Nach der Gewalt appelliert Gerichtschef an Linksautonome

Erstveröffentlicht: 
06.03.2015

Wolting: Viele Leistungen der Behörde helfen auch gewalttätigen Steinwerfern Von björn meine Irgendwie, findet Amtsgerichtspräsident Michael Wolting, schneiden sich linksextreme Randalierer ins eigene Fleisch. Am 15. Januar hatten sie in Zentrum und Südvorstadt mehrere zehntausend Euro Schaden angerichtet; sie griffen Banken und Geschäfte an, demolierten Autos, rissen Schilder heraus. Auch das Amtsgerichtsgebäude in der Bernhard-Göring-Straße war betroffen - hier hatten die Autonomen 40 Fenster sowie Türen zerstört, mit Steinen und schwerem Werkzeug.


Das Amtsgericht sei nicht nur für die Rechtssprechung da - eine Funktion, in der die Behörde für Linksextreme ein Feindbild darstellt. Es gibt viele Hilfsleistungen, die vor allem von den Schwächeren und Är­meren genutzt werden, betont Wolting. Die Rechtsantragsstelle zum Beispiel. Dort werden Beratungshilfescheine erteilt - allein im vergangenen Jahr 1833. Solche Scheine finanzieren eine anwaltliche Erstberatung, wenn es Probleme mit dem Jobcenter gibt oder bei Klagen und Mieterhöhungen. Weitere Leistungen des Gerichts: Es gewährt unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe. "All das sind staatliche Unterstützungen für die Schwächeren der Gesellschaft." 20 Prozent der Schäden vom 15. Januar entstanden in der Rechtsantragsstelle. Wolting: "Es waren Büros von Rechtspflegern betroffen, die solche Fälle bearbeiten."


Am Zivilgericht gebe es immer wieder Entscheidungen, mit denen das Gleichbehandlungsgesetz durchgesetzt werde. Gerade sei einem Mann Schadensersatz zugesprochen worden, der wegen seiner Hautfarbe nicht in eine Disko durfte. Das Amtsgericht schreitet ein, um Stalking-Opfer zu schützen oder auch Kinder und Frauen vor Gewalt. Die Rechtspflege hilft Hinterbliebenen nach Todesfällen. Wer das Amtsgericht bekämpfe, bekämpfe eben genauso solche Funktionen der Behörde, so Wolting. "Funktionen, die auch denen helfen können und sollen, die hier Steine geworfen haben."


Der Amtsgerichtschef appelliert an den Verstand der Linksautonomen. Ihm ist klar: "Hardliner, die uns als Teil des repressiven Systems ansehen, werden wir nicht erreichen." Natürlich sei ein Gericht Teil des Staates. Und natürlich müssten sich hier auch Leute verantworten, die Lebensmittel geklaut haben oder die schwarz gefahren sind. "Aber in der ­Regel werden hier nicht Leute bestraft, die es sich nicht leisten können, sondern solche, die etwas aus Prinzip tun." Dabei gehe es dann um die Grundregeln einer Gesellschaft, um die Rechte Dritter, um den Schutz des Eigentums. Es sei allen Gesellschaftssystemen gleich, dass sie verbindliche Regeln brauchen. Für sich und seine Mitarbeiter nimmt Wolting in Anspruch, mit Fingenspitzengefühl und Augenmaß zu entscheiden.

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An jenem Tag habe ich tatsächlich selber an die jetzigen Argumente von Wolting gedacht, denn ich kenne Fälle, bei denen der Laden durchaus "in unserem Sinne" hilfreich war. Und ich finde, der Apell ist die beste Reaktion, die er auf die Aktion hätte bringen können, in jedem Fall besser als das übliche pauschale Zecken-Bashing. Wenn hier jetzt wieder das Bashing auf jene losgeht, die sich damals "entsolidarisierten", bestätigt das nur den Sinn dieses LVZ-Artikels.