Lautstarker Widerstand & heftige Repression beim Refugee March in Wien

Resistance Of Refugees

Nach einer Reihe von Flüchtlingsprotesten in Österreich (Solidemo am 10.11., Somalia-Protest, Hungerstreik auf der Saualm) und international (Übersicht, RefugeeTentAction) wurde mit nur 1 Woche Vorbereitungszeit beschlossen, einen Refugee March von größten Flüchtlingslager in Österreich in Traiskirchen in das 35 km entfernte Wien zu machen.

Unmittelbarer Grund für die Proteste sind die untragbaren Zustände im Lager selbst, die unfairen Verfahren sowie generell der respektlose Umgang mit Flüchtlingen* in diesem Land. (Forderungskatalog, Kommentar von Irene Brickner)

 

Kontrolle vor der Demo

 

Schon vor Beginn der Demo gab es Aufregung. Im Lager Traiskirchen wurden kurzfristig Anwesenheitskontrollen angesetzt. Sollten Menschen zu dieser -laut Bewohner_innen sehr ungewöhnlichen Maßnahme- nicht anwesend sein, laufen sie Gefahr, die Grundversorgung zu verlieren. Natürlich wurde von Behördenvertreter_innen ein Zusammenhang mit der Protestaktion dementiert. So konnte die Demo erst mit 2-stündiger Verspätung beginnen.

 

Lautstarker Widerstand

 

Doch sobald die Angst überwunden war und die Demo startete, merkte mensch schnell, welche Bedeutung diese Aktion für die Flüchtlinge hatte. Es war eine Befreiungsaktion, die Isolation des Lagers zu durchbrechen. Sehr lautstark und dynamisch nahmen ca. 200 Flüchtlinge und 50 Unterstützer_innen die 35 km in Angriff. Auch vereinzelte rassistische Pöbeleien konnten der kämpferischen Stimmung nicht schaden.

Manche mussten unterwegs -u.a. wegen fehlender Winterkleidung- aufgeben, dafür kamen auch langsam mehr und mehr Unterstützer_innen, sodass mit 300-350 Menschen Wien erreicht wurde.

Beim Asylgerichtshof wurde der Marsch von zwischen 250 und 350 Menschen erwartet. Ergebnis des Zusammentreffens war ein minutenlanges Freudengeschrei. Gerade hier in den Außenbezirken gab es auch lautstarke Unterstützung von Passant_innen und Bewohner_innen.

 

Repression

 

Doch hier, beim Asylgerichtshof, fing auch eine verschärfte Repression seitens der Polizei an. Sie meinte, die Menschenmenge (hier 500-700 Menschen) auf eine Fahrspur drängen zu müssen. Von nun an wurde die Demo in einem Wanderkessel, zeitweise mit 3-reihigen Spalier an der Spitze begleitet. Enge Begleitung auch von Polizeifahrzeugen sorgte dafür, dass die Außenwirkung der Demo stark beeinträchtigt wurde. Mehrmals wurde die Demo von der Polizei grundlos -laut Polizeifunk, weil die Aktion zu dynamisch war- aufgehalten.

Dazu kam, dass es Gerüchte über eine weitere Anwesenheitskontrolle am Abend im Lager Traiskirchen gab. Klar war, dass es am nächsten Morgen wieder Kontrollen geben wird. Auch wenn ein Sprecher des Innenministeriums aussagte, dass es keine Abendkontrolle geben würde und die Teilnahme an einer Demo eine Entschuldigung für das Fernbleiben sei, und somit keine Konsequenzen nach sich ziehe, lösten diese Gerüchte Angst und Besorgnis bei vielen der Flüchtlinge aus.

 

Das Ende des Marsches: ein Camp

 

Im Zentrum, auf der Ringstrasse, änderte sich das Bild abermals. Es gab einen längeren Stop, wo Flüchtlinge diskutierten, ob und wie es weiter bzw. zurückgehe. Zwar zogen die meisten Menschen weiter -durch weitere solidarische Menschen war die Demo sogar größer geworden, am Ende waren es fast 1 000 Menschen- , doch die bis dahin lautstarke Stimmung war großteils weg.

Die Polizei zog sich hier wieder etwas zurück, dafür gab es im Zentrum wieder vermehrt rassistische Kommentare von Passant_innen.

Das Ende des Marsches war der Votivpark neben der Hauptuni, wo bereits von solidarischen Menschen ein Camp aufgebaut worden ist. Mehrere Zelte, eine große Vokü und mehrere Bänke zum Ausrasten erwarteten die erschöpften Menschen, die seit über 9 Stunden unterwegs waren.

Trotz der ständigen Einschüchterungen blieben mehr als 50 Flüchtlinge sowie ein Handvoll Unterstützer_innen im Camp. Das Camp soll zumindest bis nächste Woche bestehen bleiben, es soll ein Ort des Widerstandes und der Zusammenlebens sein, wo die Isolation der Flüchtlinge durchbrochen wird. Der Blog zum Camp nennt sich https://refugeecampvienna.noblogs.org/

In der Zwischenzeit gibt es für Montag ein Programm: Um 12:00 gibt es einen Solidaritätsbesuch des Kabarettisten Josef Hader, um 16:00 gibt es eine Demo von der Hauptuni über das Parlament zum Omofuma-Gedenkstein. Im Moment gibt es hier ein Plenum, von der nahen Votivkirche hängt ein riesiges "Kein Mensch ist illegal!"-Transparent.

