Von Klima- und Energiekämpfen 2011: Dem industriellen Kapitalismus das Handwerk legen!

Widerstand gegen eine Kohlemine und ein neues Kohlekraftwerk in Bangladesch

Unter den Begriffen Klima- und Energiekämpfe formieren sich in Deutschland und weltweit Bewegungen, die sich mit den Folgen des fossil-atomaren Kapitalismus beschäftigen. Dieser Überblicksartikel möchte kurz auf die Hintergründe dieser Bewegungen eingehen, einige Projekte im deutschsprachigen Raum vorstellen, sie in einen Kontext setzen und mit einem kurzen internationalen Ausblick schließen.

 

Der fossil-atomare Kapitalismus schreitet trotz Finanzkrisen weiter beschleunigt voran und zeigt in seinem Energiehunger seinen wahren Charakter: Ausbeutung und Zerstörung der Lebensgrundlagen. Unsere industrielle Konsum- und Industriegesellschaft heißt nicht nur Flugmangos, argentinische Bioäpfel und Bulimie, sondern auch zerstörte kleinbäuerliche Strukturen in Afrika durch subventionierte Gefügelabfälle aus der EU, Versalzung und Austrockung des Aralsees, ein beschleunigtes Artensterben, welches in der Erdgeschichte nur mit einem gigantischen Meteoriteneinschlag verglichen werden kann und HUNGER durch Dürren, Überschwemmungen und Agrosprit.

 

„Gepowert“ wird das Ganze durch billige fossile Energie, die es in Zukunft immer weniger geben wird und dessen Zenit im Peak Öl, dem Ölfördermaximum, sehr wahrscheinlich schon erreicht wurde. Dies ist kein esoterisches Geheimwissen, sondern wird von der Internationale Energieagentur (IEA) auch so vertreten und läßt Institutionen wie die Bundeswehr den Rückgang des billigen Öls als Sicherheitsrisiko einschätzen, welches die Stabilität unserer Gesellschaft gefährdet. Wir sind Energiejunkies und je komplexer und industrialisierter die Gesellschaften sind, desto größer ist das Potential für organisierte Verantwortungslosigkeit im Namen des Profits. Deshalb wird die Bedeutung von Kohle für unser industriell-kapitalistisches System weiter zunehmen und Ausbeutungsmethoden zur Gewinnung von fossilen Energieträgern immer brutaler, wie apokalyptische Projekte wie Ausbeutung der Ölsande in Kanada, die riskante Hochseeölförderung im Golf von Mexiko oder die Schiefergasförderungen (Fracking) in den USA zeigen.

 

Kurz: Unsere industrieller Kapitalismus ist Dauerstörfall bei dem die Privilegierten größtenteils die Vorteile in Form von angenehmen Konsumprodukten erhalten und zukünftige Generationen bzw. Menschen im globalen Süden die verbrannte Erde.

 

Klima- und Energiekämpfe in Deutschland

Der dominierende Energiekampf der letzten 30 Jahre ist die Auseinandersetzung um die Nutzung der Atomenergie und ihre ungelöste Entsorgungsfrage. Die Anti-AKW-Bewegung in Deutschland ist vielleicht die größte der Welt und hat hier stark die politische Landschaft geprägt. Der Protestmarathon seit Anfang des Jahres konnte in Deutschland die Energiekonzerne teilweise ausbremsen und einen eingeschränkten Ausstieg erreichen. Nun bedarf es bei aller Notwendigkeit der Atommafia weiter das Handwerk zu legen eines scharfen Blicks, dass die Machtstrukturen des industriell-kapitalistischen Systems als solche demontiert werden müssen. Hier zeigen sich gemeinsame Anknüpfungspunkte zu anderen Energiekämpfen, denn die selben Strukturen die die Atomkraftwerke betreiben sind im wesentlichen auch die Betreiber der Braunkohletagebaue und der Kohlekraftwerke allgemein: die vier großen Stromkonzerne RWE, Vattenfall, E.ON und EnBW.

 

Es ist an der Zeit das zentralistische großindustrielle Energie- und Produktionsmodell als solches in Frage zu stellen. Gleichzeitig müssen wir uns selbst ehrlich fragen: Wieviel Energie brauche ich für ein gutes Leben und wie kann ich dieses Bedürfnis gemeinsam mit anderen ehrlich nachhaltig befriedigen.

