Nazis gegen Sozis

Erstveröffentlicht: 
28.04.2009

Im Jahrbuch "Die Pforte" geht es um Teningen in den 30er Jahren

 

"Es war immer etwas los." Dies könnte in Teningen ein Grund für Anziehungskraft des Nationalsozialismus gewesein sein, meint der Historiker Norbert Ohler. Im Kenzinger Geschichtsblatt "Die Pforte", herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft für Geschichte und Landeskunde, ist im Herbst mehr davon zu lesen.


Der Historiker Norbert Ohler beschäftigt sich schon länger mit der Teninger Ortsgeschichte. Als er vor gut 20 Jahen seinen Beitrag über Teningen im 19. und 20. Jahrhundert für die Ortschronik schrieb, fand vieles keinen Platz. Jetzt ist der 74-Jährige pensioniert und hat Muße und Möglichkeit, auf das tiefbraune Teningen der 1930er Jahre einzugehen. Besonders ergiebig für seine Archivstudien sei das Amtsblatt, das die Gemeinde von 1937 bis 1941 herausgegeben hat, erklärt Ohler. Denn darin berichte ein Werkmeister namens Wilhelm Hess über den Sieg der Nazis im Kampf um das Teninger Rathaus.

 

Als Fortsetzungsgeschichte neben den amtlichen Nachrichten erzählte Hess euphorisch von den frühen Jahren und davon, wie 1933 Freudentränen flossen, als im Radio zu hören war: Adolf Hitler ist zum Reichskanzler ernannt worden. Wenn es weiter so steil bergauf gegangen wäre, wie Hess 1937 annahm, wäre seine Geschichte vom Siegeszug der Nazis wohl auch als Buch herausgegeben worden.

 

Der furiose Start des NSDAP in Teningen lag zu einem guten Teil am Aluminiumunternehmen Tscheulin. Dass Emil Tscheulin zu den frühren und einflussreichsten Förderern des Nationalsozialismus in Baden gehörte, ist inzwischen geschriebene Geschichte: Er war treibende Kraft beim Aufbau der NSDAP-Ortgruppe Teningen und warb im Jahr 1930 den in seiner Firma beschäftigten Werkmeister Hess für die Partei. Hess wurde Ortsgruppenleiter der NSDAP und stieg später zum Sturmbannführer der SA auf. Sein Bruder Gustav wurd 1934 zum Teninger Bürgermeister ernannt. Von den ersten 67 Parteigenossen im Ort waren 42 bei Tscheulin beschäftigt. Zudem beteiligte sich der Unternehmer an den Kosten der Parteiarbeit und verpflichtete sich 1932 gegenüber dem Ortsgruppenleiter, für alle Kosten aufzukommen, die bei "Saalschlachten" der SA gegen die Emmendinger "Sozis" entstünden - allerdings nur, wenn die Teninger SA Sieger bleibe.

 

Doch nach den Darstellungen von Hess, die Ohler im Archiv gefunden hat, brauchten sie oft nicht zu zahlen, wie auch immer das Hauen ausging: Man habe sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht, so dass die Sturmbanner-Leute der SPD auf der Zeche sitzen blieben.

 

Trotzdem gab es Blessuren: Im Jahre 1932 seien Hess und die Nazis ziemlich gecknickt gewesen, wie die Bewegung lahmte und die Parteikasse leer gewesen sei, berichtet Ohler. Doch die Frauen hätten ihre gebeutelten Männer mit Tinktur und guten Worten wieder aufgebaut.

 

Die Faszination der Nazis beruhte nicht nur auf Propagandamärschen und Schlägereien bis hin zur "Schlacht an der Elz" mit den Emmendinger Roten. Laut Ohler zogen sie ein reges gesellschaftliches Leben auf - bis hin zu den Deutschen Abenden des Kulturvereins, wo der Nachwuchs Mozart zum Besten gab. Das ganze Engagement sei bei Hess mit einem tiefen Glauben an Hitler verbunden gewesen, meint der Historiker. Ob ihm Zweifel gekommen sind, wisse er nicht. "Hess ist lebend aus dem Krieg heimgekehrt, und ich hätte ihn gerne befragt, ob bei ihm etwas Einsicht aufgekommen ist", sagt Ohler. Auch weil Teningen zahlreiche Tote und Verwundete zu beklagen gehabt habe. Die Bilanz des Krieges ist in eindringlicher Weise im Gemeindearchiv aufbewahrt. Dort liegen auch die Eingaben der Witwen, die im Rathaus um Unterstützung fürs Überleben nachsuchten. Es grause einen, wenn man diese Geschichten liest, so Ohler: "Das packt mich bis heute".

