[DIY] 13.03.2013: Double Trouble in Neumünster: VS tagt zu Nazis, Nazis kündigen Demo gegen den VS an

Proch auf NPD-Kundgebung

Unter Beteiligung staatlicher Repressionsorganen findet diesen Mittwoch, d.h. am 13.03.2013, in Neumünster eine Fachtagung zur extrem rechten Instrumentalisierung des Themas Pädosexualität statt. Seit einiger Zeit mobilisiert der NPD-Aktivist Mark Proch zu einer landesweiten Demonstration gegen diese „Kinderfickerfreunde“-Tagung. Auch wenn noch nicht klar ist, ob seitens der Nazis an dem Tag wirklich etwas stattfinden wird, wollen wir dazu aufrufen, die Entwicklung im Auge zu behalten und eventuellen extrem rechten Aktivitäten entschlossen entgegenzutreten. Darüber hinaus wollen wir in diesem Artikel auf die Hintergründe der Mobilisierung durch Proch eingehen, gleichzeitig aber auch kritisch auf die Verstrickungen zwischen antifaschistischen Kräften und politischer Polizei usw. hinweisen.

 

Zur Vorgeschichte:

Bereits im September 2012 berichteten Antifaschist_Innen aus Neumünster über die Versuche der Nazis, Proteste gegen einen in der Stadt wohnhaften Pädosexuellen zu instrumentalisieren (vgl. de.indymedia.org/2012/09/334788.shtml). Die Presse griff die Pressemitteilungen dankbar auf und berichtete ausführlich über die Verstrickungen der Demo-Organisator_Innen mit der extrem rechten Szene, neben Berichten in den lokalen Zeitungen erschien u.a. ein NDR-Beitrag im SH-Magazin unter dem Titel „Demo mit rechtem Beigeschmack“. Sonja Proch verkündete daraufhin am 9. September: „wir werden mit euch die Sache weiter verfolgen […] Wir lassen uns nicht einschüchtern, nicht von vermummten Chaoten , nicht vom „Bündnis gegen Rechts“ und auch nicht von der Presse!“ [sic!] Nachdem Sonja und ihr Ehemann Mark lange geleugnet hatten, zur Naziszene zu gehören, wurden Bilder vom NPD-Aufmarsch am 01. Mai 2012 in Neumünster veröffentlicht, an dem die beiden mit Plakaten der Partei in der Hand teilnahmen. Danach wurde es still um das Ehepaar Proch, wobei schnell klar wurde, dass sie ihre Aktivität nicht eingestellt hatten, sondern nur verdeckt agierten.

 

Am 21.12.2012 gründete Mark Proch bei Facebook eine Gruppe unter dem Titel „Schleswigholstein gegen Kinderschänder!“ und rief dazu auf, gemeinsam eine „machtvolle“ Demonstration zum Thema zu organisieren, „erst Geheim um unsere Gegener im Dunkeln zu lassen!“ [sic!]. Als Zeitpunkt wurde März 2013 auserkoren, bereits kurz nach Weihnachten 2012 postete Proch: „Und denkt dran bald sind Kommunalwahlen in SH,da tut eine Demo gegen Kinderschänder den laschen Politikern doppelt weh !“ Anders als bei den bisherigen drei Veranstaltungen zu dem Thema in Neumünster sollte nun aber landesweit vorbereitet und mobilisiert werden: „Wir rufen Kiel ,Hamburg ,Lübeck ,Segeberg,Kaltenkirchen ,Bad Bramstedt,Plön,Rendsburg ,Pinneberg ,Lütjenburg,Bordesholm,NMS und alle anderen Städte und gemeinden auf“ [sic!], wobei Proch die Hoffnung äußerte, „das sie ANGST bekommen“ [sic!]. Posts, in denen einige einige Mitglieder der Gruppe ihre Gewalt- und Mordphantasien äußerten (es wurde etwa ein Banner der NPD Naheland, auf dem die „Todesstrafe für Kinderschänder“ gefordert wurde, verlinkt), nahmen derart Überhand, dass Mark Proch am 08. Januar als Moderator einschreiten und darum bitten musste, von Gewaltaufrufen abzusehen. Da seine Frau Sonja am 30.08.2012 in einer anderen Gruppe selber noch zum Lynchmord aufgerufen hatte („die drecksau aufhängen …....... darum fordern wir in allen ländern die todesstrafe für kinderschänder“), waren seine Bemühungen um Mäßigung hier aber nicht ganz ernst zu nehmen, zumal er nur darauf verwies, dass es darum gehe, „seriös“ zu wirken

