Eine massenkompatible Bewegung haben die Neofaschisten von Casa Pound in Italien geschaffen. Von ihrer Zentrale in Rom aus wollen sie das Erbe Mussolinis ins "dritte Jahrtausend" führen.
Jan-Christoph Kitzler
Deutsche Neonazis und Vertreter der so genannten Neuen Rechten
blicken mit Neid in Richtung Italien. Immer wieder pilgern
Delegationen nach Rom zur Zentrale der rechtsextremen Bewegung Casa
Pound und veröffentlichen anschließend ihre begeisterten Berichte,
die man auch im Internet nachlesen kann. Casa Pound hat
offensichtlich etwas geschaffen, wovon deutsche Rechtsextreme noch
träumen: eine Bewegung, die mit ihren Botschaften und Aktionen
massenkompatibel geworden ist, die oszillierend zwischen Popkultur
und rechter Subkultur und unter dem Schlagwort Nonkonformismus vor
allem junge Menschen erreicht.
Der Aufstieg ist Casa Pound
gelungen, obwohl – oder gerade weil – die Vertreter der
Organisation kein Problem damit haben, sich als "Faschisten des
3. Jahrtausends" zu bezeichnen. Damit haben sie in den Augen
ihrer Anhänger den Spagat geschafft zwischen dem Erbe einer von
Mussolini geprägten Vergangenheit und einem Versprechen für die
Zukunft.
Casa Pound – der Name ist nicht zufällig gewählt:
Ezra Pound (1885-1972), der amerikanische Dichter, war ein glühender
Bewunderer des italienischen Faschismus. Von Italien aus
veröffentlichte er antisemitische und rassistische Hetze. Vom
Faschismus hat er sich auch nach dem 2. Weltkrieg nie distanziert.
Casa Pound hat sich seit seiner Gründung 2003 in ganz
Italien ausgebreitet. Gegründet wurde die Organisation auch, um den
linken Centri Sociali, den Sozialzentren, etwas entgegenzusetzen und
das weite Feld der alternativen Subkultur nicht linken Gruppierungen
zu überlassen. Weil Casa Pound den Status einer gemeinnützigen
Organisation hat, kann sie Spendengelder akquirieren. Inzwischen gibt
es rund 50 Standorte, 17 Regionalorganisationen. Casa Pound unterhält
Bars und Buchläden und hat nach eigenen Angaben mehr als 4.000
Mitglieder, die Zahl der Unterstützer dürfte noch deutlich höher
sein. Diese Ausbreitung ist, von einigen Anschlägen militanter
linker Gruppen abgesehen, weitgehend ungebremst vonstatten gegangen.
Eine Gegenöffentlichkeit wie bei vielen deutschen NPD-Aufmärschen
gibt es bei den Demonstrationen von Casa Pound in Italien nicht. Der
italienische Staat und Italiens Politik hatten Casa Pound bislang
wenig entgegenzusetzen. Im Unterschied zu Deutschland ist die
rechtsextreme Organisation fest in der Studenten- und Schülerschaft
verankert und damit potentiell in der Lage intellektuelle Kreise zu
erobern.
Casa Pound profiliert sich als soziales Gewissen
Das Markenzeichen von Casa Pound ist eine
futuristisch-stilisierte, schwarz-weiße Schildkröte mit achteckigem
Panzer und hohem Wiedererkennungswert. Auf Demonstrationen treten die
Anhänger in der Regel blockweise in recht einheitlicher Kleidung
auf, oft werden dabei hunderte von Fahnen mit der "Tartaruga"
geschwenkt. Martialisch kommen sie daher – wie derartige Auftritte
als non-konformistisch verkauft werden können, bleibt ein Geheimnis
des Marketings von Casa Pound.
Ihre Themen ziehen. Immer
wieder versucht sich die Organisation, mit Aktionen für bezahlbaren
Wohnraum, bessere Schulen oder saubere Städte als soziales Gewissen
zu profilieren. Man kritisiert populistisch unter anderem die Macht
der Banken und die EU-Bürokratie. Das ist in weiten Teilen der
italienischen Gesellschaft konsensfähig. Medienwirksam beteiligt
sich Casa Pound auch an landesweiten Kundgebungen anderer
Organisationen und tritt dabei als soziale Bewegung von rechts auf.
