„Connewitz wird brennen“. So lautet ein Twitterpost in der Nacht vom 6. auf den 7. Juli 2016, welchen der Leipziger Nutzer des Netzwerkes bereits wieder gelöscht hat. Doch er beschreibt den noch weiter gezogenen Kreis, welcher sich im Vorfeld des heutigen 9. Juli rings um die Auseinandersetzungen zwischen Legida und ihren Gegnern gezogen hat. Nach dem Überfall auf den Legida-Ordner Ronny U. am Abend des 4. Juli in Böhlen rast eine Welle des Hasses gegen die unbekannten Täter durchs rechte Netz. Heute möchte man seitens Legida ab 15 Uhr auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz „gegen Gewalt“ demonstrieren.
+++ 18:30 Uhr: Zum Versammlungsgeschehen die Polizei & ein paar Fragen +++
Zusammengefasst könnte man sagen, es war aus polizeilicher Sicht nichts los. Was ja dem Motto des Tages entspricht – beide Seiten hatten ja zumindest Gewaltlosigkeit auf der Fahne stehen. Bis auf einen angetrunkenen 72-jährigen Mann, welcher offenbar am Motto wenig teilnehmen wollte und sich in den Reihen von NoLegida auf dem Addis-Abeba-Platz mit einem Cuttermesser einfand, vermelden die Beamten einen vorkommnisfreien Nachmittag in Leipzig.
Während sich der zeitig betrunkene Teppichschnippler vom NoLegida-Veranstalter der Polizei übergeben und nun ernüchtert einer Anzeige wegen des Verstoßes nach dem Waffengesetz in Verbindung mit dem Versammlungsgesetz konfrontiert sieht, darf man also Gewaltfreiheit vermelden (Stand 18:30 Uhr).
Interessant für die Geschichtsbücher vielleicht – offenbar war es amtlich gesehen heute eine Legida-Veranstaltung welche keine war. Laut Polizei hatte „eine Privatperson eine Versammlung“ unter dem Motto „Wir gegen Gewalt“ angemeldet. Stellen sich also noch sicher wenig ernsthafte Fragen im Nachgang an Legida und alle Sympathisanten. Wer ist dieser „Wir“, wenn ja, wie wenige?
Vor allem aber: kann man demnächst bei Legida Werbekampagnen für seine Demonstration in Auftrag geben? „Wir für mehr Hass im Netz“, „Wir wollen alles und das jetzt“ oder „Wir für uns“ wären erste, und mal positiv, nach vorn formulierte Vorschläge für die nächste Demonstration, welche Legida und doch nicht Legida machen könnte.
+++ 17:20 Uhr: Mal wieder Netz contra Realität +++
Allmählich sollte man wohl alle Anmeldungen seitens Legida deutlich anders unter die Lupe nehmen. Es werden – wie am Montag, den 4. Juli bereits geschehen – 1.000 Teilnehmer angemeldet, der Polizeieinsatz wird entsprechend geplant und durchgeführt und es kommen 250. Man räumt auch aufgrund dieser Anmeldungen den Richard-Wagner-Platz ein, beschneidet andere Initiativen für die Islam- und Ausländerfeinde und anschließend beweist Legida ein ums andere Mal, dass sie das Recht auf Demonstrationsfreiheit dazu nutzen, mit Minigruppen, welche auch andere Routen nehmen könnten, den Ring lahmzulegen.
Am heutigen 9. Juli lag die von Legida angemeldete Zahl der erwarteten Teilnehmer bei 2.000. Zu zählen waren um die 100, vor Ort versuchte man nach der massiven Mobilisierung auf der Facebookseite von Legida fast so zu tun, als ob es mit dem Bündnis nichts zu tun hätte. Im Vorfeld hatte das Bündnis jedoch die Möglichkeiten Facebooks genutzt, um gegen Jürgen Kasek zu hetzen und das Bild in die Welt zu stellen, er sei Schuld am Überfall auf einen Ordner namens Ronny U. am Montag, den 4. Juli. Statt die Ermittlungen abzuwarten oder sich mal wirklich mit dem Thema Gewalt auch in den eigenen Reihen zu befassen, rief man zur „Wir gegen Gewalt“ – Demo. Es sollte eine Massenveranstaltung werden – doch irgendwie glaubt auch Legida keiner mehr so richtig nach all den Monaten.
