[B] Betreffend 1. MⒶi

1er Mai - Jour de lutte

Durch dieses kurze Schreiben möchten wir auf einige Punkte eingehen, die unsere Kritik innerhalb der letzten Jahre an der Organisierung des 1. Mais verstärkt haben. Wir nehmen den 1. Mai als einen der vielen Tage des Kampfes und der Austragung unserer unversöhnlichen Ablehnung der gegenwärtige Verhältnisse war.

 

Es ist kein Tag an dem die für viele beliebte Label-Politik betrieben werden muss. Seit mehreren Jahren wird der erste Mai allerdings zunehmend von vielen Gruppen dazu benutzt, um Werbung für sich zu machen und zu zeigen, dass es sie überhaupt noch gibt. Die Demonstration hat sich aus einem Moment der inhaltlichen und praktischen Konfrontation mit dem Staat und seinen Schergen zu einem riesiges Spektakel gewandelt. Hauptsache es gibt noch einen großen Truck der diesen Charakter verstärken soll, durch seine Anwesenheit aber andere Optionen einschränkt, denn man könnte ja durch gewisse Aktionen den Truck in Gefahr bringen. Jegliche Art der Konfrontation blieb oft im Bereich des Verbalradikalismus eingegrenzt (wogegen in einigen Jahren zum Glück etwas entgegengesetzt werden konnte). Die Demonstration des letzten Jahres, die durch ein Niemandsland in die Hände der Bullen führte, nach einer Latscherei in einer demütigenden Prügelorgie endete, ist die Krönung dieser Entwicklung. Was für viele als eine Demütigung wahrgenommen wird, wird aber von anderen gefeiert, weil man die „Massen“ auf die Straße gebracht hat. Als ob die Revolution bloß eine Frage der Zahlen wäre und sich am ersten Mai messen würde. Für uns gehen Qualität und Quantität Hand in Hand und 15.000 Menschen müssen nicht unbedingt ein Ausdruck der Unversöhnlichkeit oder gar Stärke sein sondern, wie z.B. letztes Jahr, können auch eine ganz anderes Bild vermitteln. Die Illusion, dass es einen Winterpalast zu stürmen gäbe oder ein Zentrum der Macht, teilen wir nicht. Die Erscheinungen der Macht sind vielfältig und überall präsent, deshalb auch überall angreifbar. Wir müssen die Zeit und Art des Angriffs bestimmen und nicht der Gegner; deshalb ist der 1. Mai wie heute konzipiert, eigentlich völlig der falsche Moment dafür, weil der Gegner so gut vorbereitet ist und unsere Kreativität durch die Jahre abgenommen hat. Anstatt neue Optionen auszuforschen wurde sich dafür entschieden eher auf eine Demonstration zu pokern, die nur auf die Zahlen und die Selbstinszenierung der einzelnen Gruppe zielt - an diesem Tag und im Vorfeld durch die Mobilisierung. Die Polizei hat öfters gezeigt wie sie so etwas gut kontrollieren kann und hohe Rechnungen durch ihre Repressalien verursacht. Wenn es eine Lehre aus den letzten Jahren gibt, ist es eben das, dass nur durch unsere Unberechenbarkeit dem Gegner Probleme verursacht werden können.

 

