Für die allermeisten der Demonstrationsteilnehmer gegen die rechtsradikale NPD war der Samstagvormittag ein gutes Signal für das, was in Marburg geht und was nicht geht.
Marburg. Was nicht geht, sind Aufmärsche der neonazistischen NPD. Zur Marburger Station der „Sommertour“ der NPD waren keine lokalen Anhänger gekommen: Acht Teilnehmer der Kundgebung kletterten aus dem Lkw, mit dem die NPD derzeit durch die Lande tourt, und trafen sich mit drei lokalen Anhängern, die mit Deutschlandfahnen ausgerüstet warteten. Was nicht geht, ist eine Kundgebung, die auch nur im Mindesten Aufmerksamkeit bei zufällig vorbeikommenden Passanten erregt: Die Stadt hatte der NPD als Kundgebungsort einen abgesperrten Bereich des Messegeländes am Afföller zugewiesen. Dass dieses Gelände in früheren Jahren einmal in der Nähe der Müllkippe lag, mag reiner Zufall sein – für einige Gegendemonstranten wie etwa Gerhard Haberle war dies von hoher Symbolkraft.
Was drittens nicht funktioniert in Marburg, ist die Taktik der Braunen, Gegendemonstranten zu provozieren. Die Rechtsaußen bemühten sich in dieser Hinsicht nach Kräften: Nach der Rede des stellvertretenden Vorsitzenden der Bundespartei, Udo Pastörs, stellte sich einer seiner Hilfskräfte vor das Mikrofon und beschimpfte 20 Minuten lang mit sich teils überschlagender Stimme die Gegendemonstranten – erfolglos, denn die behielten die Ruhe, vielfach konnten sie die Worte der Redner trotz der imposanten Lautsprecheranlage, die die NPD aufgebaut hatte, auch nicht hören: Trillerpfeifen, Pfiffe, Buhrufe – und immer wieder skandierte Aufforderungen wie „Haut ab!“ oder „Verpisst Euch!“ waren stärker als die elektronisch verstärkten „Reden“.
Was dagegen in Marburg immer geht, ist der kurzfristig zu mobilisierende Widerstand gegen Aufmärsche wie den am Samstag. Zwischen 400 und 500 Menschen hatten trotz Sommerferien den Weg zum Messegelände gefunden, um gegen Rechts zu demonstrieren, gut ein Drittel nach einem Demonstrationszug vom Hauptbahnhof aus.
Was in Marburg auch geht, ist die Zustimmung der Bevölkerung. Es waren am Samstag eben nicht nur die bekannten Aktivisten der gesellschaftlichen Organisationen, die zu der Demonstration aufgerufen hatten, sondern viele neue Gesichter – und sie ernteten spürbar Zustimmung.
Was in Marburg gleichfalls geht, ist das klare Bekenntnis der Politik gegen Rechts. Am Samstag waren es unter anderem Oberbürgermeister Egon Vaupel und der SPD-Bundestagsabgeordnete Sören Bartol, die sich auf dem Messeplatz demonstrativ unter die Gegendemonstranten einreihten.
In nüchternen Zahlen betrachtet, bleibt dies: Acht NPD-Mitglieder waren am Samstag für gut eineinhalb Stunden nach Marburg gekomme und kletterten eineinhalb Stunden später wieder in den mitgeführten Lkw. 400 bis 500 Demonstranten zeigten, dass in Marburg kein Raum für Neonazis ist, und wohl 150 bis 200 Polizisten wurden um ein ruhiges Wochenende gebracht.
Vorwürfe gegen die Polizei
Die Polizei nahm nach OP-Informationen zwei Personen fest, weil sie Eier gegen die NPD geschmissen haben sollen. Etwa 70 der Gegendemonstranten marschierten anschließend wieder Richtung Hauptbahnhof zurück. Die Humanistische Union beklagte sich am Sonntag darüber, dass die Polizei Gegendemonstranten gefilmt habe, „systematisch“, wie die Bürgerrechtsorganisation glaubt. Um dieses „rechtswidrige“ Vorgehen zu dokumentieren, machte der Anwalt Dr. Tronje Döhmer seinerseits Aufnahmen von den filmenden Polizisten. Sein Material wurde laut Auskunf t der Humanistischen Union beschlagnahmt. Von der Polizei war gestern keine Stellungnahme zu erhalten.
Video
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