Am Ende haben es ihnen nicht einmal die eigenen Anhänger abgenommen. Die Gewaltaffinität ist bei Legida selbst offenkundig schon so tief verankert, dass es ganz im Gegenteil zu deutlichen Statements kam, man hier eher zu Gegengewalt aufrief. Auch eine Frau, welche es sich seit Monaten zur Aufgabe bei Pegida und nun im Namen Legidas machte, gegen alles und jeden zu polemisieren, der nicht AfD, Deutsch oder die eigene Bewegung ist, fehlte heute ebenfalls.
Tatjana Festerling vermochte sich offenbar nicht hinter der Gewaltlosigkeit versammeln. Vielleicht war sie mal wieder in Bulgarien – Flüchtlinge jagen – und hatte einfach keine Zeit für ihr Hobby Legida? In einem jedenfalls hat Legida heute Wort gehalten – die bereits bekannten Extremisten kamen nicht, eventuell malen diese lieber an den nächsten Bannern und hängen sie an Brücken oder organisieren weitere Kampagnen gegen Andersdenkende?
Wie das Selbstverständis in der angeblichen Opferrolle bei Legida ansonsten so ist, zeigte heute eine andere Szene. Am Rande der Ansprache von „Jens“ äußerte eine Dame unter körperlichem Einsatz gegen einen erkennbaren Pressevertreter der L-IZ: „Verschwinden Sie hier, ich habe es satt. Gehen Sie rüber zu dem Gesindel, Sie Feigling“ und zeigte auf den Gegenprotest. Dumm für die angebliche Friedfertigkeit, dass Ihre Äußerungen auf einem L-IZ – Mitschnitt landeten. Ein guter Anfang für einen gewaltlosen Dialog sieht jedenfalls deutlich anders aus.
Die Demonstrationen gingen (Stand 17:30 Uhr) ohne weitere Vorkommnisse zu Ende. Nun folgen noch ein paar Videosequenzen und der Polizeibericht.
+++ 16:50 Uhr: Noch einmal zurück zu einem Redebeitrag, in dem es um Geld geht +++
Das klingt doch richtig gut, was der Jens da zu erzählen hat. Aus seiner Perspektive dürfte es auch stimmen, dass Deutschland im engeren Sinne kein reiches Land ist (ist es doch), wenn man die Staatsverschuldung nimmt. Ein Gespräch mit einem guten Ökonomen könnte da jedoch helfen. Einer Staatsverschuldung stehen immer auch Güter des Allgemeinbesitzes und die Produktivität einer Bevölkerung gegenüber. Und natürlich auch Sparguthaben und Privatbesitz. Da muss sich Deutschland (statistisch) wahrlich keinen Kopf machen.
Und ein Staat muss hier und da investieren, um in ein paar Jahren auch „Ernten“ einfahren zu können – Bildung ist da ein sehr schönes Beispiel, Entwicklungshilfe auch.
Verteilungsgerechtigkeit ist wohl eher ein Begriff, der debattiert werden sollte. Auch mit Jens, wenn ihm das nicht „zu links“ ist (Video folgt, dann kann man noch mal schauen, ob er es auch so sieht). Seine Lösung – allerdings etwas an den oben genannten Fakten vorbei – den Menschen in der „dritten Welt“ helfen, dann müssen sie nicht hierher. Entwicklungshilfe demnach, sehr gut – da muss wirklich mehr Geld rein und weniger Waffen wären auch nicht übel. Nur ist es für Jens offenbar ein Problem mit dem Teilen, wenn es in Deutschland stattfindet. Also direkt vor Ort, nicht immer leicht bei diversen Regimen – aber richtig im Gedanken.
Nun die Preisfrage: Wer es Jahrzehntelang nicht so mit dem Teilen hatte, ist halt nun dazu gezwungen. Eine Frage der Reihenfolge.
Interessant, dass die Bereitschaft dazu also nun gestiegen ist, seit die Flüchtlinge kommen. Da sollte die Politik mal genauer hinhören. Auch wenn es sein könnte, dass es der Jens so eigentlich doch nicht meint – obwohl er natürlich die Ausländer mag, die hier (das Dönermann-Beispiel) ihren Lebensunterhalt verdienen. Mit denen muss er nämlich gar nicht teilen – die können sich selbst ernähren und ihn gleich noch mit: für 3 Euro oder so.
Nachtrag zum Video
Ein paar Worte noch zusätzlich zu den „ökonomischen Darstellungen“ von „Jens“ an dieser Stelle, da es sich um einen der Dreh- und Angelpunkte bei der Propaganda gegen neue Mitbürger, Flüchtlinge und Asylbewerber handelt.
