Gegen manche Kriege

انا متضامن مع القصي

Robert Teller, Infomail 704, 17. September 2013

Die USA diskutieren über einen Angriff auf Syrien, linke Organisationen debattieren über ihre Position dazu. Wir kennen das noch von den Balkankriegen. Linke wollen weder als UnterstützerInnen reaktionärer Despoten dastehen noch in den Verdacht geraten, eine imperialistische Kampagne gegen die Selbstbestimmung eines Landes zu befeuern. Manche schaffen es aber, sogar beiden Seiten gleichzeitig auf den Leim zu gehen.

 

DIE LINKE: Nein zum Krieg, ja zur Fremdbestimmung


DIE LINKE meint, um den Krieg in Syrien zu beenden, müsse die “Genfer Erklärung” vom Juni 2012 umgesetzt werden, die zwischen den Regierungen der USA, Frankreichs, Russlands, der Türkei u.a. Länder ausgehandelt wurde.

Diese erste „Friedenskonferenz“ hatte am 30. Juni 2012 in Genf stattgefunden und unter anderem die Bildung einer Übergangsregierung in dem Bürgerkriegsland empfohlen. Eine solche Regierung wäre aber nur eine Konstruktion unter Einschluss von Kräften des alten Regimes ohne Assad selbst. Wie etwa in Ägypten oder Tunesien wäre eine solche Regierung  nur ein reaktionäres Instrument zur Beendigung der Revolution und des Bürgerkriegs. Es wäre zudem ein Regime von Gnaden des Imperialismus, der mit ihm nur seinen Einfluss und damit die Abhängigkeit Syriens sichern würde. Wie die Übergangsregierungen anderer arabischer Länder zeigen, sorgen sie weder für inneren Frieden noch für sozialen Fortschritt oder Demokratie. Eine wirklich progressive Lösung ist nur möglich, wenn die Revolution in Syrien mit dem Sieg im Bürgerkrieg, dem Sturz Assads und der Zerschlagung seines Staatsapparates endet und ein Regime schafft, in dem die Massen mittels eines Rätesystems direkt die Macht ausüben und die kapitalistischen und halbfeudalen Verhältnisse überwinden.

 

Die Umsetzung der „Genfer Erklärung“ bedeutet also nichts anderes, als das Selbstbestimmungsrecht der syrischen Bevölkerung zu negieren und die begonnene Revolution abzuwürgen. Zuletzt am 2. September forderte die LINKE-Bundestagsfraktion in einem Beschluss, diese gemeinsame Linie der Weltmächte endlich ernsthaft umzusetzen.

 

Den geplanten US-Militärschlag lehnt DIE LINKE berechtigterweise ab - nicht jedoch, weil sie es falsch findet, die Zukunft Syriens in Verhandlungsrunden mit den entsprechenden “Weltmächten” festzulegen:

“Es ist abstoßend arrogant von Obama, anderen Ländern Blockadehaltung im Sicherheitsrat vorzuwerfen, nur weil sie nicht zu hundert Prozent seiner Linie folgen. Diplomatie kann nicht heißen, dass alle den USA folgen. [...] Es ist Obama, der einseitig auf einem Waffengang besteht – er ist damit derjenige, der eine politische, diplomatische Lösung blockiert.” (1)

DIE LINKE hat also weniger ein Problem damit, dass die Zukunft Syriens von anderen Ländern entschieden wird. Sondern damit, dass eine Reihe von Ländern dabei nun die “Logik des Krieges” in Betracht ziehen. Wem hilft es eigentlich, nur die “Logik des Krieges” zu kritisieren, wenn diese in Syrien seit zweieinhalb Jahren nicht nur gedacht, sondern auch angewandt wird? Hat nicht das Assad-Regime - gestützt auf den Militär- und Geheimdienstapparat und die massive Unterstützung Russlands und Irans - einen blutigen Krieg gegen die eigene Bevölkerung vom Zaun gebrochen? Diese Frage darf gar nicht erst aufkommen:

„Indem die Bundesregierung die Begründung der US-Administration in ihren Stellungnahmen übernimmt, leistet sie indirekt Beihilfe zum Völkerrechtsverstoß.” (2)

Im Klartext heißt das: Wenn ein imperialistischer Angriff mit dem Vorwand gerechtfertigt wird, Kriegsverbrechen zu stoppen, dann darf es diese Kriegsverbrechen einfach nicht gegeben haben.

