Als im Jänner 2011 Unbekannte drei zum Gedenken an von den Nazis im KZ ermordete jüdische Familie Neuwirth in der Arenbergstraße verlegte Stolpersteine ausgruben, stahlen und das entstandene Loch mit Beton ausgossen, meinte Burghard Vouk, Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz, dass neben “einer politischen Motivation” auch ein “reiner Messingdiebstahl denkbar wäre”. Denn “eine besonders aktive rechtsradikale Szene gebe es in Salzburg derzeit jedenfalls nicht”.
Dabei ist Messingdiebstahl als Motiv absolut unwahrscheinlich. Die
Stolpersteine sind nur mit einer dünnen Schicht Messing überzogen, dafür
würde kein vernünftiger Dieb und keine vernünftige Diebin sich die Mühe
machen, die Steine mühsam zu entfernen und dann noch die Stelle
zuzubetonieren.
Diese Episode aus der jüngsten Salzburger Geschichte
verdeutlicht vor allem eines: die anständige Mitte der Gesellschaft will
die Probleme mit den extrem Rechten nicht sehen. Selbst wenn sie mit
der Nase in der braunen Scheiße steckt, will sie, wenn man sie danach
fragt, nichts gerochen haben.
Die Salzburger Nazis mögen zwar
nicht so straff organisiert sein, wie in anderen Gegenden. Wir autonomen
Antifaschistinnen und Antifaschisten haben aber im Gegensatz zur
hartnäckig verschnupften bürgerlichen Mitte nicht die Absicht, untätig
zu warten, dass das passiert.
Wer sich mit rechten Umtrieben in
Salzburg beschäftigt, findet heraus, dass die extreme Rechte derzeit
offenbar in zwei grob umrissenen Zusammenhängen besteht: dem
akademisch-burschenschaftlichen Milieu und den eher proletarisch
geprägten Nazis, die mit rechten Fußballhools v.a. mit Fangruppierungen
des SV Austria Salzburg verbandelt sind und Kontakte zu bayerischen
Nazis pflegen. In der FPÖ finden beide Lager Anknüpfungspunkte, hier
treffen sie auch die völkischen Südtirol-Fanatiker, die seit Mitte 2009
verstärkt in Salzburg ihr Unwesen treiben und selbst dem
Verfassungsschutz aufgefallen sind.
Nach dem Festkommers der
deutschnationalen Burschenschaften 2009 in Innsbruck und Aussagen des 3.
Nationalratspräsidenten Graf zur Südtirolpolitik, wurde in Salzburg
verstärkt Südtirol-propaganda in Aufkleber- und Plakatform verklebt; in
weiterer Folge haben SüdtirolaktivistInnen auch im Flachgau und
Tennengau den Wunsch nach Anschluß Südtirols zu Österreich in Form von
meterhohen Schmierereien auf Beton- und Felswänden propagiert.
Ins
Visier der SüdtirolaktivistInnen geriet auch der Infoladen Salzburg,
dessen Auslage einmal beschmiert und ein anderes Mal, als sich noch
Personen im Infoladen befanden, aus einem vorbeifahrendem Auto heraus
mit einer Zwille beschossen wurde (Endergebnis: Glasbruch).
Nachdem
rechte Fans der Austria Salzburg schon bei einer
FPÖ-Wahlkampfveranstaltung 2008 eine antifaschistische Kundgebung
angegriffen haben, wobei ein Antifaschist verletzt wurde, sucht ein Teil
des rechten Austriaanhanges mehr oder weniger regelmäßig das SUB heim.
Bei insgesamt acht „Besuchen“ seit September 2010 wurde zweimal die Türe
eingetreten und es flogen mehrmals Flaschen auf das SUB. Außerdem
beschimpfen die rechten Austriafans Vereinsmitglieder und BesucherInnen
des SUB rassistisch, antisemitisch und als “linkes Pack”, bis es
schießlich am 27. November zu einer körperlichen Auseinandersetzung
zwischen SUB-Gästen und den Nazis kommt. Nach dem jüngsten Übergriff in
der Nacht vom 19. auf den 20. Februar 2011 durch die breite
Berichterstattung unter Zugzwang gebracht, erklärt der Leiter des
Salzburger Verfassungsschutzes zu den Vorfällen, das seien „typische
Hooligans; Alkohol, ausländerfeindlich, durchaus gewaltbereit. Aber es
gibt keine Hinweise auf rechtsextreme Umtriebe.“ Auch hier will die
Polizei nicht bemerkt haben, dass es sich bei den Angreifenden um
Neonazis handelt.
