Lediglich etwa 250 Nazis in Durlach; tausende auf Gegenaktionen; Polizeigewalt und Einschränkung der Pressefreiheit; Polizei verweigert Anzeige wegen versuchtem Todschlag
Lediglich etwa 250 Nazis haben sich zum sogenannten „Tag der deutschen Zukunft“ in Karlsruhe Durlach eingefunden. Der überwiegende Teil stammte aus dem Südwesten und Westen der Bundesrepublik.
Christian Worch, Bundesvorsitzender der Nazipartei „Die Rechte“ war sichtlich angefressen. Zu wenig Teilnehmer, Einschränkung der Redner und Ordner hatte vor Gericht bestand und die Teilnehmer hielten sich nicht Mal an die internen Auflagen (Worch selbst auch nicht). Nur drei Redner durften auf Seiten der Nazis auftreten. Allen anderen wurde der Auftritt auf Grund von Vorstrafen vewehrt.
Viele Teilnehmer mussten ihre Tätowierungen abkleben, um Strafverfolgungen zu entgehen. Das Tragen eines T-Shirts von des in Deutschland verbotenen Terrornetzwerks „Blood and Honour“ schien für die Polizei genauso wenig relevant zu sein, wie ein Transparent, auf dem ein Zitat der als kriminellen Vereinigung verbotenen Naziband „Landser“ prangte. Ein weiteres Transparent, auf dem Solidarität mit dem im NSU-Verfahren angeklagten Wohlleben wurde hingegen untersagt.
Während der Zwischenkundgebung versuchte eine Gruppe in ein Haus einzudringen, aus dem Protestmusik gegen den Naziaufmarsch ertönte. Die Polizei verhinderte dies.
Starker Gegenprotest
Schon ab dem frühen Morgen machten sich viele Antifaschist*innen auf den Weg nach Durlach.
Überall in der Stadt waren Transparente an Straßen und Häusern zu sehen, um sich gegen die Nazis auszusprechen. Der Turmberg wurde mit drei großen Transparenten eingehüllt.
Gut zweitausend Personen beteiligten sich an der von der Stadt initiierten Kundgebung vor dem Durlacher Bahnhof mit anschließendem Aufzug des DGB durch die Innenstadt.
Mehr als tausend weitere Antifaschist*innen protestierten überwiegend im nördlichen Teil von Durlach gegen den Naziaufmarsch. Mehrere Mahnwachen und Spontandemonstrationen zwischen diesen prägten überwiegend das Bild. Immer wieder tauchten einzelne Nazis und Kleingruppen von Nazis in der Gegend auf, denen der Zugang zum Aufmarsch verwehrt blieb, oder die die Konfrontation mit dem Gegenprotest suchten. Einzelne Versuche auf die Aufmarschstrecke zu kommen und diese zu blockieren wurden von einem martialischen Aufgebot der Polizei unterbunden.
Versuchter Totschlag – Polizei verweigert Anzeige
Zu einer unschönen Szene kam es am nördlichen Ortseingang auf der B3. Dort kontrollierte die Polizei ein mit Nazis besetztes Auto. Trotz des Fundes von mehreren Waffen, darunter Messer und ähnlichen Gegenständen, ließ die Polizei diese gewähren. Im Anschluss raste das Auto mit quietschenden Reifen auf eine Spontanversammlung zu. Nur mit viel Glück konnte Schlimmeres verhindert werden. Mehrere Personen erlitten einen Schock und mussten behandelt werden. Die Polizei nahm diesen versuchten Totschlag billigend in kauf und verweigerte die Aufnahme einer Anzeige. Der Fahrer und Mitfahrer sind der Polizei auf Grund der vorhergehenden Kontrolle bekannt.
Polizeigewalt und Einschränkung der Pressefreiheit
Statt dessen kam es immer wieder zu Gewaltexzessen gegenüber Antifaschist*innen. Die Polizei setzte Pfefferspray, Schlagstöcke, Hunde und Pferde ein. Über hundert Personen mussten von anwesenden Demosanitätern behandelt werden. Mehr als 30 weitere Personen mussten auf Grund von traumatischen Erfahrungen von der emotionalen Erste Hilfe Gruppe betreut werden.
