ΣΥΝΤΑΓΜΑ

anp. Ich wärme mir die Hände an meinem heißen, griechischen Kaffee und schaue durch das Busfenster hinaus auf den Syntagma Platz. Als ich vor zwei Wochen in Athen ankam habe ich hier, auf den Stufen des Parlamentsgebäudes gefrühstückt und wurde von den griechischen Büroangestellten umspült, die zur Arbeit in die Büros des Regierungsviertels strömten. Jetzt, um fünf Uhr morgens, sieht man hier nur einige Frauen, die vermutlich aus dem berüchtigten Omonia nach Hause gehen und einen alten Mann, der ihnen die ersten Sesamkringel des Tages verkauft.

 

Ich warte darauf, dass der Bus zum Flughafen endlich losfährt und träume davon frische Kleider zu tragen denen man nicht ansieht, wo ich in letzter Zeit überall war. Als ich beschloss nach Griechenland zu reisen, hörte ich von allen Seiten das gleiche: Griechenland, in der jetzigen Situation? Hältst du das für klug? Aber ich bin schließlich ein vernünftiger Mensch und setzte darauf, dass die Griechen es auch sind. Schließlich gehöre ich nicht zu den Deutschen, die mit einem Aktenköfferchen voller Sparvorgaben nach Griechenland reisen, sondern kam mit einem Wanderrucksack in dem Zelt, Schlafsack und Kocher steckten an- diesen Unterschied würde doch bestimmt niemand übersehen, oder? Wenn ich einen Griechen treffe dann wird der doch bestimmt sehen, dass ich die Milliarden nicht habe und dass er sie auch nicht hat ist mir klar. Schließlich bin ich nur eine einfache Studentin und habe mit den Entscheidungen einer Regierung, für die ich nicht gestimmt habe, herzlich wenig zu tun.

 

Dennoch wandelte sich meine Antwort auf die Frage, woher ich sei, im Lauf der Tage. Anfangs sagte ich noch ganz schlicht I am from Germany, dann I am sorry to confess that I am from Germany und dann I wanted to say that I am from Austria, but actually I am German. Und ob es nun das Gesicht der Frau war in deren Garten ich mein Zelt aufschlug oder des Mannes, der mich in seinem Auto mit in die nächste Stadt genommen hat oder der Kellnerin, die eine viertel Stunde herum telefoniert hatte um die Busfahrpläne für mich zu recherchieren, es verschloss sich bei jedem von ihnen und ich konnte ihnen auch nicht verübeln, dass ihnen danach nur noch German? Ah….Merke…. einfiel.

 

Und nach den Dingen, die ich gesehen habe, frage ich mich, ob ich nicht genauso reagieren würde. Denn die Situation dort fühlt sich falsch an, unendlich falsch. Keiner der Menschen mit denen ich dort gesprochen habe passte in das Bild des ewig faulen Griechen, das mir die Medien vermittelt hatten. Die meisten hatten zwei oder drei Jobs und viele von ihnen mussten trotzdem zu den öffentlichen Suppenküchen gehen, weil Lebensmittel teuer sind. Geht man Abends durch einen Athener Park, sieht man die Masse von Menschen, die sich dort ein Nachtlager bauen und weicht man ein paar Meter von den Verbindungswegen zwischen Akropolis und Nationalmuseum ab, so steht man in Straßen, deren Häuser allesamt leerstehen.

 

Überall ist das Militär präsent. Als würden sie eine Revolution erwarten, oder als planten sie selber einen Putsch. Man kann den Eindruck gewinnen, dass die Ausgaben für Militär und Rüstung die einzigen sind, die die griechische Regierung noch von der EZB bewilligt kriegt. Jedes Mal, wenn ein Düsenjäger über mich hinweg fliegt (und das passiert häufig dieser Tage) frage ich mich ob das einer von denen ist, die Griechenland von deutschen Firmen zu kaufen verpflichtet wurde, um weitere Hilfsleistungen zu bekommen.

 

Es fühlt sich falsch an in Griechenland von kleinen Kindern angebettelt zu werden. Grässlicherweise erschüttert es mich weit mehr als es ein bettelndes Kind in einem südamerikanischen Land täte. Vielleicht weil Griechenland näher ist, vielleicht weil ich hier nicht damit gerechnet habe, vielleicht weil ich auch das ungute Gefühl habe, dass all das eben doch mit mir zu tun hat- ich weiß nur nicht genau wie. Hier sitze ich also am Ende meiner Reise und meine Sehnsucht nach der Ferne ist fast ganz verflogen. Viel mehr habe ich jetzt Sehnsucht danach, ein bisschen mehr zu verstehen.

 

Eine Woche später bin ich wieder in Deutschland. Ich trage neue Kleider und bis auf meine Bräune, ein Armband aus Muscheln und ein paar Fotografien ist nicht viel geblieben von meiner Reise- denn sie war eben doch nur ein Urlaub von meinem Leben hier. In der Zeitung steht:

 

Nach dem Suizid eines Rentners auf dem Syntagma-Platz haben sich mehrere tausend Menschen in Athen versammelt, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu protestieren. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Hintergrund für den Selbstmord des 77-Jährigen sollen seine Schulden gewesen sein. Der Rentner hatte sich während des morgendlichen Berufsverkehrs selbst umgebracht. Augenzeugen zufolge habe der Mann vor seinem Tod gerufen: "Ich habe Schulden, ich halte das nicht mehr aus!" In dem Abschiedsbrief habe der Mann geschrieben, dass die Regierung es ihm unmöglich mache, von seiner Rente zu leben, nachdem er 35 Jahre für sie eingezahlt habe. "Ich sehe keine andere Lösung als ein würdiges Ende, bevor ich den Müll nach Lebensmitteln zu durchsuchen beginne", soll es Medienberichten zufolge in dem Abschiedsbrief geheißen haben. Die Polizei bestätigte dies nicht. Wegen der schweren Wirtschaftskrise sind Selbsttötungen in den vergangenen beiden Jahren in Griechenland um 40 Prozent angestiegen. Im Zuge der Wirtschaftskrise hatte die Regierung drastische Sparmaßnahmen verabschiedet. Erst Ende Februar hatte das Parlament weitere Einschnitte in Höhe von 3,2 Milliarden Euro abgesegnet, darunter Kürzungen im Gesundheitssystem. Die Maßnahmen gelten als Voraussetzungen für weitere Milliarden-Hilfen von EU und Internationalem Währungsfonds.

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Ich frag mich warum das immer alles so geglaubt wird ... Selbstmordrate um 40% gestiegen. ZUmeist sollen es 40-50jährige Männer sein. Was aber, wenn manche dieser Selbstmorde nur der Rückfall in die Barberei sind? Wenn man sich für ein paar Ersparnisse der Verwandten entledigt, der Nachbarn, irgendwem? Ich halte es zumindest für denkbar das in der jetzigen Situation "Kasse gemacht" wird, Lebensversicherungen usw. in die Überlebensplanung miteinfließen. Man sollte es zumindest kritisch hinterfragen. Ist er Druck das Leute meinen es sich selbst anzurechnen nicht mit dem bereits herrschenden oder künftigen Elend leben zu können wirklich so derart groß? Oder sind es verschleierte Morde? Barberei. ?

Diesen Gedanken hielte ich für zynisch. Aber ein Freitod war es sicher auch nicht. Viel mehr unter dem Druck des Spardiktats ein letzter Ausweg, der kein Ausweg sein kann, uns aber wachrütteln sollte!

Bei Selbstmord zahlen die Lebensversicherungen in den allermeisten Fällen nicht, ergo- pure Verzweiflung...