Der Versuch eines Mitglieds eines Austria-Fanclubs
letztes Jahr ein Konzert mit der rechten Hooligan Band Kategorie C zu
veranstalten, scheiterte zum Glück an dessen Unfähigkeit.
Regelmäßig
negativ aufgefallen ist die FPÖ mit ihren Plakatkampagnen. Vor jeder
Wahl, egal ob auf Bundes- oder Landesebene, plakatierten die
Freiheitlichen rassistische Parolen wie „Abendland in Christenhand.“ Im
Landwirtschaftskammerwahlkampf 2010 plakatierte die FPÖ ein Bild ihres
Kandidaten mit dem Zusatz „reinrassig und echt“. Auf ihre
Rechtfertigung, es wäre ja nur das abgebildete Rindvieh gemeint gewesen,
erübrigt sich jeder Kommentar.
Im März 2010 lud der
Freiheitliche Akademikerverband den Rechtsextremen und Antisemiten
Richard Melisch ein, der schon öfter bei der deutschen NPD und der
erzreaktionären Piusbruderschaft als Vortragsredner aufgetreten war. In
seinem Buch „Der letzte Akt“ warnt Melisch vor einer „Vermischung der
Rassen mit dem Ziel einer hellbraunen Rasse in Europa“. Die
veranstaltende FPÖ-Vorfeldorganisation bestritt, über die politische
Einstellung Melischs Bescheid zu wissen. Nachdem das Hotel Schaffenrath,
wo die Veranstaltung stattgefunden hatte, sich mit Kritik konfrontiert
sah, veröffentliche es eine „Klarstellung“, in dem es sich von
„jeglicher Form des politischen Extremismus“ distanzierte. Es war nicht
das erste Mal, dass nach Ärger mit extrem rechten Veranstaltungen nicht
nur die Rechten, sondern diejenigen, die die Veranstaltung verhindern
wollen, von den LokalbetreiberInnen als Teil des Problems wahrgenommen
werden. Erfreulich ist hingegen, dass das Schaffenrath die von den
Rechten für den Melisch-Auftritt bezahlte Raummiete an die israelitische
Kultusgemeinde überwies.
Im Februar 2011 lud die
FPÖ-Stadtteilorganisation Gnigl-Schallmoos den extrem rechten Dritten
Nationalratspräsidenten Martin Graf zum Stammtisch in den Urbankeller
ein. Nachdem sich rund 20 Antifaschistinnen und Antifaschisten an der
Bar des Lokals ein Bier bestellt hatten, wurden die FPÖlerInnen nervös
und alarmierten die Polizei. Laut Bericht im Salzburger Fenster wurde
der „Maxglaner Polizist und Personalvertreter der freiheitlichen
Polizeigewerkschaft Thomas Felber von seiner Fraktion angerufen, dass 40
bis 45 linkslinke Anarchisten das Lokal besetzt hielten“. Daraufhin
traf alles an Bullen ein, was Salzburg zu bieten hat, um die rechte
Veranstaltung vor den ruhig ihr Bier trinkenden Anarchos zu beschützen.
Einige Polizisten in Zivil, die sich vor dem Eingang zum Saal postiert
hatten, trugen ihre Waffen gut sichtbar in Bein-Pistolenhalftern. Der
privat die Veranstaltung besuchende Felber beschimpfte die
AntifaschistInnen und meinte, sie seien „alle arbeitslos und schwul“.
Ebenfalls anwesend waren Salzburger Burschenschafter und
Südtirol-Fanatiker. Andere Gäste des Urbankellers zeigten sich verärgert
über den rechten Auftritt.
Im Jänner 2011 lud die Burschenschaft
Germania den Walter Marinovic, der sich selbst als „Ostmärker“
bezeichnet, als Referenten zum Thema „Türkensturm – einst und jetzt“
ein. Die Germania hat ihre Bude übrigens in einem arisierten Haus, in
dem Salzburger Jüdinnen und Juden ihren letzten Wohnsitz hatten, bevor
sie von den Nazis im KZ ermordet wurden.
