Berliner MieterInnenprotest und die Verlogenheit der Grünen

Wir bleiben Alle

Bereits mehrmals haben wir unser Unverständnis darüber geäussert, dass ehemaligen Senatsparteien, die nur in der Opposition verbal auf Seiten der MieterInnen stehen, in der Regierung Teil der Gentrification und Umstrukturierung, mittels Pressekonferenz im Kotti & Co - Camp eine Bühne geboten wurde. Diese nutzten dies zur Profilierung. "Die Linke" erdreistete sich danach gar als Motor der MieterInnen - Bewegung zu bezeichnen. Dies nachdem sie per "rot - rotem" Senat fast 100 000 öffentliche Wohnungen privatisiert und fast verschenkt haben.


Frau Lompscher ("Die Linke") und ein Vertreter der Piraten nutzten die Pressekonferenz zu Spaltungsversuchen in das übliche: Friedlich und Militant (lat.: kämpferisch, streitbar, besonders energisch, ital., span.: mit dem ganzen Herzen dabei - so what?).

Die Grünen nahmen an der Pressekonferenz ebenfalls teil und heuchelten Verständnis.

Real spricht ihre Poltik aber eine ganz andere Sprache:

Im Bezirk Mitte, wo Grüne 24,1% WählerInnen und 2 Stadträte stellen, ist man bezüglich Raussanierung der MieterInnen der Wilhelmstrasse 56 - 59 auf Seiten der "B.Ä.R. Grundstücksgesellschaft", die Auszug, Abriss und ein "schickes Wohn- und Geschäftshaus" (Kurier, 28.06.2012) fordert.

Hintergrundartikel dazu in "Junge Welt" von heute:

http://www.jungewelt.de/2012/07-05/041.php

Im Bezirk Treptow - Köpenick bringt die grüne Abgeordnete Claudia Hämmerling den Vorschlag ein, den an den "Immobilien- und Projektentwickler" Matthias Große verscherbelten Müggelturm abzureissen, statt zu sanieren. (Kurier, 29.06.2012) Der Müggelturm ist genauso wie der Wannseeturm wegen Renovierungsbedürftigkeit geschlossen. Das dazu benötigte Geld verballert man lieber endloss in einen desastroes geplanten Flughafen (dem Privatspielzeug des Partymeisters Woworeit) und in den Wiederaufbau des kaiserlichen Stadtschlosses für TouristInnen und Ewiggestrige.

Im Bezirk Pankow (Berichte auf Indymedia) sind die Grünen über Bezirksamt, Stadträte und stellvertretenden Bürgermeister Jens - Holger Kirchner dabei SeniorInnen aus ihrem Treff in der Stillen Strasse 10 zu vertreiben und diesen zu schliessen.

Hier lügt man dann, dass sich die Balken biegen. Aus einem 20er Jahre Haus wird eine Villa, deren Sanierung Unsummen (2,5 Mio., Auskunft Grüne plus Kommentar: zu teuer!) kosten würde. Um Sanierung geht es den Grünen in ihre Rechnung garnicht, sondern laut Planung um Luxussanierung und da findet sich sicher besseres als Berliner SeniorInnen (wieviele TouristInnen kann man da drinne wohl stappeln?)

Kurz und gut. Die SeniorInnen haben das Haus besetzt. Die Solidarität ist enorm.

Interview in der "Jungen Welt" von heute:

http://www.jungewelt.de/2012/07-05/057.php

Leider gibt es vor Ort Probleme mit einem Rambo - Hausmeister, der eigenmächtig Sporträume verbarrikadiert oder Schlüssel entzieht.

Nach einem kleinen Gerangel um einen Schlüssel spuckte der grüne Vize - Bezirksbürgermeister Kirchner wieder Gift und Galle: "Jetzt haben die Senioren ein Problem: friedlicher Protest ja, Gewalt nein." Und er meinte damit nicht seinen Rambo - Hausmeister.

Warum machen solche Senats- und Bezirksstrategen, die uns permanent in den Rücken fallen bei Kotti & Co eine verlogene "Solidaritätspressekonferenz" (natürlich weil immer Wahlkampf ist!)?