2013 beteiligte sie sich zum Beispiel an den Demonstrationen der
"Forchoni", der so genannten Mistgabelbewegung, die der
Zorn weiter Teile der Bevölkerung auf die Straße brachte – unter
anderem gegen Privilegien von Politikern, die Situation am
Arbeitsmarkt und staatliche Liberalisierungsprogramme.
Deutsche
Rechtsextreme fasziniert vor allem, dass bei Casa Pound der
"Faschismus des dritten Jahrtausends" zumindest in Ansätzen
auch gelebt wird. Besichtigen kann man das im römischen Stadtteil
Esquilin, in der Nähe des Termini-Bahnhofs. Dort, in der Via
Napoleone III., steht das Hauptquartier. Ende 2003 hatten junge
Rechtsextreme ein leerstehendes Haus besetzt, offiziell als Protest
gegen hohe Mieten. Das Viertel war ursprünglich von Migranten
geprägt, von denen immer noch viele in Bahnhofsnähe leben.
Inzwischen aber hat Casa Pound der Gegend seinen Stempel aufgedrückt.
Davon zeugen die vielen Plakate und Hakenkreuze an den Hauswänden
sowie faschistische Parolen, darunter auch immer wieder
Solidaritätserklärungen für den 2013 im Hausarrest gestorbenen
NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke. Die römische Stadtreinigung kommt
mit der Säuberung nicht mehr hinterher.
"CASAPOUND"
steht in Großbuchstaben, die an Inschriften auf faschistischen
Denkmälern erinnern, über dem Eingang des Hauptquartiers. Das Haus
ist nicht nur Zentrum der Aktivitäten, es beherbergt auch diverse
Unterorganisationen, außerdem wohnen hier einige Familien. Innen
wird Mussolinis Faschismus in Bildern und Symbolen verehrt. Das ist
in Italien möglich. Während in Deutschland Symbole der
Naziherrschaft aus dem öffentlichen Raum entfernt wurden, wird in
Italien an einigen Orten bis heute der Mussolini-Kult inszeniert –
wie in der Kleinstadt Predappio in der Region Emilia-Romagna, wo der
Diktator geboren und begraben wurde. Mehrmals im Jahr pilgern
unbelehrbare Bewunderer zur ihm errichteten Gruft – darunter
regelmäßig Abordnungen von Casa Pound.
Auch Rom ist ein
günstiges Umfeld für die selbsternannten "Faschisten des
dritten Jahrtausends": Die italienische Hauptstadt war schon
seit den 1920er Jahren eine faschistische Hochburg. Ganz gewöhnliche
Zeitungskioske in der römischen Innenstadt verkaufen
Mussolini-Devotionalien, immer wieder sieht man Schüler, die sich
Hakenkreuze auf die Rucksäcke gemalt haben. Bis heute steht vor dem
Olympiastadion ein gewaltiger weißer und vor ein paar Jahren erst
restaurierter Obelisk mit der Inschrift "Mussolini Dux",
"Mussolini Führer". Fußballfans kommen auf dem Weg zur
Tribüne an Steinblöcken vorbei, auf denen die vermeintlichen
Heldentaten des faschistischen Regimes verewigt sind.
Ganz in
der Nähe des Stadions ist in einer verlassenen U-Bahnstation ein
Kulturzentrum der extremen Rechten entstanden, in dem einschlägige
Bands spielen und Kampfsportturniere stattfinden. "Area 19"
heißt es, benannt nach dem Gründungsjahr der Faschistischen
Kampfbünde (Fasci di Combattimento) im Jahr 1919. Von der
Kommunalverwaltung wird das toleriert. Der ehemalige Bürgermeister
von Rom, Gianni Alemanno, hat selbst eine neofaschistische
Vergangenheit und ist mit einer Tochter Pino Rautis verheiratet ist,
einem der bekanntesten neofaschistischen Politiker im
Nachkriegsitalien. Unter Alemanno konnte sich auch Casa Pound
ungehindert ausbreiten. Alemannos Sohn ist Mitglied im und Kandidat
für den Blocco Studentesco, die Jugendorganisation von CasaPound,
die in Schüler- und Uniparlamenten gut vertreten ist. Immer wieder
gab es auch Berichte, dass die Casa Pound regelrecht gefördert
worden sei.