Außer mit verbalen
Zumutungen fallen AnhängerInnen der FPÖ immer wieder mit gewalttätigen
Übergriffen gegen Leute mit Migrationshintergrund und Linke auf. Der
Täter machte dazu den Hitlergruß. Auf der „X-treme Party“ der Jungen
Volkspartei in Hof im Sommer 2009 beschimpften RFJler (Ring
Freiheitlicher Jugend) eine Gruppe Jugendlicher, die sie offenbar als
migrantisch eingeordnet hatten, mit Nazi-Parolen und „Heil
Hitler“-Rufen. Darauf folgte eine Schlägerei mit zahlreichen Verletzten.
Die Nazis kommen aus Hof, Faistenau und Koppl, es handelt sich also um
einen Teil der dortigen Dorfjugend. Einige JVPler waren nach dessen
Neugründung zum RFJ gewechselt.
Von einem Wahlkampfauftritt von HC
Strache in Faistenau 2008 berichtete sogar der ORF-Report über ein
freudiges „Heil Hitler“ eines jungen Strache-Fans.
Es ist
allerdings nicht nötig die ganze Scheiße bei der FPÖ zu suchen: Der
Büroleiter des ÖVP-Vizebürgermeisters der Stadt Salzburg, Bernd Huber,
hat in einer Kameradschaftsbundzeitung einen Nachruf auf den ehemaligen
Angehörigen der Legion Condor, Nazi und Kampflieger Hajo Hermann, der
nach dem Krieg als Rechtsanwalt diverse Nazigrößen wie David Irving,
Otto Ernst Remer oder Fred A. Leuchter verteidigte, verfasst:
„tadelloser Soldat, der … gewürdigt werden soll: Ehre seinem Andenken!“,
„Trotz hoffnungsloser Unterlegenheit stellten sich die Jagdflieger der
Reichsverteidigung den Bomberströmen unter schweren Opfern entgegen, um
der geschundenen Zivilbevölkerung noch Schlimmeres ersparen zu
helfen.“….
Vor zehn Jahren hatte Huber schon einmal einen großen
Auftritt, als der russische Geschichts-revisionist Viktor Suworow an der
Salzburger Uni referierte, und Huber in Uniform des österreichischen
Bundesheeres dabei behilflich war ungebetene Gäste auf sehr unsanfte
Weise aus dem Saal zu befördern.
Aber auch in Räumen wo es nicht
vermutet werden sollte treten rechte Gestalten auf: Im Rockhouse kam es
mehrmals zu Veranstaltungen mit NS-Blackmetalbands wie zum Beispiel der
Band Taake, die, trotz Hinweisen von Antifaschist_innen, spielen durfte –
peinlich nur für das Rockhouse, dass der Sänger der Band zwei Tage
vorher in Essen mit aufgemaltem Hakenkreuz auf der Brust auftrat.
Auch
im Cave, jetzt b.lack, traten im Rahmen der
Overdose-Veranstaltungsreihe insbesondere beim Auftritt von Neofolkacts,
Personen mit SS-Uniformen, T-Shirts mit Schwarzer Sonne, diversen
Abzeichen aus dem dritten Reich und ähnlichem Scheiß auf.
Auch
ein Vertreter der US-amerikanischen Rechten hat sich beschaulich in
Salzburg, genauer in Zell am See, eingenistet: David Duke, ehemaliges
führendes KuKluxKlan-Mitglied und Unterstützer des Holocausleugners
Ernst Zündel.
Alles kein Wunder in einer Stadt, in der Personen,
die im Nationalsozialismus bedeutende Funktionen hatten, wie
selbstverständlich im Stadtbild integriert sind. So werden zum Beispiel
der Mitbegründer der Salzburger Festspiele und einer der frühesten
Wegbereiter des NS in Österreich Heinrich Damisch, der Opportunist Carl
Orff, der Leiter der Salzburger Festspiele und Goebbelsfreund Klemens
Krauss, der Opportunist und NSDAP-Mitglied Franz Karl Ginzkey, das
NSDAP-Mitglied Herbert von Karajan und Hitlers Lieblingsbildhauer Josef
Thorak mit Straßen- und Platzbenennungen gewürdigt. Statuen von Josef
Thorak stehen noch immer völlig unkommentiert im Kurgarten nahe dem
Schloss Mirabell; der Bildhauer selbst war auch noch als künstlerischer
Berater der SS-eigenen Porzellanmanufaktur Allach auf dem Gelände des KZ
Dachau tätig, wo er persönlich die KZ-Häftlinge bei ihrer Arbeit in der
Fabrik inspizierte.