 

Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der LINKEN, sagt das nochmal in Bezug auf den Giftgaseinsatz durch die Syrische Armee am 21. August:

“Insgesamt ist die Beweislage sehr viel dünner als im Jahre 2003“ (3)

2003 lieferte die US-Regierung eine durchsichtige Schmutzkampagne und behauptete, der Irak besitze Massenvernichtungswaffen - was eine reine Erfindung war. Heute gibt es kaum Zweifel daran, dass die Syrische Armee wiederholt Giftgas eingesetzt hat, dessen Besitz Assad auch nie in Abrede gestellt hat. Die US-Intervention mit dem Argument abzulehnen, dass es keine Beweise für Kriegsverbrechen gebe, ist schon deshalb schwach, weil man gewiss davon ausgehen kann, dass die Syrische Armee auch in Zukunft Kriegsverbrechen begehen wird.

 

Um dann nicht ohne Argumente dazustehen, erklärt DIE LINKE weiter:

“Auch die Chemiewaffenkonvention von 1993, die Syrien wie etwa auch Ägypten und Israel leider nicht ratifiziert hat, sieht als Sanktion in besonders schweren Fällen vor, dass die Angelegenheit vor die Generalversammlung und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gebracht wird, nicht aber eine Bestrafung durch Krieg. Der Weltsicherheitsrat kann sich seinerseits in dieser Angelegenheit an den internationalen Strafgerichtshof wenden.”  (4)

Kurzum, die UNO könne als “Sanktion” den Sicherheitsrat einschalten, der einstimmig beschließen müsste, sich als Sanktion an den ISGH zu wenden, damit dieser das Verbrechen sanktionieren könne - aber auch das geht nicht, weil Syrien die C-Waffen-Konvention nicht ratifiziert hat.

“Alle angeblichen Beweise für eine Täterschaft Assads oder der Rebellen sind schlichte Propaganda; [...] Kein Gericht der Welt würde auf der Basis so dünner Hinweise auch nur ein Verfahren eröffnen.” (5)

In Wirklichkeit hat DIE LINKE besser als andere den bürgerlichen “Gerechtigkeitsgedanken”  verstanden: Ein Motiv, eine Tatwaffe und eine (oder tausend) Leichen reichen nicht, um den Täter zu überführen, solange es kein “unparteiischer” Zeuge gesehen hat. Den unparteiischen Beobachter wird man aber unter den gegebenen Umständen in Syrien nicht finden. Zum Glück sind RevolutionärInnen nicht darauf angewiesen, sich an die Gerichte der Imperialisten zu wenden.

 

Ein Aufstand gegen den Aufstand

 

Bei einer Reihe “linksradikaler” Gruppen büßt die Revolution ihre Berechtigung mit einem ziemlich eigenartigen Argument ein: die “Destabilisierung” der Diktatur sei etwas Falsches. Wer ein Regime stürzen will, muss es aber bekämpfen und Gegenmacht aufbauen.

Die “Syrische Revolutionäre Linke”, eine der wenigen bekannten revolutionär-sozialistischen Gruppen, die sich seit Beginn der Revolution formiert haben, schreibt dazu:

“Die Massen können nur durch Entfaltung ihres eigenen Mobilisierungspotentials ihre kollektive Kraft zur Veränderung der Dinge einsetzen. Das ist das Einmaleins revolutionärer Politik. Dieses Einmaleins wird aber heute von verschiedenen linken Milieus im Westen mit tiefer Ablehnung betrachtet. Man erzählt uns, dass wir unsere Träume für Wirklichkeit halten, dass es vielleicht etwas wie eine Revolution vor zweieinhalb Jahren gab, aber sich die Dinge geändert haben. Sie sagen, dass Jihadisten den Kampf übernommen haben und es keine Revolution in Syrien mehr gibt, sondern einen Krieg, und deshalb müsse man sich für ein ‚Lager’ entscheiden, um eine konkrete Lösung zu finden. [...]

