationalen und mythologisierenden Narrativs dekonstruiert wird sofort als Verräter abgestempelt. Das ist auch nicht besser und nicht schlechter als von Vertretern des deutschen Kapitals kritisiert zu werden, wenn sich nicht in deren Verwertungslogik eingeordnet wird.

 

Wir müssen im Jahr 2013 zurückblicken auf die Entwicklungen seit 1948 und sie in einen Zusammenhang stellen. Seit 1948 hat Israel unterschiedlichste Kriege geführt zu denen ihr auch kein Wort verloren habt. Ebenso wie das Scheitern der Road Map und die aktuell total verfahrene Situation in Israel.

 

Der Staat Israel, wie er nun existiert, ist ein kapitalistischer Staat wie jeder andere. In diesem Staat gibt es natürlich auch viele fortschrittliche Kräfte, mit denen es internationale Solidarität zu praktizieren gilt. Aber auch darüber hinaus. Was in dem Text auch nicht erwähnt ist, dass nach Gründung des Staates viele Juden außerhalb davon leben. Auch hier gibt es zahlreiche fortschrittliche Kräfte, die sich zum Teil auch den Kämpfen in dem Land in dem sie gerade leben angeschlossen haben. Ebenso verschweigt ihr dass es in Israel ca 30% Araberinnen gibt unter denen es natürlich auch fortschrittliche Kräfte gibt. Die Mythen die mit der Nation Israel verbunden sind halte ich genau so gefährlich wie die Mythen die andere Nationen um sich aufbauen oder religiöse Mythen. Ich sehe in der Wannsee-Konferenz keinen Grund blind an diese Mythen zu glauben und mich ins Heer deren Verteidigerinnen einzulassen. Ein unmenschliches Ereignis und vorläufiges Scheitern ist noch lange keine Begründung deshalb das freie Denken einzustellen. Im Gegenteil es ist Aufforderung die Gedanken und das Handeln anzupassen.

 

Den Antimaterialismus und Antipostivismus, den ihr verbreitet und den andere antideutsche Autorinnen weiter betreiben, der auch im zitierten Aufsatz von Bruhns klar erkennbar war, bringt die Gefahr wie schon Walter Benjamin unbewusst und in Schritten dem Denken Sorels anzugleichen und eine Symbiose von falsch verstandenen, weil nur wenig gelesenen Marx, und nationalen Mythen zu betreiben.

 

Auf Antworten zu meinen Fragen würde ich mich freuen. Ich würde die dann auch mal aufnehmen und versuchen einen anderen Ausblick zu formulieren.

 

 

Grüße Internethool aka Zombie-Linker (nach Auffassung eines Linken Theorie-Meisters eurer Konferenz)

Schutzraum für von Antisemitismus verfolgte in Europa? Hey hammer Idee! Ich glaube nicht, dass dir irgendein antideutscher wiedersprechen würde, wenn du vorschlegen würdest den deutschen Staat zu eliminieren und auf diesem Territorium einen jüdischen Schutzraum zu realisieren.

Selten so formuliert, aber klasse Gedanke!

Hallo, in Fußnote 2 wird richtig gesagt, dass Anarchisten in Deutschland sich gegen den Weltkrieg aussprachen. Jüngst ist ein Buch erschienen, das auch die Geschichte der Syndikalisten in Deutschland von 1914-1918 beleuchtet, die sich reichsweit gegen den Krieg einsetzten und Streiks mitinitiierten. Verfasst hat es Helge Döhring mit dem Titel Syndikalismus in Deutschland 1914-1918 "Im Herzen der Bestie". Hier der Link zu diesem Buch:

www.edition-av.de/buecher/doering-syndikalismus-erster_weltkrieg.html

Was bitte ist das Fundament eures "anarchistischen" Ansatzes?

 

Eure Quellen, wenn man sie so benennen will, lesen sich doch eher wie die Produktpalette des "Ca Ira" - Verlages. Jens Benicke, Ulrich Enderwitz, Joachim Bruhn, Stephan Grigat - das who is who des auch unter vielen Rest - Antideutschen sehr umstrittenen "Ca Ira" - Verlages. Wo lest ihr da irgendeinen anarchistischen Gedanken heraus?

 

Wo hat "Ca Ira" jemals etwas in diese Richtung veröffentlicht?

 

Ihr lest euch einmal durchs antideutsche Verlagsprogramm, garniert es mit einem in dem Kontext sekundären Rocker - Zitat und fertig ist die wertedeutsche Anarchismustheorie "für ein schönes Leben".

 

Ihr werft doch sonst immer mit dem Vorwurf "verkürzter Kritik oder Analyse" um euch. Euer Text ist aber sicherlich das verkürztete, was ich in den letzten Jahren gelesen hat. Alte Texte, neuer Markenartikel. In der Warenwirtschaft nennt man das auch umettiketieren.  Und das ist wenig geliebt.

 

Und noch eine aktuelle Quelle zur christlichen Missionierung für Gross - Israel aus der in diesem Thema sonst immer sehr zurückhaltenden bürgerlichen "TAZ".

 

http://www.taz.de/Christen-helfen-israelischen-Siedlern/!124800/

für diesen klasse Text.

Ich seid der Grund, warum man die Hoffnung nicht aufgeben muss, dass in der KTS doch noch ein Funken Restverstand etabliert bleibt!