Baden Airpark: in diesem Jahr schon die zweite Sammelabschiebung nach Serbien von über 25 Familien, die in mehreren deutschen Bundesländern zu Hause sind Am Dienstagmorgen, den 28. Mai 2013, wurden über 140 Menschen im alten Terminal des Baden Airparks versammelt. Sie wurden in derselben Nacht aus dem Schlaf geholt, gezwungen die Koffer zu packen.
Mittlerweile sind sie nach Serbien abgeschoben, wo sie dasselbe Elend erwartet, vor dem sie geflohen waren. „Eine Katastrophe“ äußerte sich mehrmals einer der Betroffenen. „Hier ist unser zu Hause. Wir müssen wiederkommen“ sagte eine Familienmutter, die bereits neun Jahre in Deutschland lebte.
Fast nur Familien
Welche Menschen betraf diese Abschiebung? Es waren vor allem Familien, meist mit noch sehr jungen Kindern. Eine schwangere Frau war mit dabei – die vermeintliche Transportfähigkeit war eine völlige Fehleinschätzung seitens der Ärzt_innen. Ebenso abgeschoben wurden ein Säugling, ein Familienvater mit Kopfverletzung, insgesamt 44 Menschen aus Neumünster, eine Familie aus Leipzig, Familien aus Bayern, aus Tübingen, aus Karlsruhe und weiteren Städten.
Eine menschliche Katastrophe. Polizeibeamt_innen stehen umher und funktionieren wie ein Uhrwerk. Ein Gegengewicht zur anteilnahmslosen „Pflichtausübung“ waren die Bekundungen der Aktivist_innen. Aus Leipzig, Karlsruhe, Tübingen und Freiburg waren sie angereist um auf Romané sowie auf Serbisch Kontakt zu den Menschen hinterm Zaun aufzunehmen. Die Botschaft „Ko želi da ostane, moze da ostane!“ - Wer bleiben will soll bleiben“ kam an und machte Mut.
Der vor Ort koordinierende Polizeibeamte antwortet auf die Anfragen der Aktivist_innen nur mit dem Verweis „Fragen sie doch die Familienministerin.“ und entledigte sich damit jeglicher Verantwortung für die gelebte Deportationspraxis. Nicht einmal die jüngeren Polizist_innen ließen sich auf Gespräche über ihre persönliche Verantwortung bei dieser Abschiebung ein.
Der Kontrast von Abschiebepraxis der deutschen Polizeien einerseits und Urlaubschartern andererseits könnte kaum größer sein. Die Kundgebung im Urlauber-Terminal sensibilisierte die Mallorca-Reisenden. Verwundert äußert sich ein Fluggast: „Dass Baden Airpark und Air Bulgaria bei dem Geschäft da mitmachen, hätte ich nicht gedacht.“ Wie lange sich die beiden Unternehmen es noch leisten können, an diesem menschenrechtswidrigen „Service“ zu verdienen, wird sich im Laufe der zukünftig anstehenden Protestbewegungen noch zeigen.
Der nächste Abschiebeflug wird kommen. Protest und Solidarität bewegen hier etwas – nicht nur für die unmittelbar betroffenen Menschen, sondern für alle. Kein Mensch ist illegal.
Jeder Mensch hatte einen persönlichen Grund...
...warum er sich für ein Leben in Deutschland entschieden hatte. Der Verein Bon Courage erzählt die Geschichte von Frau D., die mit diesem Flug anch Mazedonien abgeschoben wurde.
"Bon Courage e.V. verurteilt die Abschiebung einer türkischstämmigen Frau und deren elfjährigen Tochter nach Mazedonien in der Nacht von 27. zum 28. Mai. Vereinsvorsitzende Münch fordert die sofortige Aufhebung der Einreisesperre und die Ermöglichung der Wiedereinreise.