Ein gutes Beispiel für Selbstverwaltung der Bevölkerung ist die Stadt Raqqa, bis heute die einzige Provinzhauptstadt, die von der Kontrolle des Regimes befreit wurde. Sie wird noch immer vom Regime bombardiert, ist aber autonom und die lokale Bevölkerung organisiert die öffentlichen Einrichtungen für die Gemeinschaft. Ein anderes Element der Massendynamik der Revolution ist das Entstehen unabhängiger Zeitungen, die von Gruppen produziert werden. Vor der Revolution gab es drei Zeitungen, alle in den Händen des Regimes - heute gibt es mehr als 60, die von lokalen Gruppen geschrieben werden” (6)

 

Friedensbewegung: “Intervention ohne Sinn, Zweck und Verstand”?

 

Aus Sicht von Christoph Marischka (“Informationsstelle Militarisierung”) gibt es für die US-Intervention keine rationalen Beweggründe:

... nun hat man diese neue Form der Intervention, bei vertretbarem Risiko für die eigenen Kräfte einfach möglichst viel in einem ohnehin geschundenen Land kaputt zu machen, aus einem einfachen Grund aus der Taufe gehoben: Weil einfach niemandem ein sinnvolles Ziel für diesen Krieg, der trotzdem irgendwie geführt werden muss, einfällt.” (7)

Bei so einem hanebüchenen Statement - selbstverständlich gibt es ein Ziel, wenn jemand Gewalt einsetzt - kann man sich die restliche “Analyse” sparen. Der Text zeigt aber auf, in welchen methodischen Fehler sich die AutorInnen verstrickt haben.

Richtigerweise stellt der Text fest, dass aus Sicht der USA “[...] im Moment niemandem einfällt, wer das Land – so absurd es klingt – in diesem Bürgerkrieg verantwortungsvoller führen könnte” (Ebenda) und die US-Intervention nicht das Ziel verfolgen wird, Assad entscheidend zu schwächen oder gar zu stürzen. Wenn dies die strategische Absicht der USA sein sollte - dann hätte es keine fingierten “Vorwände” gebraucht, nachdem Assad zwei Jahre lang sein Land nach allen Regeln der Kunst mit Terror überzogen, Millionen gefoltert, hunderttausend getötet und Städte zu Schutt gebombt hat.

 

Die “Rote Linie”

 

Die “rote Linie” hat Assad nicht durch sein Übermaß an Brutalität überschritten, sondern dadurch, dass er weder den Aufstand besiegen konnte, noch den Weg für einen “geordneten” Übergang - eine “ägyptische Lösung” offengehalten hat. Die “rote Linie” ist gerade deshalb überschritten, weil sein Staatsapparat entweder dem Untergang geweiht ist, oder zumindest große Teile des Staatsgebietes in einem “unregierbaren” Chaos zurücklassen wird.

 

Das Dilemma der USA besteht darin, dass Assad nur mit weiteren Massakern seinen “Rumpfstaat” von Damaskus über Homs bis nach Latakia verteidigen und festigen kann - und gleichzeitig selbst massive militärische Gewalt gegen die von Rebellen kontrollierten Gebiete diese höchstens niederhalten, die verlorenen Gebiete aber nicht zurückerobern kann. Ein Sieg der Rebellen aber wäre aus Sicht der USA das größere Übel im Vergleich zu Assads Machterhalt.

