„70 Landtagsabgeordnete, deren Mitarbeiter sowie Minister zeigten in der Altmark Flagge“, so titelt die Magdeburger Volksstimme am 09.06.2012 den Artikel zum Auftritt der Landesregierung Sachsen-Anhalts am Vortag im Altmarkdorf Insel.
Während vor den Kameras die Landtagsabgeordneten ein Transpi in die Medien halten, „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, werden hinter den Kameras Demonstranten mit und wegen ihres eigenen Transparents weggedrängt. Das vor laufenden Kameras zu tun, war dann schon fast so unklug wie in Dessau im Januar 2012, nur weniger brutal. Mittlerweile mußte der Dessauer Polizeipräsident wegen der damaligen Fehleinschätzung und aus „gesundheitlichen Gründen“ seinen Hut nehmen. Sachsen-Anhalts Innenminister Stahlknecht hatte Kurt Schnieber öffentlich kritisiert. In Insel war´s der Innenminster selbst, der entschied, den Protest am Fehlverhalten der Landesregierung „einzudämmen“.
Grund für den unverhältnismäßigen und unserer Meinung nach rechtswidrigen, unwürdigen Durchgriff in Insel durch die Polizei, sei die Aufschrift des Transparents der Protestierenden: „Gegen den Volksmob, seine Apologeten und Aufstachler“, dazu Portraits von Stahlknecht und von Bismarck. Dies stelle eine Straftat dar, die Ehre der Abgebildeten würde verletzt. Wie zu erwarten war, ließ sich der Innenminister sein Recht auf Protestverhinderung auch hier nicht nehmen und die gegen den Protest der Landesregierung Protestierenden, namentlich: Initiative für Aufklärung und Transparenz, die Härte des Gesetzes und seiner HüterInnen spüren. Die Ehre des Ortsbürgermeisters von Bismarck konnte durch das Ausrollen des Transpartents nicht verletzt werden, denn er war beim Protest der Landesregierung nicht zugegen. Er versammelte derweil die Inseler Wutbürger in seinem Schloß in Döbbelin, es sollen so um die 20 Inseler gewesen sein. Anzunehmen ist, dass auch dort wieder Einigkeit darüber hergestellt werden konnte, weiter gegen jede Vernunft Angst vor zwei alten Männern haben zu müssen und sich auch zukünftig nicht zu entblöden, die fatale Unwissenheit über Ursachen und Vorkommen von Sexualstraftaten medienwirksam zu demonstrieren. Die Wahrscheinlichkeit aber, von einem dieser beiden Männern vergewaltigt zu werden, ist geringer als ein Lottogewinn ohne dabei je einen Tippschein abgegeben zu haben. Aber die nächste „Montags-Demo“ am 11.06. ist eben bereits angemeldet, wahrscheinlich wird sie auch stattfinden.
Die Strafverfolgung der Protestierenden am 08.06. soll dem Vernehmen nach mit aller Härte betrieben werden. Auch wenn bereits im Vorfeld abzusehen ist, dass es dazu keine Verurteilung geben kann. Eine ehrverletztende Aussage braucht einen konkreten Verursacher, der oder die wird nicht zu ermitteln sein. Ob es sich bei der Abbildung auf dem Transparent um eine ehrverletztende Aussage handelt, darf ebenfalls bezweifelt werden. Zum Zwecke der Strafverfolgung dennoch alle Personalien derer aufzunehmen, die das Transparent und die Protestierenden gegen den polizeilichen Zugriff verteidigt haben, ist schlicht Unsinn.
Weniger hart, nämlich überhaupt nicht, wird allerdings juristisch gegen jene vorgegangen werden, die am Wochenende zuvor versucht haben, ein Haus zu stürmen, um die Bewohner der ihrer Meinung nach gerechten Strafe zuzuführen. Was man nun immer von der Veranstaltung der Landespolitik vor dem Gemeindehaus am vergagenenen Freitag in Insel halten mag, sie zum Podium eigener Proteste gegen die Nachlässigkeit der Landesregierung und die Parteinahme der Polizei zu machen, hat mit Aufklärung leider auch nichts zu tun. Transparent war es schon überhaupt nicht, weil nicht einmal vermittelt werden konnte, dass es sich dabei nicht um Rechte handelt. Was man nun auch immer von der Inseler Bürgerinitiative halten mag, ob „Volksmob“, „Nazis“ oder „von Rechten missbraucht“, Verständnis für deren „Ängste“ hatte im Januar 2012 auch der grüne Sören Herbst. Fünf Monaten später wollten die „Verängstigten“ ein Haus stürmen. Am Freitag in Insel hielt er am Transparent der Landtagsabgeordneten fest. Aber auch am 08.06. in Insel gab es wieder massenhaft Verständnis für deren „Ängste“, lediglich Gewaltexzesse wären dabei keine so gute Idee. Wer aber Verständnis für die irrationalen Ängste verwirrter, vor Wut randalierender Inseler hat, macht schon gemeinsame Sache. Sich gegen Gewalt auszusprechen, aber nicht das dem zu grunde liegende Denken anzugreifen, wirkt bevormundend. Es geht aber um nicht weniger als die Menschenrechte derjenigen, die in Leib und Leben bedroht werden. Und es geht auch gegen die Dummheit derer, die vollkommen grundlos Angst haben und darum die Vertreibung der beiden Männer für eine Prävention vor sexualisierter Gewalt halten. Es geht also um eine Horde Inseler, die weder von Rechten instrumentalisiert werden noch davon überzeugt werden mußten, rechten Populismus zu vertreten und mit irrationalen Ängsten im Kopf versuchen, Selbstjustiz durchzusetzen, zur Not eben auch mit Gewalt. Ein klares Bekenntnis für die Menschenrechte gab es am 08.06. in Insel und das ist gut so. Auf erfolgreiche Aufklärung gegen die Angst, selbst das Opfer dieser beiden Männer zu werden, warten wir noch eine Weile.
Die Hoffnung, dass nun der versuchte Mord an den „Fremden“ keine Option der Proteste in Insel mehr ist, darf aber gehegt werden. Die Polizei wird den Imageschaden für das Land Sachsen-Anhalt verhindern wollen. Umdenken werden die Inseler Angsthasen aber mit einiger Sicherheit nicht. Die Erkenntnis allerdings, dass in Insel Menschen wohnen, die Angst vor Sexualstraftaten haben, die sie lediglich zwei Hinzugezogenen zutrauen, wobei die beiden die geringste Möglichkeit im ganzen Dorf – wahrscheinlich der gesamten Altmark – haben, eine solche zu begehen, ist befremdlich. Weniger verschwommen ist hingegen die Tatsache, dass die Strafverfolgungsbehörden gegen die Protestierenden am 08.06. auch die Strafverfolgung betreiben werden, während der Inseler Lynchmob beim Begehen von Straftaten – mindestens sechs – nicht einmal mit einer Identitätsfeststellung konfrontiert werden.
Flyer zum Thema
Die antifaschistische gruppe 5 aus Marburg hat versucht, zu dieser Thematik eine antifaschistische Position zu entwickeln. Hier zu finden.