Bericht vom Protestcamp am Sontag

 

Medienecho

 

Bereits im Vorfeld der Demo gab es eine umfangreiche Berichterstattung in praktisch allen größeren Zeitungen des Landes. So nahm auch die Demo selbst einen großen Raum ein, wobei zu sagen ist, dass mit Ausnahme des Standards durchwegs mit rassistischen Motiven und Unterstellungen gearbeitet wird (kein Grund zum Demonstrieren, stürmen Wien, Pannenserie, Protestaktion mit Fragezeichen,...). Viele Leser_innen und Kommentarschreiber_innen schloßen sich diesem Konsens an, sodass z.B. das Krone-Forum (vergleichbar mit Bild in Deutschland) geschlossen werden musste. In diesem Umfeld ist es nicht verwunderlich, dass es von Rassist_innen und Nazis zu Morddrohungen kommt.

Pressespiegel

 

Fazit

 

Zwar ist es durchwegs möglich, dass diese Proteste scheitern und es zu einem weiteren rassistischen Backlasch hierzulande kommt, dies ändert jedoch nichts an der Notwendigkeit des Protestes. Gerade die Aktionen der Lagerleitung zeigen exemplarisch, welcher Willkür und Respektlosigkeit viele Flüchtlinge ausgesetzt sind. Der Marsch selbst war ein grandioser Ausdruck migrantischer Selbstorganistion und die bei weitem lautstärkste, kämpferischste und dynamischste Demo der letzten Zeit in Wien.

 

* ich bin altmodisch, und verwende weiterhin das Wort "Flüchtlinge", da es mir sinnvoll erscheint, den aktiven Teil einer Flucht zu betonen.

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Während der Protest von Geflüchteten in vollem Gange ist, die ihren Forderungen nach einem Abschiebestopp und menschenwürdigen Bedingungen während des Asylverfahrens immer lauter Ausdruck verleihen, kündigt die rechtsextreme FPÖ für kommenden Montag einen „Besuch“ im Asyl-Erstaufnahmelager Traiskirchen und eine daran anschließende Pressekonferenz an. Mit von der Partie sind neben dem Bundesparteiobmann Heinz Christian Strache auch „Kellernazi“ Barbara Rosenkranz, die gerne in illustrer Runde bei Sonnwendfeiern völkische Weisheiten predigt und Harald Vilimsky, der zu zweifelhaften Ruhm durch seine Wortkreation „Negativzuwanderung“ für das Unwort des Jahres 2005 gelangte.

Um was es der FPÖ-Delegation bei diesem Besuch geht wird bei einer Presseaussendung des FPÖlers Martin Huber deutlich. Dort kochen die rassistischen Ressentiments über wenn davon gesprochen wird, dass durch das Asyl-Erstaufnahmelager Traiskirchen die „Bevölkerung absichtlich mit Kriminalität, Sexualstraftaten und kulturellen Widersprüchen konfrontiert“ wird. Die propagierte Lösung: Das Lager schließen, alle abschieben und die Außengrenzen der Festung Europa noch rigider abschotten.

Ausgehend davon, dass die „Normalität der Ort ist wo die Wahnsinnigen produziert werden“, können die Grundlagen für rassistische Vergemeinschaftungen nur dann entzogen werden, wenn die verwaltete Welt von Staat, Nation und Kapital aufgehoben wird. Ansonsten bleibt Antifaschismus ein Kampf gegen Windmühlen. Nichtsdestotrotz gilt es den völkischen Freaks an diesem Tag eine praktische Abfuhr zu erteilen und deren „Besuch“ nicht ohne Protest über die Bühne gehen zu lassen. Denn Rassismus tötet, egal ob durch Asylgesetze, Pogrome, Abschiebungen…

Solidarisiert euch mit den Protesten der Geflüchteten im Wiener Sigmund Freud Park und kommt am Montag den 26.11.2012 nach Traiskirchen. Organisiert euch selbst und fahrt mit euren Freund_innen nach Traiskirchen. Gemeinsamer Zug-Anreisetreffpunkt: 8:40 (Abfahrt!!!) Kärntner Ring/Oper.

 


http://antifaw.blogsport.de/2012/11/25/voelkischen-freaks-den-zugang-verweigern/

"(...) die rechtsextreme FPÖ (...)"

Rechtsextremismus bildet mit Linksextremismus den Dualismus in der Extremismus"theorie". Diese ist eher Propagandawaffe des bürgerlichen Staates, der sich so gegen seine Feinde an den politischen Rändern zu wehren versucht. Mit dem Verweis auf die Ränder und deren Dämonisierung zieht er sich selbst bzw. die gesellschaftliche Mitte damit aus dem Fokus der Kritik/Analyse. So bleibt gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit wie Rassismus als gesellschaftliche Strukturen sowie in staatliche Institutionen unangetastet und Kontinuitäten nach rechts hin unerklärt und ungebrochen. Schließlich wird die linke Strömung samt ihrer Systemkritik und emanzipatorischer Kritik durch die Gleichstellung mit dem "Rechtsextremismus" als politische Alternative versucht zu diskreditieren und Widerstand entsprechend erschwert.

 

Stattdessen als rechtspopulistisch bezeichnen?