Die Nicht-Anmeldung einer solchen Demonstration reiht sich in diese Logik ein - um der Polizei die Arbeit schwerer zu machen, denn wenn es keine feste Route gibt, stellt sich ihre Einsatzplanung schwieriger dar. Auf der anderen Seite sehen wir es als Widerspruch uns die Route von den Bullen diktieren zu lassen und überhaupt sie nach der Erlaubnis zu fragen, für die Abschaffung dieses System (ihres eigenen) auf die Straßen zu gehen. Der erster Mai, der an sich sowieso viele Leute auf die Straße bringt, stellt sich als eine gute Gelegenheit dar um einen solchen Versuch zu probieren, dessen Ausgang vom Willen aller Beteiligten abhängig ist und nicht im Vorfeld 100% vorgesehen werden kann – was spannend wäre. Denn dadurch bezwecken wir auch eine Kritik am zunehmenden Konsumsverhalten, das sich etabliert hat und Demonstrationen zu Ritualen transformiert hat. Der erste Mai ist leider kein Einzelfall, er stellt vielleicht einfach das höchste Moment dieses Ritualisierungsprozess dar. Mögen einigen Gruppen sich dadurch zufrieden geben, dass die „Massen“ ihnen und ihren Parolen folgen, wir sind Anarchist_innen und Libertäre und zielen auf die Selbstorganisierung, gegenseitige Hilfe und Handlungsfähigkeit der einzelnen Individuen miteinander. Die Menschen, die zu solchen Protesten gehen, sollen die Gründe dafür wissen, aber auch womöglich sich angespornt fühlen sich selbst zu aktivieren und ihre Vielfältigkeit zum Ausdruck bringen. „Alles muss man selber machen“ eben und nicht „da werden sich schon die übliche Gruppen kümmern“. Wir wollen 15.000 denkende und selbsthandelnden Menschen auf dieser Demonstration erreichen, keine 15.000 Latscher_innen, zugespitzt gesagt. Insofern haben wir auch kein Problem wenn sich „nur“ 5.000 Menschen oder wie viele auch immer sich einem neuen Konzept um die erste Mai Demonstration anschließen würden. Wichtig ist in erste Linie die Konsumhaltung zu brechen und einen Tag der radikalen Auseinandersetzung mit den Verhältnisse zu erreichen. Wir drücken nochmal aus, dass es uns nicht darum geht wie viele und ob es überhaupt Krawalle gibt, sondern dass wir auch eine Bild der Entschlossenheit und Konsequentheit von unseren Diskursen vermitteln wollen. Die Präsenz auf der Straße in den Wochen davor mit unseren Inhalten, unterschiedlichen Arten der Mobilisierungsaktionen im Vorfeld, die Intervention in die anhaltenden Konflikte in der Stadt, die Ausbreitung der Solidarität unter den Menschen sowohl der Diskurse und Praxen, wo sich auch anderen Ausgebeutete anerkennen können, der Angriff gegen die vielfältige Erscheinungen der Herrschaft, das ist auch der erste Mai. Wir wissen, dass es viele Unzufriedene gibt, die mit dem gegenwärtigen Konzept des 1. Mai nicht einverstanden sind. Gewisse Ereignisse der letzten Jahre haben auch gezeigt, dass es ein erhöhtes Interesse für andere Demonstrationskonzepte gibt, die absolut ausbaufähig sind und eine Art von Prozess darstellen, die aus den Ideen und der Kraft aller Interessierten leben. Sie sind nicht die perfekte Lösung sondern ein Versuch, und zwar, dass es auch anders als immer gehen kann und staubige Traditionen überwunden werden können. Durch unsere inhaltliche und praktische Kritik möchten wir einen weiteren Stein in der Straße des Experimentierens setzen, wo der erste Mai nur einer der 365 Tage des Jahres ist. Der 1. Mai hat schon lange kaum noch Ausstrahlung über den Tag hinaus gehabt, egal wie hoch Teilnehmern_innenzahlen waren oder welche Route gewählt wurde. Lediglich 2009 konnte die Bewegung aus diesem Datum ein Gefühl der Stärke mitnehmen und 2001 geriet Innensenator Werthebach durch sein gescheitertes Verbot in Bedrängnis. Jetzt kann durch verschiedene Optionen unser Handlungsspielraum in dieser Stadt erhöht werden.

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Guter Text der mir aus dem Herzen spricht !

viel gutes drin...

aber wie es sich abzeichnet, soll es ja dieses jahr genauso die gleiche scheisse (auch in bezug auf die route) wie letztes jahr geben. in der vorbereitung sitzen seit jahren sowieso immer nur noch die gleichen paar leute, an denen alle kritik abprallt, eben wg. des spektakes der selbstinszenierung (s.o).

die arab faselte letztes jahr was von erweiterung ins "linksbürgerliche" spektrum, am ende zogen direkt hinter einem teilweise vermummten frontblock von 200-300 leuten jede menge besoffene und gaffer her, leichtes spiel für die bullen. einige haben genau das kommen sehen:"scheiss auf mitte", siehe

https://linksunten.indymedia.org/de/node/57290, aber die kritik wurde ja selbstherrlich abgebügelt.

 

hinterher dann in der auswertung alles als grosser erfolg verkauft, wenn man den quatsch gelesen hat, hatte das soviel mit der realität zu tun , wie die neues deutschland berichterstattung zu ddr zeiten mit selbiger.  es bleibt zu befürchten, dass es dieses jahr genauso wird, hoffen wir, dass es einigen leuten gelingt, zumindestens ansatzweise mal was anderes aufzuzeigen. die mobilisierung zum bullenkongress in diesem jahr in berlin hat ja gezeigt, dass es ansatzweise auch anders geht, aber ebenso auch, wieviele leute einfach nur mit einer konsumhaltung mitlatschen.

 

über die inhaltliche ausrichtung der letzten jahre wollen wir lieber kein wort verlieren, erstmalig in 25 jahren gab es letztes jahr auch nur ein plakat und das auch auch noch mit dem bescheuerten kochtopf, einfach nur peinlich. hoch, nieder, mit...

 

danke für den beitrag....