Sie haben nichts im Camp oder auf unseren Demos (auch die Lärmdemo ist nicht "privat") zu suchen und natürlich machen wir einen Unterschied zwischen BasisaktivistInnen und ihren PolitikerInnen (auch, wenn die an der Basis langsam lernen sollten, dass sie verarscht werden).

Solidarität mit Kotti % Co, Besetzerinnen der Stillen Strasse, den MieterInnen der Wilhelmstrasse, den AktivistInnen von Karla Pappel in Alt - Treptow, den Aktiven in Wedding und Neukölln und natürlich liebe, solidarische Grüsse an die KvU.

Unterstützt die Gruppen und Projekte!

Kotti & Co: U - Bhf Kottbuser Tor

Stille Strasse: S * U Bhf Pankow, dann 155 Bus bis Tschaikowskistrasse, Rest laufen         

Unsere Kritik an Kotti & Co sehen wir als solidarische!

Keine Senats- und Politmeier in unseren Demos, Cams und Häusern.

Und immer dran denken, was Rio und Co schon wussten:

Allein Machen Sie Dich Ein
Allein machen sie dich ein,
schmeissen sie dich raus, lachen sie dich aus,
und wenn du was dagegen machst,
sperrn se dich in den nächsten Knast.

Und alles, was du da noch sagen kannst, ist: "Das ist n ganz schöner Hammer, ey Mann!"

Zu zweit, zu dritt, zu viern,
wird auch nix andres passiern.
Sie werden ihre Knüppel holn
und uns ganz schön das Kreuz versohlen.

Und alles, was du da noch sagen kannst,
ist: "Das ist n ganz schöner Hammer, ey Mann!"

Zu hundert oder tausend kriegen sie langsam Ohrensausen.
Sie werden zwar sagen, das ist nicht viel,
aber tausend sind auch kein Pappenstiel.
Und was nicht ist, das kann noch werden.
Wir können uns ganz schnell vermehren.
In dem Land, in dem wir wohnen,
sind aber n paar Millionen.
Wenn wir uns erstmal einig sind,
weht, glaub ich, n ganz anderer Wind.
Dann werden se nicht mehr lachen,
sondern sich auf die Socken machen.
Auf die Bahamas oder ins Tessin,
der Teufel weiß am besten, wohin.
Und du weißt, das wird passieren, wenn wir uns organisieren.
Und du weißt, das wird passieren, wenn wir uns organisieren.
Und du weißt, das wird passieren, wenn wir uns organisieren.

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Schönes Interview von heute:

 

 

SPIEGEL ONLINE: Frau Syrbe, wie haben Sie letzte Nacht geschlafen?

 

Syrbe: Na ja, wie man halt auf einer Campingliege aus Plastik schläft. Ich habe eine, die ist richtig hart, auf der liegt es sich nicht gut. Ich denke mal, wenn die Aktion vorbei ist, werden wohl einige blaue Flecke da sein. Aber wir haben uns dazu entschlossen, und jetzt machen wir es auch so.

 

SPIEGEL ONLINE: Es geht Ihnen doch hoffentlich gut?

 

Syrbe: Ja, wir sind frohen Mutes - und alle, die kommen, machen uns Mut. Wir haben auch weitere Leute gefunden, die uns in der Nacht mal ablösen. Die Aktion wird immer größer.

 

SPIEGEL ONLINE: Wie sieht der Alltag in der besetzten Villa aus?

 

Syrbe: Wir stehen um halb sieben auf, frühstücken, und anschließend geht der Betrieb los. Dann kommen viele Journalisten, Besucher, Vertreter der Parteien, die sich für uns interessieren. Sogar Leute aus Hildesheim und Hannover waren hier. Es ist sagenhaft.

 

SPIEGEL ONLINE: Das klingt auch anstrengend.

 

Syrbe: Es ist stressig! Wir bewundern uns selber dafür, wie viel Kraft wir in unserem Alter noch aufbringen. Aber die Alten von heute sind nicht die Alten von vor 30 Jahren. Also wir haben noch ein bisschen Power.

 

SPIEGEL ONLINE: Wie sehen die schönen Momente im Haus aus?

 

Syrbe: Heute haben wir mal wieder Kaffee getrunken, weil wir einen Kuchen von einem Besucher bekommen haben. Und abends machen wir es uns auch ein bisschen gemütlich. Wir haben einen Fernseher und dank eines Sponsors neuerdings auch Internet. Besser können wir es gar nicht haben.