Von Rom aus wird die professionelle Öffentlichkeitsarbeit gesteuert
Vom Hauptquartier in der römischen Via Napoleone III. aus
läuft die Propagandamaschine von Casa Pound: Die Organisation
betreibt ein Webradio und ein Internetfernsehen. Von hier aus werden
landesweite Aktionen geplant – wie zum Beispiel ein
geschichtsrevisionistisches "Projekt", das den Blick auf
italienische Opfer lenkt statt auf faschistische italienische Täter.
Mit italienischen Opfern sind allerdings nicht die im Widerstand
aktiven Partisanen gemeint, die häufig politisch links verortet
werden, sondern zum Beispiel die Opfer der Foibe-Massaker an der
istrischen und dalmatischen Küste im und nach dem 2. Weltkrieg, als
sich jugoslawische Partisanen an der italienischen Bevölkerung
rächten. Ein anderes, immer wieder kehrendes Thema, mit dem Stimmung
gemacht wird, ist der Kampf für bezahlbaren Wohnraum und gegen den
angeblichen Ausverkauf Italiens durch internationale Konzerne.
Wie
bei einer Franchise-Kette stellt die Zentrale das Propagandamaterial
für die regionalen und lokalen Unterorganisationen zur Verfügung.
Die Öffentlichkeitsarbeit ist professionell, vor allem im Netz und
in den sozialen Medien. Es gibt eine Pressestelle, und einfachen
Anhängern wird eingeschärft, dass sie nicht mit der Presse sprechen
sollen. Dafür geben Vertreter der Führungsriege immer wieder
Interviews, wenn auch in der Regel nicht den kritischen Medien.
Das
bekannteste Gesicht ist Gianluca Iannone (Jahrgang 1973). Er war 2003
bei der Besetzung von Casa Pound dabei, inzwischen ist er Präsident
der Bewegung. Davor hatte er bereits Erfahrungen in verschiedenen
neofaschistischen Parteien gesammelt und war als Skinhead in
Gewaltakte verwickelt. Außerdem ist Iannone Sänger der Hausband
ZetaZeroAlfa. Deren von rechtem Pathos triefende Musik wird über die
einschlägigen Rechtsrock-Foren verbreitet, gleich neben
Haterock-Bands, die regelmäßig "Sieg Heil"-Rufe in ihre
Liedtexte einstreuen. Nach außen hin gibt Iannone mal den Vordenker,
mal den Kümmerer, er gibt den Einpeitscher oder den
verantwortungsbewussten Familienvater. In letzter Zeit entwickelt
sich um ihn ein regelrechter Führerkult. Iannone ist vor allem
Sprachrohr: So erklärte er dem Online-Magazin "Alternative
Right", einem Forum der internationalen Neuen Rechten, vor
einigen Jahren die Methoden von Casa Pound: "CPI (Casa Pound
Italia, d.R.) arbeitet an Dutzenden Projekten und mit verschiedenen
Methoden: von Konferenzen bis hin zu Demonstrationen, Verbreitung von
Informationen, Plakaten. Das Wichtigste ist, Gegeninformation zu
schaffen und den Raum zu besetzen." Dazu werden in letzter Zeit
auch gezielt Frauen angesprochen: Zum Beispiel mit einer Kampagne,
die die Verringerung der Arbeitszeit von Frauen mit kleinen Kindern
bei vollem Lohnausgleich fordert. Auch scheut sich Casa Pound nicht,
Ikonen der Popkultur wie Che Guevara, für die eigenen Zwecke
einzuspannen. Plakate mit seinem Konterfei sollen ein Publikum
ansprechen, das vor strammen rechtsradikalen Parolen zurückschrecken
würde. Gleichzeitig kaschiert man so nach außen das wirkliche
Programm von Casa Pound.
Casa Pound ist auf dem Weg in die Politik
Das ist nichts anderes als ein
Kulturkampf von rechts. Wie der funktioniert, kann man gleich um die
Ecke des Hauptquartiers von Casa Pound besichtigen. Hier liegt der
Buchladen "Testa di Ferro", ein wichtiges Element in diesem
Kampf. "Testa di Ferro", "Der Eisenkopf", hieß
die Zeitung der Freischärler, die nach Ende des 1. Weltkrieges die
kroatische Hafenstadt Rijeka (ital. Fiume) besetzten. Damals war um
den Schriftsteller Gabriele D’Annunzio eine Bewegung entstanden,
die als Vorläufer des Faschismus gilt.
