Zum Todestag von Carlo

Am 20.Juli 2001 wurde der Globalisierungsgegner und Genosse Carlo Giuliani auf der Piazza Gaetano Alimonda in Genua von einem Carabiniere im Zuge der Proteste gegen den G8 Gipfel aus einer Polizeiwaffe erschossen.

 

Das Verfahren gegen den Schützen wurde im Jahr 2003 eingestellt.

Der Vater von Carlo sagte zu den damaligen Ermittlungen: ...."Mein Sohn ist ermordet worden und das war nicht eine Einzelperson ,sondern der Staat..."

Im Zuge des G8 Gipfels gab es etliche Festnahmen,brutalste Übergriffe auf der Strasse und in den Knästen.Massivste traumatisierte, politisch denkende und handelne Menschen und unglaubliche Haftstrafen gegen GlobalisierungsgegnerInnen.

Über die Geschehnisse in Genua, mit Zeitzeugen handelt folgender Film:

https://www.youtube.com/watch?v=QrX8n1Kshdo&feature=youtube_gdata_player

 

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin,weder von der Macht der anderen,noch von der eigenen Ohnmach sich dumm machen zu lassen.

T.Adorno


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hier kann man noch mehr lesen:

Proyecto Memoria/Genova 2001 - Interview mit Haidi und Giuliano Giuliani

https://linksunten.indymedia.org/de/node/43428

Proyecto Memoria/Genova 2001 - Interview mit Karsten/Bochum

https://linksunten.indymedia.org/de/node/43652

Proyecto Memoria/Genova 2001 - Interview mit Francesco / Corsari Milano

https://linksunten.indymedia.org/de/node/43500

Proyecto Memoria/Genova 2001 - eine persönliche Erinnerung/Azzoncao

https://linksunten.indymedia.org/de/node/43669

Danke erstmal für das Transportieren der Erinnerung.

 

Ich schätze, das Adorno Zitat muss herhalten, weil im deutschsprachigen Raum keine Inhalte verfügbar sind, die etwas anderes als Ohnmacht vermitteln.

 

Halten wir ruhig fest, dass die Bilanz von Genua in der Tat dramatisch und erschreckend bleibt - einschließlich der so genannten "Juristischen Aufarbeitung", die, abgesehen von den Entschädigungen für eine Reihe von Menschen, die in der Diaz-Schule und in der Kaserne Bolzaneto schwerste körperliche und seelische Gewalt erfahren haben, richtig ernüchternd ausfällt - vor Allem angesichts der Einstellung des Verfahrens wegen der Tötung Carlos und den nicht nur unglaublich, sondern absurd hohen Haftstrafen für 10 Leute, die mitunter mehr als 10 Jahre (bis zu 14!) Knast absitzen sollen bzw. müssen, weil ihnen unterschiedliche Formen der Beteiligung an Riots in den Straßen vorgeworfen wurden.

 

In Italien hat die spalterische Debatte um Gewalt lange Zeit dominiert, während im Ausland fast Alles, was Genua betrifft, nur noch im Zeichen der "Juristischen Aufarbeitung" gestanden hat. Diese ist wichtig gewesen, keine Frage. Es steht aber fest, dass weit weniger beherzt um die strafrechtlich verfolgten auf Demonstrantenseite gekämpft wurde, als um die Entschädigung der Opfer und die (lächerlich ausgefallene) Bestrafung einiger Täter.

 

Die kranke Delegitimierung politischer Kämpfe vor dem Hintergrund der Gewaltdebatte im Italien der ersten Jahre nach Genua greift dort zum Glück schon länger nicht mehr wirklich, wenn auch Politiker und Medien unverdossen versuchen, darauf abzustellen. In Italien haben in dieser Hinsicht die Gegner der Hochgeschwindigkeitssstrecke im Susa-Tal das Ruder herumgerissen - schon vor etlichen Jahren.

 

Genua und auch die Gestalt Carlos wurden im Zuge dessen von beträchtlichen Gruppen nicht nur in den Bewegungen, sondern in Ansätzen auch in der Geselschaft endlich anders reflektiert. Nichts von dem, was Ohnmacht und Dummheit bedeutet hat, wird daurch aufgehoben. Um so mehr bleibt es in der Tat eine Aufgabe, sich diesen Kreisläufen zu entziehen.

 

Es ist nicht nur schade - es ist traurig, dass in Deutschland kein weiterer Inhalt als der verlinkte Film verfügbar ist, um Carlo zu gedenken und an Genua zu erinnern. Die Anprangerung der Polizeigewalt ist legitim und wichtig. Wesentlichem zu Genua und zu Carlo kann diese Perspektive allein aber nicht gerecht werden - eine Auseinandersetzung darüber wird in Italien inzwischen immer öfter gefordert und sie findet im Kontext unterschiedlicher sozialer Kämpfe  zum Glück auch langsam statt.

 

Carlo mit dem Feuerlöscher steht da im Fokus. Carlo, der es persönlich in die Hand nimmt, als er sieht, dass ein Ordnungshüter "Ich bringe euche alle um" rufend seine Knarre auf die Menge richtet.

 

Niemand vergisst seinen zerschossenen Wangenknochen. Sein Blut auf dem Asfalt. Sein Leben, das damit vorbei war. Die Grausamkeit der Einstellung des Verfahrens. Es ist bloß nicht Alles.

 

Sowohl der Geist, der hinter Carlos Geste, seiner Entscheidung, zu handeln als auch die Polizeigewalt in Genua wurde in den vergangenen Tagen im Susa Tal besonders intensiv gedacht. In der Nacht zum 20. Juli wurden 63 Personen in den Wäldern bei Chiomonte verletzt - und einige auch in Gewahrsam. Die Festgenommenen erhielten keine oder nur sehr spät medizinische Hilfe, Ihre Anwälte haben sie erst am Montag (3 Tage später, also) zum Haftprüfungstermin gesehen.