Von einem Reichtum oder einer Armut einer Gesellschaft muss man immer in mehreren, alle letztlich mit dem Erfolg eines Zusammenlebens verknüpften Kategorien sprechen. Soziokulturellen, ökonomischen, binnen- und außenwirtschaftlichen sowie Faktoren, welche zukünftig auf die Gesellschaft einwirken werden. So ist es beispielsweise unter dem Gesichtspunkt der Ökonomie auch wichtig, wie die Sicherheitslage eines Landes ist, wie die Bildung der Bürger, wie das Wirtschaftsklima und natürlich auch, wie ein Land mit neu hinzukommenden Menschen umgeht.
Apropos Umgang: Gleich zu Beginn seiner von der üblichen Legida-Rhetorik getragenen Rede des teuren Flüchtlings, den das Land nicht benötige und den Staat Unsummen kosten würde, wertet „Jens“ den Gegenprotest als nicht Steuern zahlend und unerfahren (nichts begriffen) ab.
Selbst wenn dem so wäre, sollte er sich auf der sozioökonomischen Ebene bei ihnen bedanken gehen. Mal abgesehen davon, dass sie mal seine Rente zahlen werden. Denn nicht er, sondern sie sind es, welche versuchen, über viele Initiativen Flüchtlinge in die Stadtgesellschaft zu integrieren. Und der Beginn ist dabei immer das Kennenlernen. Da scheint der Wille bei „Jens“ vermutetermaßen im Besuch seines Dönerladens zu enden.
Der Rest, der nicht gleich Arbeit findet (weil viele auch nicht arbeiten dürfen) gehört hier nicht her, sagt der „Jens“ und muss ins Kriegsgebiet oder ins soziale Elend zurück. Dann kann man ihnen „zu Hause“ helfen. „Jens“ ist sicherlich seit Jahren in unzähligen Initiativen aktiv, welche sich um Entwicklungshilfe in fernen Ländern bemühen. Und weil wir ja keine Unmenschen sind, warten wir ab, bis die Kriege zu Ende sind. Kann dauern. Wann das ist, weiß auch der „Jens“ nicht – aber er weiß: Die gehören hier nicht her, also zahlen wir auch nix.
Im Weiteren aber sollte sein Dank an die Gegendemonstranten gehen, weil Menschen, die sich in einem sozialen Umfeld wiederfinden, weniger kriminell werden, als Menschen, welche isoliert und herabgewürdigt werden. Anders gesagt: Da versuchen gerade viele Menschen, es nicht dazu kommen zu lassen, dass sich ein ökonomisch und sozial isolierter Flüchtling an „Jens“ Geldbörse zu schaffen macht. Während „Jens“ glaubt, die Frage dadurch lösen zu können, indem er sagt: Ausländer raus. Hat er nicht gesagt, stimmt. Aber gemeint.
Aber „Jens“ sieht in seinem Redebeitrag ja noch mehr. Nämlich, dass Geld, welches in die Flüchtlingsaufnahme und Integration fließt, für andere Investitionen fehlen würde. Er scheint neu in der Debatte zu sein – sonst wüsste er, dass die Diskussion, mehr Geld in Bildung, Sicherheit, Verkehrsinfrastruktur und Zukunft zu stecken, in Sachsen bereits seit mindestens 2009 auch auf der L-IZ.de tobt. Als demokratische Debatte versteht sich – manchmal kommt sie einem in der Tat sehr zäh vor.
2009. Da waren die Flüchtlingszahlen in Deutschland nahe dem Nullpunkt, bis 2014 übrigens.
Interessant ist auch, dass „Jens“ nicht verstanden hat, dass eine Investition ins „eigene Volk“ immer auch bedeutet, Straßen, Schulen und Wohnungen für alle zu bauen. Es sei denn, er möchte einen blauen Passierschein A37, oder halt einen neuen Judenstern, der dann den Bezug der neuen Sozialwohnung ausschließt. An denen könnte es tatsächlich fehlen, am besten baut man sie bei dem Bevölkerungswachstum in der Stadt in allen Leipziger Vierteln, damit die Segregation sich nicht fortsetzt – aber weiße Wohnungen für weiße Bürger wird es wohl nicht geben, „Jens“.
