Antirakundgebung: 20 Jahre danach

FIGHT RACISM now!

Demo/Kundgebung "20 Jahre nach der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl – 20 Jahre nach dem Mordanschlag von Solingen"

Breite Mobilisierung zur Demonstration am 25.05. in Berlin; Bus- und Zuganreisen aus vielen Städten +++ Versammlungsbehörde verbietet Auftakt der Demonstration am Denkmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma wegen der Fanmeile zum Champions-League-Finale +++ Offener Brief an FC Bayern München und Borussia Dortmund (PDF im Anhang) +++ Zahlreiche Redebeiträge antirassistischer Organisationen; Abschlusskonzert am Oranienplatz

 

11.00 Uhr Kundgebung auf dem Areal des Mahnmals an die im NS ermordeten Sinti und Roma
14.00 Uhr Demonstration "20 Jahre nach der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl – 20 Jahre nach dem Mordanschlag von Solingen", Wilhelmstraße/ Ecke Hannah-Arendt-Straße (http://www.fightracismnow.net/news/auftaktkundgebung-am-mahnmal-fur-ermo...)

Pressemitteilung:
Zum 20. Jahrestag der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (26.5.) und des Mordanschlags von Solingen (29.5.) findet am 25. Mai in Berlin die bundesweite antirassistische Demonstration "Fight Racism Now!" statt. Sie ist Teil einer überregionalen Kampagne, die von antirassistischen Gruppen und Flüchtlingsinitiativen getragen wird.
Zum doppelten Jahrestag erklärt Kampagnen-Sprecher Felix Jourdan:
 
"Die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und der Mordanschlag von Solingen waren der Höhepunkt einer rassistischen Hetzkampagne aus der Mitte der Gesellschaft. Sie prägen die deutsche Gesellschaft bis heute.
Bis heute werden Roma, Geflüchtete und alle, die dem Stigma der "Migrationshintergrund" entsprechen, systematisch ausgegrenzt – im Alltag, in den Medien und durch rassistische Sondergesetze und Institutionen wie die
Ausländerbehörde. Die Nazis haben die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl als ihren Triumph erlebt. Und mit dem Mordanschlag von Solingen haben sie diesen Triumph auch öffentlich für sich reklamiert. So ist die
"Generation NSU" entstanden – Nazis die von einem breiten rassistischen Konsens getragen wurden, und die gelernt haben, dass sich mörderische Gewalt für sie politisch auszahlt."
 
Der geplante Auftakt der Demonstration am neu errichteten Denkmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma zwischen Reichstag und Tiergarten wurde von der Versammlungsbehörde verboten. Begründet wurde dies mit dem höheren öffentlichen Interesse an der geplanten Fanmeile zum Champions-League-Finale. Dazu erklärt Jourdan:
 
"Dass die Behörden eine antirassistische Demonstration an diesem Ort wegen eines nationalen Ballermann-Events verbieten, ist irritierend. Der eigentliche Skandal ist aber, dass der deutsche Staat für ermordete Roma
ein Mahnmal baut, und gleichzeitig aktuell verfolgte Roma stigmatisiert und abschiebt. So funktioniert nationalistische und rassistische Arbeitsteilung.
 
Fight Racism Now hat am Mahnmal ersatzweise eine Kundgebung für Samstag 11 Uhr angemeldet. Sie findet unter strengen Auflagen inmitten der Absperrungen der Fanmeile statt.
 
Zudem hat die Kampagne einen Offenen Brief an die Finalisten des heutigen Finales geschrieben, den FC Bayern München und Borussia Dortmund.
Die Demonstration führt nun von der Wilhelmstraße/Hannah-Arendt-Straße (Auftaktkundgebung) über Mitte, Kreuzberg 61 und Kreuzberg 36 zum Oranienplatz. Es werden zahlreiche Flüchtlingsgruppen, antirassistische Initiativen und Roma-Gruppen sprechen, darunter: Amaro Foro, alle bleiben, Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen; TheVoice Refugee Forum, Bündnis gegen Lager, Women in Exile, boats4people, Berlin Postkolonial und umsGanze!
 