 

Widerstand braucht Strategie

Die Komplexität der Klima- und Energiekämpfe ist auf den ersten Blick überwältigend, da es an die energetische Basis unserer kapitalistischen Gesellschaft geht. Themenfelder sind nicht nur die Auseinandersetzungen mit der Kohle-, Öl- und Atomindustrie, sondern zunehmend geht es auch um die Schiefergasgewinnung (Fracking), CO2-Verpressung und die CCS-Technologie. Ebenso betrifft es den Flugverkehr, den Individualverkehr durch das Auto, die Massentierhaltung und die Agrarkonzerne, die ohne billige fossile Energien so nicht existieren würden. In den verschiedensten Bereichen sind schon Initiativen aktiv und wir stehen nun vor der Herausforderung das Bewußtsein für die Vernetztheit der Kämpfe zu mehren.

 

Gleichzeitig braucht es Kristallisationspunkte an denen symbolisch das Problem der zentralistischen Energieproduktion klar wird und die aber auch materiell eine strategische Bedeutung haben. Dies ist neben der Atomenergie die Braunkohle. Deutschland ist der größte Braunkohleproduzent der Welt, in den Revieren der Lausitz bis ins Rheinische Braunkohlerevier werden riesige Flächen devastiert (totalzerstört) bei dem Dörfer, Wälder und andere wertvolle Ökosysteme wörtlich verschwinden und gigantische CO2-Emmissionen, Feinstaub und andere Gifte wie Quecksilber in die Atmosphäre geblasen werden. So ist allein das Rheinische Braunkohlerevier die größte CO2-Quelle Europas, dessen Betrieb bis 2045 genehmigt ist! Gleichzeit geht es darum in der Lausitz und anderswo die Genehmigung von neuen Abbaugebieten zu verhindern. Klimaschutz, ein nachhaltiges Leben und Braunkohle sind unvereinbar, und daran ändert auch nichts die unausgegorene und risikobehaftete CCS-Technologie.

Durch den sogenannten Atomausstieg produziert unsere Ökonomie derzeit 60 Mio t CO2 mehr pro Jahr. Auch dies sollte ein Grund sein sich auf den Widerstand gegen den dreckigsten aller Energieträger, die Braunkohle, zu konzentrieren und für einen Braunkohleausstieg zu kämpfen. Ein langfristiges Ziel, welches mit den Zielen der Anti-AKW-Bewegung konvergiert, sollte die Entmachtung der vier großen Stromkonzerne sein, die derzeit 80 % des deutschen Strommarktes beherrschen. Die Energieversorgung muß auf Basis der Erneuerbaren rekomunalisiert werden. Wir brauchen eine Energiedemokratie!

 

Um diesen Ziel einen Schritt näher zu kommen muß neben Vernetzung und Weiterbildung der praktische Widerstand gegen die Stromkonzerne durch zivilen Ungehorsam und direkte Aktionen zunehmen. Inspirierend hierfür könnte zum Beispiel die „RWE abschalten“-Kampagne sein, bei der Anti-Atom-Aktivist_innen zusammen mit Klimaaktivist_innen am 20.04.2011 die Jahreshauptversammlung von RWE in Essen recht erfolgreich blockiert haben. Ebenso waren die Bürobesetzungen in Potsdam und Cottbus, die im Rahmen des Klimacamps in der Lausitz stattfanden, ein richtiges Zeichen das Klima- und Energiekämpfe angesichts der Dringlichkeit der Lage offensiv geführt werden müssen. Weitere Möglichkeiten beherzten Handelns wird es beim internationalen Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier (26.08.-04.09.2011) geben. Dort soll es u.a. vom 30.08.-01.09.2011 Kohlezugblockaden durch Sitzblockaden von der Grube-gräbt-Kampagne geben, welche auch schon Zivile-Ungehorsamsaktionen im Oktober 2010 am Braunkohlekraftwerk Niederaussem organisiert haben. Nach dem Klimacamp in NRW eröffnet die Werkstatt für Aktionen und Alternativen (WAA) im Rheinischen Braunkohlerevier als eine Art dauerhaftes Klimacamp seine Pforten.

 

Weltweit sind Klima- und Energiekämpfe auf dem Vormarsch, da leider aber auch die Ausbeutung immer gravierender zunimmt. Kämpfe gegen Kohlekraftwerke und Kohleabbau gibt es u.a. in den USA, Kanada, Schottland, Deutschland, Indien, Bangladesh, Thailand, Malaysia, Burma, den Philippinen, Kolumbien, Australien und Neuseeland. Einen kleinen Überblick über die globalen Widerstandsbewegungen findest du hier: http://www.grist.org/coal/2011-05-27-down-with-coal-the-grassroots-anti-coal-movement-goes-global