Es werden übrigens Kitas und Schulen am Stück neu gebaut in „Sachsen“. Da hat der Jens nicht mitbekommen, dass seine „Zusammenlegungen von Schulen“ auf dem Land stattfinden – hier schlägt gerade der demografische Faktor zu – während Leipzig mit den Neubauten und Sanierungen kaum noch hinterherkommt. Übrigens vor allem, weil die Leipziger Kinder bekommen und immer mehr in unserer Stadt leben wollen.
Dass auch die Kitas und Schulen nicht nur fürs „eigene Volk“ gebaut werden, ist dabei auch selbstverständlich. Ansonsten – siehe oben, die Sache mit dem Passierschein. Könnte man ja gleich mehrere Arten entwerfen: „Deutscher Steuerzahler“ für „Jens“ vielleicht. In Rot, wenns wenig ist und in Grün, wenn er ganz viel einzahlt.
Und am Ende muss man den „Jens“ durchaus auch was fragen: Was er besser findet. Einen Flüchtling, welcher vielleicht in 5, 10 oder 15 Jahren tatsächlich in sein Land zurückkehrt und sich freundschaftlich an ihn erinnert, vielleicht durch einen Berufsabschluss was dazugelernt hat und sein Land tatsächlich nach Krieg und Verderben wieder aufbauen kann. Oder einen, welchen der „Jens“ ohne Chancen bis dahin einfach so vor sich hinvegetieren lässt?
Würde man die Sprache von Jens verwenden (was hier zugegebenermaßen teilweise passiert ist), müsste man es wohl so formulieren: „Wenn der Jens heute Steuern zahlt, dann kann er das, weil er eine Schulbildung gesponsert bekam. Das Fach Ökonomie gabs zwar nicht, aber er hat Deutsch gelernt. Sehr wahrscheinlich kam das Geld dazu auch von zugewanderten Steuerzahlern. Und die Polizei kann heute auf ihn aufpassen, während er seine Reden schwingt, weil auch der von ihm angesprochene `Dönermann` Steuern zahlt. Und wenn der liebe „Jens“ mal alt ist oder Hartz IV bekommt, dann werfen wir ihn einfach aus dem Land – denn dann zahlt er ja auch keine Steuern mehr. Und für den Zufall, ausgerechnet hier geboren zu sein, gibt es keinen Bonus.“
Fazit: Vielleicht könnte „Jens“ sich ja ab und zu mit Menschen unterhalten, die etwas über Ökonomie wissen. Ein bisschen Volkswirtschaftslehre wäre auch gut und Bildungspolitik. Bei Pegida in Dresden 16-Jährige zu fragen, um sie vorzuführen, sollte man sich lieber überlegen. Denn die haben erstmal nur ein nicht ganz falsches Gefühl, dass der Ökonomie-Lehrer „Jens“ vor allem eines möchte: Andere Menschen ausgrenzen und ärmere Menschen gegen Flüchtlinge ausspielen. Hier schön mit einer volkswirtschaftlichen Ökonomie aus der heimischen Wohnstube.
Denn alle beklagbaren Missstände in einem der nachweislich reichsten Länder der Erde haben mit Flüchtlingen rein gar nichts zu tun. Wäre man wieder bei dem Thema, dass mehr Gleichberechtigung und Bildung wirklich allen gut tun würde. Auch dem „Jens“.
+++ 16:40 Uhr: Mal ein Blick auf die andere Seite +++
Der Gegenprotest ist weiter angewachsen, auf der Seite von NoLegida dürften die 200 Teilnehmer überschritten sein – auch wenn dies wie immer vor Ort ad hoc schwer abzuschätzen ist. Eins, zwei Gegenprotestler wollten sich der Gewaltlosigkeit nicht so ganz anschließen und die Polizei hat den Ruf vernommen.
Nach einer Rangelei wird ein Teilnehmer des Gegenprotestes (etwas abseits der eigentlichen Gegenproteste) abgeführt. Im Umfeld der Legida-Demonstration hatte sich eine etwa 10 Personen große Gruppe in einer spontanen Gegendemonstration auf der Legida-Strecke versucht und war abgedrängt worden.
Insgesamt bleibt das Bild jedoch übersichtlich. Die Polizei dürfte heute in der zahlenmäßigen Überlegenheit vor Ort sein, die Lage ist so weit entspannt.