Unvermittelt wurden mehrmals spontane Aufzüge angegriffen, die zwischen den Mahnwachen den Ort wechselten.
Auf Höhe der Turmbergstraße, Ecke B3 schlug ein Polizist unvermittelt um sich. Die erste Person wurde vom Schlagstock im Gesicht getroffen. Das besonnene Eingreifen von umstehenden Personen, die weitere Angriffe mit Fahrrädern und anderen Gegenständen abwehrten ist es zu verdanken, dass es keine weiteren Verletzten gab. Mehrere Familien mit kleinen Kindern waren in der Situation anwesend.
In ein leerstehendes Gebäude, welches sich in unmittelbarer Nähe des Hengstplatzes befindet, drang die Polizei mit Rammbock, Brecheisen und schwer bewaffnet ein.
Schon im Voraus verwehrte die Polizei einigen Pressevertreter*innen den Zugang zur Dokumentation des Naziaufmarsches. Die Begründung, die Personen nicht ausreichend schützen zu können, mutet auf Grund des Polizeiaufgebots und der geringen Anzahl an Nazis absurd an.
An anderen Stellen wurden Fotografen immer wieder von Beamten angegangen und an ihrer Arbeit behindert.
Fazit
„Die geringe Teilnehmerzahl der Gegenproteste in der Durlacher Innenstadt dürfte mitunter auf das im Voraus aufgebauschte Gewaltszenario zurückzuführen sein. Dieses hat sich am Tag selbst nicht bewahrheitet“, so Petra Schwarz, Pressesprecherin der Libertären Gruppe Karlsruhe.
„Erfreulich war die große Anzahl an engagierten Antifaschist*innen, die aus verschiedenen Teilen Deutschlands, der Schweiz und Frankreich angereist sind.“
„Die geringe Anzahl an Nazis ist vor allem auf interne Streitereien zurück zu führen, wobei das antifaschistische Engagement und die Verbote von Rednern und Ordnern ihr Übriges beigetragen haben“, so Schwarz weiter.
„Die Polizei musste Gründe suchen, um ihr martialisches Aufgebot zu rechtfertigen. Angriffe auf Antifaschist*innen und die Presse mussten dafür herhalten. Dass sie bewaffneten Nazis ermöglichte einen Angriff auf Gegendemonstranten durchzuführen, danach eine Anzeige verwehrt und nach mehreren Angriffen mit Pfefferspray, Schlagstöcken und einer Pferdestaffel von lediglich einzelnen verletzten Personen spricht, ist nicht hinzunehmen.“
„Dennoch konnte an diesem Tag trotz allen Widrigkeiten ein starkes Zeichen gegen Naziumtriebe gesetzt werden. Unser Dank geht an alle, die dies am Tag selbst und in den Monaten davor möglich gemacht haben, wie an die vielen Durlacher Anwohner*innen, die stets Verpflegung an die Protestierenden verteilt haben.“
In-die-Menge-Fahrer von rechts oder IS oder von wo?
Zweierlei Maß wie üblich.
Mit weniger Glück wäre dann zunächst ein Ereignis á la London letzthin rausgekommen. Dumm, daß dann das "IS-Täter"-Szenario wie eben in London o.ä. nicht gegriffen hätte. Dann wäre den Behördlichkeiten als Plan B nur wieder (spätestens wenn die Pol erfolgreich geschossen hätte und niemand mehr was hätte aussagen können) der Einzeltäter Typ Oktoberfestattentat oder das überschaubare Einzeltrio Typ NSU übriggeblieben, und somit alles klar und kein Anlaß, in irgendeine peinliche Richtung genauer zu schauen.
Strafvereitlung im Amt
Noch'n Nachtrag dazu:
Mit genügend Zeugen sollte das für Behördenärger wegen Strafvereitlung im Amt dick reichen. Die beliebte Rechtsblindheit...
Und ja, ich weiß: Zu Recht umstritten, auf eigene Weise wieder zweierlei Maß, wenn "wir" uns wünschen, daß die Behördlichkeiten die Nazis mit mindestens demselben Engagement und den, ja, "Repressionsmethoden" behandeln, die wir gegen "uns" Scheiße finden. Dickes großes Thema der Legitimation jedweden staatlichen Gewaltmonopols, aber sprengt hier den Rahmen.