Am Sonntag Morgen stürmt ein SEK die ehemalige Schule in der Ohlauertstraße/ Kreuzberg. Die meisten Bewohner_innen schlafen noch. Türen zu den Schlafzimmern werden aufgebrochen, teilweise ganz herausgetreten. Die Leute werden mit vorgehaltenen Waffen in den verschiedenen Stockwerken zusammen getrieben und dort für mehrere Stunden, teilweise nur in Unterwäsche festgehalten. Einige werden mit einer Waffe am Kopf aus dem Schlaf gerissen, andere geschubst und getreten. Es wird ihnen nicht gesagt warum sie so behandelt werden, welche ihre Rechte sind, weswegen ihre Zimmer durchwühlt werden. Eine Anwältin wird nicht zu ihnen durchgelassen. Es ist bekannt, dass das Gebäude von Geflüchteten bewohnt ist, trotzdem sind zu dem Einsatz keine Dolmetscher hinzugezogen worden. „Deutsch ist immer noch Amtssprache“ weiß der Einsatzleiter diese Vernachlässigung zu begründen. Die Opfer des Polizeieinsatzes kommen aus Kriegs- und Krisengebieten, viele sind traumatisiert durch ihre Flucht, durch die Behandlung deutscher Behörden und Zwangsunterbringung in Flüchtlingslagern.
Die Polizei nennt für den Einsatz eines schwer bewaffneten Sondereinsatzkomandos nachträglich zwei Gründe: Die Unübersichtlichkeit des Gebäudes und die Bewaffnung des vermeintlichen Täters. Das Schulgebäude gliedert sich in drei Gebäudeflügel, die durch Treppenaufgänge voneinander getrennt sind. Es gibt eine überschaubare Anzahl von Räumen, die in einzelne Flure aufgeteilt sind. Sehr übersichtlich, kein Grund Türen einzutreten. Bei der gesuchten Waffe soll es sich um ein Messer gehandelt haben, bei der vorgeworfenen Straftat um eine Bedrohung. Soll das als Begründung ausreichen, wahllos unbeteiligte Menschen mit Knarren zu bedrohen, sie zu Fesseln, ihnen Angst zu machen? Ist damit zu rechtfertigen, dass alle Bewohner_innen, darunter Familien mit Kindern, unter Generalverdacht gestellt werden?
Ist das nicht unverhältnismäßig?
Der Einsatz der Polizei steht in einem logischen Verhältnis zur Berichterstattung der Medien, die ohne vor Ort gewesen zu sein über „kriminelle Asylbewerber“ schreiben, die ihre Türen „verbarrikadiert" und das Gebäude „besetzt“ haben sollen (so z.B. der Tagesspiegel in der Druckausgabe am 8.4.2013). Die ehemalige Schule in der Ohlauerstraße ist nicht besetzt. Ihre derzeitige Nutzung wurde durch das Bezirksamt mehrere Male per Presseerklärung legitimiert. Keine der Türen war verbarrikadiert. Sie waren von außen nicht per Klinke zu öffnen, wie andere Wohnungstüren auch.
Die Razzia in der Schule steht ebenfalls im Verhältnis zur Stimmungsmache gegen Asylsuchende und rassistisch fundierten Vorurteilen. Des weiteren besteht ein Zusammenhang zu einer diskriminierenden Rechtsprechung, die das Asylrecht häufig missachtet: Die Menschen einer Residenzpflicht unterzieht, sie in Lagern isoliert, in den Abschiebeknast sperrt, deportiert.
Schließlich steht der SEK-Einsatz auch in einem konsequentem Verhältnis zu zahlreichen Polizeiübergriffen auf Proteste von Flüchtlingen oder deren Selbstorganisation, zuletzt auf die Aktivist_innen der Refugee Revolution Bustour.
Es sieht daher so aus, als wäre die Razzia durchaus verhältnismäßig gewesen.
Da die Stimmen der betroffenen Geflüchteten in anderen Berichterstattungen keinen Platz haben, dokumentieren wir an dieser Stelle ihre Erlebnisse und Eindrücke. Sie sollen auch gehört werden in der nun anstehenden Debatte um die Angemessenheit und Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes bzw. der Ausstellung des richterlichen Durchsuchungsbeschlusses.
Wider den rassistischen Verhältnissen!
Alle Interviews (esp/de/eng) unter: http://asylstrikeberlin.wordpress.com/2013/04/09/gegendarstellung-zu-pol...
Bitte auch dazu Stellung beziehen
Auch wenn der SEK-Einsatz mit Sicherheit nicht verhältnismäßig war, so finde ich es schon ein wenig enttäuschend, dass ihr zum initialen Ereignis keine Stellung bezieht. Im Refugee-Haus hielten sich offenbar Leute auf, die vorher einen anderen Menschen mit einem Messer bedroht haben. Und anscheinend habe diese Leute einige Tage zuvor nicht davor zurückgeschreckt gegen den selben Menschen auch ein Messer einzusetzen. Solch ein Verhalten ist einfach nicht zu entschuldigen! Ihr solltet deshalb auch die Verantwortung für euer Haus zu übernehmen, z.B. in dem ihr den Tätern keinen Unterschlupf gewährt und Übergriffe aus eurem Haus unterbindet.
Du scheinst ja sehr genau bescheid zu wissen,
Wo und wie wurde denn bitte schön Deiner Meinung nach den mutmaßlichen Tätern "Unterschlupf gewährt" in der Schule und wo wurden Übergriffe "aus Eurem Haus" nicht unterbunden ?
Dein seltsames imaginiertes Szenario sieht ja anscheinend so aus:
1. In der Schule halten sich vorwiegend Kriminelle auf und das ist allgemein akzeptiert.
2. Irgendjemand bedroht einen Imbiss-Besitzer mit einem Messer.
3. Alle Bewohner in der Schule finden das toll und sagen: "Ja, bei uns könnt Ihr euch doch super vor den Bullen verstecken".
Vielleicht war es aber einfach nur so:
1. Irgendjemand bedroht einen Imbiss-Beseitzer mit einem Messer (absolut scheiße, überhaupt keine Frage !)
2. Die Bewohner in der Schule kriegen davon überhaupt nichts mit. Warum auch ? Sie haben mit dem Vorfall ja auch überhaupt nichts zu tun !!!
3. Die Bullen stürmen das Gebäude.
Den Rest der Denkaufgabe überlasse ich Dir ...
Re: Du scheinst ja sehr genau bescheid zu wissen
Das habe ich nicht behauptet.
Auch das habe ich nicht behauptet. Ich gehe wie du davon aus, dass die Leute im Haus nichts von der Tat wussten.
Es gibt aber zwei Szenarien:
Szenario drei
Oder die Bullen haben einfach nur einen Anlass gesucht, um da mal reinzustürmen. Mögliche Gründe wurden ja oben in der gesellschaftlichen Situation dargestellt. Die Bedrohung im Umfeld stellte einfach einen guten Anlass dar. Entweder aus Rassismus des Einsatzleisters, möglicher Zeugen oder schlicht aus blankem Kalkül wurde der Vorfall mit dem Haus in Verbindung gebracht. Der/die Täter_in war nie in das Haus geflüchtet. Schon mal über diese Möglichkeit nachgedacht?