 

SPIEGEL ONLINE: Kriegen Sie viel Unterstützung?

 

Syrbe: Sie glauben gar nicht, was wir an Solidarität erhalten. Es kommen Schulklassen, Nachbarn, Leute, die einfach auf der Straße vorbei gehen. Unser Kühlschrank reicht fast gar nicht mehr. Die Leute bringen Obst, Erdbeeren, Kirschen, der Besitzer einer Gaststätte hat uns schon zweimal Eintopf serviert. Es gibt auch Jugendliche, die selbstgebackenen Kuchen bringen.

 

SPIEGEL ONLINE: Selbstgebackenen Kuchen von Jugendlichen? So etwas gibt's noch?

 

Syrbe: Ja, das waren drei junge Burschen, 16 Jahre alt.

 

SPIEGEL ONLINE: Gehen Sie sich im Haus auch mal auf den Geist?

 

Syrbe: Wenn so viele Menschen auf einem Haufen sind, kann das schon passieren. Aber dann schicken wir denjenigen in den Garten, und dann erholt er sich, und dann geht es weiter.

 

SPIEGEL ONLINE: Heute war auch von einem kleinen Zwischenfall zu lesen. Ein Hausmeister erlitt nach einem Handgemenge mit einem Ihrer jungen Sympathisanten eine Schramme am Daumen. "Erster Verletzter im Rentner-Protestcamp" stand in der "Bild"-Zeitung.

 

Syrbe: Nach meinem Empfinden hätte das überhaupt nicht in die Presse gehört. Da gab es ein bisschen Rangelei, aber wirklich nicht der Rede wert. Der Hausmeister hat einen kleinen Riss am Finger gehabt. Hoffentlich macht er nicht sechs Wochen krank.

 

SPIEGEL ONLINE: Sie haben ja Ihren Humor nicht verloren!

 

 

Syrbe: Naja, in dem Moment war es nicht so amüsant, aber jetzt können wir mittlerweile drüber lachen. Wir lernen ja auch mit jedem Tag ein bisschen mehr.

SPIEGEL ONLINE: Wie soll es nun weitergehen?

 

Syrbe: Es wird sich schon ein Möglichkeit finden, mit dem Bezirk ins Gespräch zu kommen. Vielleicht finden wir dann auch einen Kompromiss. Wir wollen zusammenbleiben, das ist unser Ziel. Wo, ist egal.

 

Allein machen sie dich ein!

 

Geht vorbei oder schreibt Soli - Karten!

Wer sich noch Illusionen über die "Piraten" gemacht hat, sollte nun mal aufhorchen. Nicht nur das ihr Sprecher bei der Pressekonferenz am Kotti genauso in die Spalterkerbe haute, wie "Die Linke", nein betreff "Stille Strasse" stimmten sie mit CDU, SPD und Grünen (sic!):

"Bezirkspolitik hat kein Interesse am Erhalt

Kurze Zeit gab es ein wenig Hoffnung: Die Linksfraktion in der BVV hatte bereits im April einen Antrag eingebracht, der da lautet: “Das Bezirksamt wird ersucht, den Fortbestand der Angebote der Begegnungsstätte dauerhaft zu sichern.

Hierzu sind auch Möglichkeiten der Erbbaupacht der Liegenschaft für eine soziale Nutzung und die Möglichkeit der Vergabe an einen Träger zu prüfen. Bis zu einer angebotssichernden Lösung ist die Einrichtung in der Stillen Straße aus bezirklichen Haushaltsmitteln unabdingbar.

Damit wäre das Haus im Eigentum des Bezirkes verblieben, hätte keine Kosten verursacht und sogar noch Pachteinnahmen eingebracht. Doch als der Antrag Anfang Juni im Sozialausschuss behandelt wurde, wollte die Mehrheit von SPD, Grünen, CDU und Piraten dies nicht mittragen – und so wurde der letzte, aber entscheidende Satz aus dem Antrag gestrichen."

Ganzer Artikel:

http://www.prenzlberger-stimme.de/?p=47662

mehr über die unsägliche "Sozialausschusssitzung:
http://www.prenzlberger-stimme.de/?p=40580

Auch der Protest von Kotti & Co am Kottbuser Tor ist ein Generationen - Protest und auch sehr international.

