Syrien: Solidarität und Differenzierung

Wir haben schon mehrmals vor einer Sim­p­li­fi­zie­rung bezüglich der Entwicklung in Syrien gewarnt und versucht mit eigenen Berichten und Übersetzungen vor allem den Positionen der Aktivisten, die von Beginn an den Aufstand gegen das Assad Regime getragen haben, Raum zu geben.


Unbestreitbar ist der Aufstand, der als Aufschrei gegen eine jahrzehnte lange Diktatur begann und von Anfang an auch eine soziale Revolte war (worauf dankenswerterweise auch noch einmal medico in seiner jüngsten Stellungnahme hingewiesen hat), mittlerweile in einen Krieg mit vielen Fronten umgeschlagen. Diverse geopolitische Akteure liefern Waffen und Logistik an alle Kriegsparteien, US Spezialeinheiten sind im jordanischen Grenzgebiet stationiert und bilden dort politisch genehme syrische Aufständische aus, während der Iran und die Hisbollah Kämpfer in grosser Anzahl nach Syrien entsandt haben. Israel führt Luftschläge in Syrien aus und im türkischen Grenzgebiet werden Autobomben gezündet, deren Urheberschaft ebenso wie der eigentliche Zweck ungeklärt sind.

Die tagtäglichen Massaker durch die syrische Armee und Regierungsmilizen sind ebenso wie abscheuliche Misshandlungen und Menschenrechtsverletzungen durch (vor allem islamistische) Aufständische nur dann noch eine Meldung wert, wenn es besonders schreckliche Bilder zu versenden gibt. Das es inmitten all dessen weiterhin abertausende Aktivisten gibt, die tagtäglich ihr Leben riskieren,um Demos zu organisieren, Verwundete zu versorgen, Lebensmittel zu organisieren und das begangene Unrecht aller Beteiligten zu dokumentieren, stösst selbst bei der deutschen Linken auf weitgehendes Desinteresse, soweit man nicht mit absonderlich begründeten Pamphleten seine identitären Positionen pflegen kann.

Ein Beipiel dafür sind die veröffentlichten Stellungsnahmen zu der Kampagne adopt a revolution, sowie die Aufrufe zu einer Mobilisierung im Falle einer "NATO Aggression gegen Syrien"
Fernab jeglicher Kenntnisnahme der Realität der letzten zwei Jahre wird hier ein Szenario zusammengebastelt, dass man nur noch als paranoid bezeichnen kann. Wer sich ernsthaft mit all den "verpassten Gelegenheiten" zu einer Intervention beschäftigt (das fing mit der Mission der arabischen Liga an und hört mit dem angeblichen Giftgaseinsatz durch die syrische Armee auf ), kann zu keinem anderem Schluss kommen, als das eben eine Intervention nur dann stattfinden wird, wenn es absolut keine andere Möglichkeit mehr geben wird, um bestimmte Szenarien (massenhafter BC Waffeneinsatz, "Bedrohung" durch islamistische Gruppen, ...) abzuwenden.

Auch wenn wir es für notwendig halten, all die geopolitischen Aspekte mitzudenken (was der Grund dafür ist, dass wir die diversen Veröffentlichungen der bürgerlichen Medien dazu auf unserem blog dokumentieren), muss unser Hauptaugenmerk doch der Fragestellung gelten, welche Aktivisten und Strömungen wir in der konkreten Situation wie unterstützen können. Die Kampagne adopt a revolution sammelt schon seit langem Gelder für die Aktivisten vorort, die sich in den "Lokalen Koordinierungskomitees" (LCC) organisiert haben. An einigen Initiatoren der Kampagne kann man berechtigte Kritik ob ihrer politischen Verortung üben (das war übrigens bei "Waffen für El Salvador" nicht anders, wer es wirklich wissen will, steige in die Archive hinab und lese nochmals nach, wer das damals alles unterstützt hat), für uns auschlaggebend ist, dass die gesammelte Gelder bei denen ankommen, die für nach wie vor eine emanzipatorische Entwicklung stehen.

Besonders dümmlich finden wir in den Stellungnahmen zu adopt a revolution und in der Mobilisierung zu "Kein NATO-Angriff auf Syrien!" die völlige Nichtzurkenntnisnahme der realen Entwicklung in Syrien, beispielhaft an der Orientierung der kurdischen Organisationen. Ohne an dieser Stelle die Entwicklung der letzten Jahre in Gänze nachzeichnen zu wollen (an der Politik der PYD gab es gerade von jungen syrisch/kurdischen Aktivisten schon lange massive Kritik, ein etwas detailiertes Bild der Situation finder sich u.a. in den Berichten von Thomas Schmidinger (3) und Benjamin Hiller (4)) , wollen wir zumindetens in Kürze über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der PYD und den syrischen Aufständischen in Aleppo berichten. Wenn sich die Gruppen, die die Beiträge zu adopt a revolution sowie zur "NATO Aggression gegen Syrien" geschrieben haben, wenigsten die Mühe gemacht hätten, auf der Höhe der Zeit zu recherchieren, wäre ihnen zumindestens das Interview mit Salih Muslim (5) nicht entgangen, indem er dezidierter die Haltung der PYD beschreibt.