Andere strategisch wichtige Auseinandersetzungen sind u.a. der Kampf gegen die Ausbeutung der Teersande (Tar Sands) in Kanada, welche sich zu einer der größten CO2-Quellen der Welt entwickeln könnten. In diesem Zusammenhang wird es Ende August zivile Ungehorsamsaktionen in Form von Sit-ins in Washington geben, um den Bau einer riesigen Pipeline zu verhindern, die zur Ausbeutung der Teersande benötigt wird. Weitere Infos unter: http://tarsandsaction.org

Ein weiteres international wichtiges Projekt ist die Klimakarawane in Bangladesch unter dem Titel „Climate Change, Gender und Food Souvereignty 2011“ welche von der Bangladesh Krishok Federation und der Bangladesh Kishani Sabha vom 15.11.-04.12.2011 organisiert wird. Es soll in mit der Karawane, welche vom Norden in den Süden des Landes führt, einerseits die Bevölkerung des schon stark vom Klimawandel betroffenen Landes mobilisiert und aufgeklärt werden. Anderseits dient die Karawane zur Vertiefung und Ausweitung der Netzwerke von Basisbewegungen aus Südostasien und der internationalen Klimabewegung und als Möglichkeit für einen lebendigen Erfahrungsaustausch zwischen verschiedensten Klima- und Energiekämpfen und Bewegungen für Ernährungssouveränität. Weitere Infos unter:

http://www.krishok.org/climate-caravan-2011.html

 

Klima- und Energiecamp:

http://lausitzcamp.info

http://de.indymedia.org/2011/08/313540.shtml

http://de.indymedia.org/2011/08/313951.shtml

http://de.indymedia.org/2011/08/313794.shtml

http://de.indymedia.org/2011/08/314065.shtml

 

Internationales Klimacamp Rheinisches Braunkohlerevier

http://klimcamp2011.de

Twitter: http://twitter.com/klimacamp

Facebook: http://www.facebook.com/klimacamp.west

 

Grube-gräbt-Kampagne:

http://grubegraebt.de

Twitter: http://twitter.com/grubegraebt

Facebook: http://www.facebook.com/pages/Grube-graebt-Kampagne/154952454525278?sk=wall

 

Werkstatt für Alternativen und Aktionen (WAA)

http://waa.blogsport.de

 

Zeitung der deutschsprachigen Klimacamps „Unsere Energie ist nicht eure Kohle“

http://www.klimacamp2011.de/files/klimazeitung-fin2.pdf

 

Radiobeitrag „Klimacamp(fen) in Jänschwalde und anderswo“

http://www.freie-radios.net/42542

 

Andere ausgewählte Artikel bei Indymedia:

Klimacamps und Energiekämpfe: http://de.indymedia.org/2011/07/311642.shtml

Im Herzen der fossilen Bestie: http://de.indymedia.org/2011/03/302494.shtml

 

Internationaler Anti-Kohlewiderstand:

http://www.grist.org/coal/2011-05-27-down-with-coal-the-grassroots-anti-coal-movement-goes-global

http://www.sourcewatch.org/index.php?title=Nonviolent_direct_actions_against_coal

 

RWE-Abschalten:

http://rweabschalten.blogsport.de/

 

Castor 2011:

http://www.castor2011.org/

 

Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen. Zentrum für Transformation der Bundeswehr.

http://peak-oil.com/download/Peak%20Oil.%20Sicherheitspolitische%20Implikationen%20knapper%20Ressourcen%2011082010.pdf

 

Umfassender Blog zum Braunkohleausstieg

http://braunkohleausstieg.org

 

Klimakarawane Bangladesh:

http://www.krishok.org/climate-caravan-2011.html

 

wichtige Bücher:

Sparking A Worldwide Energy Revolution: Social Struggles in the Transition to a Post-Petrol World

Sehr umfassende Sammlung von Aufsätzen zu Energiekämpfen weltweit.

http://www.akpress.org/2009/items/sparkingaworldwideenergyrevolution

 

Green is the new red. Will Potter

Wichtige Analyse die zeigt wie Umweltschützer_innen und Tierrechtler_innen als Terroristen gebrandmarkt werden.

http://www.greenisthenewred.com/blog/

 

Deep Green Resistance: Strategy to Save the Planet. Aric McBay; Lierre Keith; Derrick Jensen

Der neue Klassiker des ökologischen Widerstands.

http://deepgreenresistance.org

 

Stroms of my grandchildren. James Hansen

Bewegendes Buch eines des weltweit bekannten Klimawissenschaftlers und Aktivsten James Hansen.

 

Green New Deal, Suffizienz oder Ökosozialismus. Frank Adler; Ulrich Schachtschneider

Sehr gute Übersicht der verschiedensten Ansätze zur Bekämpfung der Klimakrise.

 

 

 

 

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mal was von den "anderen" indys:

https://www.network23.org/zweikommaviergrad