 

Es lohnt aufn Gespräch, nen Kaffee, nen Tjai und/oder Kekse und Kuchen (bitte letzteres mitbringen) vorbeizuschauen. Wer noch Postkarten statt mails schreibt, findet dort gegen Spende auch eine sehr gelungene...

 

http://kottiundco.wordpress.com/

Samstag, 07.07., 16 Uhr 5. Lärmdemo vom Kottbuser Tor (vorher Schilder und Transpis malen)

 

19 Uhr "Live, Umsonst und Draussen" am Kotti:

 

Henning Sedlmeir (Ex - "Blind", Ex - "Stereohools", Kooperationen mit "Tante Renate", "Rummelsnuff" u.a.)

 

Christiane Rössinger (Ex - "Lassie Singers, Ex - "Britta", ab 2010 "Flittchenbar" im Kreuzberger "Südblock" u.a.)

 

Berlin (Chr. Rössinger)

Wenn die Sonne fehlt, wenn der Regen läuft
Wenn die Unterschicht das Kindergeld versäuft
Wenn die Hunde wachen, ihre Haufen machen
Ja, dann sind wir wieder in Berlin

Wenn die Fahrradfahrer uns vom Bordstein fegen
Die Verrückten in der U - Bahn wieder laut mit sich selber reden
Wenn die Stressercliquen dann ihr Zeug verticken
Ja, dann sind wir wieder in Berlin

Wenn die Autofahrer kurz am Amok streifen
Und die Hostelhorden durch die Straßen geifern
Wenn die Gullis stinken und die Pärchen winken
Ja, dann sind wir wieder in Berlin

Wenn die Freiberufler die Cafés besetzen
Und die Laptopposer sich auf's Neu vernetzen
Mit den Kreativen und den ganz Naiven
Ja, dann sind wir sicher in Berlin

Wenn die Parkausflügler dann die Schwäne füttern
Und die Allerblödsten es gleich weiter twittern
Wenn wir zum Vorglühen durch die Spätis ziehen
Ja, dann sind wir alle in Berlin

Wenn die Ökoeltern sich zum Brunchen treffen
Und die Arschlockkinder durch die Cafés kläffen
Wenn der Service hinkt und' s nach Babykotze stinkt
Ja, dann sind wir wieder in Berlin

Wenn die Technoleichen zur Afterhour schleichen
Und nur die Halbverstrahlten Contenance behalten
Wenn die Druffis taumeln und die Durchis jaulen
Ja, dann sind wir wieder in Berlin.

 

(für die Nerds: "Wenn die Unterschicht das Kindergeld versäuft..." isn Politikerzitat. Von wem bloss?)

 

Wir sehen uns?!

Die Sektion Altenpflege des Allgemeinen Syndikats Köln (FAU-IAA) erklärt sich solidarisch mit den Hausbesetzer/innen des Seniorentreffpunkts in Berlin-Pankow:

 

Siehe

http://allgemeinessyndikatkoeln.blogsport.de/2012/06/30/solidaritaet-mit...

(Sorry, dass ich den ganzen Artikel anstelle eines Links reinsetze, aber der Zugriff ist meist zeitlich limitiert):

 

Berliner Rentner besetzen Villa - Senioren-Occupy

Rebellen aus der Stillen Straße: Weil ihr Freizeitclub geschlossen wurde, halten zwanzig Berliner Rentner ihre Villa besetzt. Der grüne Stadtrat ist vom Widerstand überrascht. 

 

von Konrad Litschko

 

BERLIN taz | Da, wo Margret Pollack bis vor einer Woche noch Bridge spielte, oben im Dachzimmer der alten Villa, steht jetzt ihr Zahnputzbecher. In der Ecke eine Klappliege mit Pollacks Schlafsack, eine kleine Tasche. Das war’s an Besetzerproviant. Der Bezirk hätte das wissen können, sagt die frühere OP-Schwester.