 

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Wilhelm Hess, Chronist der Teninger NS-Zeit, wohnte bis in die späten 1960-er in Windenreute, heute Ortsteil von Emmendingen. Persönlich habe ich ihn nicht gekannt, weiß aber, daß sein Name in Teningen zu seinen Lebzeiten noch mit einer verhohlenen Ehrfurcht genannt wurde. Zweifel und Einsicht waren seine Sache nicht. Er wurde so auch nach seinem Tod mit dem Chopin-Trauermarsch von der Musik- und Feuerwehrkapelle Teningen, früher als "seine" (und Tscheulins) SA-Standardenkapelle berüchtigt, zum Windenreutener Friedhof begleitet. - Sein letzter Marsch. R. I. P.

 

 

Der Musikverein Teningen hat sich bereits 1932 auf Betreiben seines früheren Musikers, Gönners und Präsidenten von 1921 bis 1935, Emil Tscheulin, der SA als  "Standartenkapelle 113" unterworfen (Fred K. Prieberg 1982: Musik im NS-Staat S. 201. Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt)

Da ich mich schon seit vielen Jahren mit der Ortsgeschichte Teningens befasse, war ich kürzlich mal wieder bei einem „Verzell-Owe“, an dem sich die Leute so am Abend (Owe) treffen und sich Geschichten von früher erzählen (verzelle). Ich wollte da nur mal loschore, was die in Teningen so alles noch wissen zu unserem Thema.

 

Tja, war ich überrascht, was man sich noch vom Hesse Wilhelm weiß. „Graf von Hohenhausen“ wird der noch respektvoll genannt, oder auch (wemmer ne kännt het) nur „De Graf“. Der Titel rührt wohl daher, daß dieser der vier Hesse-Brüder großgewachsen war. Größer jedenfalls als Gustav, der 33-45 den Bürgermeister machte und der Ludwig, der auch im Getümmel mitmischte. Nur s’Hessemürers Karl war eher ruhig, aber halt au eweng langwiilig.

 

Ja und dann d’ SA-Standartekapelle 113! Da leuchten die Augen, wenn sie von der Fahrt nach Sasbach an den Rhein verzelle, wo der Froße Oddo sinner Baß im Motorrad-Beiwagen transportiert het. Und dann über den Rhein nach Frankreich „Die Wacht am Rhein“ und gleich als Zugabe das „Horst-Wessel-Lied“ päpert (getrötet). Hoffentlich hän die in Paris gehört, was d’ Däninger Müsiker fir Kerli sinn. Also jedenfalls bis nach Marckelse muß es getönt haben, das Fortissimo der Teninger SA.

 

Mit den neuen braunen Uniformen wurden die Musiker 1933 auch erstmals zu einem Konzert uff Friiburg in den Stadtpark eingeladen. Dort wars zwar nicht so lustig wie in Saschbe, aber dafür war der Hanns Elard Ludin da, der Führer der SA-Standarte 113 und hat alle mit dem Führergruß empfangen. Sogar im Radio wurde das Konzert übertragen, genauso wie säll, mit däm d' Däninger SA-Standartenkapelle bei der Schlageterfeier in Schönau (au anne 33) uffgspielt het.

 

Ja und überhaupt der Tscheulin. Der war doch auch fürs Kulturelle, nicht nur was die Musikkapelle oder die Baronin Hilla von Rebay anging. Auch für Erhaltung von Bauwerken wie der Hochburg und der Landeck hat er sich eingesetzt. In der Nazi-Zeitung „Der Alemanne“ vom 13. November 1938 hat er „als der eigentliche Anreger und Förderer“ dazu aufgerufen, einen „Landeck-Hochburg-Bund“ zur Förderung der Feste Hochburg und der Burgruine Landeck zu gründen.

 

Wahrscheinlich war sein Apell im „Alemanne“ nur eine Antwort auf das, was die Emmendinger SA vier Tage vorher angerichtet hat. Mir erhalte nämmlig!