Zudem werden Geflüchtete des Berliner Protestcamps am Oranienplatz, aus dem Lager Eisenhüttenstadt und aus Hamburg sprechen. Die Geflüchteten aus Hamburg protestieren derzeit mit einem neu errichteten permanenten Protestzelt am dortigen Hauptbahnhof gegen ihre Obdachlosigkeit und Entrechtung. http://lampedusa-in-hamburg.tk/
Die Demonstration endet mit einer Abschlusskundgebung und einem Konzert auf dem Kreuzberger Oranienplatz. Auf der Hip-Hop-Bühne stehen Hayat & Matondo, Siar, Alice Dee, MC Josh und Lena Stoehrfaktor.
 
Mit freundlichen Grüßen
Kampagne Fight Racism Now!
(Pressegruppe)

 

 

Offener Brief:
 
Liebe Sportsfreund_innen,
 
am 25. Mai spielt der FC Bayern München gegen Borussia Dortmund im Londoner Wembley Stadium um den Sieg in der Champions League. Gleichzeitig werden in Berlin Hunderttausende das Spiel auf der Fanmeile am Brandenburger Tor verfolgen. Grund genug für die Berliner Versammlungsbehörde, uns eine angemeldete Kundgebung am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma  zu verbieten die Auftaktkundgebung unserer bundesweiten antirassistischen Demonstration zum 20. Jahrestag der Abschaffung des Grundrechts aud Asyl und des Mordanschlags von Solingen 1993. Das Mahnmal im Tiergartenund der gesamte Umraum werden für die Logistik des Ballermann-Spektakels abgeriegelt. Die politischen Prioritäten sind klar: Am Brandenburger Tor soll eine unbeschwerte Deutschlandfeier steigen, ein Finale bei dem zumindest eines schon feststeht: Schland wird diesmal gewinnen.
 
Anlass unserer Demonstration ist der 20. Jahrestag der Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (26.5.) und des Mordanschlags von Solingen (29.5.). Die damaligen Ereignisse waren der Höhepunkt einer jahrelangen rassistischen Hetzkampagne aus der Mitte der Gesellschaft. Der Rassismus richtete sich gegen Asylsuchende, gegen Roma und gegen Menschen, die als Arbeitskräfte nach Deutschland geholt worden waren – sog. "Vertragsarbeiter" in der DDR, sog. "Gastarbeiter" im Westen. Vielleicht erinnern Sie sich an die Bilder aus Rostock-Lichtenhagen 1992, wo Roma über Tage von einem rassistischen Mob angegriffen wurden, und wo Menschen aus Vietnam in ihrer brennenden Unterkunft nur knapp dem Tod entronnen sind. Unmittelbar danach haben die damals staatstragenden Parteien vereinbart, das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen. Anstatt die Täter zu verfolgen, wurden die Vertragsarbeiter_innen evakuiert und die meisten der angegriffenen Roma schnellstmöglich abgeschoben. Auch deshalb sollte unsere Demonstration am Denkmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma beginnen, und mehrere Redebeiträge waren dazu vorbereitet. Erst nachdem das deutsch-deutsche Champions-League-Finale feststand ,wurde uns das verwehrt. Wir wollen den Ort abernicht so einfach für ein nationales Spektakel preisgeben, und haben deshalb für Samstag 11 Uhr eine Kundgebungdort angemeldet. Sie wird inmitten der Absperrungen stattfinden, unter strengen Einschränkungen durch Behörden und Veranstalter.
 