Weiterhin Ehrenbürger der Stadt Salzburg ist
auch der Gründer des Hauses der Natur, Eduard Paul Tratz,
SS-Hauptsturmführer, Träger von Totenkopfring und Blutorden
(berüchtigtes Zitat: „In freier Natur werden solche Krüppel und
Missgeburten rücksichtslos ausgemerzt – auch viele ursprüngliche
Völkerstämme halten an dieser natürlichen Auslese fest. […] Doch kann
ein Volk an Körper und Seele nur dann gesund und kräftig bleiben, wenn
es sich auch diesem Naturgesetz wenigstens in bedingtem Maße über
Gefühlsregungen hinweg unterstellt.“ ).
Zu behaupten, in Salzburg
gäbe es kein Naziproblem ist also schlichtweg falsch. Die extrem
Rechten treten in verschiedensten Formen auf und arbeiten mit
unterschiedlichen Mitteln – nicht immer sind Nazis an Glatzen und
Springerstiefeln zu erkennen. Das wissen sie auch auszunutzen: wenn in
einer subkulturellen Szene Nazi-Symbolik als unbedenklich angesehen
wird, gewöhnen sich die Leute daran und hören auf, sich daran zu stören.
Überzeugte Nazi-Metalfans werden als Teil der Szene akzeptiert, und die
FPÖ kann sich auf ihren Status als demokratisch gewählte Partei
berufen, um die braunen Umtriebe in ihrer Mitte zu verharmlosen. Wenn
Rechte mit rot-weiß-roten Aufklebern für dem Anschluss Südtirols an
Österreich werben, finden das viele wahrscheinlich begrüßenswert
patriotisch und haben überhaupt kein Problem mit der
völkisch-rassistischen Argumentation dahinter.
Zwar findet ein
beträchtlicher Teil der Salzburger Bevölkerung die NS-Zeit schlimm und
will keine Schlägernazis in ihrer Nachbarschaft, von konsequentem
Antifaschismus ist leider trotzdem oft weit und breit nichts zu
bemerken. Bis in alternative Kreise hinein schlucken ansonsten fähige
Leute die grundlegend falsche Vorstellung von den politischen Extremen
außerhalb der demokratischen Mitte der Gesellschaft, welche sich
angeblich einander annähern sollen. Der radikalen Linken wird
unterstellt, sie würde im Verhalten den Nazis ähneln, was schlicht
gelogen ist. Praktischerweise soll es auch verschleiern, dass eben genau
die demokratische Mitte mit ihrem Alltagsrassismus, ihrem Sexismus,
ihrer Homophobie und ihrem Befürworten von ökonomischer Ausbeutung der
extremen Rechten einen Boden bietet, aus dem diese immer neue Kräfte und
Unterstützung ziehen kann.
Wenn heute anständige Konservative
Neonazis als glatzköpfige Aliens darstellen, die von außen kommend das
bodenständige Zeltfest in Angst und Schrecken versetzen, ist die
Parallele zur Geschichtslüge, mittels derer Österreich als „erstes Opfer
der Nazis“ dargestellt werden sollte, offensichtlich. Hartnäckig werden
immer noch diejenigen als Problem und Unruhestifter_innen dargestellt
und strafrechtlich verfolgt, die auf rechte Umtriebe hinweisen und diese
bekämpfen. Solange dem so ist, stimmt traurigerweise der Spruch eines
bekannten Neonazi, dass seine gewalttätigen Kameraden „der bewaffnete
Arm der Stammtische“ wären. Dagegen müssen wir ankämpfen, in Wort und
Tat, im Alltag und auf der Straße.
Keinen Platz für (Neo) FaschistInnen und deren Ideen!
Niemals, Nirgendwo!
Deshalb alle am 9.4 um 15.00. Platzl!
http://antifa-s.tk/
Berichtsammlung dazu auf indymedia.at