Linke definieren sich kaum noch über Musik, Neonazis umso stärker. Die Doku „Deutsche Pop-Zustände“ geht der Geschichte rechter Musik nach.
Dank der HipHop-Band Antilopen Gang wissen wir: „Beate Zschäpe hört U2.“ Bekannt ist aber auch, dass sie mit ihren Freunden vom NSU regelmäßig Konzerte von strammen Neonazi-Bands besucht hat. Überhaupt scheint der NSU starke Bande zur rechten Musikszene gehabt zu haben.
Er wurde von einem Ableger des internationalen Rechtsrock-Netzwerks Blood & Honour unterstützt, ein Bekennervideo wurde mit Stücken der Neonazi-Band Noie Werte unterlegt und dann gibt es noch Gigi & Die Braunen Stadtmusikanten, die auf einem Song ihres Albums „Adolf Hitler lebt!“ einen gewissen „Döner-Killer“ besangen. Die Band heroisierte den NSU zu einer Zeit, in der die Staatsanwaltschaft noch nichts von dessen Existenz wusste.
In ihrem Dokumentarfilm „Deutsche Pop-Zustände – eine Geschichte rechter Musik“, der heute auf 3Sat zu sehen ist, gehen die Regisseure Lucía Palacios und Dietmar Post der Bedeutung von Musik im rechten Spektrum nach. Das Ergebnis ihrer Recherche ist beunruhigend: Während Popmusik für die Linke immer weniger identitäre Bedeutung hat, verfeinert die Rechte ihren Umgang mit Musik als Mittel der Propaganda und Agitation.
Wer sich heute für rechts hält, muss nicht mehr Endstufe und Störkraft und deren martialischen Metalcore voller Hassbotschaften hören, sondern kann auch mal über Neonazi-Schlager schmunzeln, rechten Liedermachern mit Akustikgitarren lauschen. Selbst HipHop gibt es jetzt für Rechte, Verzeihung, „deutschen Sprechgesang“.
Jugendkulturen definieren sich heute kaum noch über Musik, Neonazis dagegen umso stärker. Der für den Film interviewte Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer, dessen Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ titelgebend für die Dokumentation ist, glaubt, dass die textliche Verrohung in Nazi-Songs, in denen fröhlich zum Massakrieren aufgerufen wird, letztlich zu Taten wie denen des NSU führen.
Ist Rammstein rechts?
„Deutsche Pop-Zustände“ verfolgt sein Thema geradlinig und zielgerichtet, beinahe didaktisch. Dass der Nazi-Musik eine immense Wirkmacht zugestanden wird, merkt man daran, dass Beispiele meist nur vermittelt gezeigt werden. Man sieht Rechtsrock-Experten, wie sie sich am Laptop einen Rechtsrock-Clip ansehen, ganz so, als könne es bei diesem Thema gar nicht genug kritische Distanz geben.
Relativ chronologisch wird dann die Entwicklung rechter Musik seit Ende der Siebziger bis heute referiert. Von den Böhsen Onkelz über allerlei Skinhead- und Hooligan-Bands bis hin zum ersten etwas bekannteren Nazi-Rapper MaKss Damage ist alles dabei. Dazwischen wird kurz die Frage aufgeworfen, ob Rammstein denn nun wirklich rechts sind.
Das Aufkommen bestimmter Bands und ihrer Themen wird dabei mit gesellschaftspolitischen Ereignissen gespiegelt, mit Roland Kochs Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft Ende der Neunziger, den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen, mit dem neuen Schland-Patriotismus nach der Fußball-WM 2006.
Nicht an schlecht durchleuchteten Rändern der Gesellschaft entsteht demnach all die Blut-und-Boden-Musik der rechten Szene, sondern in deren Mitte. Und am Ende haben wir Xavier Naidoo, der sich inzwischen zu den völkischen Verschwörern der sogenannten Reichsbürgerbewegung bekennt und gleichzeitig in der Jury von „Voice of Germany“ saß.
Doku in der 3sat-Mediathek
Die sehenswerte Doku „Deutsche Pop Zustände - Eine Geschichte rechter Musik“ ist noch wenige Tage in der Mediathek zu sehen: http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=54740