Die deutsche Mehrheitsgesellschaft hält sich für "ausländerfreundlich", und sie toleriert Mesut Özil im deutschen Nationaltrikot. Denn Rassismus heute diskriminiert nach vermeintlicher Herkunft und Verwertbarkeit gleichermaßen. Wer Deutschland nutzt ist offiziell gerne gesehen – so lange er oder sie nutzt. Dennoch ist die deutsche Gesellschaft rassistisch. Sie spricht Millionen hier lebenden Menschen dauerhaft elementare Rechte ab. Sie behandelt Nicht-Weiße noch immer als Fremde, als Menschen auf Bewährung. Ein Schlaglicht darauf wirft die Staatsaffäre um den NSU: Mehr als ein Jahrzehnt lang konnte der NSU unbehelligt morden, Bomben legen und Banken ausrauben, weil die deutsche Gesellschaft sich darauf festgelegt hatte, dass die Schuldigen dem “Milieu” der Opfer entstammen mussten.
 
Sie wissen selbst dass der Fussball ein Rassismus-Problem hat, dass er Nazis, Antisemit_innen und Homophobe anzieht. Inzwischen gibt es zwar alle möglichen Alibi-Programme gegen Diskriminierung. Aber es ist wie verhext: Immer wieder finden Rassismus und Fußball zusammen. Und auch ganz "normale" Nationalist_innen fühlen sich im Stadion und auf der Fanmeile zu Hause. Denn hier kann man endlich mal in der Masse aufgehen, kann sich vorbehaltlos mit der eigenen Mannschaft identifizieren, kann Anerkennung und Solidarität erleben, die man im Konkurrenzalltag nicht erfährt. Das Problem dabei: Jede Identifikation mit irgend welchen Vereinsfarben und Fahnen lebt von Abgrenzung und Ausgrenzung. Und damit wären wir wieder bei unserem Thema.
 
Besonders drastisch ist derzeit die Ausgrenzung gegen Asylsuchende, gegen Roma und gegen Menschen, die als "Muslime" stigmatisiert werden. Asylsuchende werden in Deutschland oft über Jahre in abgelegenen und überfüllten Sammellagern isoliert und unsichtbar gemacht. Sie werden systematisch unterversorgt und entmündigt – durch Gutscheinsysteme statt Bargeld, durch Polizeischikane, Behördenwillkür und ständig drohende Abschiebung. Für ermordete Roma wird ein nationales Mahnmal gebaut, und am gleichen Tag beginnt der Bundesinnenminister eine Hetzkampagne gegen Roma, die aktuell verfolgt und diskriminiert werden. Er hetzt seine Behörden auf die Lebenden, während Bundeskanzlerin Merkel im Tiergarten Betroffenheit markiert. So funktioniert nationalistische Arbeitsteilung.
 
Wir könnten Sie auffordern, vor dem Spiel am Samstag der Opfer des Mordanschlags von Solingen zu gedenken, oder der zahllosen anderen Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland bis heute. Wir können ihnen nahelegen, sich gegen die tödlichen Folgen der deutsch-europäischen Flüchtlingsabwehr auszusprechen. Aber wir wissen: Das machen Sie im Zweifelsfall mit Links, und es ändert auch nichts ursächlich. Rassismus ist nicht nur eine Frage der Einstellung. Rassismus ist Teil einer gesellschaftlichen Ordnung, die auf Konkurrenz und Ausbeutung beruht. Rassismus lässt sich nur zusammen mit dieser Ordnung überwinden.
Sie sollen aber wissen: Während die deutschen Vereine auf großer Bühne kicken, während Glitzerkonfetti fliegt und irgendwer einen Pokal in die Luft stemmt, sitzen in Deutschland und in Großbritannien staatlich erniedrigte Menschen in heruntergekommenen Lagern, oder versuchen auf lebensgefährlichen Routen die Mauern der Festung Europa zu überwinden. Sie sollen aber auch wissen, dass sich viele von ihnen gegen diese Verhältnisse organisiert haben, und dass sie gerade jetzt, in diesem Moment, auf dem Berliner Oranienplatz ihren eigenen Protest feiern, zusammen mit vielen Unterstützer_innen.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Fight Racism Now!
Wilhelmstraße/ Ecke Hannah-Arendt-Straße
Mahnmal für die im NS ermordeten Sinti und Roma