+++ 16:21 Uhr: Weitere Redebeiträge zu Gewalt bei Legida +++
Ein weiterer Redner hat sich noch mal mit den Überfällen auf Legida befasst und listet 3-4 Beispiele auf, bei denen es zu körperlichen Angriffen (darunter auch Ronny U. vom Montag, ein Fall, wo dies unklar ist) gegen Teilnehmer gekommen ist. Jeder einzelne Fall ist falsch – dies auch mal deutlichst und wiederholt vonseiten der L-IZ. Auch uns fallen natürlich welche ein: darunter auch das rüde angegangene Rentnerpaar ganz vom Beginn der Demonstrationen damals noch auf dem Augustusplatz, eine attackierte Frau im Waldstraßenviertel (ebenfalls vom Beginn) und einige eher als Schlägerei zu titulierende Aufeinandertreffen von Hooligans auf Gegendemonstranten in der Folge ebenfalls 2015.
Aber die Anzahl von drei lässt nun weniger auf andauernde und massive Übergriffe auf Beteiligte der Legida-Demonstrationen angesichts der Menge und Häufigkeit der Demonstrationen seit Anfang 2015 schließen, lässt man den noch ungeklärten Fall um Ronny U. mal außen vor. Da hat Legida gegenüber Journalisten allein mehr auf dem Kerbholz.
Der namentlich unbekannte Redner fordert die Medien dazu auf, zur Gewaltlosigkeit aufzurufen. Da kommt er zwar spät damit – aber natürlich stimmen wir da zu.
L-IZ – Leser wissen, dass dies lange Zeit eine Art Dauerkampagne dieser Zeitung war. Aber immer wieder gern: Bleibt alle ruhig, keine Gewalt! Und wer einen Journalisten attackiert, wird natürlich angezeigt – wissen ja einige Legida-Teilnehmer schon.
+++ 16 Uhr: Eine Minirunde bei einer Miniveranstaltung +++
Legida hat sich nun doch entschieden, das kleine Häuflein in Bewegung zu setzen. (zu den bisherigen Redebeiträgen kommen wir gleich noch) „Alerta, alerta, Antifaschista“ ertönt es vom Bayerischen Platz entgegenkommend. Eine Gruppe von 10 Personen versucht eine Gegendemonstration anzumelden – insgesamt ist das heute alles eher eine der üblichen (gewaltfreien) Kleinstkonfrontationen statt der seitens Legida offenbar erwarteten Revolution an diesem Samstag.
Legida dreht dem folgend auch nur eine Minirunde um den halben Wilhelm-Leuschner-Platz – ein Marsch von vielleicht 10 Minuten mit knapp 100 Teilnehmern.
+++ 15:30 Uhr: Wie funktioniert das bei Legida? +++
Madlen, die erste Rednerin, hat so etwas wie das Standardrepertoire von Legda bei ihrer Ansprache parat. Erst geht es relativ locker los, die Gewalt von links würde eskalieren, die Politik nicht handeln und die Medien verharmlosen. Links und Rechts würden sich spalten lassen, doch eigentlich gehe es ja um den Kampf gegen die Herrschenden.
Ok, richtig ist, dass „Linke“ – vielleicht sagt man mal einfach „differenziert denkende Menschen“? – eher wenig Lust haben, sich mit Leuten zusammenzutun, welche als Nächstes folgendes anbieten: Nun verliest Madlen einen imaginären Brief einer Mutter an ihre Tochter, bei welchem es sich um die ganz normale Hetze handelt.
So schreibt die imaginierte Mutter an ihre nicht vorhandene Tochter, dass sie sie nun nicht mehr schützen könne. So kann nun die Tochter nicht mehr auf dem Spielplatz spielen, denn es sind ja nun Flüchtlinge da, die morden und rauben würden. Das ist einfach ausländerfeindliche Hetze. Es gibt also keinen Grund, den Medien Verharmlosung vorzuwerfen. Das kann man nur so beschreiben.
+++ 15:10 Uhr: Enttäuschung bei Legida – stell Dir vor, es glaubt keiner +++
Eigentlich müsste die Polizei mal den Helikopter landen lassen und selbst zu etwas mehr Ruhe zurückfinden. Rund 100 Teilnehmer haben sich gerade einmal bei Legida eingefunden. Offenbar glaubten die rund 3.000 Menschen, welche die Anschuldigungen gegen Jürgen Kasek, welcher laut Legida immerhin angeblich Aufträge an die Antifa erteilen könne, im Netz geteilt haben, selbst nicht so richtig dran. An die Gewaltlosigkeit wohl auch nicht.