 

Zu den Hintergründen:

Nun hat Mark Proch Ende Januar seine Terminvorstellungen konkretisiert. Einen Fachtag der Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein unter dem Titel „Rechtsextreme Kampagnen – Instrumentalisierung von Sexualstraftätern“, die am 13. März 2013 im Kiek in in Neumünster stattfinden wird, will er zum Anlass nehmen, die Inhalte der NPD auf die Straße zu tragen. Hierbei handele es sich ihmzufolge um den „perfekten Termin für eine Demo“, da bei der Tagung „alle Menschen die ein härteres vorgehen gegen Sexualstraftäter fordern ,kriminalisiert und als Nazis geoutet werden Dort versammeln sich all die Versteher ,Toleranzprediger und Kinderfickerfreunde !“ [sic!] Gleichzeitig beklagt sich Mark Proch, es finde eine „„Moderne Hexenjagd gegen anders denkende“ statt – dass er sich einerseits selbst zum Opfer stilisiert, andererseits jedoch inzwischen ganz offen für die NPD agiert wie bei der Kundgebung am 16.02.2013 auf dem Kantplatz, wirkt durchaus widersprüchlich. Jüngst wurde bekannt, dass Proch sogar schon seit 2011 enge Kontakte zur Partei unterhält und eine wichtige Rolle im Kreisverband spielt.

 

Zur Strategie der Nazis:

In Neumünster trat Mark Proch bei den ersten Pädosexuellen-Demonstrationen zwar bewusst als Einzelperson auf und gab sich als besorgtes Elternteil, integrierte aber durch seine Redebeiträge zunächst fast unbemerkt NPD-Parolen in die Veranstaltung. Erst durch die antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit wurde vielen Teilnehmer_Innen die Augen geöffnet, vor wessen Karren sie gespannt wurden. Die Amadeo Antonio-Stiftung hat sich in einer Broschüre damit auseinandergesetzt, wie genau die Pädosexuellen-Kampagnen der Nazis funktionieren: sie spricht von einer „Normalisierungsstrategie“, d.h. die Nazis würden populäre Themen, die emotional aufgeladen sind, aufgreifen, um sich als Akteur_Innen in Szene zu setzen. (vgl. http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/sexueller-missbrauch.pdf) Die Stiftung ergänzt, dass es den Nazis nicht primär um die Kinder gehe, diese seien aus Perspektive der extrem rechten Ideologie vielmehr „Mittel zum 'Rassenerhalt'“, ebenso gilt die NPD-Familienpolitik nicht für Kinder mit Migrationshintergrund, denn – so heißt es im Parteiprogramm - die Würde des Menschen hänge von „Volkstum und Kultur“ ab. (ebd.) Darüber hinaus erscheine auch der Begriff „Kinderschänder“ problematisch: er impliziere, dass der Machtmissbrauch sexualisierter Gewalt mit Schande einhergehe und „stellt die Opfer sexualisierter Gewalt (die 'Geschändeten') an den Pranger, als trügen sie eine Mitschuld am Geschehenen.“ (ebd.) Hilfe für die Opfer und deren langfristige Begleitung bei der Verarbeitung solcher Straftaten sei hingegen für extrem Rechte kein Thema: „Die von ihnen aufgeladene Debatte fixiert sich auf die Straftäter und deren gewaltsamer Auslöschung.“ (ebd.)

Ein Mitglied des Knastkollektivs aus Köln verweist auf den Seiten des Anarchist Black Cross Berlin darauf, dass die allermeisten Gewalttaten gegen Kinder in den Familien passieren würden, und es nach der Logik der Nazis eine ungeahnt große Zahl an Täter_Innen gäbe – diese alle auszulöschen, das sei auch den Nazis bewusst, sei keine gesellschaftlich mehrheitsfähige Position: „Sie greifen deshalb eine Strategie auf, die ohnehin in der Gesellschaft vorhanden ist: Die Sündenbockstrategie. […] Wenn keine Bereitschaft vorhanden ist, sich mit den Hunderttausenden von Tätern auseinanderzusetzen, greifen wir uns eben ein paar Hundert raus.“ (http://www.abc-berlin.net/zu-nazis-und-der-todesstrafe-fuer-sexualverbre...)