PYD /FSA - Die Entwicklung

Die Auseinandersetzungen zwischen den kurdischen Milizen der Volksverteidigungseinheiten der YPG, dem militärischen Arm der Partei der Demokratischen Union (PYD) und der syrischen Armee dauern schon seit Monaten an. Die PYD steht der PKK nahe und ist auch Teil des Nationalen Koordinationskomitee für Demokratischen Wandel (NCC).

Nachdem es im Herbst letzten Jahres noch zu heftigen Kämpfen zwischen Einheiten der YPG und syrischen Aufständischen in Aleppo gekommen war, wurde Ende Oktober ein Abkommen in Aleppo unterzeichnet, in dem als gemeinsames Ziel der Sturz von Assad sowie die Einrichtung gemeinsamer Komitees vereinbart wurde (1). Das Abkommen wurde auch von Teilen der "islamistischen" Verbände unterzeichnet, die in Aleppo kämpfen.

Im Zuge der Umorientierung der PYD kommt es zu heftigen Kämpfen mit Einheiten der syrischen Armee in Aleppo, bei besonders schweren Gefechten im April gelingt es einen Angriff von Regierungseinheiten auf das kurdische Viertel Sheikh Maqsud zurückzuschlagen (2)

Die jüngsten Kämpfe sind nur eine weitere Zuspitzung. Bereits seit Anfang des Jahres kommt es zu massiven Luftangriffen der syrischen Armee gegen "kurdische Viertel" in Aleppo, bei Kämpfen zwischen Regierungsmilizen und Einheiten der PYD sterben allein im Januar in Aleppo über einhundert Menschen.

Während das im Oktober geschlossene Abkommen zwischen den Einheiten der FSA und der PYD weitgehend eingehalten wird, kommt es immer wieder in den weitgehend von Kurden bewohnten Viertel von Aleppo zu Zusammenstössen mit "islamistischen" Milizen, die sich nicht an die Vereinbarung gebunden fühlen. Unterdessen haben die Einheiten der PYD im März die Kontrolle über das grösste syrische Ölfeld in Rimelan übernommen. Die syrische Armee ist unterdessen dazu übergegangen, immer wieder kurdische Ortschaften gezielt aus der Luft zu bombardieren.

Die Unübersichtlichkeit der verschiedenen Fraktionierungen und Bündnisse in Syrien fand auch Niederschlag in der Besetzung der Konferenz "For a Democratic Syria and a Civilian State”, die Ende Januar in Genf stattfand. Neben den zahhlenmäßig dominierenden Vertretern des NCC nahmen auch Vertreter der FSA sowie Delegierte aus dem "islamistischen" Spektrum teil. Um die Neugestaltung Syriens im Sinne der diversen geopolitischen Akteure dürfte es auch bei dem anschliessenden Besuch einer hochrangig besetzten kurdischen Delegation im März in Moskau gegangen sein.

Warum wir letzendlich diese Informationen veröffentlichen ? Weil wir nach wie vor der Ansicht sind, dass es nicht um krude Frontstellungen geht, die eher einem innerdeutschen Aspekt der Linken, als der Situation der geschundeten Menschen in Syrien geschuldet sind.
Nachwievor fordern wir dazu auf: spendet für adopt a revolution, spendet für medico.
Besucht die Veranstaltungen von syrischen Aktivisten, lest und hört, was die Menschen aus Syrien selbst zu sagen haben. Die LCC dokumentieren z.B. tagtäglich, was in Syrien passiert, auch auf englisch.

"Al-chaab yourid isqat al-nizam!“

recherchegruppe aufstand


(1) Dokumentation des Abkommens auf deutsch auf INAMO

http://www.inamo.de/index.php/syrien-beitrag-lesen/items/afrin-pyd-schli...

(2) Erklärung der YPG

http://www.diekurden.de/news/sheikh-maqsud-ypg-veroeffentlicht-kriegsbil...

(3) T. Schmidinger in der jungle world

http://jungle-world.com/artikel/2013/09/47229.html

(4) B. Hiller in der jungle world

http://jungle-world.com/artikel/2012/31/45969.html

(5) Frankfurter Rundschau

http://www.fr-online.de/aegypten-syrien-revolution/interview-salih-musli...

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Es lässt sich feststellen: die syrisch kommunstischen Parteien kämpfen in Syrien auf der Seite Assads, wie auch viele linksradikale Syrer auf der Seite der Regierung kämpfen. Die PYD steht vor allem für eine Form von Separatismus - für mehr auch schon nicht.

 

Neben dem erwiesenen Krieg ausländerischer Terroristen in Syrien aus Katar, Lybien und Saudi-Arabien gegen die Regierung Assads, die immer noch die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich weiß, kann jeder selbst entscheiden, ob man sich als Linker für eine emanzipatorische 5. Kolonne  ins Feuer werfen will, weil die ja zumindest schon die syrischen Ölfelder für sich selbst geraubt haben, oder ob man in diesem imperialistisch geostrategischen Krieg eindeutig Partei auf Seiten der Kommunisten ergreift.

 

Ich freue mich zumindest, dass selbst die deutsche Linke noch nicht so verblödet ist, sich Euren arroganten Dämlichkeiten zu unterwerfen und dafür zu spenden.

was sollen daß für "kommunistische" parteien sein? du meinst wohl eher bolschewistische bzw. stalinistische parteien. kommunismus geht nicht mit parteien.

bitte mach endlich mit deinen leuten dschugaschwilimedia.org und lass uns in ruhe.