Von einem breiten Protest, wie von Legida im Vorfeld verkündet, ist jedenfalls nichts zu sehen. „Der Lange aus Roßwein“ – ein Dauerredner bei Legida und bekannt für schlechte Parodien auf den Leipziger Polizeichef – zeigt sich enttäuscht. Der Rundgang könnte aufgrund der mangelnden Menge abgsagt werden. Derzeit überlegt Legida, eine stationäre Kundgebung zu veranstalten.
+++ 14:40 Uhr: Matter Auftakt – eine misslungene Inszenierung +++
Die Innenstadt ist mal wieder halb verrammelt, der Helikopter kreist am Himmel und bei Legida haben sich bislang kaum mehr als 50 Personen eingefunden. Etwa 100 Gegendemonstranten von NoLegida & Leipzig nimmt Platz haben sich unterdessen an der Brüderstraße auf dem Addis-Abeba-Platz eingefunden. Viel Zeit hatten beide Seiten nicht zur Mobilisierung im Vorfeld, seit Mittwoch erst wirbt Legida für seinen Aufmarsch am heutigen Samstag in der Leipziger City.
Während man hier im Angesicht des bislang ungeklärten Überfalls auf einen eigenen Ordner „gegen Gewalt“ demonstrieren möchte, ist NoLegida heute mit dem Slogan: „Solidarität mit allen Betroffenen rechter Gewalt“ am Start.
Interessant wird demnach sicher werden, ob heute – wie sonst regelmäßig – bei Legida Vertreter der Rechtsradikalen bis –extremen Szene auftreten werden. Beworben hatte man die Veranstaltung mit dem Hinweis: „Wir werden gemeinsam zur Demonstration „WIR GEGEN GEWALT“ keinerlei Neonazis, Antifa oder jegliche Extremisten dulden! Nicht am Samstag und auch nicht zu jeder weiteren Demonstration, zu der wir aufrufen!“
Bereits im Vorfeld hatten sich einige Fans der Islamfeinde gemeldet und mitgeteilt, an der Sache nicht teilnehmen zu wollen, es helfe ja doch nur noch Gegengewalt. Frage Nummer zwei dürfte also heute auch sein, ob Legida den Anspruch selbst überhaupt wird einlösen können.
Bereits im Vorfeld war es zu massiven Bedrohungen gegenüber NoLegida-Mitinitiator und Rechtsanwalt Jürgen Kasek vor seiner Kanzlei in Leipzig Stötteritz gekommen Auf einem Transparent war zu lesen gewesen: „Kasek = Auftragskiller“, in die Welt gesetzt durch „Wir lieben Sachsen / Thügida“ (als „Zusendung aus Leipzig“) – ein mindestens durch den bekannten Ex-NPD-Kandidaten und heutigen „Die Rechte“-Mitglied und Dauerteilnehmer bei Legida Alexander Kurth. Laut Eigendefinition von Legida müsste der einschlägig vorbestrafte Gewalttäter ebenso des Platzes verwiesen werden, wie dem Anfang 2016 aus der NPD entschwundenen Stadtrat Enrico Böhm.
Bislang bleiben die Ausschlüsse und Beteuerungen seitens Legida demnach eher Lippenbekenntnisse, die gesamte Zeit vor der heutigen Demonstration war von immer wiederkehrenden Gewaltphantasien im Netz geprägt, die Beteiligung von einschlägig bekannten Rechten in den eigenen Reihen war angesichts breiter Berichterstattung offenkundig wissentlich geduldet.
In Connewitz jedenfalls ist man angesichts des Gewaltexzesses vom 11. Januar 2016 vorgewarnt. Noch einmal möchte man nicht erleben, wie über 200 Männer durchs Viertel ziehen und Schaufensterscheiben zerschlagen, rechte Parolen brüllen und sich wie die SA aufspielen. Bis heute hat sich Legida zum Gewaltexzess dieses Montages nicht geäußert, dass hier eher heimlich Applaus geklatscht wurde, ist ebenso anzunehmen, wie bei den ebenfals unkommentierten Übergriffen auf Journalisten aus Legida-Demonstrationen heraus.
Es bleibt eine Inszenierung „gegen Gewalt“ seitens eines Bündnisses, welches einen polizeilich noch ungeklärten Fall zur Heldenverklärung nutzt. Legida hat mit Ronny U. einen Märtyer gefunden, welcher auch bereitwillig die Kampagne unterstützte.
Grossartiger Text !
Jens wird auch irgendwann stiller. Es sei denn, er ist volksgenetisch merkbefreit.
Danke Euch !