 

Hinzu kommt, dass die US-Bourgeoisie über die Kriegsziele und die Strategie tief gespalten ist, was zum unüblichen pseudo-demokratischen Prozedere führte, dass der US-Präsident die Entscheidung über eine mögliche Militärintervention dem Kongress „überlassen“ wollte. Dort drohte jedoch eine Niederlage, nicht aus Mangel an „Beweisen“, sondern weil Obama keine klare Zielsetzung angeben konnte.

 

Der russische Imperialismus (und seine chinesischen und iranischen Verbündeten) haben hingegen ein klares Kriegsziel: Assad und sein Regime zu halten, um eine weitere Destabilisierung der Region zu verhindern und zugleich ihren eigenen geostrategischen Einfluss zu stärken. Das wollen natürlich auch die USA und ihre Verbündeten. Da jedoch ein „unkontrollierter“ Sturz des Regimes oder gar ein Zusammenbruch weitere unkalkulierbare Folgen hätte, wurde eben kein Kurs auf den Sturz Assads verfolgt.

 

Statt dessen zeichnet sich nun immer mehr eine konterrevolutionäre „Lösung“ bei den Verhandlungen um die Kontrolle der Chemiewaffen ab. Russland und die USA arbeiten Hand in Hand. Eine gewisse Drohkulisse wird aufrecht erhalten. Aber im Grunde geht Russland gestärkt hervor. Zugleich kommen Kontrolleure ins Land, die die chemischen Waffen erfassen und vernichten sollen.

Unterdessen geht der Krieg des Regimes gegen das Volk weiter, wenn auch nur noch mit „konventionellen“ Mitteln der Vernichtung, mit massiven Bombardements.

 

Gegen manche Kriege

 

Die WortführerInnen der Friedensbewegung, der Partei DIE LINKE u.a. Organisationen sind gegen jeden Krieg - aber nur, wenn die USA angreifen. Der Krieg des Assad-Regimes gegen die Revolution ist aus ihrer Sicht “geostrategisch” hinreichend irrelevant. Dabei hätte es diesen Krieg ohne die massive finanzielle und militärische Hilfe Russlands nicht geben können, und ohne das Eingreifen der iranischen Revolutionsgarden und der Hisbollah-Miliz wäre er wohl für Assad bereits verloren.

 

Das Problem bei dieser Art von “Internationalismus” ist, dass ihr Paradigma nicht die Unterstützung aller internationalen Kämpfe der sozial und politisch Unterdrückten ist - sondern schlicht die Negierung des imperialistischen Standpunktes der “eigenen” Bourgeoisie. Dies ist zwar immer nötig. Wenn man es aber dabei belässt, kommt man in der Regel bloß beim Standpunkt anderer Imperialisten an.

Wer sich bei der Einschätzung internationaler Fragen darauf verlässt, UNO-Untersuchungen und US-Regierungsberichte zu Hilfe zu nehmen, wird kaum verstehen, was die Unterdrückten in Syrien wirklich umtreibt. Dafür braucht es eine internationale Organisation der Unterdrückten - eine revolutionäre Internationale - die der internationalen Heuchelei der Unterdrücker Wahrheiten gegenüberstellen kann.

 

Selbstverständlich muss jede mögliche imperialistische Intervention mit Luftschlägen oder gar Bodentruppen bekämpft werden. Sie ist mittlerweile jedoch unwahrscheinlich. Vor allem aber darf nicht vergessen werden, dass die syrischen Massen einen gerechten Kampf gegen ein unterdrückerisches Regime führen, das bisher rund 100.000 ganz „konventionell“ massakriert und Millionen zu Flüchtlingen gemacht hat.

 

Die syrischen ArbeiterInnen und Bauern, alle fortschrittlichen und demokratische Kräfte, die gegen das Assad-Regime kämpfen, verdienen unsere Unterstützung. Sie haben selbstverständlich das Recht, sich zu bewaffnen und sich mit all den Mitteln zu versorgen, die sie brauchen, um sich effektiv zur Wehr setzen zu können. Diese wurden und werden der großen Mehrheit der Aufständischen vorenthalten.