 

Zu unserer Kritik an der Tagung:

Für die Tagung am 13. März wird auch eine Vertreterin der Amadeo Antonio-Stiftung nach Neumünster reisen. Der Werbeflyer der Veranstaltung gibt Auskunft darüber, dass es darum gehe zu klären, wie wir mit der Instrumentalisierung des Themas sexualisierte Gewalt umgehen und Gegenstrategien entwickeln könnten. Auf den ersten Blick wirkt die Veranstaltung auch für Antifaschist_Innen ansprechend, eine Vielzahl von Expert_Innen u.a. aus dem medienpädagogischen und therapeutischen Bereich soll Vorträge halten, auf dem Abschlusspodium sitzt sogar ein Vertreter des Bündnis gegen Rechts Neumünster. Stutzig werden lassen sollte dann jedoch ein genauerer Blick auf die Ansprechpartner_Innen: Hier sticht das „Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus SH“ hervor, deren Strategie Ende 2011 bereits schon von der Autonomen Antifa-Koordination Kiel kritisch beleuchtet wurde, als für die Ausgestaltung eines „Lokalen Aktionsplanes“ gegen die extreme Rechte in den nördlichen Kieler Stadtteilen reihenweise Antifaschist_Innen umworben worden waren. (vgl. http://www.antifa-kiel.org/tl_files/kiel_antifa/pics/beratungsnetzwerk/b...) Damals wurde analysiert, dass das „Beratungsnetzwerk“ und die „Landeskoordinierungsstelle“ unmittelbar mit dem

Innenministerium, dem Landeskriminalamt und dem Verfassungsschutz verknüpft seien, „also staatlichen Institutionen, die antifaschistische und linke Gruppen und Organisationen (inklusive der Partei DIE LINKE und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen (VVN-BdA) ausspionieren, kriminalisieren“. Die Antifa-Koordination kam zu dem Schluss, dass Antifaschist_Innen „keinen gemeinsamen politischen Nenner mit diesen

Institutionen“ hätten, „auch nicht im Kampf gegen Neonazis“. „Unser Antifaschismus ist ein notwendiger Teil des Kampfes für die Emanzipation der Menschheit aus den barbarischen

Verhältnissen, in denen Menschen für ihren Vorteil andere Menschen unterdrücken, ausbeuten und ermorden. Innenministerium, Landeskriminalamt und Verfassungsschutz sind als Legislativ- bzw. Exekutivorgane dieses Staates tragende Pfeiler dieser Verhältnisse und stehen einer kämpfenden linken Bewegung als politische Gegner gegenüber.“ Bei der Fachtagung in Neumünster ist der Fall aber noch einmal anders als bei der Diskussion 2011: während die genannten staatlichen Repressionsorgane damals eher im Hintergrund agierten, sitzt am 13. März nun auch Birte Hansen, Leiterin des Staatsschutz-Kommissariats beim BKI Kiel, mit auf dem Podium und diskutiert u.a. mit dem Vertreter des Bündnis gegen Rechts. Laut einer Broschüre von Rote Hilfe-Gruppen aus Süddeutschland zum Thema „Kontaktaufnahme von VS und Staatsschutz“ ist der Staatsschutz „die politische Abteilung der Kriminalpolizei“. Er sammle gezielt Informationen über linke Strukturen und versuche sie zu durchleuchten, „um sie direkt mit Verfahren zu überziehen“. (vgl. http://www.rote-hilfe.de/downloads/category/3-rechtshilfe-a-was-tun-wenn...)