Was machst du, wenn ...

a.) du die Route mitbestimmen willst? Genau, du gehst zum Vorbereitungstreffen.

b.) du nen größeren Frontblock haben willst? Genau, du und deine Freunde gehen zum Frontblock.

c.) du mehr als ein Plakat haben willst? Genau, du layoutest eines und lässt es drucken.

 

In allen anderen Fällen machst du d.), nämlich die Fresse halten, denn dein Kommentar zeugt genau von einem: Ja genau, du hast es erkannt, einer Scheißkonsumhaltung.

a) wen du verstehend lesen kannst wird dir auffalen das die leute beim vorbereitungs treffen waren

b) scheiß auf den frontblock der macht noch lange keine gute demo

c) ich persönlich hab keine lust werbung für eine demo von autoritäre gruppen zumachen welche sich dann aufspielen ala "WIR HABEN DEN 1.MAI GEMACHT!"

d) keine revolution mit autoritäre kommunisten ,die stellen uns danach an die wand

a.) wenn sie beim Vorbereitungstreffen waren und eine andere Route vorgeschlagen haben, und nun diese Route nicht kommt, was wird dann wohl passiert sein? Genau, sie hatten keine Mehrheit. Jede Gruppe stimmt mit einer Stimme, mehr Gruppen, mehr Stimmen = Entscheidung. Warum meinst du, dass eine Gruppe das Recht haben sollte, den anderen ihre Route aufzuzwingen?

b.) Eine "gute Demo" braucht eine politische Aussenwirkung und sollte also auch jene einbinden können, die nicht unbedingt Polizeikongress"riots" machen wollen. Diese arrogante "lieber 500 "Entschlossene"" als 15 000 doofe Normalos Scheisse ist typisch für eine völlig isolierte Szene, den Rest der autonomen Bewegung, die noch nicht begriffen hat, dass sie eigentlich schon zu marginal und klein ist, um überhaupt noch eine Bewegung zu sein.

c.) Die erste Mai Demo ist immer eine Demo gewesen, an der sich unterschiedlichste Spektren beteiligt haben. Welche "autoritären Gruppen" du meinst, bleibt dein Geheimnis. Die Gruppen, die im Vorbereitungstreffen sind, stellen nur den organisatorischen Rahmen, was aus der Demo wird, hängt davon ab, was die Leute machen, die hingehen.

d.) Wenn du tatsächlich Angst hast, von den Gruppen, die den 1. Mai vorbereiten "an die Wand gestellt zu werden", solltest du schleunigst einen Psychiater aufsuchen.

Jedes Jahr das gleiche Scheiß, völlig entpolitisierte, unpolitische Blabla. Ihr wollt 15 000 denkende und selbst handelnde Menschen erreichen? Werdet erstmal selber welcher.Lieber mit 15000 "LatscherInnen", die gegen ihre eigenen Probleme - Mitsteigerung, Lohndrückerei, Rassismus - auf die Straße gehen, als Euch zehn Hanseln mit eurem ewigen Unversöhnlichkeitsgeseier. Dauernd "unversöhnlich" sein, aber dann die ersten, die wegrennen, wenn Bullen kommen.

 

PS: Und dass sowenig an Militanz geht, liegt nicht an den organisierenden Gruppen, sondern daran, dass es die Strukturen eben nicht (mehr) gibt, die sowas machen und können (es sei denn ihr - ich tippe ja eher auf Einzelperson, also: Du - wollt noch mehr schwarz gekleidete 12jährige, die Bushaltestellen entglasen. Lest mal n Buch, das macht mehr Sinn.

der vor dir steht...

mag die orgagruppen ja auch nicht. na und? wer organisiert sonst mal was richtiges?

Es ist glasklar: Dass am 1. Mai dieses und jenes nicht funktioniert, daran haben mit Sicherheit jene Gruppen schuld, die an dem Tag was organisieren und nicht die, die an dem Tag nichts organisieren.

Warum wird wieder angemeldet??

Ich find teile der kritik an den orga-gruppen auch schwach, aber die frage warum wieder angemeldet wird bleibt bestehen!!

Also liebe arab & co warum?

 

sol. gruß

Die Kritik der Orga Gruppen ist nicht schwach. Solange sie was machen ist das auch gut so. Da ist schon was dran, mit den losen Grüppchen die schwarz gekleidet sind und selber wenig beitragen aber viel kritisieren. Deswegen sind sie natürlich nicht schlechter.

 

Zur Demo:

Eine Demo anzumelden macht keinen Sinn, wenn die Bullen die Demo auf halber Strecke sprengen (letztes Jahr), und wie oben gesagt im Niemandsland. Das Mobilisierungspotential ist doch am 1.MAi aufjedenfall in Kreuzberg vor Ort. Warum anmelden??