 

Die fehlende internationale Solidarität der Arbeiterbewegung, von fortschrittlichen Kräften gerade im Westen bedeutet, dass Millionen im Stich gelassen werden und spielt zugleich den reaktionärsten Kräften in der syrischen Opposition in die Hände, den Islamisten, die über mehr Geld, bessere Waffen und mehr Unterstützung verfügen.

 

Zugleich zeigen die Staaten der europäischen Union - allen voran der deutsche Imperialismus -, dass ihnen das Überleben der Masse der SyrerInnen einen Dreck wert ist. Einige wenige tausend Flüchtlinge werden medienwirksam in der EU „begrüßt“, die große Masse wird von Grenztruppen der EU mit allen Mitteln „abgefangen“.

All das zeigt: Eine massive Solidaritätskampagne mit der syrischen Revolution ist nötig.

 

(1) http://linksfraktion.de/pressemitteilungen/g20-bringt-keine-loesung-syrien/
(2) http://www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/militaerintervention-gege...
(3) http://www.die-linke.de/nc/dielinke/nachrichten/detail/zurueck/aktuell/a...
(4) http://www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/militaerintervention-gege...
(5) http://www.linksfraktion.de/im-wortlaut/syrien-sarin-diplomatie/
(6) http://syriafreedomforever.wordpress.com/2013/09/08/self-organization-of...
(7) http://www.imi-online.de/2013/08/28/aussenpolitik-als-totalausfall-eine-...

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Ich schreibe diesen Kommentar aus gegebenem Anlass. Und weil ihn unter diesem Artikel sicher viele lesen werden. ;-)

Habe den Text gelesen. Und bin überzeugt davon, dass die Autoren auf der moralisch richtigen Seite stehen. Es gab in Syrien eine berechtigte Revolte, die von den Sicherheitskräften mit brutaler Gewalt überzogen wurde. Ich erinnere mich daran, wie die syrische Armee Soldaten, die sich weigerten auf die Proteste zu feuern, eiskalt exekutiert wurden. Und es ist ein richtiger Bürgerkrieg entstanden, in dem große Teile der Armee desertierten und den bewaffneten Aufstand begannen. Zwei Jahre geht nun schon dieser Kampf und es stehen sich zwei Armeen gegenüber. Hier geht es kaum noch um die Befreiung der Menschen vor dem unterdrückerischen Regime sondern um Frontgewinne. Alles, was aus den Medien herüberschwappt bestätigt, dass sich die ganze Gesellschaft entsprechend der real existierenden Front auf die lokal vorherrschende Seite geschlagen haben und von ihrer Gegenseite entsprechend behandelt werden.

Da stellt sich die Frage, was ist denn noch zu gewinnen, sollten sich die Rebellen durchsetzen? Befreiung der Arbeiterklasse? Oder werden die Kämpfer, die unerträgliches Leid durchgemacht haben, sich nicht als die rechtmäßigen neuen Herrscher sehen und ihren Anteil an der Beute zuerst verlangen. Tragisch ist außerdem, dass die unkontrollierte Bewaffnung durch die reaktionären Golf-Monarchien einen ganz bestimmten Teil der Rebellenkämpfer die Dominanz verschafft haben. Wer kontrolliert diese? Die Arbeiterräte in den Städten?

Die immense Anzahl an Opfern auf der Seite der Rebellion muss natürlich für jeden moralisch denkenden Menschen gerächt werden. Ich halte es für ganz natürlich, dass revolutionäre Bewegungen in Syrien nicht aufgeben wollen. Das käme ja einer Niederlage gleich. Aber, ketzerisch gedacht, ist es noch realistisch dass ein militärischer Sieg bald erreicht werden kann? Die Reste der syrischen Armee wurden mit enormen logistischen Hilfen und Materialhilfen durch Iran und Russland ausgestattet und kämpfen ihrerseits auch ums nackte Überleben. Ist ein Sieg der Rebellion überhaupt noch möglich, und was wird das Gemetzel am Ende aus den Rebellenkämpfern gemacht haben? Vielleicht auch Massenmörder, die nach dem Fall von Damaskus die Familien der Regime-Unterstützer bestrafen?