Seit vier Jahren besucht Pollack die Villa, den Seniorenfreizeittreff „Stille Straße“, ist dort Mitglied der Gymnastikgruppe. Die 67-Jährige lächelt keck, umklammert ein Glas Apfelsaft. „Wir haben ja lange genug gesagt, dass wir besetzen, wenn man uns schließt.“

Für Berlin, reich an Besetzerhistorie, ist das eine Premiere.(1) Rund zwanzig Rentner, fast alles Damen zwischen 67 und 82 Jahren, die ein Haus, ihren Seniorentreff, besetzen – das hat es auch in der Hauptstadt noch nicht gegeben. Ganz überraschend kommt es dennoch nicht, denn Ruheständler mischten zuletzt auch beim Protest gegen Fluglärm oder hohe Mieten rege mit – und das mit Erfolg.

„Hände weg!“

Das Epizentrum des nun radikalsten Seniorenwiderstands liegt in einer Villengegend im Nordosten Berlins. Alte Residenzen der DDR-Elite, Botschaften, ein kameraüberwachter Tennisplatz. Vögel zwitschern, kaum ein Auto verirrt sich hierher. Seit Freitag ist das anders. Seitdem hängt am Zaun der Nummer 10 ein Transparent: „Dieses Haus ist besetzt.“ Und: „Hände weg!“ Seit der Besetzung reißt der Strom der Neugierigen nicht ab.

 

In der grau verputzten Villa laufen die Rentner das knarzende Parkett hoch und runter, vorbei an Pressspankommoden und selbstgemalten Blumen-Aquarellen. Journalisten laufen hinterher, Kameras filmen Häkeldecken im Canasta-Raum oder die Veranda hinterm Haus, mit Blick auf Birn- und Apfelbäume. Immer wieder kritzeln Besetzer Termine in den Protestplaner neben der Küche. Mittwoch, 16 Uhr Anwälte-Besuch, 17 Uhr Chorprobe.

 

Keine fünf Minuten, ohne dass das Telefon klingelt. Regelmäßig treten Unterstützer durch die offene Haustür. Ob man helfen könne? Einige bringen Erdbeeren, andere Eier oder Schokolade. In der Küche schnippelt ein rundlicher Mann der Linkspartei Gemüse für eine Linsensuppe. Mit dem Haus habe er nichts zu tun, sagt er. Das Kochen aber sei sein Beitrag für die „tolle Aktion“. „Man muss sich nicht jeden Scheiß gefallen lassen.“ Ein 72-jähriger Besetzer verabschiedet zwei Gäste. „Danke, empfehlen Sie uns weiter!“

 

Zwischen all dem steht Doris Syrbe, fasst sich an den Kopf, bläst die Wangen auf. „Ufff“, entfährt es ihr, dann gibt sie das nächste Interview. Syrbe, 72 Jahre, rotgefärbe Locken, blauer Lidschatten, ist Vorsitzende des Seniorenvereins. Gut 300 Rentner gehören dazu. Sie treffen sich hier zu Brettspielen, Gymnastik oder Sprachkursen. Jetzt ist Syrbe die Wortführerin der Besetzer.

Internationale Unterstützung

Natürlich haben einige Angst gehabt, sagt Syrbe. „Aber die Besetzung war goldrichtig. Mehr Unterstützung hatten wir noch nie.“ Man merkt, wie ihr der Trubel zusetzt. Syrbe wirkt gehetzt – aber nicht unglücklich. Auch die anderen strahlen, wenn sie Besuchern von ihrem Coup berichten. Sie genießen ihre neue Rolle: Besetzer statt Canasta-Truppe. Ein Abenteuer.

 

Sie haben den Bezirk unter Druck gesetzt, nur indem sie blieben. Jetzt besuchen Bundestagsabgeordnete die Senioren, Politinitiativen bejubeln ihre Chuzpe. Junge Mietenaktivisten brachten Matratzen und Decken vorbei. Eine autonome Wagenburg übermittelte Solidaritätsgrüße. Im Haus füllt sich ein gelbes Unterstützerbuch. „Bleibt stark!“ „Kämpft weiter!“ Selbst zwei Touristen aus Rotterdam haben sich hierher durchgeschlagen und eingetragen

 

Im Bezirksamt, ein Dreietagenneubau, lässt Jens-Holger Kirchner lange Pausen entstehen, bevor er antwortet. Der grüne Vizebezirksbürgermeister weiß um seine Lage. Wie, bitte, soll man eine Gruppe Großmütter räumen, ohne am Ende als Verlierer dazustehen? „Der Protest überrascht uns nicht“, sagt Kirchner. „Die Art und Weise schon.“ Der 52-Jährige berlinert etwas, war früher Tischler, heute trägt er meist Jackett und Hemd. Seit sechs Jahren ist Kirchner Bezirksrat für Stadtentwicklung, die letzten Monate hielten ihn auch die Senioren aus der Stillen Straße auf Trab. „An der Haltung des Bezirks hat sich nichts geändert“, sagt Kirchner. Die Polizei lasse man erst mal außen vor.