In der
Casa-Pound-Buchhandlung bekommt man Texte der Vordenker der Neuen
Rechten bis hin zu dumpfen Glorifizierungsschriften über die SS und
natürlich auch Pamphlete, die den Faschismus verherrlichen und
Geschichtsrevisionismus betreiben. Entsprechende Kleidung und
sonstige neofaschistische Accessoires fehlen nicht im Sortiment, das
auch online vertrieben wird.
In dem Buchladen liegt auch der
Roman aus, mit dem Autor Domenico Di Tullio am Mythos Casa Pound
strickt: "Nessun Dolore" soll offenbar auch in Deutschland
begeistern. Unter dem Titel "Wer gegen uns" erscheint eine
deutsche Version in der "edition nordost" im
Antaios-Verlag, inzwischen eine Institution unter den intellektuellen
Vertretern der deutschsprachigen Neuen Rechten. Recht schwülstig
liest sich der Werbetext zum Buch auf den Webseiten des Verlages: "Es
geht darin um die Geschichte junger Männer und Frauen, die vor der
Wahl stehen, entweder einen bürgerlichen Weg einzuschlagen oder die
Chance ihres Lebens zu ergreifen und Teil einer ebenso kompromißlosen
wie faszinierenden Bewegung zu werden – Teil des Projekts Casa
Pound Italia."
Teil dieses Projektes ist es offenbar
inzwischen auch, sich an Wahlen zu beteiligen. Bei der italienischen
Parlamentswahl im Februar 2013 war man erstmals mit einer eigenen
Liste vertreten. Und auch, wenn Casa Pound landesweit deutlich unter
einem Prozent blieb und keinen Sitz im Parlament erobern konnte: Fast
90.000 Stimmen gab es für die Organisation. Da für beide Kammern
gewählt wurde, liegt die Zahl der Wähler wohl in etwa bei der
Hälfte. Auch bei der Europawahl will man wieder antreten: Mit
"Europa si, schiavi no" – "Europa ja, Sklaven nein"
- gibt es bereits einen plakativen Wahlslogan. Ziel sind aber
vermutlich nicht die parlamentarischen Debatten mit anderen gewählten
Volksvertretern, sondern vor allem die Segnungen der italienischen
Parteienfinanzierung.
Notwendige Korrektur zum Artikel
CasaPound Italia hatte sich bemüht zu den Europawahlen anzutreten. Die Entscheidung dazu fiel anscheinend sehr kurzfristig und die verbliebene Zeit zum Sammeln der erfordelichen Unterstützungsunterschriften betrug zwei Monate.
Mitte April verkündigte CasaPound Italia, dass sie von den erforderlichen 150.000 Unterschriften nur 80.000 hatte sammeln können und deswegen nicht die erforderliche Zulassung zur EU-Wahlbeteiligung bekommen hätte.
rätzelhaft
Die Italienische Linke stellt sich in diesem Thema wirklich Rätzelhaft dar. Auf Krisendemos kommen nicht nur tausende, sondern auch ein locker aus mehreren Tausend bestehender relativ organisierter schwarzer Block. Leute die mit helmen und material ausgestattet sind um die Bullen und anderes anzugreifen. Diese Form der Organisierung scheint ja aber bei Antifaschistischer Arbeit völlig zu fehlen. Ebenso Angriffe auf ihre Strukturen. Regelmäßig verüben linke und Anarchistische Gruppen anschläge auf verschiedenste Dinge, aber Antifaschistische Ziele scheint es kaum zu geben. Auch die diversen FAI Zellen die aktiv sind oder es noch werden sparen dieses "Thema" aus, zumindest scheint es so.
Dies läuft in Griechenland wesentlich anders und scheinbar haben die Ital. Genossen da nicht viel gelernt, wo sie doch sonst recht häufig "rüber schielen". Anstatt Adionolfi ins Knie zu schießen, hätten sie erstmal ein Kennzeichen klaunen sollen, Iannone und dann Adionolfi anschießen sollen.