Ist es vielleicht so, dass die Revolution in ihrem Sinne bereits gescheitert ist, ein Bürgerkrieg sich verselbstständigt hat und die einzige Empfehlung von ausländischen Unterstützern sein kann, Friedensverhandlungen zu empfehlen? Ich denke, es ist soweit.

Denkt doch mal an den Kosovo. Dort begann auch ein gewaltsamer und berechtigter Aufstand der albanischen Mehrheit. Aber nachdem die Waffen sprachen, war schnell von einem Zusammenleben der Volksgruppen nach der Durchsetzung der Menschenrechte keine Rede mehr. Es gab zuviele offene Rechnungen. Man hatte der Albandermiliz zuviele materielle Versprechungen gemacht. Als Resultat vertrieb und tötete man alle Angehörigen derer, denen man irgendeine Verbindung zum yugoslawischen Unterdrückerregime nachsagte. Und das Kosovo ist heute keine blühende Demokratie, sondern nach allen Berichten die es gibt, ein mafiöser Staat in den Händen der ehemaligen Rebellenkämpfer.

So sehr es in Zeiten des militärischen Vormarsches der Rebellenkämpfer auch nach Kapitulation klingt: Ich behaupte man würde zehntausenden Menschen das Leben retten, wenn jetzt geordnete Friedensverhandlungen stattfinden. Auch wenn die Großmächte dies sabotieren.

westenmax

Wenn man sich das Blutbad ansieht, kann man meinen, jeder Friedensschluss wäre besser als das. Zumindest die Hoffnungen der ersten Monate der Revolution wurden in vielen Köpfen vertrieben, und das ist kein Wunder, der Krieg verroht eine ganze Gesellschaft, weil man nur noch ums tägliche Überleben kämpft, das ist auch ein Ziel der Konterrevolution. Ein anderes Ziel von Assad ist es, in den Krieg religiöse Züge hinein zu tragen, vor allem weil Assad selbst inzwischen nur noch durch Unterstützung von alawitischen und schiitischen Milizen kämpfen kann, andererseits hat das die sunnitischen Jihadisten heraufbeschworen, von denen etliche massive Unterstützung von Golfstaaten bekommen (aber unabhängig davon gibt es eine Grundlage für die Jihadisten auch in Syrien, und das hängt sehr stark damit zusammen, dass es keine große linke Kraft innerhalb der Opposition gab, die eine progressive Politik im Bürgerkrieg vertreten konnte).

Der Sieg der Rebellen wird also sicher nicht automatisch die Befreiung der Arbeiterklasse bedeuten. Aber es gibt einen Grund, warum die Rebellen weiterkämpfen, und insofern hat sich der Bürgerkrieg nicht verselbständigt. Sie verteidigen sich gegen den Terror des Regimes, ihnen bleibt keine andere Wahl, denn wo immer die Armee einrückt, richtet sie ein Massaker an. Insofern ist der Kampf auch berechtigt, auch wenn es um Geländegewinne geht, es gibt überhaupt keine andere Möglichkeit als sich zu verteidigen. Deine Bedenken sind vollkommen berechtigt, und alle Syrer die ich kenne, haben genau die gleichen Bedenken, dass nach Assads Sturz Islamisten Rache an Alawiten nehmen werden usw - wie gesagt, alle - vor allem die Zivilisten und Rebellenkämpfer in den umkämpften Gegenden, wollen nichts anderes als sofortigen Frieden, leider kann man sich in einer Revolution nichts wünschen. Assad hat von Beginn an klar gemacht, dass er alles oder nichts will, er verhandelt nicht. Die Position von Russland ist zwar opportunistisch in dem Sinn, dass Putin durchaus auch andere Vasallen in Syrien akzeptieren könnte, aber gerade wegen Assads Politik ist das im Moment ausgeschlossen.