 

Es wäre übrigens schön, wenn Carlo nicht zu einer Gestalt gemacht würde, die er so nicht war. Carlo als Globalisierungskritiker zu bezeichnen ist völlig aus der Luft gegriffen. Er war ein Linker, aber nicht sonderlich vom berühmten "Geist von Genua" angetan.  Das sagen alle, die ihn kannten. In die Schlachten vom 20. Juli geriet er zufällig - er war nicht zum Protestieren unterwegs. Er wollte eigentlich zum Strand, schwimmen gehen. Was er dann in den Straßen sah, veranlasste ihn, Partei zu ergreifen, Teil zu nehmen, sich einzumischen. Es ist nicht nur unschön, sondern gar nicht nötig, ihm eine politische Qualifikation à la "Globalisierunskritiker" zu verpassen...

Deine Gedankengänge sind etwas verworren und unklar.

Kannst Du Sie noch einmal deutlicher aufschreiben?

Also verworren ist da wohl kaum was, sofern Genua Dir wirklich ein Begriff ist.

 

Wenn doch, dann bitte ich um klare Fragen, denn die Frage:

 

"Was wird bei wem wie diskutiert"


klingt nach ungut trockenem Ausfragen.

 

Bei ehrlichem Interesse also bitte so nachhaken, damit ich auch wirklich atworten kann. Momentan kann ich nicht ausschliessen, dass die Anfrage vielleicht von der falschen Seite kommt. Einem Bullen oder einem Schreiberling serviere ich die Infos bestimmt nicht.

 

Ich habe meine Worte genau durchgelesen. Das Einzige, was meines Erachtens nicht ganz klar ist, betrifft aus meiner Sicht den Abschnitt zum Susa Tal. Dort setzen die Gegner der geplanten Hochgeschwindigkeitsbahn Lyon-Turin wie schon seit Jahren weiter ihre Aktionen gegen das Projekt fort, was in der Nacht zum 20. Juli die besagte hohe Anzahl von Verletzten zur Folge hatte. Es handelt sich um die auch in Deutschland wohl bekannten No Tav.

 

Die Sache mit Carlo - sprich, mit der Eigenschaft, die ihn in der Erinnerung vieler in Italien auszeichnet, so dass immer klarer seiner als Handelnder gegen eine gezogene Polizeiwaffe statt als seiner mit einem Loch im Kopf gedacht wird, obwohl letzteres unvergessen bleibt, wird doch nicht so schwer zu verstehen sein, gesetzt Mensch hat ne Ahnung von Genua. Falls nicht, reicht auch Hirnzellen einschalten.

 

Auch die Sache mit der "Juristischen Aufarbeitung" ist nicht so schwer zu verstehen und soweit Mensch mit dem juristischen Nachspiel nach Genua vetraut ist, ziemlich klar. Einge Opfer haben zusammen mit Supportern hart um die Feststellung begangenen, schweren Unrechts durch Vollzugselemente der Staatsgewalt gestritten. Damit ist Genua aber noch lange nicht aufgearbeitet, weder politisch, noch hinsichtlich der 10 Leute, die insgesamt 100 Jahre Knast kassierten. Dieser letzte Punkt ist in den Diskussionen in Italien mit ein wesentlicher Punkt.

 

Fragen beantworte ich gerne, dann aber bitte nicht dieses "was wird diskutiert bei wem".

Ich habe in Italien gelebt und kenne dort jede Menge Leute.

Und die haben dort sehr verschiedene Meinungen zu Genova.

Selbst die Eltern von Carlo haben gegensätzliche Meinungen.

Also welche Szene diskutiert was? ist eine berechtigte Frage.

 

Du scheinst ja die Meinung einer Szene zu vertreten und hier als die maßgebliche Meinung für Italiens Linke präsentieren zu wollen.

 

Mach also nicht den Goethe!

Dieser ist kein guter Ort um sich zu streiten. Komm'also bitte runter. Deine Unterstellung, dass ich in erster Linie selbst die Meinung einer Szene vertrete, weise ich von mir. Dass Du in Italien gelebt hast und viele Leute kennst kann ja sein, seltsamerweise scheint Dir aber jeder Ort der Debatte und ein sehr wohl gar nicht so knapp verbreitetes Empfinden, wie ich es beschreibe, fremd zu sein. Dieses Empfinden kennen auch Leute, die es meinetwegen nicht teilen, weil es durchaus intensiv kommuniziert wird. Die Frage nach einer "Szene" ist schon deswegen schlicht und einfach fehl am Platz. Da frage ich mich, wen Du da so kennst, um keine Ahnung von dem was ich beschreibe zu haben.

 

Hinsichtlich des Gedenken Carlos als Person, die sich zu einer bestimmten Handlung entschied, sind da z. B. die Allermeisten, auf die Du Dich beziehst einer Meinung. Haidi, Carlos Mutter, sowieso, und Giuliano, der Vater auch. Das Wissen darum habe ich nicht aus dem Netz, sondern aus konkreten Begegnungen in Genua und anderswo.

 

Was ich auf jeden Fall nicht akzeptiere, ist Streit um Nichts. Hast Du konkrete Fragen oder aber konkrete Gegeninformationen, bitte sehr. Sonst aber Schluss mit dem Palaver. Du hast mich inzwischen schon zu doll angepisst.

Carlo Giuliani 2013 Carlo Giuliani 2013