Weinend schaut sich die Viertklässlerin Chala D. zwei Uhr nachts ein letztes Mal in ihrem Kinderzimmer um und beginnt dann wie automatisiert ein paar persönliche Sachen in ihren kleinen, grünen Koffer zu werfen. Im selben Moment hockt im Nebenzimmer ihre Mutter laut schreiend und von Angst gepackt; unfähig der polizeilichen Anweisung, sie solle ihre wenigen Habseligkeiten zusammenpacken, nachzukommen. Ohne diese startet nur wenige Stunden später das Flugzeug und landet nach einer fast 20 Stunden andauernden Rückführ-Tortur in dem Land, aus welchen Mutter und Kind drei Jahre zuvor, traumatisiert durch die Gewalt und der Morddrohungen der eigenen Familie, geflohen sind.
Der Verein Bon Courage e.V. kritisiert das Handeln der Ausländerbehörde, welche ohne Berücksichtigung gefürchteter Folgen die Abschiebung einleitete und die Familie damit in eine menschenunwürdige, kindeswohlgefährdende Lebenssituation brachte. In Mazedonien kann die türkischsprachige Analphabetin Frau D. wegen fehlenden Mazedonisch-Kenntnissen weder für den Lebensunterhalt sorgen, noch hat sie aufgrund des väterlichen Reichtums ein Anspruch auf Sozialhilfe. Auf die Unterstützung ihrer Familie kann sie nicht hoffen, da sie vor allem in den Augen ihres Vaters und Bruders durch unehelichen Geschlechtsverkehr Schande über die Familie gebracht hat und die Ehre der Familie nur mit ihrem Tod wiederhergestellt werden kann. „Momentan sind sie obdachlos und haben nur 300 € in der Tasche. Zudem hat sich der gesundheitliche Zustand von Frau D. seit der Ankunft in Mazedonien extrem verschlechtert.“, so die Vereinsvorsitzende Sandra Münch.
Die 31-jährige Frau leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Suizidalität, Depressionen sowie Angstzuständen und benötigt aus diesem Grund dringend eine psychologische und psychiatrische Behandlung. „Gemeinsam mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. haben wir die therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten in Mazedonien überprüft, mit der Erkenntnis, dass die junge Frau durch den fehlenden Zugang zu staatlicher Sozialhilfe nicht krankenversichert ist und damit keine Möglichkeit einer psychologischen Behandlung hat“, kritisiert Münch und ergänzt „Ferner wird Chala wegen nicht vorhandener Mazedonisch-Kenntnisse ab sofort nicht mehr zur Schule gehen können“. Im Sommer wäre die Elfjährige, die mittlerweile Deutsch besser als ihre Muttersprache spricht, von der Grundschule auf die Mittelschule gewechselt und auch ihre Mutter besuchte seit mehreren Monaten eine Schule, um endlich das Lesen und Schreiben zu erlernen.
Gegen eine Abschiebung sprach für den Verein ebenso die Verlobung von Frau D. mit einem Bornaer im vergangenen Januar. Seitdem fehlte für die standesamtliche Eheschließung einzig und allein noch die Kopie ihres Reisepasses, welcher bei der Zentralen Ausländerbehörde in Chemnitz lag und erst vor über drei Wochen durch das Bornaer Standesamt beantragt wurde. „Da die Zentrale Ausländerbehörde offenbar zeitgleich die Abschiebung vorbereitete, vermuten wir eine bewusste Verzögerung der Ausstellung. In diesem Fall hätte die ZAB dem Paar das Grundrecht auf Ehe und Familie versagt.“ Seit vergangenem Freitag weiß das Paar auch, dass sie in naher Zukunft ein gemeinsames Kind haben werden.
Der Verein fordert die Zentrale Ausländerbehörde in Chemnitz sowie die Ausländerbehörde des „familienfreundlichen“ Landkreises Leipzig dazu auf, die Einreisesperre mit sofortiger Wirkung aufzuheben und eine Wiedereinreise von Mutter und Kind zu ermöglichen, um sie aus der menschenunwürdigen Situation herauszuholen und dem Recht auf Ehe und Familie nicht im Wege zu stehen."