Wie gesagt - leider haben wir keinen Wunsch frei. Assads Sieg würde bedeuten, dass für die nächste Revolution erst wieder die nächste oder übernächste Generation in Frage kommen wird. Sieg der Rebellen bedeutet nicht automatisch, dass die Revolution siegt - aber nur dann kann sie überhaupt siegen. Und einen verlogenen "neutralen" Standpunkt zu beziehen wird auf beiden Seiten nur die reaktionärsten Kräfte begünstigen, die sind schließlich nicht um Antworten verlegen.

Vielen Dank für diesen schönen Beitrag,

ich habe selber nur die Informationen aus den Medien. Wie die Debatte unter Syrern und anderen arabischen Linken läuft, war mir bisher nicht bekannt. Ich kann Eure Hoffnungen sehr gut verstehen und unterstütze jene, die sich auch bewaffnet gegen brutale Unterdrückung wehren und mit dem Volk für die Befreiung der Menschen kämpfen. Dennoch versuche ich realistisch zu denken und habe vielleicht als Ausländer nicht den Tunnelblick, den man vor Ort in dieser verzweifelten Lage automatisch bekommt. Legt es mir also bitte nicht als Verrat aus, aber ich denke die Revolution ist tatsächlich verloren. Ich werde soweit es meine Möglichkeiten zulassen, mich dafür engagieren, dass die Kampfhandlungen in Syrien eingestellt werden. In einem Friedensschluss zwischen den syrischen Parteien. Nur möglich, wenn die Großmächte ihrer jeweiligen Partei den Blankoscheck entziehen und diese auf realistische Vorbedingungen einstellen.

In einem post-Bürgerkriegs-Syrien sind die Karten der politischen Kräfte neu gemischt. Revolutionäre werden sich auch dann wieder organisieren können. Aber dieses schreckliche Gemetzel für eine ehrenwerte Sache kann so nicht weitergehen. Auch im Fall des Siegs der Rebellion ist auf keinen Fall garantiert (ich fürchte sogar fast ausgeschlossen), dass unter den Siegern die Links-Revolutionäre in die Führungsrolle hineinwachsen können. Genauso wie in Kosovo die Linke die UCK verdrängen konnte. Und das Ergebnis dort waren schwerste Menschenrechtsverbrechen gegen Zigeuner und serbische Zivilisten und ein feudales Staatswesen mit einer Elite krimineller Ex-Kämpfer (so wird es in vielen Quellen berichtet). Es gibt noch mehrere andere Beispiele von der erfolglosen Beteiligung von Revolutionären an Bürgerkriegen (Nordirland, Libanon, Bosnien..). Und in all diesen Fällen wäre meiner Ansicht nach ein rechtzeitiger Stopp der Gewalt die bessere Lösung gewesen.

Wünsche Euch trotzdem noch viel Glück

westenmax

Am 13.09.13 zeigte ARTE um 9:50 Uhr eine nicht angekündigte einstündige Dokumentation/Reportage über die Unterstützung islamistischer Terrorgruppen in Ägypten, Syrien … durch Katar und Saudi-Arabien. Die Sendung wird nicht wiederholt, ist aber noch einige Tage in der ARTE-Mediathek zu sehen.

Vergleiche mit Irak sind nur bedingt sachgerecht, in dem Fall ging es eher um die Trägersysteme als die Nutzlast. Passender wäre schon der Vergleich mit Libyen, denn dort ging es um multilaterale Abrüstung. Die Atomzentrifugen die seinerzeit nach Tennessee verschifft wurden sind seit dem Angriffskrieg welcher das Land vom Regen in die Traufe gebracht hat stumme Zeugen dafür dass genau diejenigen Mächte die sich jetzt als unbefangene Vollstrecker auszugeben versuchen in einer derartigen Situation schon einmal wortbrüchig geworden sind. Noch ist es leicht ein antiimperialistisches Regime für alles verantwortlich zu machen, aber danach werden alle Fehleinschätzungen des Imperialismus die eigenen sein.