Zusammenfassend bedeutet das, dass die staatlichen Repressionsorgane zunächst einmal Antifaschist_Innen unter die Lupe nehmen und sie auf ihre „Systemkompatibilität“ überprüfen. Anschließend wird dann versucht, zu Kooperation bereite Strukturen, wie etwa in Neumünster das Bündnis gegen Rechts, einzubinden und einen symbolischen, staatlichen Antifaschismus zu institutionalisieren. Im gleichen Atemzug werden antifaschistische Strukturen, die über eine bloße Symbolpolitik hinauszugehen versuchen, kriminalisiert und zu zerschlagen versucht, etwa durch die „Extremismusklausel“, die dazu führte, dass einigen antifaschistischen Projekten die Finanzierung wegbrach. (vgl. http://www.antifa-kiel.org/index.php/koordination/articles/redebeitrag-g...)

Schon vor zwei Jahren resümierte die Antifa-Koordination, die Zusammenarbeit mit staatlichen oder halb-staatlichen Stellen im Kampf gegen Neonazis stelle „gewissermaßen die 'Grauzone' dar, über die permanente und generelle Debatten innerhalb antifaschistischer Strukturen nötig“ seien. Dies scheint angesichts der Tagung am 13. März mehr denn je Gültigkeit zu haben.

 

KEINE KOOPERATION MIT STAATLICHEN REPRESSIONSORGANEN!

DO IT YOURSELF: NAZI-AKTIVITÄTEN BE- UND VERHINDERN – IN NEUMÜNSTER UND ANDERSWO!

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Liebe VerfasserInnen des Artikels,

erstmal ein dickes Lob für die Recherche über Proch und Co. Auch wenn der letzte Demoversuch dieser Leute nach den Medienberichten über ihren Nazihintergrund ein Flop war ist schon deutlich, dass mit dem Thema Pädosexuelle auch in NMS ein hohes Mobilisierungspotenzial der Nazis gegebn ist, auch wenn ich persönlich nicht damit rechne, dass sie am Mi einen Aufmarsch in nennenswerter Größe hinbekommen.

Für den zweiten Teil des Artikels hättet Ihr aber ein wenig mehr recherchieren können, hierzu reicht ein bisschen investierte Zeit mit einer Suchmaschine: Ihr schreibt die Zusammenarbeit mit (halb-)staatlichen Stellen stellt für radikale Linke eine Grauzone dar in der wir schauen müssen wo wir Grenzen ziehen. Nunja, auf dem Podium sitzt tatsächlich eine Beamtin des polizeilichen Staatsschutzes (K5) und (das habt Ihr überlesen) zu den veranstaltern gehört auch der Rat für Kriminalitätsverhütung, der direkt im IM sitzt. Aber: Unter den restlichen Teilnehmern der Podiumsdiskussion und vor allem den Referenten kann ich sonst keine reaktionären Gestalten entdecken. Im Gegenteil, da ist eine Referentin der AAS (das habt Ihr gemerkt), ein Referent vom linken Miteinander e.V. in Sachsen-Anhalt, ein referent vom Lidicehaus Bremen (habt Ihr da Bedenken?), ein Diskussionsteilnehmer vom Bündnis gegen Rechts Neumünster (das habt Ihr gemerkt), ... . Und Mitveranstalter ist auch die Petze, also ein Träger der sich noch immer in der Frauenbewegung verortet.

 

So what. Wenn dieser fachtag wirklich vom VS veranstaltet werden würde, dann würde MEIN Weltbild sich verschieben. Fürs erste tut es aber auch ein wenig Recherche in der "Grauzone", dann können die Weltbilder bleiben wie sie sind.

nun ja ... man kann ja jetzt sicherlich unterschiedlicher Auffassung sein, ob die Tagung ein "no go" für AntifaschistInnen ist oder nicht. Aber: Miteinander e.V. ist sicher kein "linker" Verein, auch wenn sie durchaus ganz gute Arbeit machen. Die würden sich selbst auch nicht als "links" bezeichnen. Und das Lidice-Haus hat keinrlei Probleme mit den Geheimdiensten gemeinsam aufzutreten. Einmal google angeschmissen und "Lidice-Haus" und "Verfassungsschutz" als Suchbegriff eingeben und es gibt da mehrere Treffer. Ein Beispiel für die Teilnahme an einer VS-Tagung als Referenten: verfassungsschutz.niedersachsen.de/portal/index.php?navigation_id=28692&article_id=99523&_psmand=30