 

2,5 Millionen Euro, sagt Kirchner, so viel würde die Sanierung kosten, Brandschutz, Barrierefreiheit. „Das haben wir einfach nicht.“ Zudem habe man allen Seniorengruppen Ausweichorte angeboten. Keiner müsse zu Hause bleiben. Plötzlich wird der Grüne energisch. Jetzt mal ehrlich, was solle sein Bezirk denn machen? Seit Jahren bekomme man immer weniger Geld vom Land. Mehrere Millionen Euro habe man zuletzt wieder sparen müssen, habe noch Bibliotheken und Kultureinrichtungen von der Streichliste gerettet, ein Bezirksamt verkauft und Straßenbaugelder in Schulen gesteckt. „Das ist hier die Realität.“

Kämpfen bis zum Schluss

In der Stillen Straße schütteln sie die Köpfe. „Alles vorgeschoben“, sagen die Rentner. Überall werde Geld verschleudert, kritisiert Doris Syrbe. Allein die geplatzte Eröffnung des Berliner Großflughafens koste 500 Millionen Euro. „Nur für die Alten ist nichts da?“ Ute Kölbel, 72 Jahre und Sportlehrerin im Klub, berichtet, ihr habe der Bezirk andere Räume angeboten. „Harte Fliesenböden, keine Umziehräume, alles mit Tischen zugestellt, irrsinnig.“ Syrbe macht ein ernstes Gesicht, hebt die linke Augenbraue. Der Seniorentreff sei eine gewachsene Gemeinschaft. „Die werden wir nicht kampflos auseinanderreißen lassen.“

 

Als in den letzten zwei Jahren Berliner gegen Fluglärm rebellierten, befragten Sozialwissenschaftler der Universität Göttingen die Demonstranten: Über 70 Prozent von ihnen waren älter als 45 Jahren, jeder fünfte war Rentner. Fast alle sagten, sie seien gut situiert, gebildet und Stadträndler. Wie jetzt in Pankow. Auch das Berliner Volksbegehren gegen hohe Wasserpreise wurde vielfach von Ruheständlern getragen. Und in Kreuzberg, am Kottbusser Tor, harren Anwohner nun seit fünf Wochen in einem Camp gegen steigende Mieten aus, darunter nicht wenige Senioren.

 

Neu ist der Widerstand der Alten nicht in Berlin. Eher schon sein Erfolg, der den der Studenten und Autonomen bisweilen überflügelt. Nach den Fluglärm-Demos wurden fast alle Flugrouten in Schönefeld noch einmal geändert. Das Wasser-Volksbegehren wurde das erste erfolgreiche überhaupt in der Stadt.

Auch die Truppe in der Stillen Straße ist kampferprobt. Die Senioren protestierten im Bezirksparlament, führten im April eine Demonstration gegen Sozialkürzungen an. Vielleicht hilft ihnen auch ihre Vergangenheit. Fast alle Besetzer kommen aus der DDR. Die verordnete bekanntlich die emanzipierte, politische Frau. Aber auch das Verordnete wirkt nach. Und gewiss kein Zufall, dass sich als erste Partei die Linke solidarisierte.