Wenn ich als radikaler Linker diese Zusammenschau von Lügen und Halbwahrheiten und deren Schlußfolgerungen lesen muss, dann frage ich mich, auf welchem politischen Planeten Ihr eigentlich lebt - die jüngste 30 jährige Geschichte ist ein Paradebeispiel für religiöse Söldnerkriege, die nur unter Flagge der westlichen Staaten und deren militärische Vertreter wie der Nato geführt worden ist.

 

Auf Balkan tauchten die radikalen Wahabiten in den neuziger Jahren auf, weil sie unter dem Schutz der Vereinigten Staaten  und finanziert aus Saudi Arabien die Drecksarbeit organisierten - militärisch, politisch, organisatorisch. Die Kaukasuskriege gegen Rußland im selben Zeitraum fielen in der gleiche Wahabitenraster. Was in Afgahnistan in den 80 ziger Jahren begonnen wurde - militärisch durch massvie Waffenhilfe und wirtschaftspolitisch über den Zugriff auf Erdölförderquoten, setzt sich heute in Syrien fort.

 

3 - sprich Drei Milliarden Dollar hat Quatar für den Sturz der syrischen Regierung für seine Erdgastransporten und Tankerflotten in diesen Krieg investiert und ihr stellt Euch und faselt immer noch die Lüge von einem "Massenaufstand". Jeder, der sich die Wikileaksdokumente und die veröffentlichen Strategien zu Syrien anschaut, weiss genau, dass seit 10 Jahren am Sturz dieser Regierung in dieser Region mit allen Mitteln gearbeitet wird, und ihr schweigt zu diesen Tatsachen und faselt wieder was vom "Massenaufstand", den es nie in Syrien - nie! Man kennt Eure dämlichen Ausreden, dass Euch scheissegal ist, woher die Kohle für den Terror gegen eine Regierung stammt.

 

Seit mindestens drei Jahren opierieren allein deutsche Einheiten - von den anderen westlichen Regierungen und deren Unterstützung fangen wir lieber erst gar nicht an - unmittelbar vor der Küste Syrien, und von Euch hört man zu diesen Tatsachen keinen Aufstand - sondern Parteinahme.

 

Ihr wollt Krieg führen, Krieg gegen allein 60.000 kriegsgewohnte radikale Islamisten unterstützt von den radikalsten Regimen im Nahen Osten, wo jedes Kind die militärischen Fähigkeiten innerhalb der radikalen Linken kennt, wo nicht einmal eine handvoll von Leuten militärisch geschult ist - wo jegliches taktische, militärische, organisatorische Basiswissen fehlt?

 

Wir haben gesehen, was aus Yugoslawien, Lybien, dem Irak geworden ist und wir werden mit jenen (auch mit Rußland und auch mit dem Iran- weil die Menschen dieser Staaten - völlig unabhängig wo sie politisch stehen mögen - auch unmilttelbar von Krieg und Terror bedroht sind)  das Minimum in Syrien verteidigen, was sich Leben auch mit völlig anderen Vorstellungen nennt. Dafür steht die Mehrheit der syrischen Bevölkerung und auch die syrische Regierung, die weltweiten Kommunisten und nicht ihr und eure unbedeutenden Grüppen, weil jeder weiss, was nach einem Sturz für Massaker folgen werden, die über Jahrzehnte nicht zu revidieren sein werden!

 

Was einen beruhigt ist die Tatsache, dass Ihr mit eurer weltfremden Kriegsposition innerhalb der radikalen Linken eine absolute Minderheit darstellt und wir alles dafür tun werden, dass ihr und eure politischen Positionen isoliert bleibt!

Ach du meine Güte. Linksradikal nennen Sie sich? Wahrscheinlich war auch die ostdeutsche Demokratiebewegung eine faschistische, putschistische Konterrevolution.