Das Haus nie alleine lassen

Vor drei Jahren mussten die Pankower Alten schon einmal um ihr Haus kämpfen. Auch damals fehlte Geld, auch damals machten die Rentner Rabatz. Am Ende blieb das Haus offen. Und die Sozialstadträtin, Lioba Zürn-Kasztantowicz, sagte, es sei immer ihr Anliegen gewesen, die gute Arbeit der Ehrenamtlichen zu erhalten. Heute verweist Zürn-Kasztantowicz wieder auf das fehlende Geld. Sie müsse an alle im Bezirk denken, sagt die 59-Jährige, seit Jahrzehnten Sozialdemokratin. „Nicht an die, die am meisten Trubel machen.“

 

Zürn-Kasztantowicz hat die Senior-Besetzer für Dienstag ins Bezirksamt eingeladen. Die lehnen ab. „Wer weiß, was dann mit dem Haus passieren würde“, argwöhnt eine 73-jährige, frühere Kita-Chefin. Stattdessen haben die Rentner die Bezirksspitze in die Stille Straße eingeladen. Zum Freitag, dem einwöchigen Jubiläum der Besetzung.

 

Es sind die Senioren, die jetzt die Agenda bestimmen. Man werde bleiben, bis das Haus gerettet sei, sagen sie. Man habe Zeit. Wenn es nicht anders geht, werde sie sich auch von der Polizei forttragen lassen, sagt Sportlehrerin Kölbel. Die Senioren, sagt Jens-Holger Kirchner, der Grüne, seien im Bezirk „eine ernstzunehmende Kraft“. Das habe man schon länger gewusst.  


Doris Syrbe, die Besetzerin, quittiert solche Aussagen mit leichtem Lächeln. Die Alten, sagt sie, seien eben nicht mehr wie vor dreißig Jahren. „Stricken und hinterm Herd, das war mal.“ Politisch, betont die 72-Jährige, sei man schon immer. Nur hätten bisher Trillerpfeifen und Demos gereicht. Nun müsse man eben besetzen. „Also besetzen wir

 

(1) Anm. Das ist natürlich Blödsinn. Schon in den Achtzigern waren viele Hausbesetzungen generationenübergreifend (Kreuzberg, Birkenstrasse/ Moabit etc.)

Du kannst Artikel aus den Mainstream-Medien auch im Pressearchiv veröffentlichen: https://linksunten.indymedia.org/node/add/crossposting

Wo soll das Geld für SeniorInnen und soziale Projekte den herkommen? Der Partymeister (heute erstmalig ein wunderbares Cover auf der "B.Z." - lokale Blödzeitung - Collage: Woworeit bei Party, Party, Party. So wie wir Berlinerinnen ihn halt kennen) setzt andere Prioritäten. Im Aufsichtsrat mal schnell 500 Mio. für den "Desaster - Area" - Flughafen nachforden und ganz wichtig, der Wiederaufbau des kaiserlichen Stadtschlosses, für ewig Gestrige und für noch mehr TouristInnen (der Senat ist längst eine Aussenstelle der ITB - Internationale Tourismus Börse).

 

Oder wie es der königserfahrene Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) sagt:

 

" eine grossartige patriotische Dimension für unser ganzes Land"

 

und Kulturstaatsminister Bernd Naumann:

 

"das grösste Kulturvorhaben in Deutschland"...Wir als stärkste Industrienation müssen so etwas möglich machen können"

 

und Woworeit giert schon vor lange Weile nach dem nächsten Happening:

 

"ich merke tagtäglich als Nachbar, der ja quasi vom Balkon des Rathauses runtergucken kann, dass hier was fehlt" (er meint aber nicht den trotz starker Proteste abgerissenen "Palast der Republik")

 

(alle Zitate aus "Berliner Morgenpost" vom 22.06.2012)

 

Das Stadtschloss der preussischen und deutschen Monarchen kostet die Berliner Bevölkerung alleine 32 Mio. Euro (Kostenvoranschlag!). Wer die 10 Mio. das geplante gigantische "Einheitsdenkmal" (eine vergoldete Wippe???) davor zahlt, bleibt noch im Dunkeln.

 

Derweil feiert der stets gutgelaunte Partymeister schon mal den "Wiederaufbau des Symbols der untergegangenen Hohenzollerndynastie" als "etwas wirklich Neues" (???) (Junge Welt, 22.06.2012)

 

Wo soll da noch Geld für ein paar hundert SeniorInnen herkommen.

 

Die "B.Z.", die gerne den Aufmacher "Ganz Berlin..." überstrapaziert sollte ehrlicherweise schlagzeilen:

 

"Ganz Berlin fragt sich, wann ziehen Königin Merkel und ihr Hofnarr Woworeit endlich dort ein!"